Posse mit Gesang in 4 Aufzügen
- Entwurfstitel Die gnädige Frau
- Uraufführung 21. Mai 1840, Theater an der Wien (21 Aufführungen)
- Nestroy-Rolle Simon Dappel, ein Bauernbursche (Rollenverzeichnis 621)
- Musik Adolf Müller; Nachweise: Hilmar S. 78; HKA Stücke 16/II,S. 275–303
- Vorlage Adolphe Adam: La Reine d’un jour. Text von Scribe/Saint-Georges (Opera comique, Paris 1839)
- Überlieferung Gladt S. 34 f.; Hadamowsky 1934, S. 130; SW Bd. 10, S. 582–612; HKA Stücke 16/II, S. 99–239
- Werkausgaben (Stücktext) CG Bd. 7, S. 95–147; SW Bd. 10, S. 281–381; HKA Stücke 16/II (Herausgeber: Adey Huish), S. 5–77
- Musik (erhältlich) Wienbibliothek | Klavierauszug
- Literatur HKA Stücke 16/II, S. 3 f.
Personen
- Baron Kuppenschnee
- Rudolf, sein Neffe
- Pauline, dessen Gattin
- von Walting, entfernter Verwandter des Barons
- Gregorius Tost, Wirt
- Everl, dessen Tochter, Kellnerin in der Stadt
- Frau Bratelhoferin, Wirtin
- Agnes, ein Bauernmädchen
- Simon Dappel, ein Bauernbursche vom Lande
- Uhu, ein Kapitalist
- Moorbach, Paulinens gewesener Vormund
- Buchner, Amtmann auf Kuppenschnee
- Friedrich, Rudolfs Bedienter
- Jean, Waltings Bedienter
- Radschuh,
- Schnalzer, Fuhrleute
- Emmerenzia Bachstelz, ehemalige Beschließerin auf dem Schlosse Kuppenschnee
- Dörfling,
- Brunner, beide Pächter
- Grün,
- Stein, beide Revierjäger
- Sack, ein Müller
- Hansel, Kellner,
- Steffel, Knecht, beide bei Tost
- Anton, Bedienter vom Schloß
- Dienerschaft
- Jäger
- Fuhrleute
- Die Handlung spielt im ersten Akt auf dem Schlosse Kuppenschnee, später und im zweiten Akt in einem in der Vorstadt gelegenen Einkehrwirtshause, im dritten Akt in Tosts Hause, im vierten ebendaselbst und in einem abgelegenen Jagdschlößchen
Inhalt
1. Akt
Chor I, 1. – Rudolf hat sich von seiner Frau getrennt und ist deshalb von seinem Onkel enterbt worden. Statt dessen hat Baron Kuppenschnee Herrn von Walting zu seinem Erben erklärt. Dieser fühlt sich bereits als der neue Herr, während Rudolf so schnell wie möglich abreisen will. Doch Friedrich glaubt, einer Intrige gegen seinen Herrn auf der Spur zu sein. Zudem drängt er Rudolf, sich mit Pauline zu versöhnen. Rudolf besteht jedoch darauf, daß Pauline den ersten Schritt tun soll. Pauline hatte bereits einige Briefe an ihren Gemahl geschrieben, doch Walting, der eine Versöhnung auf jeden Fall verhindern will, ließ sie abfangen. Tost hält sich für einen „ungewöhnlichen Geist“, der sich als Wirt nicht ausleben kann. Aus diesem Grund versucht er ständig, „in geheime Pläne und Geschichten hineingezogen“ zu werden. Interessiert befragt er Friedrich über alle Vorkommnisse und läßt erkennen, daß er eine Wiedereinsetzung Rudolfs als Erbe begrüßen würde. Um der Intrige gegen Rudolf nachzugehen, gibt Friedrich Jean gegenüber vor, Schulden zu haben und mit seinem Herrn unzufrieden zu sein. Bereitwillig leiht Jean ihm 40 Gulden. Da Tost ihm zu diesem Zweck das Geld wechseln muß, glaubt der Wirt nun bereits in die Geschichte involviert zu sein. Zudem bietet Jean Friedrich eine Stellung bei Walting an. Zum Schein läßt Friedrich sich darauf ein. Da Tost ein offensichtliches Interesse an Intrigen hat, kommt Walting die Idee, ihn in seinen Plan einzubeziehen. Er gibt dem Wirt den Auftrag, dafür zu sorgen, daß eine Dame in Begleitung eines älteren Herrn ihre Reise erst nach einer längeren Verzögerung fortsetzen kann. Tost ist begeistert. Des weitern kommt es Walting sehr gelegen, daß Uhu Rudolf in Arrest nehmen lassen will. Uhu hatte dem jungen Baron in Hinblick auf die Erbschaft 3000 Gulden geliehen, die dieser nutzte, eine Spielschuld zu bezahlen. Als Kuppenschnee Rudolf das Dokument zeigt, in dem Walting zum Alleinerben ernannt wird, bittet ihn der Neffe, wenigstens Uhu das ausstehende Geld zu zahlen. Der vorlaute Tost erzählt jedoch, zu welchem Zweck das Geld diente, und erregt damit den Ärger des Barons, der der Verhaftung Rudolfs nicht entgegentritt. – Auftrittslied Dappel I, 14 („Ich reis’ meiner Agnes irzt nach“). – Dappel erzählt Radschuh von seinen Sorgen: In seinem kleinen Dorf hatte er sich in Agnes verliebt und bereits die Hochzeit geplant. Doch Agnes beschloß, in die Stadt zu gehen, als Dienstmädchen zu arbeiten und die Welt zu sehen. Nun ist Dappel auf der Suche nach ihr und bereit, ihr alle eventuell begangenen Fehler zu verzeihen. Radschuh rät ihm davon ab. Statt dessen solle er Fuhrmann werden, in der Welt herumkommen und Agnes vergessen. Voller Interesse hört Everl von Dappels neuen Berufsplänen. Sie gibt ihm zu verstehen, daß sie von ihrem Vater den Auftrag hat, sich einen Mann zu suchen, dem er dann sein Wirtshaus übergeben kann. Diese Aussicht klingt für Dappel sehr verlockend, doch kann er Agnes nicht vergessen. Für große Aufregung sorgt Moorbach, als er für eine inkognito reisende Dame bei Everls Wirtin nach einem Zimmer fragt. – Chor I, 20. – Chor I, 22.
2. Akt
Pauline ist untröstlich, weil sie ihren Mann durch ihr Weggehen um sein Vermögen gebracht hat. Zudem weiß sie, daß er zu stolz ist, um vom Vermögen seiner Frau zu leben. Moorbach versucht, sie zu trösten, denn immerhin war Friedrich so klug, die unterschlagenen Briefe an sich zu bringen und damit den Aufenthaltsort Paulines zu erfahren. Auf diese Weise kann er sie über die Vorkommnisse auf dem laufenden halten. Da Pauline nach einer vertrauenswürdigen Dienstmagd sucht, wird ihr Agnes empfohlen. Zwar verhält sich das Mädchen etwas keck und vorlaut, dennoch gewinnt sie Paulines Sympathie. Von Friedrich erfährt Moorbach Näheres über Waltings Pläne: Er wolle Pauline an Kuppenschnees Herrschaftsgrenze festhalten. Zudem sei der Baron auch gegen Pauline eingenommen. Walting würde ein Gespräch mit ihr sicherlich zu verhindern wissen. Allerdings würde er sich aus der Nähe des Barons entfernen, wenn er von Paulines Ankunft im Wirtshaus erführe. Unterdessen versucht Everl weiterhin, Dappel für sich zu gewinnen und ihn von seiner alten Liebe abzubringen. Doch der bedächtige Dappel will abwarten, ob Agnes tatsächlich einen anderen heiratet und, falls sie Witwe würde, auch ein zweites Mal einen anderen Mann vorziehen würde. Erst in diesem Fall wäre er bereit, seinerseits eine andere Frau zu heiraten. Solange will Everl auf keinen Fall warten, zumal ihr Vater sie noch am selben Tag abholen will. Sollte sie keinen Bräutigam haben, werde sie zu Hause den Oberkellner heiraten. In der Wirtsstube trifft Dappel auf Agnes. Er versucht, sie zur Vernunft zu bringen, doch sie beharrt darauf, daß ihr „was Großes beschieden“ sei. Sie empfiehlt Dappel zu sparen wie sie selbst. Wenn ein kleines Kapital zusammen sei, sei immer noch Zeit für eine Hochzeit. Tost, als Everls Vater, ist begeistert zu hören, daß sie sich einen Mann gesucht hat, der noch eine andere Beziehung unterhält, zumal dieses andere Mädchen sich ebenfalls im Hause aufhält. Unerlaubterweise hat Tost den Brief, den er für Walting besorgen sollte, aufgebrochen. Bevor er überlegt, wie er diese Sache wieder gutmachen könnte, liest er den Inhalt. Walting stellt darin seinem Gläubiger Griffel in Aussicht, seine Schulden bald zu bezahlen, da der Baron nicht mehr lange leben werde. Er habe ihm zu einer seine Kräfte übersteigenden Reise geraten. Erst jetzt bemerkt Tost Dappels Anwesenheit im Raum. Als ihm klar wird, wen er vor sich hat, besteht er auf einer umgehenden Hochzeit mit Everl. Er ist der Überzeugung, daß ein Schwiegersohn ihn niemals verraten würde. Dappels Gegenwehr beeindruckt ihn wenig. Mit Entsetzen muß Dappel feststellen, daß Agnes mit Pauline abgereist ist. Doch während Radschuh ihn zu einer Reise nach Polen drängt, besteht Tost auf der Hochzeit mit Everl. Alle bejubeln das Brautpaar. Der verwirrte Dappel ist gänzlich hilflos. – Chor II, 14.
3. Akt
Chor der Gäste III, 1. – Zwar ist Dappel nicht glücklich darüber, in Tosts Wirtshaus allen Gästen als Everls Bräutigam vorgestellt zu werden, doch er kann sich nicht dagegen wehren. Emmerenzia und Dörflinger gegenüber prahlt Tost damit, „das geheime Triebraad von allen Umtrieben was da droben auf dem Schloß getrieben werden“ zu sein. Um die Ankunft einer prächtigen Kutsche entsteht großer Aufruhr. Es erscheinen Moorbach und Agnes, die die Rolle einer vornehmen Dame spielt. In geheimnisvollem Ton, aber für alle hörbar, gibt Moorbach Tost zu verstehen, bei der Dame handle es sich um die junge Baronin, die sich mit ihrem Gatten versöhnen wolle. Gemäß seinem Auftrag veranlaßt Tost, am Wagen einige Schrauben zu lockern. Außerdem läßt er Walting benachrichtigen. Auf sein intrigantes Verhalten ist er überaus stolz. Moorbach hat Agnes 800 Gulden versprochen, wenn sie sich strikt an seine Anweisungen halte und niemandem ihre wahre Identität offenbare. Emmerenzia ergreift die günstige Gelegenheit, für alle Männer ihrer Familie eine Stellung bei der Baronin zu erbitten. Ihren Bitten wird ebenso stattgegeben wie Tosts Wunsch nach einem Titel. Nach diesem großzügigen Geschenk bedauert Tost seine Intrige. Everl glaubt, Agnes wiedererkannt zu haben, doch Tost wischt ihren Verdacht vom Tisch. Vater und Tochter drängen Dappel, sich ebenfalls um einen Titel zu bemühen. Um die Aufmerksamkeit der Dame auf Dappel zu lenken, verkleiden sie ihn als Gärtner, der einen Blumenstrauß