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Zwey ewige Juden und Keiner

Burleske in 2 Acten
  • Entwurfstitel Jud; Zwei ewige Juden für Einen
  • Uraufführung 4. August 1846, Theater in der Leopoldstadt (6 Aufführungen)
  • Nestroy-Rolle Kranz, ein alter Maler (Rollenverzeichnis 717)
  • Musik Adolf Müller; Nachweise: Hilmar S. 88; HKA Stücke 24/I, S. 401–406
  • Vorlage François-Antoine Varner: Le Nouveau Juif errant (Comédie-vaudeville, Paris 1846) mit Anspielung auf Eugène Sue: Le Juif errant (Roman, 1844); vgl. HKA Stücke 24/I, S. 88–95
  • Überlieferung Gladt S. 49 f.; Hadamowsky 1934, S. 170; SW Bd. 13, S. 603–626; HKA Stücke 24/I, S. 83–331
  • Werkausgaben (Stücktext) CG Bd. 5, S. 125–172 (Zwei ewige Juden und keiner); SWBd. 13, S. 93–192 (Zwei ewige Juden für einen); HKA Stücke 24/I (Hg.: McKenzie), S. 5–79 und 226–290 (Variante: Der fliegende Holländer zu Fuß, Burleske in 3 Akten)
  • Musik (erhältlich) Klavierauszug
  • Literatur HKA Stücke 24/I, S. 3; McKenzie, J. R. P.: Nestroys vorrevolutionäre Possen Zwei ewige Juden und Keiner und Der Schützling. Nestroyana 18 (1998), S. 40–49; ders.: Nestroy’s Zwey ewige Juden und Keiner: a Tale of Three Cities. In: McKenzie/Sharpe (Hg.) 1998, S. 130–144

Personen

  • Herr von Auerhahn, Landedelmann
  • Pauline, dessen Tochter
  • Wandling, Millionär
  • Kranz, ein alter Maler
  • Wilhelm, sein Neffe
  • Holper, Negoziant
  • Mummler, Theater-Prinzipal
  • Rosamunde, dessen Tochter
  • Der Regisseur
  • von Distelbrand, ein Abenteurer
  • Klipp, Fabriksinhaber
  • Busch, Eisenhammerbesitzer
  • Ein Wirt
  • Babette, Kellnerin
  • Josef, Kellner
  • Ignatz, Hausknecht
  • Sepherl, Köchin
  • Johann, Bedienter bei Herrn von Auerhahn
  • Ein Notar
  • 1., 2., 3. Dorf-Wächter
  • Bediente
  • Landleute
  • Theatergäste
  • Reisende
  • Die Handlung spielt im ersten Akt in einem Einkehrhause auf dem Lande, im zweiten Akt auf dem Schlosse des Herrn von Auerhahn

Inhalt

1. Akt

In dem Wirtshaus, in dem Babette als Kellnerin arbeitet, erkennt Holper in Kranz seinen Schuldner, dem er in Amerika Geld geliehen hatte. Später hatte Kranz sich angeblich erschossen. Während Holper die Polizei holt, trifft Kranz, der von seinem Neffen Wilhelm begleitet wird, auf Wandling. Erst allmählich erkennt er in Wandling den Mann, dem er einst im Wald von Boston das Leben rettete. Damals war Kranz verschwunden, bevor Wandling ihm danken konnte. Tags darauf war der Lebensretter angeblich ertrunken. Kranz gesteht, daß er in Amerika durch mehrere vorgetäuschte Selbstmorde Wirte um die Zeche geprellt hat. Wilhelm versichert, er werde eines Tages die Schulden seines Onkels bezahlen. Ein gewisser Chevalier Distelbrand hat Wilhelm bereits zweimal zum Duell gefordert. Jedesmal aus nichtigem Anlaß und ohne ernste Folgen. Dies hat nichts mit Wilhelms Liebe zu einer ihm unbekannten reichen jungen Dame zu tun. Aufgrund seines Standes sieht er allerdings keine Möglichkeit, sich der Angebeteten zu nähern. Er schöpft neue Hoffnung, als Wandling ankündigt, er werde Kranz aus Dankbarkeit jährlich 3.000 Gulden schenken. Großzügig gibt Kranz dem verzweifelten Mummler 20 Gulden, damit dieser die Theaterpacht bezahlen kann. Zudem spendiert Kranz für alle Schauspieler Champagner und gefällt sich in der Rolle des Gönners. Um das Dokument für die jährliche Anweisung der 3.000 Gulden vollständig ausfüllen zu können, fragt Wandling Kranz nach dessen Namen. Doch als Kranz ihn nennt, erschrickt der Wohltäter. Er versichert, er könne Kranz auf keinen Fall Geld geben, zerreißt das Papier und stürzt davon. Entsetzt sieht Kranz ihm nach. Auch Babette ist erstaunt über Kranz’ Geständnis, er könne die Rechnung nicht begleichen. Da Mummler der erste Liebhaber und der Charakterrollendarsteller fehlt, bietet er Wilhelm und Kranz eine Arbeit als Schauspieler an. Nach kurzem Zögern willigen beide ein. Kranz erhält die Rolle des ewigen Juden. Im Wirtshaus erkennt Wilhelm in Pauline seine Angebetete. Als er ihr seine Liebe gesteht, reagiert Pauline freundlich, aber zurückhaltend. Da stürzt Mummler Wilhelm in große Verlegenheit, weil er ihn und Kranz auffordert, in die Garderobe zu kommen. Vergeblich versuchen sie, ihn abzuwimmeln. Erst als Pauline ihre sofortige Abreise ankündigt, sind sie bereit, auf die Bühne zu gehen, nicht wissend, daß Mummler durch eine Sabotage an einem Kutschenrad dafür gesorgt hat, daß Auerhahn und seine Tochter nicht abreisen können und deshalb der Vorstellung beiwohnen werden. Holper kommt immer mehr zu der Überzeugung, daß es sich bei Kranz um den ewigen Juden höchstpersönlich handelt. Immer wieder betrachtet Wandling die Notizen in seiner Brieftasche, wenn er eine neue Person kennenlernt, und scheint sich zu freuen. – Lied Wandling I, 34 (R: „Ja nur gschwind um die Wacht.“). – Kurz vor seinem Auftritt sieht Wilhelm Pauline im Publikum sitzen. Um sich nicht zu blamieren, ergreift er die Flucht, gefolgt von Kranz im Kostüm des ewigen Juden. Es entsteht ein Tumult unter den Zuschauern. Holper sieht Kranz in der Ferne im Gewitter davonlaufen und ruft: „Da schau’n S’ hin, dort läuft … der ewige Jud!“ Für diesen hält man Kranz tatsächlich, als ein Baum in seiner Nähe vom Blitz getroffen wird.

2. Akt

Babette, die eine Stellung als Beschließerin auf dem Schloß bekommen hat, und ihr Bräutigam Holper erscheinen gemeinsam bei Pauline. Holper möchte bei Wandling, der bei Auerhahn zu Besuch ist, 40.000 Gulden anlegen. Er erzählt Pauline, daß er einen mysteriösen Brief erhalten habe: „Aufschlüsse von großer Wichtigkeit erwarten Sie am Ersten künftigen Monaths in der Stadt No. 77.“ Einen Brief mit demselben Wortlaut hat auch Auerhahn erhalten. Noch am selben Tag erwartet Auerhahn die Ankunft von Paulines Bräutigam und eines neuen Rechnungsführers. Bei diesem handelt es sich um Wilhelm, der die Empfehlung durch einen Bekannten seines Onkels bekam. Doch Wandling macht Wilhelms Hoffnungen zunichte, als er von dem erwarteten Bräutigam erzählt. Kranz fordert, daß Wandling seinen Einfluß bei Auerhahn geltend macht und Wilhelm auf diese Weise zu seiner Braut verhilft. Unter einer Bedingung willigt Wandling ein: Sollte Wilhelm durch die Anbahnung der Hochzeit zu Geld kommen, darf er seinem Onkel nichts davon geben. Kranz willigt ein. Er setzt große Hoffnung auf einen Brief mit demselben Wortlaut wie die beiden anderen. Es stellt sich heraus, daß es sich bei dem Bräutigam um Distelbrand handelt. Von Babette erfährt Wandling, daß dieser aus enttäuschter Liebe von einer Spanierin verfolgt wird. Wilhelm fordert Distelbrand auf der Stelle zum Duell. Da von den zwei vorhandenen Pistolen nur eine geladen ist, entscheidet das Glück, wer welche erhält.Wilhelm erhält die geladene, verzichtet aber auf den Schuß. Statt dessen verlangt er, daß Distelbrand sich drei Tage lang totstelle. Wilhelm werde sich für ihn ausgeben. Da auch Distelbrand ebenso wie Mummler einen mysteriösen Brief erhalten hat, bekommt er die Erlaubnis, am dritten Tage abzureisen. – Duett Wandling, Mummler II, 10 (R: „Ja da kann kein Theater bestehn.“). – Pauline wundert sich, daß Wilhelm, den sie unter dem Namen „Distelbrand“ kennenlernt, nicht schon früher erwähnte, daß er der ihr bestimmte Bräutigam sei. Kranz ist überglücklich, weil Auerhahn sich ganz auf den Rat eines alten Jugendfreundes verläßt und sich nicht an Wilhelms Armut stört. Ein Brief, an Distelbrand adressiert, erregt durch die erkennbare Frauenschrift Paulines Mißtrauen. Um jeden Verdacht von sich fernzuhalten, läßt Wilhelm Distelbrand den Brief laut vorlesen. In dem Schreiben beklagt sich eine Geliebte über Distelbrands Untreue und droht, das ganze Schloß in Brand zu stecken. Pauline ist entsetzt, Auerhahn ist verärgert. Perplex gesteht Wilhelm: „Ich weiß nicht mehr, was ich bin, und was ich seyn soll –!“ Unterdessen hat Wandling Rosamunde engagiert. Sie soll die betrogene Geliebte spielen. Während sie mit einer Fackel vor dem Schloß steht, erscheint Kranz, noch immer im Kostüm des ewigen Juden, und versucht, die Aufgebrachte an der angedrohten Brandstiftung zu hindern. Für diese gute Tat will Auerhahn Kranz reichlich belohnen, wird aber von Wandling daran gehindert. Er behauptet, Kranz sei tatsächlich der ewige Jude. Da sich alles als Schauspiel und Verwechslung entpuppt, erkennt Pauline Wilhelms Unschuld. Inständig hofft sie, daß er noch nicht abgereist ist, obwohl sie Kranz bereits 200 Gulden Reisegeld gegeben hat. Wandling bezahlt Distelbrand 300 Dukaten, die dieser im Spiel gewonnen hatte. In diesem Moment wird ein Kutschenunfall gemeldet. Die betroffenen Passagiere bringt man zum Schloß. Unter ihnen sind auch Klipp und Busch, die ebenfalls je einen geheimnisvollen Brief erhalten hatten. Als Wandling davon erfährt, erklärt er, der Zufall habe alle betroffenen Personen zusammengeführt. Deshalb sei er nun bereit, das Geheimnis der Briefe, die er selbst verfaßt hat, zu lösen. Er erzählt folgende Geschichte: Die Mütter von Auerhahn, Distelbrand, Kranz, Busch, Klipp, Holper und Mummler waren Schwestern, deren Onkel als reicher Mann in Indien starb. Vor seinem Tod vertraute er Wandlings Vater ein Testament an, nach dem derjenige Nachfahr das gesamte Vermögen, mittlerweile 3 Millionen Gulden, erben solle, der über keinerlei Vermögen verfüge. Alle übrigen möglichen Erben sollten leer ausgehen. Zwar gibt Holper sich als mittellos aus, doch Wandling hatte für ihn wie gewünscht 40.000 Gulden deponiert. Distelbrand besitzt die gerade erhaltenen 300 Dukaten, und Mummler hat von einem Kapitalisten einen Vorschuß von 1.000 Gulden erhalten. Auerhahn erinnert an die 200 Gulden, die Kranz von Pauline als Reisegeld erhalten hat. Glücklicherweise hatte Kranz das Geld sofort Mummler als Schadenersatz für die verpatzte Vorstellung und die mitgenommene Garderobe gegeben. So besteht kein Zweifel, daß dank Wandlings Eingreifen Kranz der rechtmäßige Erbe ist. Auf der Stelle schenkt der Wilhelm die Hälfte des Vermögens, so daß dessen Hochzeit mit Pauline nichts mehr im Wege steht. Da sie quasi Geschwisterkinder sind, ist letztlich auch Holper überzeugt, daß Kranz nicht der ewige Jude sein könne. Mummler spielt die Rolle mittlerweile selber, und so schlägt er vor: „Zwey ewige Juden sind da, wir teilen die Roll’“. Für diesen Abend ist Auerhahn allerdings nicht mehr an einer Vorstellung interessiert. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner