Posse mit Gesang in 1 Act
- Uraufführung 7. Jänner 1862 Quai-Theater (Konzentrierter Nestroy: burlesk, zeitkritisch und eine Theater-Satire. 1862, beim letzten Gastspiel Nestroys im Quai-Theater, 12 Aufführungen)
- Nestroy-Rolle Anton Muffl, Hausknecht (Rollenverzeichnis 872)
- Musik Anton Maria Storch; Nachweise: Hilmar S. 90; HKA Stücke 38, S. 213–217
- Vorlage Emil Pohl: Ein melancholischer Hausknecht oder Alte Bekanntschaften (Schwank, Uraufführung Berlin 30. 7. 1861)
- Überlieferung Gladt S. 88; SW Bd. 14, S. 727–735; GW Bd. 6, S. 741; HKA Stücke 38, S. 83–145
- Werkausgaben (Stücktext) Chiavacci Bd. 8, S. 225–246; SW Bd. 14, S. 519–563; GW Bd. 6, S. 447–481; HKA Stücke 38 (Herausgeber: Branscombe), S. 5–36
- Musik (erhältlich) Wienbibliothek | Klavierauszug
- Literatur HKA Stücke 38, S. 2f.; Hillach; Mautner; Hein, Jürgen: Frühere Verhältnisse und „Alte Bekanntschaften“. Eine Berliner Posse als Vorlage eines Nestroy-Stückes. Nestroyana 9 (1989), S. 51–59 (mit Synopse von I. T. Tutschka, S. 60–110)
- Aufführungen Nestroy-Spiele 1973
Personen
- Herr von Scheitermann, Holzhändler
- Josephine, dessen Frau
- Anton Muffl, Hausknecht
- Peppi Amsel, Köchin
- Ort der Handlung: eine große Stadt
Inhalt
Josephine und Scheitermann sind ohne Bedienung, weil sie gerade ihre beiden Dienstboten entlassen haben. Scheitermanns größte Angst ist stets, daß seine Frau, eine Professorentochter, von seinen „früheren Verhältnissen“ erfahren könnte. Er ist als Sohn eines Schusters geboren worden und war früher ein Hausknecht. – Auftrittslied Peppi, 3 („Theater! O Theater, du“). – Peppi war früher Köchin bei Josephines Vater und spielt nun die erste Liebhaberin bei einem Wandertheater. Allerdings war ihr kein größerer Erfolg beschert, weshalb sie nun zu ihren „früheren Verhältnissen“ zurückkehren will. Sie hofft, bei Josephine erneut eine Anstellung zu finden. Tatsächlich nimmt Josephine sie freudig auf und erzählt sofort von ihren Sorgen: Sie hege den Verdacht, daß ihr Mann ein Geheimnis vor ihr habe, und fürchte, es könne mit einem Verbrechen zusammenhängen. Peppi soll helfen, das Geheimnis zu lüften. – Auftrittslied Muffl, 5 (R: „So giebt’s viel’ gute Mensch’n, aber grundschlechte Leut’.“). – Muffl hat ein trauriges Schicksal hinter sich: Er hatte ein Material-Geschäft, das durch einen Kompagnon zugrunde gerichtet wurde. Er konnte 10.000 Gulden retten. Bei einer Kur lernte er jedoch eine Schauspielerin kennen, mit der er sich verlobte. Wenig später verließ sie ihn wegen zweier reicher Ausländer. Er begann umherzureisen und zu trinken, bis er, völlig verarmt und heruntergekommen, beschloß, Hausknecht zu werden. Bei Scheitermann bewirbt er sich nun um diese Stellung. Beide Männer sind nicht wenig erstaunt, als sie einander erkennen: Scheitermann war früher Hausknecht bei Muffl gewesen. Zwar leugnet Scheitermann zunächst seine Identität, gesteht Muffl dann aber seine Situation. Verzweifelt versucht er Muffl loszuwerden, doch der verlangt eine Anstellung. Ansonsten droht er Scheitermanns „frühere Verhältnisse“ überall herumzuerzählen. Schließlich gibt Scheitermann nach, woraufhin Muffl verspricht, kein Wort zu sagen. Dafür verlangt er eine gute Bezahlung. Ängstlich läßt Scheitermann ihm seinen Willen. Als Muffl auf Peppi trifft, erkennt er in ihr seine frühere Geliebte. Allerdings glaubt er, sie sei die gnädige Frau. Peppi läßt ihn in diesem Glauben, um ihm nicht ihre wahre Stellung offenbaren zu müssen. Aufgrund ihrer Position versucht sie, Muffl aus dem Haus zu werfen, doch er droht auch ihr, ihre „früheren Verhältnisse“ auszuplaudern. Josephine ist verärgert darüber, daß ihr Mann einen hergelaufenen Hausknecht aufgenommen hat, ohne sie zu fragen. Peppi berichtet, daß Muffl offensichtlich etwas von Scheitermanns Geheimnis weiß. Sogleich verkündet Josephine Scheitermann ihr Wissen darüber, daß Muffl ein Geheimnis über ihn hütet. Sie verlangt von Scheitermann, Muffl fortzuschicken. Ansonsten will sie ihn verlassen. Obwohl Scheitermann Muffl von den Problemen mit seiner Frau erzählt, bleibt dieser unerbittlich. Statt nachzugeben, eröffnet er Scheitermann, daß auch seine Frau nicht die Vergangenheit hat, die sie vorgibt. In Wahrheit sei sie keine Professorentochter, sondern die Tochter eines Kellners und einer Wäscherin. Früher sei sie Dienstbotin und Köchin, dann Schauspielerin gewesen. Er selbst sei mit ihr verlobt gewesen, bevor sie ihn wegen zweier Liebschaften verlassen habe. Allerdings liebe sie ihn noch heute. Scheitermann will diese Enthüllungen nicht glauben. Doch Muffl versichert, daß auch die angebliche Tante bezahlt sei und die Manieren und die Bildung seiner Frau nur Verstellung seien. Entschlossen erklärt Scheitermann, er wolle sich scheiden lassen. Insgeheim hat Peppi das Gespräch belauscht und glaubt, verstanden zu haben, daß Scheitermann einen Mord und einen Raub begangen hat. Dies berichtet sie Josephine. Umgehend stellt Scheitermann seine Frau über ihre Vergangenheit zur Rede. Doch auch Josephine will das Geheimnis von ihrem Mann erfahren. Es kommt zu Mißverständnissen, so daß Scheitermann glaubt, Josephine tatsächlich entlarvt zu haben, während Josephine beginnt, am Verstand ihres Mannes zu zweifeln. Erst als sich Muffl und Josephine gegenüberstehen, wird allmählich deutlich, daß es sich um eine Verwechslung handelt. Doch nur durch Peppis Erscheinen und ihr Geständnis, sich als gnädige Frau ausgegeben zu haben, kann die Situation endgültig geklärt werden. Es stellt sich heraus, daß Josephine schon lange von den „früheren Verhältnissen“ ihres Mannes wußte. Zum glücklichen Schluß verkündet Josephine, daß Muffl und Peppi mit ihrer Hilfe in einer fernen Stadt ein Handelsgeschäft eröffnen werden und somit heiraten können.
Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner