Posse mit Gesang in 2 Akten
- Entstehung 1836
- Uraufführung 6. Mai 1836, Theater an der Wien (110 Aufführungen)
- Nestroy-Rolle Fabian Strick (Rollenverzeichnis 568)
- Musik Adolf Müller; Nachweise: Hilmar S. 65 f.; HKA Stücke 11, S.374–382 und 384–425
- Vorlage J. A. Gleich, Maler Klex oder Das Notwendige. Natürliches Zauberspiel mit Gesang, 1819, Theater in der Leopoldstadt (nach C. A. de Sarrazin, Le Nécessaire et le Superflu)
- Überlieferung Gladt, S. 65; Hadamowsky 1928, S. 142; Hadamowsky 1934, S. 215; SW, Bd. 8, S. 200–225; GW, Bd. 2, S. 729; HKA Stücke 11, S. 143–243
- Werkausgaben (Stücktext) Chiavacci Bd. 7, S. 151–194; SW, Bd. 6, S. 289–378; GW, Bd. 2, S. 551–624; HKA Stücke 11 (Herausgeber Jürgen Hein), S. 5–72
- Musik (erhältlich) Wienbibliothek Partitur1 Partitur2 | Klavierauszug
- Aufführungen Nestroy-Spiele 1984 | Nestroy-Spiele 2001
Personen
- Lord Wathfield
- Malvina, seine Tochter
- Lord Howart, ihr Bräutigam
- Sebastian Faden, ein armer Seiler
- Fabian Strick, sein Geselle
- Frau Schnittling, eine Kräutlerin
- Babette, ihre Tochter, Fadens Geliebte
- Pumpf, ein Bandelkramer
- Hannerl, seine Schwester, eine Wäscherin, Stricks Geliebte
- Herr von Brauchenfeld, ein zu Grund gegangener Rentier
- Mathilde, Emilie, seine Töchter
- Theres, deren Stubenmädchen
- Amtmann Geyer
- Krall, Schnell, Puff, Kniff, Fint, Gauner
- Ein Wirt
- Franz, Jakob, Michel, Joseph, Kellner
- Jackson, Jäger des Lord Howart
- John, Bedienter des Lord Howart
- Rasch, Schlossinspektor
- Anton, Georg, Bediente
- Bediente, Einwohne beiderlei Geschlechts, Gäste, Wächter
- Die Handlung spielt in einem Marktflecken und dem dazugehörigen herrschaftlichen Schlosse.
Inhalt
1. Akt
Introduktion I,1 – Als neuer Gutsherr will Howart vor seiner offiziellen Ankunft seinen Besitz und die dort lebenden Leute incognito in Augenschein nehmen. Krall, Schnell, Puff, Fint und Kniff haben davon gehört. Die fünf Gauner haben sich bereits einen Plan zurechtgelegt, um Howart im Wirtshaus zu berauben. Kaum ist Howart eingeschlafen, klettern Krall, Puff und Schnell zum Fenster herein. In diesem Moment erwacht Howart, doch bevor er um Hilfe rufen kann, bedroht Puff ihn mit einem Messer. Für alle unerwartet erscheint der nachtwandelnde Faden am Fenster und erschreckt Schnell so sehr, daß dieser laut schreit. Eilig ergreifen daraufhin alle Gauner die Flucht. Kurze Zeit später meldet der Wirt, daß alle Diebe gefaßt wurden, während Faden, ohne zu erwachen aus dem Fenster klettert. Zu Howarts großer Freude kommt noch seine geliebte Malvina in Begleitung von Wathfield an. Sogleich berichtet Howart, aus welcher Gefahr ihn der Nachtwandler gerettet habe. Aus Dankbarkeit wolle er seinen Lebensretter am nächsten Tag glücklich machen. Wathfield wendet ein, daß er den Mann zwar belohnen, aber trotz seines Reichtums nicht glücklich machen könne. Siegessicher schlägt Howart eine Wette vor: Er wolle Malvina erst heiraten, wenn er seinen Retter „vollkommen glücklich gemacht“ habe. – Auftrittslied Strick I,13 („So viel is einmal wahr und gewiß“) – Nachdem er in Howarts Zimmer gewesen war, ist Faden noch in derselben Nacht in Hannerls Zimmer gestiegen, wo ihn der aufgebrachte Pumpf findet. Der erwachende Faden kann die Situation nicht erklären und Hannerl beteuert ihre Unschuld, doch weder Pumpf und Babette noch Strick glauben ihnen. Pumpf kündigt Faden die Freundschaft, ebenso Babette. Strick trennt sich von Hannerl und will auch seinen Meister verlassen. Er gesteht: „Ich glaube von jedem Menschen das Schlechteste, selbst von mir, und ich hab’ mich noch selten getäuscht.“ Faden steht vor dem Nichts, als ihm Howart und Wathfield erscheinen. Wathfield gibt vor, Diener eines höheren Wesen zu sein, das Faden glücklich machen will. Faden brauche lediglich seine Wünsche zu äußern. Freudig versichert Faden, „all’weil am Notwendigsten Mangel gelitten“ zu haben, weshalb er auch nur das Notwendigste verlange, um der „glücklichste Mensch“ zu sein. Sein Wunsch sei „a bißl a menschlich’s Quartier“ und „’s Tag zwei Zwanziger“. Wathfield sichert ihm die Erfüllung seiner Wünsche zu, allerdings nicht, ohne Faden davor zu warnen, jemals das Überflüssige zu verlangen, da er sonst auch das Notwendige wieder verliere. Howart ist sich seines Sieges bereits sicher, aber Wathfield warnt vor voreiliger Freude. – Lied Hannerl I,21 (R: „Das is weiter kein Schmerz / Für ein weibliches Herz“) – Herr von Brauchengeld hofft, daß sich unter dem Gefolge des neuen Gutsherrn zwei Bräutigame für seine Töchter Emilie und Mathilde finden werden. Vor allem müssen die Heiratskandidaten bereit sein, Brauchengelds Schulden zu begleichen, weshalb beide Töchter die Hoffnung auf eine Hochzeit schon beinahe aufgegeben haben. Geyer würde Emilie gerne heiraten, doch der von Brauchengeld verlangte Betrag ist ihm zu hoch. Glücklich hat Faden ein Haus auf Howarts Besitz bezogen. Als er dort Emilie sieht, verliebt er sich auf der Stelle in sie. Gerade hat Geyer seinen Verzicht auf Emilie erklärt, als Faden sich vorsichtig der Familie von Brauchengeld nähert, die ihn für einen Bettler hält. Als Faden stolz auf seine täglichen Einkünfte verweist, verlangt Brauchengeld kurzerhand 10.000 Gulden für die Hand seiner Tochter. Lachend läßt die Familie den verdutzten Faden stehen. Unterdessen hat Strick beschlossen, sich mit Faden zu versöhnen, da er es als seine „heiligste Pflicht“ betrachtet, den Meister auch in guten Tagen nicht zu verlassen. Als er von dem „Schutzgeist“ und dessen Glücksversprechungen hört, rät er Faden, diesen um das erforderliche Geld zu bitten, da diese Hochzeit für Fadens Glück unbedingt notwendig sei. In der Tat erhält Faden die nötigen 10.000 Gulden. Auf der Stelle präsentiert er dem verblüfften Brauchengeld die verlangte Summe. Auch Emilie ist über den unerwarteten Bräutigam sehr glücklich. In der Zwischenzeit hat Geyer seinen voreiligen Verzicht bereut. Als er bemerkt, wer ihm bei Emilie zuvor gekommen ist, ist er außer sich vor Wut. Er argwöhnt, der arme Seiler habe das Geld gestohlen. Brauchengeld gegenüber versichert Faden, er habe die Seilerei lediglich aus „Kurzweil“ und „Liebe zur Kunst“ betrieben. Auch Pumpf hat von Fadens Glück erfahren und ist bereit, sich mit dem ehemaligen Freund zu versöhnen. Hannerl hat gehört, wie Geyer dem Wächter gegenüber von „Einführen“, „Seilerer“ und „Lump“ gesprochen hat. Da sie fest davon überzeugt ist, es sei von Strick die Rede gewesen, will sie ihn warnen. Dieser ist sich jedoch sicher, daß Hannerl auf diesem Weg eigentlich Faden warnen will und weist sie von sich. Um Faden vor dem Zugriff des Amtmannes zu bewahren, gibt Wathfield ihm einen Brief von Howart, der sich direkt an Geyer wendet. Darin droht er diesem mit Entlassung, sollte er bei seiner Ankunft feststellen, daß Faden nicht die größte Achtung entgegen gebracht wurde. Geyer beugt sich dem Willen seines Herrn und bezeugt Faden seine Ehrerbietung. – Quodlibet I,34.
