Aus dem Vorwort: Der erste Teilband ist jenen Nachträgen gewidmet, die sich unmittelbar auf die bereits erschienenen Bände der Ausgabe beziehen. Am Anfang steht ein neuer Haupttext, der vollständige Prinz Friedrich von Corsica, der den Text im Band Stücke 1 ersetzt. Nach dem Erscheinen des ersten Stücke-Bandes 1979 waren verschiedene weitere Manuskripte aufgetaucht. Der neue Text, den Friedrich Walla 1997 mit einer kurzen Einführung in der Reihe „Mimundus“ herausgebracht hat, wird hier um einen kritischen Apparat ergänzt.
Der umfangreichste Abschnitt sind die Addenda und Corrigenda, die alle Bandbearbeiter seit den frühen neunziger Jahren sammeln – ein Beispiel echter Teamarbeit. Sie wurden mehrere Jahre lang von W. E. Yates zusammengestellt und schließlich von Peter Haida koordiniert, der auch die Korrekturen zu diesem Abschnitt betreut hat. Wir sind uns bewußt, daß keine Ausgabe je endgültige Vollständigkeit garantieren kann. Trotz jahrzehntelanger Forschungen in den Archiven, ist nicht auszuschließen, daß auch in Zukunft weiterhin als verschollen geltende oder sogar bisher unbekannte Theatermanuskripte oder Originalhandschriften auftauchen können. Bei Bedarf wird über derartige Funde in der Zeitschrift Nestroyana berichtet werden.
Die wichtigsten Corrigenda sind natürlich Berichtigungen von Fehlern im Haupttext; viele dieser Fehler sind auf Einzelheiten der Zeichensetzung und Schriftart beschränkt. Zu den Addenda, diewie dieCorrigenda imLauf jahrelangerKorrespondenz unter den Bandbearbeitern entstanden sind, haben alle Mitarbeiter an derAusgabe beigetragen, und dieEintragungen zu den einzelnen Bänden wurden von dem jeweiligen Bandbearbeiter überprüft und ediert.
Neue Textfunde, auch Ergänzungen zu den Vorarbeiten, sind unter den Addenda transkribiert, wobei jene, die schon in den Nestroyana veröffentlicht wurden, neu durchgesehen worden sind. Hier finden sich auch Hinweise auf weitere Rezensionen, vor allem zu Nestroys Gastspielen. In einigen Fällen wird auch derTextweitererRezensionen gedruckt, besonders in denNachträgen zu den frühen, in den 80er Jahren erschienenen Bänden der Ausgabe, in denen die Rezeption der Stücke noch weniger ausführlich berücksichtigt wurde.
Das umfangreichste Addendum wird dann als einzelner Text behandelt: die von Jürgen Hein edierte vollständige Vorstufe zu Heimliches Geld, heimliche Liebe, die unter den 1996 im Deutschen Theatermuseum in München wiederentdeckten Handschriften aus der ehemaligen Sammlung Trau erhalten ist und den Titel Briefe trägt. Am Ende stehen zwei dramatische Fragmente aus den frühen fünfziger Jahren: Drey starke Geister geht nicht über ein paar mehr oder weniger unzusammenhängende Notizen hinaus; Praktisch und Unpraktisch, gleichzeitig mit „Nur keck!“ entstanden, besteht aus umfangreichen Vorarbeiten, die allerdings nicht über die „Präliminarien“ hinauskommen.
Aus dem Vorwort: Der zweite Teilband der Nachträge enthält Entwürfe aus der Werkstatt des Dramatikers, Bearbeitungen fremder Stücke und nichtdramatische Schriften. Zumindest zwei Texte, die in SW noch als selbständige Fragmente behandelt worden waren, sind inzwischen als Vorarbeiten zu bekannten Stücken erkannt worden: das Fragment Zweifel, das in der Entstehungsgeschichte von Kampl eine Rolle spielt (siehe Stücke 31, 279–288 [Text], 162–164; zur entstehungsgeschichtlichen Bedeutung des „Zweifel“- Fragments vgl. Walla, Fred, ,Johann Nestroys dramatischer Plan „Zweifel“‘, Österreich in Geschichte und Literatur 23 [1979], S. 49–55), und die Handschrift mit der Überschrift „Londoner Unverschämtheit“ mit Notizen zu der Hauptvorlage von „Nur keck!“ (siehe Stücke 34, 138–141 [Text der HS V2], 120–127 [zu Nestroys Bearbeitung des Originals]).
Der größte Abschnitt dieses zweiten Teilbandes ist drei Bearbeitungen gewidmet. Fast alle Nestroy-Stücke sind bekanntlich Bearbeitungen fremder Vorlagen; hier handelt es sich aber um Stücke, zu denen er nur Teile beigetragen hat, von der alten Faschingsposse Die Ballnacht von Waldon (1835) zum Einakter Ein gebildeter Hausknecht von David Kalisch – einem Stück, das Nestroy 1858 als Direktor in den Spielplan des Carltheaters aufnahm. Zur Ballnacht haben Nestroy und sein Komponist Adolf Müller neue Musik und Gesangstexte beigesteuert. Der Text von Ein gebildeter Hausknecht, einem Theatermanuskript gemäß „für die österreichischen Bühnen bearbeitet von Joh. Nestroy“, wurde in Wirklichkeit nur relativ leicht bearbeitet; Urs Helmensdorfer legt einen genauen Vergleichmit der Vorlage vor, der die Arbeitsweise des älteren Nestroy ausführlich dokumentiert. Diese beiden Stücke versah Nestroy mit Rollen – Schnepf in der Ballnacht und Knitsch im Gebildeten Hausknecht –, die sich großer Beliebtheit erfreuten.
Das gilt erst recht für den einäugigen Sansquartier in der Bearbeitung von Angelys Zwölf Mädchen in Uniform, eine von Nestroys großen Lebensrollen, in der er von 1827 bis 1862 mindestens zweihundertmal aufgetreten ist – in Graz und Preßburg, über hundertmal in Wien und immer wieder auf seinen Gastspielreisen. Daß Nestroy den Text – oder wenigstens: Teile davon – selber bearbeitet hat, ist gesichert; wann seine Einlagen und Umformulierungen entstanden sind, läßt sich aber im einzelnen aufgrund der Vielfalt an erhaltenen Theatermanuskripten, Rollenheften und Fragmenten kaum mehr feststellen. Sowohl die Überlieferung als auch der Text (mit den beliebten Glossen zu im Burgtheater gespielten Stücken wie Don Carlos, Die Jungfrau von Orleans, Müllners Die Schuld, Halms Griseldis und Der Sohn der Wildnis) werden hier ausführlich kommentiert, was eine der großen Lücken der älteren Nestroy-Ausgaben endlich schließt.
Ein Werk fehlt: Orpheus in der Unterwelt. In der Bearbeitung der Offenbach-Operette trat Nestroy ab 1860 als Jupiter auf. Es war die letzte Rolle, die er am30. Oktober 1860 in jener „Bunten Szene aus Possen, Parodien und Operetten“ spielte, mit der er am Schluß seiner Direktionszeit vom Publikum des Carltheaters Abschied nahm. Wir hatten gehofft, auch diesen Text in den Nachtragsband aufnehmen zu können, was aber leider aufgrund des Gesundheitszustands des designierten Herausgebers nicht möglich war. Das Werk unterscheidet sich übrigens insofern von den anderen Bearbeitungen, als es im Carltheater nicht als Nestroy-Werk aufgeführt wurde und es nur minimale handschriftliche Zeugnisse für Nestroys Mit-Autorschaft gibt. Hoffentlich wird eine spätere Publikation, möglicherweise in Form eines Bandes in der Reihe „Quodlibet“, dieser Sonderstellung Rechnung tragen. Das Kapitel „Texte zu Stücken anderer Dramatiker“ enthält vor allem Lieder für Stücke von Dramatikerkollegen, wie sie Nestroy immer, wahrscheinlich schon bei seinem Engagement in Amsterdam, geschrieben hat; aus einigen erhaltenen Rollenheften geht hervor, daß er auch noch in seiner Direktionszeit Zusatzstrophen für seine eigenen Rollen verfaßte. In Brünn wurde er bekanntlich im Dezember 1825 polizeilich bestraft, weil er sich in der Rolle des Barbiergesellen Adam in der komischen Oper Der Dorfbarbier einige von der Zensur nicht bewilligte Zusätze erlaubt hatte. Es ist Walter Obermaier gelungen, im Mährischen Landesarchiv Brünn das Original der Akte zu finden, in dem nicht nur der Text des Couplets, sondern auch der des Monologs erhalten sind; beide sind von Nestroys Hand. Die meisten Liedtexte, die unter seinem Namen veröffentlicht wurden oder in seinen Rollenheften in seiner eigenen Schrift erhalten sind, entstanden aber viel später; es handelt sich dabei größtenteils um Strophen, die er zu Stücken von Dramatikern wie Friedrich Kaiser geschrieben hat. Über die Reserve und die anderen Kollektaneen hinaus, die in der Quodlibet-Ausgabe „Reserve“ und andere Notizen (2., verbesserte Aufl. 2003) wiedergegeben wurden, finden sich im Abschnitt „,Ideen‘, ,Notizen‘, Refrains und Entwürfe zu Liedern“ weitere Texte mit Listen von Refrains sowie Entwürfe zu Liedern, welche zunächst gar nicht für bestimmte Stücke verfaßt worden sind. Zu diesen Texten gibt es im Anhang ein Verzeichnis der bisher identifizierten Quellen der einzelnen numerierten Eintragungen in der Reserve und den anderen Listen von Kollektaneen. Querverweise erschließen die Stücke und Vorarbeiten, in denen die Formulierungen verarbeitet sind.
Weniger bekannt als bei fast jedem anderen Dramatiker des 19. Jahrhunderts sind Nestroys nicht dramatische Schriften. Ihnen ist der letzte Abschnitt des Nachtragsbandes gewidmet. Nur wenige Gelegenheitsgedichte und -sprüche sind erhalten. Bei den „Worten zu Zampis“ handelt es sich um großteils eigenhändig überlieferte kurze Begleittexte zu Karikaturen des Genremalers und Zeichners Anton Zampis aus dem Jahr 1848, zu welchen auch Vorarbeiten vorliegen. Die Fassung in SW V (1925) war revisionsbedürftig; John McKenzie hat die Überlieferungsgeschichte dokumentiert und den Text um umfangreiche Anmerkungen und Abbildungen der Karikaturen, auf die sich Nestroys „Worte zu Zampis“ beziehen, ergänzt. Unter den „Varia aus der Münchner Nestroy-Mappe“ finden sich verschiedene Notizen und Entwürfe, die sich keinem der fertigen Stücke Nestroys zuordnen lassen. Einige kurze Dialogstellen sind nach der Revolution entstanden, was aus Anspielungen auf die Nationalgarde und die „Politik der Türkey“ hervorgeht. Die Notizen zu mehreren Romanen sind Früchte von Nestroys Lektüre; nur ein einziges dramatisches Werk kommt in dieser Liste vor: Herr und Diener, Margaretha Carls Bearbeitung von Victor Hugos Versdrama Ruy Blas, die im November 1839 in der Leopoldstadt aufgeführt worden war. Bei dem kurzen „Brief aus dem Jenseits“ handelt es sich um einen wahrscheinlich in den fünfziger Jahren entstandenen, offensichtlich fiktiven Briefentwurf in Form einer antisemitischen Polemik. Der Titel stammt nicht von Nestroy; aus welchem Anlaß dieser rätselhafte Text entstanden sein kann, ließ sich nicht eruieren.