Nestroy-Spiele 1996

Adelheid, die verfolgte Wittib

24. Nestroy-Spiele Schwechat 1996 im Schlosshof der Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5, im Juli 1996

Besetzung

  • Pfundar, der Gütige, ein gemordeter Herrscher Andreas Bauer/Isabella Rössler
  • Adelheid, seine unglückliche Witib Susanne Urban
  • Bubino, ihr sechsjähriger Sohn von sechs Jahren Thomas Spinka
  • G’schicktus Konrad Kostmann
  • Ein Pfarrer Poldi Selinger
  • Berengario, ein böser Zauberer, famoser Tyrann und renomierter Verfolger der Witwen und Waisen Willibald Mürwald
  • Sputzifuriono, Berengarios Vertrauter Angela Koliander
  • Rex, ein Drachenhund Lukas Spinka
  • Flegelino, Portier auf dem Zauberschlosse Horst Salzer
  • Seelengutino, Kerkermeister auf dem Zauberschlosse Bruno Reichert
  • Dalkopatscho, sein Sohn Leo Selinger
  • Die vier Dolchiosis, diplomierte Mörder Robert Herret, Sascha Nikodym, Margherita Bolaffio, Markus Zarl
  • Aurora, die Göttin der Morgenröte Traude Selinger
  • Pantoffelino, ein reicher Bauer Poldi Selinger
  • Tradi, sein Weib Sylvia Janousek
  • Glachelio, ein Bräutigam Markus Zarl
  • Schatzeline, seine Braut Christine Zimmermann
  • Ein buckliger Dudelsackpfeifer Robert Herret
  • Pumpfo, ein Verräter Isabella Rössler/Andreas Bauer
  • Ein alter Greis, weißer Bewohner einer schwarzen Höhle Robert Herret
  • Gareissl, ein junger Fischer Sascha Nikodym
  • Krotto der Kleine mit dem großen Bart, Sternenkönig Sabine Stacher
  • Krottos Gefolgschaft Sigrid Stammer, Margherita Bolaffio, Lukas Spinka
  • Hofdamen, Bäuerinnen Sylvia Janousek, Christine Zimmermann, Sissi Stacher, Sigrid Stammer, Maria Schrittwieser, Sabine Stacher, Veronika Hegler, Margherita Bolaffio
  • Berengarios Mannen Peter Koliander, Horst Salzer, Gerhard Stacher, Eduard Gnadlinger, Wolfgang Spinka
  • Regie Peter Gruber
  • Ausstattung Nora Scheidl
  • Musik Kurt Adametz

Pressestimmen

Die Presse, 1. Juli 1996: Galaktischer Nestroy

Peter Gruber entreißt ein unbedeutendes Frühwerk Nestroys, „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“ dem Vergessen und macht daraus eine köstliche Parodie auf heutiges Kulturgut.

Ein grüngesichtiger Sputzifurino mit Spockohren und ein Berengario in silberner Luxusgewandung mit glitzernder Irokesen-Haartracht machen die Nestroy-Posse zu einem köstlichen galaktischen Ereignis, irgendwo will die edle Adelheid zur Ehe zwingen, und läßt sie zu diesem Behufe in den Kerker sperren.

1832 hatte sich der junge Nestroy mit dieser Parodie auf einen dramatischen Ballettabend als Autor versucht. 1996 parodiert Regisseur Peter Gruber mit seiner Inszenierung des spät ausgegrabenes Werkes unsere Massenkultur. Die Gefangenen des gefühlvollen Kerkermeisters singen zur Melodie des Gefangenenchores aus Nabucco allerlei Wienerisches, „Ja, im Gefängnis, da is alleweil a Hetz“, und essen nebenher Popcorn. Bekannte Fernsehkennungen wie „Der rosarote Panther“ oder „Mike Hammer“ sind zu hören, das Publikum fällt von einem Aha-Erlebnis ins nächste, und wenn Berengario losrockt, ist dieser Nestroy fast zu einem Musical geworden. Im Feuerwerk der Zitate wird die Löwingerbühne verrissen und der Sternenkönig erscheint als Michael Jackson.

In der Fülle eigenständiger Sequenzen fällt es zum Teil schwer, das Stück als homogenes Ganzes zu begreifen. Da das Frühwerk aber als Bagatelle bezeichnet werden muß, wäre es ohne solch deftigen Aufputz wohl unspielbar.

Unter anderem haften ihm noch die märchenhaften Elemente des damaligen Unterhaltungstheaters an – sie werden durch Bühnennebel, Sprühkerzen, Feuer und groteske Kostüme (Ausstattung: Nora Scheidl) verstärkt.

Mit grandios einfachen Ideen wird aber großes Maschinentheater umgangen: Das Schiff fährt, der Fisch wird geritten und die Fische springen meterhoch aus den Wellen. Eine hinreißende Volksbelustigung. (opp)

Kurier, Juli 1996: Nestroy einmal anders

Sommertheater ist beliebt, Nestroy ist beliebt, also wird beides gemixt und in Form eines leichten, bekömmlichen Bühnen-Cocktails an Theaterfreunde „ausgeschenkt“. So ist die Praxis, so passiert es niederösterreichweit in vielen Gemeinden jedes Jahr aufs neue.

Schwechat ist anders. Statt die hundertste Bearbeitung von „Lumpazivagabundus“ oder dem „Jux“ zu bieten, durchstöbert das Laienensemble rund um Theaterprofi und Regisseur Peter Gruber jedes Jahr das Werk des Meisters und zaubert immer wieder neue, bis dato nur eingeweihtesten Kreisen bekannte Stücke auf die Bühne. Heuer ist das Nestroysche Frühwerk „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“, das man auf der Bühne im Schloßhof der Rothmühle zaubert.

„Adelheid“, eigentlich nicht mehr als eine erste Talentprobe des späteren Meisters Nestroy und von der Papierform her fürs heutige Theater eigentlich unspielbar, wird bei den Schwechatern – getragen von tollen Leistungen der Crew – zur bunten Musikrevue, die Auge und Ohr des Betrachters kaum zur Ruhe kommen läßt. Prädikat: Unbedingt sehenswert. (kub)

Wiener Zeitung, 30. Juni 1996: Nestroy-Spaß in Schloß Rothmühle

Für die 24. Spielsaison wählten Nestroy-Ring-Preisträger und Regisseur Peter Gruber und sein wackeres Laienschauspielerteam eines der ersten Stücke Nestroys. „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“ ist eine wienerische volkstümliche Parodie auf einen melodramatischen Ballettabend, der 1832 am Wiener Kärnthnertor-Theater gegeben wurde.

Peter Gruber macht daraus eine höchst vergnügliche Fantasygeschichte, die irgendwo im galaktischen Raum zwischen Neuschwechat und Klein-Rannersdorf angesiedelt ist. Die Bühne bevölkern finstere Bösewichte, Gnome, Außerirdische, Mordbuben, schöne Frauen, patzweiche Kerkermeister, Bißgurn und Simandln. In einem wahren Pointenfeuerwerk nimmt Gruber mit Hilfe der Nestroy – Vorlage unsere heutige Zu- und Umständ auf die Schaufel. Von Otto dem Nordfriesen über das Sparpaket, das Fernsehen bis zu Michael Jackson bleibt nichts und niemand verschont. Dabei hält sich Grubers Interpretation streng an den Nestroy-Text, den man zur Überprüfung zum Programmheft dazubekommt.

In Nora Scheidl, die für die überaus fantasievolle und überraschungsträchtige Ausstattung sorgte, findet der beinahe schon geniale Regisseur Nestroyscher Raritäten Peter Gruber eine ideale Verbündete. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, mit wieviel Fantasie und einfachsten Mitteln hier größtmögliche Wirkung erzielt wird.

Wiederum kann man sich über den Spieleifer der unentgeltlich und ohne Verstärkeranlage agierenden Schauspieler nur wundern. Stellvertretend für das großartige Ensemble seien Susanne Urban als kapriziöse Witib Adelheid, Bruno Reichert als gefühlvoller Kerkermeister Seelengutino, Leo Selinger als linkischer Dalkopatscho und Robert Herrets köstliche Guruparodie genannt.

Nestroys Erstlingswerk „Adelheid“ ist in Peter Grubers Inszenierung ein fulminanter Nestroy-Spaß geworden, den man sich nicht entgehen lassen sollte. (Brigitte Suchan)

Neue Kronenzeitung, 2. Juli 1996: Leidenschaften der „Witib“

Sie agieren mit unglaublicher Begeisterung, steigern ihre Spielfreude von Szene zu Szene: Schwechats Nestroy – Laienspieler haben wieder Saison! Mit „Adelheid, die verfolgte Witib“ hat Regisseur Peter Gruber ein fast unbekanntes, skurriles Nestroy-Stück ausgegraben.

Eine Geschichte wilder Leidenschaften – im Mittelpunkt die Witwe Adelheid und ihr brutaler Verfolger Berengario: „Adelheid“ ist eine Parodie auf Modestücke des Vormärz, aber kein „typischer Nestroy“.

Peter Grubers Regie blüht in den skurrilen Szenen auf: Gags und Witze jagen einander. Aus der TV-Welt hat er sich nicht nur den Slapstick ausgeborgt, sondern auch Werbezitate, Carmen, das Raumschiff Enterprise …

Bruno Reichert mit Riesenbuckel, Susanne Urban als köpferverdrehende Adelheid und Willibald Mürwald als Berengario erschüttern so manches Zwerchfell. (O. L.)

Niederösterreichische Nachrichten, 3. Juli 1996: Großartige Nestroy-Premiere im Schloßhof der Rothmühle – „Adelheid, die verfolgte Witib“ begeisterte das Publikum

Im 24. Jahr der Schwechater Nestroy-Spiele inszenierte Regisseur Peter Gruber ein als unspielbar geltendes, kaum bekanntes Stück: „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“. Eine personenreiche und aufwendige Bagatelle, wie sie es selbst betiteln. „1000 Jahre Österreich“ – ein Rückblick in die Raubritter-Zeit muß sein, angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse.

Diese „Zauberposse mit Musik“ war eine der ersten Talentproben des später unvergleichlichen Theaterautors. Eine amüsante, wienerisch-volkstümliche Parodie auf einen pathetischen, melodramatischen Ballettabend, der 1832 am Wiener Kärnthnertor-Theater gegeben wurde.

Es ist wieder ein Nestroy, der nicht nur mit seinen Couplets, sondern in den Textpassagen das Publikum begeistert. Besonders in den zwei Aufzügen vor der Pause kommen dies besonders zur Geltung. Im dritten Aufzug läßt es etwas nach. Trotzdem, die Darsteller boten wieder ihr bestes.

Hervorzuheben die Rollen der Adelheid, die unglückliche Witib (Susanne Urban), Berengario, ein böser Zauberer, famoser Tyrann und renommierter Verfolger der Witwen und Waisen (Willibald Mürwald), Seelengutino, Kerkermeister auf dem Zauberschlosse (Bruno Reichert) und Dalkopatscho, sein Sohn (Leo Selinger), die auf den Leib zugeschnitten waren. Ein aufrichtiges Bravo! (Oskar Peham)

Rundschau, 3. Juli 1996: Turbulente Witwenverfolgung

Im Hof von Schloß Rothmühle ging vergangenen Freitag die Premiere des Nestroy-Stücks „Adelheid die verfolgte Witib oder Der gefühlvolle Kerkermeister“ über die Bühne.

Wie schon in den Jahren zuvor ist es Regisseur Peter Gruber auch diesmal gelungen, mit teils hintergündigem Sarkasmus, aber auch mit Vorschlaghammer-Methodik Nestroys Charaktere ins Heute zu übertragen. Oft blieb es nicht bei zarten Andeutungen, nein, das Publikum – „angeführt“ von Finanzminister Viktor Klima samt Gattin – mußte teils herbe Aufwärtsattacken einstecken. Er bewies jedoch Nehmerqualitäten, wenngleich manch einer in Hinkunft vielleicht weniger provokant zum Handy greifen wird. Für diese kaum retuschierten Zurechtweisungen wurden die Premierengäste aber auch mit einer Humoreske entschädigt, in der vor allem die schauspielerischen Leistungen der einzelnen Darsteller herausragten.

So gab Susanne Urban eine überaus betörende Witib Adelheid, so glänzte Willibald Mürwald als Bösewicht Berengario und Angela Koliander als sein Vertrauter Sputzifurino. Nicht zu vergessen die grandiosen Darbietungen von Bruno Reichert und Leo Selinger als gefühlvoller Kerkermeister Seelengutino beziehungsweise dessen lispelnder Sohn Dalkopatscho. Robert Herret hatte seine besten Szenen als alter Weiser, während Konrad Kostmann eine gar köstlichen Geschicktes gab (und dafür kann er was). Manfred Murczek