2. Akt
Chor II,1 – Faden hat einen Wunsch nach dem anderen, jedoch ohne, daß etwas überflüssig erscheint. Er wünscht bessere Kleidung für sich und seinen Freund Strick, eine Uhr und einen Ring. Da Brauchengeld sich mit Mathilde und Emilie bei Faden einquartiert hat, braucht er auch für diese eine Ausstaffierung. Zwar beängstigt Emilie der plötzliche Reichtum ihres Bräutigams, doch Brauchengeld besteht auf der Hochzeit. Allerdings kränkt es Emilie, in einem Gartenhaus und nicht in einem Palast zu wohnen. Mathilde hofft für sich auf eine noch bessere Partie. Strick erzählt Theres, Faden und er selbst verfügten über eine „unversiegbare Goldquelle“, die alle Wünsche erfüllen könne. Daraufhin verlangt Emilie von Faden den Kauf des Herrensitzes. Erschrocken verweist Faden auf seine geringen Einkünfte, doch Emilie droht, aus Kummer krank zu werden und zu sterben. Schließlich gibt Faden nach, hat aber Angst vor der Reaktion der „Geister“. Zunächst will Howart den Wunsch abschlagen, doch Wathfield erinnert ihn an sein Wort. Zwar wird Faden von beiden getadelt, aber er bekommt seinen Willen. – Lied Strick II,9 (R: „So is überall halt ein Umstand dabei.“) – Emilie und Faden nehmen das Haus in Besitz, samt der von Emilie verlangten Schimmel. Allmählich kommt Howart seine Wette teuer zu stehen, doch Wathfield weist ihn daraufhin, daß er lediglich warten könne, bis Faden das Überflüssige verlange. Für den Abend erbittet Faden eine große Einladung, die ihm ebenfalls gewährt wird. Pumpf bittet Faden für einen Freund um 500 Gulden, die er erhält, weil es notwendig ist, „einem armen Teufel was Gutes“ zu tun. Pumpf versucht, Strick zu versöhnen. Hannerl beteuert weiterhin ihre Unschuld, und Pumpf verweist auf eine Erbschaft von einigen tausend Gulden, doch Strick lehnt ab. Terzett Hannerl, Theres, Strick II, 17: Die beiden Frauen sind aufeinander eifersüchtig. – Chor der Gäste II,18 – Während des Essens stört Faden sich an Wathfields Zopf. Vehement verlangt er das Abschneiden des Zopfes. Darin sieht Wathfield einen überflüssigen Wunsch. Bereits zuvor hatte Howart seine Bedienten auf diesen Fall vorbereitet. Wie Furien erscheinen sie nun von allen Seiten, ziehen Strick und Faden die prächtigen Kleider aus und jagen sie aus dem Haus. – Chor II,20 – Nach wie vor sind Babette und Hannerl unglücklich, ihre Geliebten verloren zu haben. Ebenso verwundert wie alle anderen sehen sie Faden und Strick wieder in ihren alten Anzügen durch die Straße gehen. Außer dem Verlust seines Reichtums schmerzt es Faden besonders, daß Emilie ihn als armen Mann nicht heiraten will. 30 Gulden, um die Strick seinen Meister betrogen hatte, sind beider Besitz. Am nächsten Tag will Faden sich das Leben nehmen. Brauchengeld darf das erhaltene Geld behalten. Somit ist der Weg frei, für eine Hochzeit von Emilie und Geyer. Malvina hat Howart verziehen, ihr Glück so leichtfertig aufs Spiel gesetzt zu haben. Gerade will Geyer Howart und Wathfield als verdächtige Subjekte festnehmen, als Faden nachtwandlend durch das Fenster steigt. Auf diese Weise wird allen klar, warum er seinerzeit in Hannerls Zimmer entdeckt wurde. Glücklich schließt Babette ihren Geliebten in die Arme. Auch Strick erscheint als Nachtwandler. Da Hannerl ihn vor Erstaunen mit Namen anspricht, erwacht er und fällt in den Schornstein. Nach seiner Rettung gibt Howart sich zu erkennen und erklärt, womit Faden sein Glück verdient hatte. Um ihn doch noch glücklich zu machen, schenkt Howart Faden das durch dessen Übermut verlorene Häuschen, und Wathfield steuert ein kleines Kapital für das Geschäft bei. Auch Strick hat durch sein eigenes Nachtwandeln erkannt, daß er Hannerl unrecht tat, so daß am Ende einige Hochzeiten in Aussicht und den Versöhnungen von Babette und Faden und Hannerl und Strick nichts mehr im Wege stehen. – Schlußgesang Strick mit Chor II,28 („Der Verstand ist das Licht unsers Lebens“).
Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner