Nestroy-Spiele 1998: Materialien

Maxenpfutsch

Das Stück

„Parodie eines vielparodierten Stoffes“ nennt Nestroy seine Zauberposse „Nagerl und Handschuh oder Schicksale der Familie Maxenpfutsch“. Der Aschenbrödelstoff war den Wiener Theaterbesuchern durch zwei Opern bekannt und vertraut, durch Nicolo Isouards (geb. 1775 in Malta, gest. 1818 in Paris) „Cendrillon“ (seit 1810 gespielt) und Gioacchino Antonio Rossinis (geb. 1792 in Pesaro, gest. 1868 in Passy bei Paris) „La Cenerentola“ (geschrieben 1817, im Theater an der Wien seit 1820 äußerst erfolgreich im Programm).

Nestroy selbst kannte „La Cenerentola“ von Rossini aus persönlicher Theatererfahrung. Er war ab 1823 im Deutschen Theater Amsterdam als Sänger engagiert gewesen und dort in der Rolle des Alidor, Philosoph und Lehrer des Prinzen, aufgetreten. Dieser Alidor wurde in Nestroys Parodie zum Zauberer Semmelschmarrn: ein rarer Mann, aber fad.

Die unmittelbare Vorlage Nestroys ist aber weder Isouards noch Rossinis Oper, sondern eine auf dem Leopoldstädter Theater vielgespielte Bearbeitung des Textes von Etienne-Isouard, die Raimund während seiner Direktion 1930 zur Aufführung brachte: „Finette Aschenbrödel oder Rose und Schuh, Zauberspiel mit Gesang und Gruppierungen in drei Aufzügen“, dem bekannten Märchen nachgebildet, von Auguste Schreiber, einer beliebten Schauspielerin des Leopoldstädter Theaters.

Auguste Schreiber hatte aus dem Stoff eine lokale Zauberposse gemacht, aus der sich die reine Märchenhandlung gereimt und hochpoetisch abheben sollte. Dies scheint den Spott Nestroys gereizt und dazu getrieben zu haben, den poetischen Prinzen, der sich so edeltrauirg nach der unbekannten Geliebten sehnt, in einen echt wienerischen Tunichtgut zu verwandeln. Aus dem weisen Philosophen und Erzieher wird der etwas ungeschickte Zauberer Semmelschmarn, dessen Zaubereien nicht immer den geplanten Verlauf nehmen.

Die zur „Küchengretl“ degradierte Rosa, eine „miserabel gehaltene Tochter und enorm malträtierte Schwester“, ist ein im Alltagsleben angesiedeltes Aschenbrödel mit Sehnsucht nach einem „erlösenen Mannsbild“, kein irgendwie an ein Feenreich erinnerndes Wesen. Ihr Vater ist „Povernius Maxenpfutsch“ (d.i. etwa „geldlos“), ein im Zugrundgehen begriffener Kapitalist und Vater, der Schulden gemacht hat um die Tochter „aufn Glanz herzustellen“, nun aber keine Freier „anbeißen“, weil sie die Schulden des Vaters abschrecken.

Auch die der Zauberwelt angehörenden Figuren können ihre Hindwendung zur profanen, durch Geld bestimmten Realität nicht verleugnen: der Rock des Zauberers Semmelschmarn ist ebensowenig bezahlt wie die Garderobe der Maxenpfutsch-Töchter. Auch Ramsamperls Neigungen werden vom Geld diktiert: er würde gerne ledig bleiben, weil er Liebe und Treue skeptisch gegenübersteht, die Ehe hasst, doch zwingt ihn das väterliche Testament zur Heirat, andernfalls droht Enterbung.

Für Nestroy fallen sentimentaler Märchenzauber und Alltagssorgen artukulierende Possenwelt in einer durchgängig theatralischen Perspektive zusammen, die die Verbindung heterogener Elemente erlaubt und in fließenden Übergängen Literatursatire mit Gesellschaftskritik verbindet. Die Zauberei dient der ästhetischen Distanzierung des durch bürgerliches Geschäftsgebaren in Sachen Liebe und Ehe einer satrisiche Bloßstellung erfährt. Die Zaubermaschinerie parodiert Nestroy in gewohnter Weise dadurch, dass er sie sozusagen knarren lässt. Die dienstbaren Geister funktionieren schlecht und fordern Trinkgeld, statt sich anmutig und stimmungsvoll zu gruppieren.

Hinter Nestroys märchenhafter Possenwelt und parodistischem Spiel werden die Verdinglichung von Liebe durch Geld und die Kommerzialisierung der Lebensbedingungen sichtbar.

Aufnahme

Das Stück wurde am 23. März 1832 zum Vortheile Nestroys zum ersten Mal aufgeführt und errang dank der glänzenden Besetzung einen rauschenden Erfolg. Es wurde bis 1858 in verschiedenen Umarbeitungen 71-mal gespielt.

Am 26. März brachte die Theaterzeitung die Nachricht, dass die Parodie sehr viel Beifall gefunden habe und dass die Hauptdarsteller Carl (Kappenstiefel), Scholz (Maxenpfutsch), Nestroy (Ramsamperl), Hopp (Semmelschmarn) und Madame Kneisel (Rosa) fast nach jedem Akt gerufen wurden. Die Parodie sei ergötzlich und werde volle Häuser machen.

„Das wirklich herrliche Kleeblatt Scholz, Carl und Nestroy stürzte die Zuschauer aus einem Lachwirbel in den andern, welcher bei der famosen Tanzszene den Kulminationspunkte erreichte.“ (Sammler, 1932)

„Von schlagender Wirkung ist die Erscheinung der Herren Hopp, Nestroy und Scholz in modernen Damenanzügen. Noch nie ist im Theater ein so schallendes Gelächter gehört werden, als in dieser Szene und das Fuora-Rufen nach derselben war stürmisch.“ (Theaterzeitung, 1932)