Charivari
Wenn’s ums Geld geht, fängt bei Nestroy der Spaß erst richtig an
Was ist den eigentlich Charivary? Es gibt nur wenige Wörter im Deutschen, die so vielseitig mit negativem Sinn belegt sind, wie der Ausdruck für die Schmuckkette am männlichen Trachtenanzug. Allein die Vorstellung eines Bierbauches, eingezwängt in einer Lederhose, überragt vom feisten, rotbrezerten Gesicht eines Gscherten, der seinen Wohlstand über der Wampe klimpern lässt, birgt für sensible Gemüter bereits einiges an Grauen, wenngleich es sich hier um die ursprüngliche Bedeutung handelt. Erfunden muss diese kleidsame Verwendung ein witziger, jedoch belesener Geist haben, denn im Spätlateinischen bedeutet „caribaria“ gleich wie das altgriechische „χαρηβαρέω“ Kopfschwere, beziehungsweise Kopfschmerzen. Aus der Antike herauf haben uns die Franzosen das Vokabel „charivari“ gerettet. Dort benennt es schlicht den Radau oder, nicht uninteressant, eine in der Haut cuisine offenbar nicht geschätzte Variante des Erdäpfelsalates. Womit wir wieder beim ausgefressenen G’stopften rustikaler Prägung wären. In unseren Landen ist daraus im 19. Jahrhundert die Katzenmusik geworden, der Lärm, den unzufriedene Untertanen im Rahmen von Demonstrationen veranstaltet haben. Zum Großeinsatz kam diese Form des Protests anno 1848, als sich sogar die an sich nur raunzenden Wiener zur Revolution entschlossen hatten und dank dieses Aufstands nichts, aber schon gar nichts verbessern konnten. Sie haben es viel mehr Johann Nestroy übel genommen, wenn er sich in seinen Possen darüber lustig gemacht hat. So musste auch das 1850 uraufgeführte „Charivari“ nach der Premiere umgehend abgesetzt werden.
Offenbar konnte damals niemand darüber lachen, wenn ein hintertriebener Geldsack von findigen Habenichtsen um seinen Reichtum geprellt wird. Gott sei Dank war Peter Gruber anderer Meinung. Der Nestroy-Spezialist und treue Intendant wagte es, in der 49. Auflage der Nestroy-Spiele Schwechat „Charivari“ auf den Spielplan zu setzen und hat uns damit einmal mehr eine Rarität aus dem Schaffen unseres allseits geliebten Bühnenautors neu entdeckt. Wenn Gruber Regie führt, dann ist das in diesen Possen verspottete Biedermeier ungeschminkte Gegenwart, über die man sich dennoch köstlich amüsieren kann. Mit drehbaren Elementen wird die Bühne in der Rothmühle zum vielgestaltigen Schauplatz dieser Komödie, in der ein gewisser Muffinger, seines Zeichens Ex-Kürschner und aktuell Anlagenjongleur fremden Geldes, sein Mündel zwecks Erhaltung des Vermögens an seinen Sohn verheiraten will. Rainer Doppler ist dieser – laut eigener Ansicht – ehrsame Kapitalist, was an sich ein Scherz ist. Sein Wappentier ist der Sauschädel und Muffinger wird diesem Adel voll gerecht. Dass Isidor (Marc Illitsch), sein schüchterner Nachwuchs, ein Auge auf die resche, fesche Köchin Kathi geworfen hat, stellt für den Alten kein Problem dar, zumal er selbst die junge Dame zu ehelichen gedenkt. An der erfrischend natürlich in ihrer Küche werkenden Michelle Haydn beißen sich aber beide die Zähne aus. Schließlich ist Kathi verheiratet, wenn’s auch niemand wissen darf. Das gibt ihrem von einer langen Asphaltierer-Reise zurückgekehrten Gatten Jeriel Finkl die Möglichkeit, im Hause Muffinger Ordnung zu schaffen.
Oliver Baier beginnt seine Tour de Force durch eine Reihe von abenteuerlichen Verkleidungen mit der Feststellung „S’is ka Element für die Menschennatur!“ und hat auch später genügend Möglichkeiten, in den Couplets mit Politik und anderen Unerfreulichkeiten abzurechnen, quasi ein Karikaturen-Charivari mit Heurathszweck, so der Originaltitel, zu fertigen. Mit trickreichem Mummenschanz schafft er es, die beiden Liebenden, das Mündel Marie (Ines Cihal) mit dessen Geliebten, dem mittellosen Medizinstudenten Adolf Flamm (Lukas Aschenreiter) zu vereinen und sogar einen in die Jahre gekommenen „Security“, den Hausdiener Kajetan (Robert Herret) auf seine Seite zu ziehen. Das alles wäre nicht möglich, ohne das Zutun einer Reihe von respektablen Nebendarstellern wie Gabi Herbsthofer als Greislerin Sandl, deren Kollegen Primsen (Franz Steiner), der Wirtsleute Herrn und Frau Krügl (Erwin Leder, Bella Rössler), deren Keller sich im Wandumdrehen zur finsteren Folterkammer – und das nicht nur des sauren Weines wegen – verwandelt. Für die wahrhafte Unmenge an gelungenen Kostümen immer am richtigen Schauspieler sorgt Andrea Költringer und Otmar Binder für die fein begleitenden Klavierklänge, weit abseits von besagter Katzenmusik.
- Quelle: Kultur & Wein