Höllenangst
31. Nestroy-Spiele Schwechat 2003 im Schlosshof der Rothmühle
in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5
Premiere 28. Juni 2003, Vorstellungen bis 2. August 2003
Lohn der „Höllenangst“
Das anspruchsvolle musikalische und inszenatorische Konzept, das die Nestroy-Spiele 2003 heuer mit viel Risiko zur Diskussion gestellt haben, hat sich gelohnt. Rund 5000 Zuschauer haben Nestroys „Höllenangst“ gesehen und für das zweitbeste Einspiel-Ergebnis in der über 30-jährigen Geschichte gesorgt.
Ein köstliches und blitzgescheites Verwirrspiel um Liebe, Sex und Wirtschaftskriminalität, ein Klassiker des Welttheaters in einer zeitlos-bissigen Interpretation der Schwechater Nestroy-Spezialisten.
Manchmal sind die politischen und sozialen Verhältnisse so, dass einem höllenangst dabei werden könnt’ und man bereit wär’, sich dem Teufel zu verschreiben.
Was aber, wenn er wirklich kommt …
Das Nestroy-Ensemble zeigt in der bewährten Regie des Nestroy-Ring-Preisträgers Peter Gruber die meisterhafte Posse „Höllenangst“ aus dem Jahr 1849 im Schlosshof der neu restaurierten, denkmalgeschützten Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf.
Besetzung
- Baroness Adele von Stromberg Esther Potesil
- Freiherr von Stromberg Willibald Mürwald
- Freiherr von Reichthal Walter Salinger
- von Arnstett Harald Schuh
- von Thurming Franz Steiner
- Pfrim Bruno Reichert
- Eva Maria Sedlaczek
- Wendelin Christian Graf
- Rosalie Bella Rössler
- Portier Andreas Bauer
- Leni Regine Rieger
- Johann Peter Kuno Plöchl
- Gottfried Florian Haslinger
- Ignaz Horst Salzer
- Kommissär Peter Koliander
- ArbeiterInnen, Sekretärinnen, Obdachlose, Bediente, Spitzel, Gendarmen, Soldaten Renate Bachtrod, Michaela Illetschko, Ricarda Leiner, Stephanie Leiner, Nadine Chantal Renner, Maria Schrittwieser, Sissy Stacher, Elisabeth Strache, Ines Zimmermann
- Regie Peter Gruber
- Mitarbeit Christine Bauer
- Musik Otto M. Zykan
- Geige Gergely-Werner Szücs
- Korrepetition Paul Hille
- Ausstattung Nora Scheidl
- Mitarbeit Okki Zykan
- Maske Norbert Snoopy Suppan, Claudia Federic
- Bühnenrealisation Günter Lickel
- Lichtdesign Robby Vamos
- Lichttechnik Thomas Nichtenberger
- Organisation Christine Bauer
- Büro Rita Posch
- Mitarbeit Daniela Hirsch, Grete Seitl
Pressestimmen
Die Presse, 30. Juni 2003: Sommertheater: Irdische Teufeleien
Vor der Revolution ist nach der Revolution. In der Hülle der Posse „Höllenangst“ (1849) steckt eine Tragödie. Der Zauberstab, den Nestroy hier schwingt, sieht einer Geißel verzweifelt ähnlich. Die Guten werden vertrieben, die Bösen regieren, das Volk ist bitter arm, voll Wut, Gram, Misstrauen gegen „die da oben“ und die Kirche kommt auch schlecht weg.
Die Handlung ist verschlungen, es braucht seine Zeit, sich hinein zu finden: Oberrichter Von Thurming hat heimlich die Waise, Baronesse Adele, geheiratet. Ihr Onkel, Freiherr von Stromberg, will sie ins Kloster stecken, um ihr Vermögen zu kassieren. Nach einem Schäferstündchen mit seiner Angetrauten auf der Flucht erscheint der Oberrichter der Schusterfamilie Pfriem wie der Leibhaftige. Er will aber nur mit dem jungen Wendelin die Kleider tauschen, um nicht erkannt zu werden.
Wendelins Eltern glauben ihren Sohn ebenso fest in Teufels Hand wie dieser selbst. Barocke wie klassische Motive mischte Nestroy – Feuer, Wasser, Luft und Erde mit einer Prise „Faust“ und Kleists „Zerbrochenem Krug“.
Peter Gruber, der seit vielen Jahren die Schwechater Nestroy-Spiele als Regisseur betreut, setzt das Stück in eine Art Militär-Diktatur, die Uniformen erinnern an die SS. Ein bisserl starker Tobak. Der sich wieder halbwegs verflüchtigt, weil das Spiel selbst im Parabelhaften bleibt – auf einer dunkelbraun gehaltenen Pawlatschen-Bühne mit vielen Türen, Klappen, wo Menschen blitzartig (z. B. in Verliesen) verschwinden und wieder auftauchen. Grubers Führung der Schauspieler, teilweise Laien, und seine Komposition, voll grimmigem Witz, sind einmal mehr zu bewundern. Desgleichen die köstlich illustrative opernhafte Musik von Otto M. Zykan.
Die ganz armen Leut haben sich aufgegeben in diesem Stück, strudeln sich ab oder strudeln herum: Bruno Reichert als versoffener Schuster Pfriem, Christian Graf als sein Sohn Wendelin, der die resche Rosalie (Bella Rössler) liebt – und die gottergebene Wendelin-Mutter Eva (Maria Sedlaczek).
Den oberen Gesellschaftskreisen aber ergeht es kaum besser, auch sie hampeln wie Marionetten an den Fäden ihrer bösen Taten, haben sich rettungslos verfangen im Kampf um Geld, Macht oder bloß die Rettung der eigenen Ehre: Willibald Mürwald als der betrügerische Freiherr von Stromberg, Walter Salinger als der gute Freiherr von Reichthal und Franz Steiner als Oberrichter Von Thurming.
Die Uraufführung von „Höllenangst“ kam nicht gut an. Auch im Hof des Schwechater Schlosses Rothmühle überdeckte Samstag Abend herzlicher Applaus wohl manche Ratlosigkeit, sah man sich ein bisserl um den Spaß betrogen. Dennoch: Nestroys Stimmung bei diesem Stück, seinen Zorn, seine Resignation, sein bitteres Lachen über die Macht der Verhältnisse übermittelt diese Aufführung stimmig. Und wenn man nach einigen Jahren Schwechat-Pause die Nestroy-Spiele wiedersieht, muss man sagen: Sie waren schon früher eine Zierde des NÖ-Theatersommers und entwickeln sich weiterhin hervorragend. (Barbara Petsch)
Kronenzeitung, 2. Juli 2003: Welt voll Lug und Trug
Die Zeit des Polizeistaates Österreich von 1849: Zwischen „gut“ und „böse“ kann Nestroy da kaum noch einen Unterschied ausmachen. Und dabei kann einem geradezu die „Höllenangst“ kommen. Man wäre bereit, sich sogar dem Teufel zu verschreiben … Wenn er gerade durchs Fenster hereinkäme.
Das Schwechater Nestroy-Ensemble offenbart in einer für das Publikum manchmal durchaus irritierenden, mitunter auch werkfremd erscheinenden Regie Peter Grubers, die Vielfalt möglicher Interpretationen dieser meisterhaften Posse. Und zeigt, dass sich der Mensch vor allem durch Einbildung seine eigene Wirklichkeit schafft.
Christian Graf (Wendelin) und Bruno Reichert (Pfrim) werden den hohen Anforderungen der Rollen gerecht und verkörpern mit Herz und Seele den Menschheitstraum von der Freiheit. Das Ensemble fügt sich mit Professionalität in das Bühnengeschehen ein und wird zum ausgleichenden Gegenspieler zu den Hauptakteuren.
Otto M. Zykans Neuvertonung – hervorragend dargeboten vom Geiger Werner Szücs – ist etwas gewöhnungsbedürftig, lässt aber so manchen Wortlaut Nestroys in anderem Licht erscheinen. Die resignierende Feststellung, dass „alles Lug und Trug auf der Welt“ sei, lässt sich in dieser Aufführung jedenfalls wortgetreu auch ins Heute übersetzen. Nestroy – aktuell wie eh und je.
Ein vom etwas enttäuschten Publikum mit wenig Beifall bedachter Abend. Die Produktion ist noch bis zum 2. August zu sehen. (Florian Krenstetter)
ORF, 29. Juni 2003: Bittere politische Parabel
Nestroy hat hier seine bitteren Erfahrungen während der missglückten Revolution von 1848 verarbeitet. Das Stück ist gekennzeichnet von bitterem, schwarzen Humor.
Der mittellose Wendelin wünscht sich den Teufel herbei, um seine tristen Lebensumstände zu verbessern – und er erscheint ihm wirklich.
Nestroy verpackt in diese Geschichte über den Aberglauben eine bittere Parabel auf die politischen Verhältnisse nach 1848, sagt Regisseur Peter Gruber: „In dieser Zeit sind die dunklen Stücke von Nestroy entstanden, wo er einerseits versuchen musste, das aufzuarbeiten, was da alles passiert ist, auf der anderen Seite es nicht offen sagen durfte, weil schon wieder Zensur da war.“
Peter Gruber rückt die Handlung mit Kostümen und Bühnenbild in die Nazizeit. Die Nestroyspiele Schwechat sind berühmt für ihre ungewöhnlichen und genauen Inszenierungen, sagt der Herausgeber der Nestroygesamtwerke, der deutsche Germanist Jürgen Hein: „Es ist eine neue Authentizität, die hier die Texte erreichen. Ich denke, das ist auch insbesondere für Wiener ein neuer Blick, für die Deutschen ohnehin.“
Die Schauspieler meistern dieses schwierige Stück ausgezeichnet, und das obwohl sie durchwegs Laiendarsteller sind.