Das Mädl aus der Vorstadt
30. Nestroy-Spiele Schwechat 2002 im Schlosshof der Rothmühle
in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5
Premiere 29. Juni 2002, Vorstellungen bis 3. August 2002
Die feinsten Fasan- und Austernesser gehn dann und wann wohin auf Knödl und a Gselchts. Getreu diesem Motto begibt sich auch der Aktien- und Börsenspekulant Kauz des öfteren incognito in die Vorstadt von Wien, um sich das eine oder andere Mädl aus dem Volk in seine Luxusvilla einzuladen. Doch statt der erträumten erotischen Spiechen am Swimmingpool erlebt der feine Herr gleich mehrere böse Überraschungen.
Ein köstliches und blitzgescheites Verwirrspiel um Liebe, Sex und Wirtschaftskriminalität, ein Klassiker des Welttheaters in einer zeitlos-bissigen Interpretation der Schwechater Nestroy-Spezialisten.
Besetzung
- Kauz Willibald Mürwald
- Erbsenstein Esther Potesil
- Schnoferl Franz Steiner
- Gigl Christian Graf
- Thekla Dagmar Jedletzberger
- Knöpfl Markus Heller
- Storch Christine Zimmermann
- Sabine Regine Rieger
- Rosalie Bella Rössler
- Peppi Sabine Stacher
- Nanette Sissy Stacher
- Dominik Harald Schuh
- Gäste, Geschäfstleute, Besucherinnen und Bediente Renate Bachtrod, Clemens Burger, Sarah Burger, Florian Haslinger, Veronika Hegler, Alena Koliander, Peter Koliander, Peter Kuno Plöchl, Horst Salzer, Maria Schrittwieser
- Klavier Otmar Binder
- Regie Peter Gruber
- Mitarbeit Christine Bauer
- Ausstattung Nora Scheidl
- Mitarbeit Okki Zykan
- Maske Norbert Snoope Suppan
- Bühnenrealisation Günter Lickel
- Lichtdesign Robby Vamos
- Lichttechnik Thomas Nichtenberger
- Organisation Christine Bauer
- Büro Rita Posch
- Mitarbeit Daniela Hirsch, Grete Seitl
Pressestimmen
Die Presse, 1. Juli 2002: Der Sündenpfuhl im Container, die Dirne im Pool
„Das Mädl aus der Vorstadt“ wandelt sich bei den 30. Nestroy-Spielen in Schwechat in ein rotziges Girlie inmitten lüstern wallender Fleischeslust. Eine freche Adaptierung ins verderbte Heute.
Nestroy nannte sie noch Grabennymphen und Bierhäuselmenscher, heute werden die Damen des horizontalen Gewerbes mit weniger poetischen Bezeichnungen belegt. Doch die Verhältnisse haben sich nicht geändert. Sex, Geld und ein bisserl Liebe lenken die Schicksale. In der Hauptstadt wie der Vorstadt, in Wien wie in Schwechat, wo man sich im Hof der Rothenmühle diesen Sommer Nestroys „Mädl“ zur Brust nahm.
Kein Kleinod, sondern ein oft gespieltes, schon oft gesehenes Paradestück! Doch das Schwechater Ensemble ließ sich davon nicht beeindrucken. Ohne den gefürchteten sommertheaterlichen Klischeeverschleiß, ohne Nostalgie, aber mit liebevollem Respekt vor dem Original, holte man unter Regie von Peter Gruber Grabennymphen und Bierhäuselmenscher sanft ins Rotlicht- und Neureichenmilieu von heute. Da klingeln die Handys, leere Akkus dienen als Ausrede, Sportwagen, Swimmingpool und Palmen polieren das Image. Selbst ein stadtbekanntes rosa Leih-Fahrrad findet sich in Schwechat wieder.
Auf einer doppelbödigen Bühne – oben nobles Loft, unten der Sündenpfuhl im Container, wird kokett geschwindelt und temperamentvoll begehrt. Die junge Witwe Erbsenstein (Esther Potesil) stochert als kühle Zicke in den Herzen, ihr Onkel Kauz (Willibald Mürwald) stolpert als alter Lustmolch in jede Peinlichkeit, der junge Liebhaber Gigl (Christian Graf) ist ein etwas zu raunzend muffiger Filou, die keusche Thekla (Dagmar Jedletzberger) wirkt umgeben von soviel Fleischeslust in der undankbarsten Rolle des Stücks ein wenig farblos.
Denn der sprühende Franz Steiner in der Nestroy-Rolle des Schnoferl bildet im Zusammenspiel mit den vier herrlich ordinären Damen der Halbwelt den schrillen Mittelpunkt der Aufführung. Hier mischen sich verschmitzte Lebenslust und üppige Leibesfülle, Gier und Verderbtheit zu einem Sittenbild so recht im Sinne Nestroys. Spitz und bissig sind auch die Couplets. Zu bekannten Melodien nehmen sie Politik und Körperkult auf die Schaufel. Eine deftig-grelle Aufführung, die an Peinlichkeiten gekonnt vorbeischrammt und Nestroy wieder mit wildem Leben füllt. (sp)
Kronen Zeitung, 3. Juli 2002: Nestroy mit Handy, Graffiti, Jazz
Durchfrorene Schauspieler, durchfrorene Zuschauer – das kann mitunter passieren, wenn das Wetter nicht mitspielen will und die Theatermaschine nicht auf volle Touren kommt. Bei den traditionellen Schwechater Nestroy-Spielen in Schloss Rothmühle feiert man das 30-jährige Bestehen mit dem „Mädl aus der Vorstadt“. Brav!
Nestroy vincit omnia – Nestroy besiegt alle! Das ist unbestritten. Und auch diesmal gabs viel Spaß. Und doch: Das für Nestroy lebenswichtige Instrument des Zynismus und der beißenden Kritik wird doch sehr harmlos und entschärft verwendet: Frisch für den lauen Sommerabend produziert, ohne anzuecken!
Man fügt ein bisserl Kritik an der Regierung, Staatssekretären und an der Globalisierung ein. Aber unter die Haut gehts nicht. Wo ein neuer Text geschrieben wurde, blieb die Feder stumpf.
Ansonsten hat Regisseur Peter Gruber eine modische und unterhaltsame Variante des Stücks mit heiteren Anklängen ans Heute (Handy, Graffiti, Jazz) geschaffen. Im 1. Teil agieren die bunten oberen Zehntausend auf der Bühne, nach der Pause und einem Spielortwechsel planscht man im Swimmingpool. Als applauswürdige Leistungen sind hervorzuheben: Franz Steiner als Schnoferl, der den richtigen Tonfall trifft; Willibald Mürwald als farbenfroh gestylter Betrüger Kauz, die Damen jeweils nach Charakterfach schrill bis geruhsam. (OL)
Der Standard, 2. Juli 2002: „Spitzenmizzis“ im Blechcontainer
Die Massagesalons von heute waren im 19. Jahrhundert die Näh- und Strickschulen von Wien. Dort saßen Damen handarbeitend hinterm Schaufenster; geneigte Herren bestellten zum Schein die fabrizierte Ware und konsumierten anschließend bei der Lieferung zu Hause deren Überbringerin gleich mit. Als Experte für öffentlich gehütete Geheimnisse hat Johann Nestroy „das Milieu“ in seiner Posse „Das Mädl aus der Vorstadt“ verarbeitet. Peter Gruber („Mein Freund“ im Theater in der Josefstadt) hat es mit seinem Amateurensemble für die Nestroy Spiele Schwechat als modisches Trash-Stück inszeniert: Containertheater mit Handys am Swimmingpool.
Die heiratswillige Witwe von Erbsenstein, eine Powerfrau höchst unzugänglicher Güte, blitzt bei ihrem Verlobten Gigl ab. Dieser hat sich seinerseits in deren Schneidermädel Thekla verliebt. Auf Umwegen über das Etablissement der Frau von Storch („Spitzenmizzis“) und nach kriminellen Finanzgeschäften landen schließlich alle am Landgut des altes Bocks Kauz (Sexmagazin Hustler).
Dort bringt aller Freund Schnoferl (der Couplet-Mann) die Wahrheiten ans Licht und die Paare zusammen. Am Pool wird zwar nicht mehr gespielt, nur mehr geturnt. Aber hätten die verehrten Veranstalter an dieser zweiten Spielstätte genügend Stühle aufgestellt, wäre neben den Ohren sogar dem eigenen Gesäß gedient gewesen. (afze)