Charivari
Radetzkymarsch, Geschützlärm, Kaiserhymne. „Capitalism ist the virus“ und „Revolution“ steht auf der Bühnenwand, die sich öffnet und den Blick auf einen Schweinskopf freigibt – ein Bild, das am Ende ähnlich wiederkehrt und etwas verstörend einen unsympathischen Menschen zur Sau degradiert. Die Nestroyspiele Schwechat spielen heuer das bald nach der Revolution von 1848 anonym veröffentlichte Stück „Charivari“, mit dem Nestroy bei der Uraufführung beim revolutionsmüden Publikum durchfiel. Das Wort „Charivari“ kann vieles bedeuten, es steht auch für eine satirische Zeitschrift dieser Zeit. Intendant Peter Gruber serviert temporeich eine politische Satire, die mit den „ehrsamen Kapitalisten“ abrechnet. Der Inhalt – gieriger Vormund erleidet mit seinen Plänen Schiffbruch – ist Nebensache.
Für unterhaltsames Sommertheater sorgen mehrere – an den „Fliegenden Blättern“ des Vormärz orientierte – Verkleidungen, Nestroy’scher Wortwitz und viele aktuelle politische Anspielungen.
Ein urkomödiantischer Oliver Baier führt in der Nestroy-Rolle des Pfiffikus Finkl, brillierend mit bissigen Zusatzstrophen zu einem geistreichen Couplet über den richtigen Zeitpunkt, ein Ensemble ohne Schwachpunkt an, das überschwängliche Nach-Corona-Spielfreude ausstrahlt. In den Hauptrollen bewähren sich Rainer Doppler als Kapitalist Muffinger, Marc Illich als dessen dümmlicher Sohn Isidor, Michelle Haydn als „fesche-resche“ Köchin Kathi, Ines Cihal als aufbegehrendes Mündel Marie, Lukas Aschenreiter als deren Liebhaber Adolf und Robert Herret als um seinen Broterwerb bangender Hausknecht Kajetan. (Heiner Boberski)
- Quelle: Wiener Zeitung