überreichen soll. Willenlos läßt Dappel alles mit sich geschehen, obwohl er den Sinn nicht versteht. Dappel meint, Agnes zu erkennen, doch ihr herrisches Benehmen läßt ihn zweifeln. Agnes hat Dappel ebenfalls erkannt. Tapfer spielt sie ihre Rolle dennoch weiter. Lediglich für einen Moment vergißt sie sich. Dann erinnert sie sich an das versprochene Heiratsgut. Wieder in ihrer Rolle weist sie den verdutzten Dappel zurück. Erbost über Dappels ungeschicktes Verhalten weist Tost ihn zurecht, doch Everl verteidigt ihn unter Hinweis auf die Hochzeit. Entschieden erhebt Agnes gegen diese Hochzeit Einspruch. – Lied Dappel III, 15 (R: „Ah da muß ich bitten, das is noch kein Grund.“). – Moorbach beschuldigt Tost des Verrats, als sich Waltings Leute dem Wirtshaus nähern. Zwar versucht Tost, Walting aufzuhalten, dieser ist jedoch fest entschlossen, die Baronin gefangenzunehmen, da das Risiko, angeklagt zu werden, gering erscheint. Während Dappel noch überlegt, die Dame, bei der es sich eventuell um Agnes handelt, zu retten, werden Moorbach und Agnes bereits abgeführt. – Chor von Waltings Leuten III, 18.
4. Akt
Walting stellt Tost über die Besorgung des Briefs zur Rede. Allerdings weiß er bereits, daß der Brief den Empfänger nicht erreicht hat, so daß Tost schließlich zugeben muß, das Schriftstück verloren zu haben. Frei heraus verkündet Everl ihrem Vater, den Brief genommen zu haben und dem Baron geschickt zu haben. Durch diese gute Tat will sie die Einwilligung der Baronin in die Hochzeit mit Dappel erwirken. – Quodlibet Duett Dappel, Everl, dazu Tost, Terzett III, 3: Dappel erklärt, Everl nicht heiraten zu wollen, worüber Everl sehr erbost ist und ihn hinauswirft. Tost fürchtet sich nach seinem Tun vor dem Zorn des Barons. Jean bringt Tost den Befehl, sich auf der Stelle bei Walting zu melden. Aus Angst versteckt Tost sich mit Lebensmitteln in einem Waffenkasten. Mit Schrecken belauscht Agnes ein Gespräch zwischen Jean und Anton, in dem Anton den Verdacht äußert, Walting wolle die Baronin noch in derselben Nacht umbringen. Heimlich ist Dappel in das Schloß eingedrungen, um Agnes bzw. die Baronin zu retten. Freudig fällt Agnes ihm um den Hals. Sie beschließen, über zusammengeknotete Gardinen in den Garten zu fliehen. Während sie noch mit den Vorbereitungen beschäftigt sind, löst sich im Kasten aus Versehen ein Schuß. Agnes fällt vor Schreck in Ohnmacht. Als sie wieder erwacht, gesteht sie Tost, nur ein verkleidetes Bauernmädchen zu sein. Tost will diese Enthüllung nicht glauben, doch im Moment erscheint die Bewerkstelligung der Flucht vorrangig. Während sie noch streiten, wer als erster hinunterklettern darf, erscheinen Walting und seine Leute. Im letzten Augenblick tritt der Baron ein. Durch Pauline und Waltings Brief ist er über die wahren Umstände informiert worden. Er nimmt Rudolfs Enterbung zurück. Agnes wird für ihre Leistung von Moorbach reichlich entlohnt. Sie will mit dem Geld eine Bauernwirtschaft gründen und den überglücklichen Dappel heiraten.
Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner