Lady und Schneider

Posse mit Gesang in 2 Acten
[von Johann Nestroy]

HKA Stücke 26/II, Herausgegeben von John McKenzie, Wien 1998

Personen:

GRAF VON HOHENSTERN

Friedrich,

PAUL, seine Söhne

LADY BRIDEWELL, Wittwe

LORD ATWORTH, ihr Oheim

BARONIN VON KARGENHAUSEN

ADELE, ihre Tochter

FUCHS, Secretair der Baronin

MISS KEMBLE, Kammerfrau der Lady

JEAN, Bedienter des Grafen Paul

GEORG, Bedienter im gräflichen Schlosse

RESTL, ein alter Schneider

Linerl, seine Tochter

HYGINUS HEUGEIGN, Schneider, Linerls Bräutigam

FINGERHUT,

BIEGELSCHEER, Schneidergesellen

[BALLGÄSTE]

[LAKAIS]

[MUSIKER]

Die Handlung spielt in einer Provinzstadt, und in dem Schlosse der Lady

Erster Act

(Zimmer im ·Palais· des Grafen Hohenstern mit Mittel- und Seitenthüren.)

1ste Scene

(GRAF HOHENSTERN, FRIEDRICH, FUCHS; der alte GRAF sitzt in einem Lehnstuhl, ihm zunächst steht FRIEDRICH, in einiger Entfernung FUCHS.)

GRAF HOHENSTERN (zu FRIEDRICH). Von Ehe war also doch die Rede?

Friedrich. Nun ja, wie das so häufig in Gesprächen der Liebenden vorkommt; im Grunde aber–

Fuchs. Mündliche Ehversprechen sind ja eigentlich nichts anders, als eine etwas ·compactere· Gattung von Liebesschwüren, aber deßwegen doch noch lang kein ·reeler· Gegenstand.

Friedrich. Und daß ich nichts Schriftliches derart von mir gegeben –

Fuchs. Kann ich als vertrauter Sekretair des Kargenhausenschen Hauses am besten bekräftigen.

Graf Hohenstern (zu Fuchs). Ich hielt es für meine Schuldigkeit, meinen Sohn in Ihrer Gegenwart über die Sache zu vernehmen, damit Sie der Baronin die Versicherung geben können, daß mir die Beziehungen, in welchen mein leichtsinniger Sohn kurze Zeit zur jungen ·Baronesse· gestanden, unbekannt waren, und daß sie es deßhalb als keinen feindlichen Schritt ansehen möge, wenn ich seine Vermählung mit Lady Bridewell allen Ernstes betreibe.

Fuchs. O, ich bitt, so was könnt ja der alten Baronin gar nie einfallen, die überhaupt eine unendlich edle Dame is, und noch weniger der jungen Baronin, die überhaupt ein Engel, der das Glück Anderer überhaupt höher steht, als ihr eigenes, und die überhaupt –

Graf Hohenstern (zu Friedrich). Aber das sag ich dir, Friedrich, du kennst mich, und es ist ein ernstes Wort, welches ich jetzt zu dir spreche. Dreymahl schon hat dein Flattersinn die wünschenswerthesten Parthieen rückgängig gemacht –

Friedrich. Dießmahl haben Sie nichts zu fürchten, theuerster Vater, ich liebe die Lady von ganzem Herzen.

Graf Hohenstern. Eben deßhalb fürcht ich, denn ich kenne dein Herz ganz.

Friedrich. Will ich sie denn nicht in wenig Wochen heurathen?

Graf Hohenstern. Ich aber will, daß in wenigen Tagen die Vermählung sei.

Friedrich. Nun ja auch das, da Heurathen schon einmahl meine Bestimmung ist –

Graf Hohenstern. Es freut mich, dich gefügig zu finden, aber das sag ich dir, wenn abermahls die Sache sich durch deine Schuld zerschlüge, dann wird dein jüngerer Bruder Paul zum Majoratserben ernannt, und du magst dann ein zweck- und planloser Springinsfeld bis ins Alter bleiben. – Herr Fuchs, melden Sie der Baronin meinen herzlichen Gruß, und sagen Sie ihr, daß ich, nachdem ich Alles weiß, das Opfer doppelt schätze, welches sie mir durch ihr Erscheinen auf dem heutigen Balle bringt.

Fuchs. Opfer nennen Euer Excellenz eine so großartige Unterhaltung?

Graf Hohenstern. Allerdings. Meiner Gemahlin wurde Idee eines Kostüm-Balles in den Kopf gesetzt, und ich kann mir’s wohl denken, daß dieß für eine Dame reiferer Jahre, wie die Baronin, etwas sehr Lästiges ist. ·Adieu·! (Geht in die Seitenthüre rechts ab.)

2te Scene

(Die Vorigen ohne Graf Hohenstern.)

Friedrich. Herr Fuchs, ich danke Ihnen für Ihr freundlich schonendes Benehmen, mit welchem Sie den bereits auflodernden Zorn meines Vaters besänftigten.

Fuchs. Mein Gott, wenn der Mensch selbst einmahl jung war, und wenn der Mensch überhaupt selbst ein Mensch war, der außerdem überhaupt –

Friedrich. Mancher an Ihrer Stelle hätte Öhl ins Feuer gegossen; nochmahls meinen innigsten Dank! (Geht zur Mittelthüre ab.)

3te Scene

(FUCHS allein.)

[FUCHS.] Der Ausspruch des alten Grafen war körnig, kräftig, gediegen, wie ein Biebelspruch. „Wie sich die Heurath mit der Lady zerschlägt, wird der jüngere Bruder Paul Majorats-Erbe.“ Nun, darin liegt ja Alles, was die Baronin will, was ihre Tochter will, was ich will, und was noch ein Vierter auch nicht verschmähen wird – ah da kommt er –

4te Scene

(PAUL; DER VORIGE.)

PAUL (aus Seitenthüre links kommend). Ah, Sie hier, werther Freund –?

Fuchs. Habe soeben mit dem gräflichen Herrn Papa die Ehre gehabt, und denken Sie sich –

Paul. Sie wissen, daß ich gar nichts denke als, Adele!

Fuchs. Adele aber denkt so Manches.

Paul. Was aber immer nur mich betrifft. So denkt sie, daß ich der Glücksgüter würdiger als mein Bruder sey.

Fuchs. Sehr ein guter Gedanken.

Paul. Sie denkt, daß der Mann ihrer Wahl hoch über denjenigen stehen müsse, dem sie [nie] wahre Neigung schenken konnte.

Fuchs. Sehr ein großer Gedanken.

Paul. Sie denkt, daß mir das Majorat werden muß.

Fuchs. Gar ein ausgezeichneter Gedanken, zu dessen Verwirklichung die Flatterhaftigkeit des Herrn Bruders das Meiste beitragen kann.

Paul. Mein Bruder scheint seit seiner Zuruckkunft einige Kälte gegen die Lady zu entwickeln.

FUCHS. Da wird die von mir und der Baronin so klug ausgeführte Schneidermachination auch noch das ihrige dazu thun. Die Schwachheit des Herrn Bruders für reitzende Toiletten is bekannt; und dann noch ein großartiger Plan – – der Herr Graf hören mich aber gar nicht an.

Paul. Nein, ich denke an Adele.

Fuchs. Damit is es aber nicht abgethan.

Paul. Ich weiß es, drum bleibt Alles Übrige Ihnen überlassen. Vier Stunden noch, bis ich sie wiedersehe, – ich muß ihr schreiben. (Geht in die Seitenthür links ab, indem er unter der Thüre nochmahl seufzt.) Adele!

Fuchs (allein). Wenn der sich ’s Brod verdienen müßt! – – für manchen Menschen is es a wahres Glück, wenn er a Graf is. (Geht zur Mittelthüre ab.)

VERWANDLUNG

(Laden eines Frauenkleidermachers, ohne Eleganz; im Hintergrunde rechts der Schneidertisch, in der Mitte der Eingang von der Straße. Rechts eine Seitenthüre, welche in das Wohnzimmer Restls, links eine Seitenthür, welche in das Wohnzimmer des Heugeign führt. Simple Frauenkleider hängen an Stellagen. Im Prospecte links ein Fenster, durch welches man die Aussicht in eine enge Gasse hat.)

5te Scene

(LINERL, FINGERHUT, BIEGELSCHEER; die beiden GESELLEN sitzen auf dem Tische und sind mit den Bestandttheilen eines phantastischen Maskenanzuges beschäftigt; LINERL sitzt neben dem Tisch und arbeitet an der Silberverzierung eines Schleyers.)

FINGERHUT (ärgerlich, indem er drauf losarbeitet). So verruckte Sachen sollen s’ bei ein Theaterschneider bstelln, aber nicht bei ein soliden Professionisten.

BIEGELSCHEER. Hör auf; mir thut’s ordentlich wohl einmahl einen Phantasieanzug untern Händen z’haben, statt den ewigen Wirthschaftszeug.

Linerl. Redts nicht so viel, und arbeits lieber, daß wir fertig werden.

BIEGELSCHEER. Wenn ich nicht fleißig bin mit den Sonnen aufnäh’n –

FINGERHUT. Und die Greißlerin muß auf ihr warms Spenserl warten.

Linerl. Geld verdienen is der Zweck, und so ein Narrengwand wird immer viel besser zahlt, als ein vernünftiger Anzug.

6te Scene

(Restl; DIE VORIGEN.)

RESTL (aus Seitenthüre rechts kommend. Er trägt einen Silberspitzen-Besatz in der Hand, und hat den Rock eines Nymphen-Anzugs über den Arm hängen). Das heiß ich gearbeit’t. ·Netto· Dreyhundert Rosenblätter hab ich auf ein ätherisches Kitterl gsetzt.

Linerl. Aber der Silberbesatz, Vater –?

Restl. Da bring ich ’n ja; neunzehn Ellen Stern-Garnierung, das wird doch gnug seyn auf a Fee.

Linerl. Dreymahl umundum – ich weiß nit –

Restl. Du rechnest nach der irrdischen Rockweiten, die allerdings ans Unendliche streift, aber –

Linerl. Und wann wird’s denn der Vater aufnähn? etwan wenn die unbekannte Gnädige schon da is?

Restl. Recht hast, ich mach ihr’s an Leib.

Linerl. Und die Ärmeln sind auch noch nicht eingsetzt.

Restl. Das mach ich ihr an Leib.

Linerl. Na, da wurd sie sich bedanken, wenn sie sich zwey Stund herstellen müßt, so eine Dam’.

Restl. Wenn sie wirklich a Dam’ is, so hat s’ nix z’thun, und wenn s’ nix z’thun hat, so hat s’ Zeit. Übrigens, glaub ich, mit der ihrer Nobleß, da hat’s auch Zeit.

Linerl. Warum?

Restl. Wenn sie wirklich was Rechtes wär, so ließ sie nicht arbeiten bei mir. Ich bin achtunddreißig Jahr Schneider, und hab nie eine ordentliche Kundschaft g’habt, warum sollt also grad heut, den letzten Tag, sich was ·Distinguirtes· zu mir verirren?

Linerl. Wenn sie auf den prachtvollen Kostüm-Ball geht, den der Exlenz-Graf heut giebt, so wird s’ doch, hoff ich, was Nobles seyn.

Restl. Das is noch keine Folg! Politische Schlauheiten sind jetzt an der Tagesordnung; der Graf will sich vielleicht populär machen, und ladt deßwegen ·expré· a rechts Gschnattl ein.

FINGERHUT. Bleibt ’s also richtig dabey? der Meister setzt sich in die Ruh?

Restl. Sich in die Ruh setzen, bei der Zeit? da wußt ich auf Ehre nicht, wo ich mich hinsetzen sollt. Ich geb halt ’s Gschäft auf; da habts den letzten Wochenlohn von mir, den nächsten wird euch mein Schwiegersohn zahlen.

BIEGELSCHEER. Und übermorgen schon – (dringend zu LINERL.) nur um einen Tag, wenn S’ die Hochzeit noch verschieben möchten.

Linerl. Unabänderlich –-

RESTL (zu LINERL leise). Du, mir scheint, der kann dich nicht in den Armen eines Andern sehn, er is verliebt in dich.

LINERL (leise zu RESTL). Ich bemerk’s schon lang an ihm, diese verzehrende Leidenschaft.

Restl (wie oben). Ein Schneidergsell und eine verzehrende Leidenschaft! – da bleibt nichts übrig – (Laut zu BIEGELSCHEER, indem er ihm ernst entgegentritt.) Was hat Er gegen die Heurath meiner Tochter? –

BIEGELSCHEER (zu LINERL). Ich hab mir an Ihren Hochzeitstag was anthun wolln –

Linerl (leise zu RESTL). Sehn S’, Vater –?

Restl (zu BIEGELSCHEER). Was hat er sich anthun wolln?

BIEGELSCHEER. Ein guten Tag.

Restl (leise zu LINERL). Sixt, Tochter?

BIEGELSCHEER (zu LINERL). Und der Montag is ohnedem ein guter Tag, ob Sie heurathen oder nicht.

Linerl (pikiert). Er kennt halt nichts als Wirthshaus.

Restl (wehmüthig das über den Arm hängen habende Kleid betrachtend). Trennung is schwer.

Linerl. Wir bleiben ja alle beysammen, Vater.

Restl. Wir, ja, aber nicht ich und die Kunst.

Linerl. Wenn der Vater will, so kann er ja immer zur Ausheiterung dann und wann a ·Percail·kleid machen.

Restl. Meine Laufbahn bleibt merkwürdig. Mein Meisterstuck als junger thatkräftiger Jüngling war ein Pelz für ein alts Weib, – und meine Abschiedsleistung als Greis ist ein Feengewand.

Linerl. Und noch dazu eins, welches auf ein solchen Ball glänzen wird. In was für einen Kostüm der Graf Friedrich erscheinen wird, möcht ich wissen.

Restl. Wahrscheinlich als Hamlet, oder als Schnudi.

BIEGELSCHEER. Es gehn ja nur die Damen im Kostüm, ich hab ein bekannten Bedienten dort –

Linerl. Als Jäger sollt er gehn, (von einer Erinnerung ergriffen) schöner kann ihm kein Anzug stehn.

Restl (aufmerksam werdend). Du –

Linerl. Was denn, Vater?

Restl. Du –! (Drohend.) Mir kommen Gedanken –!

BIEGELSCHEER (zu FINGERHUT). Der Meister lebt nimmer lang.

Restl (zu FINGERHUT und BIEGELSCHEER). Laßts mich allein, ich hab mit meiner Tochter was zu sprechen, im engsten Vertraun, da haben nicht einmahl ein Paar Schneidergsellen Platz.

(Die beiden GESELLEN gehen zur Mitte ab.)

7te Scene

(RESTL, LINERL.)

Restl. Linerl – Tochter – du mußt nicht bös seyn –

Linerl. Ich wüßt nicht, warum; aber was hat denn der Vater?

Restl. Als Vater hab ich nichts, aber ich bin auch Schwiegervater, und als solcher hab ich eine schwierige Stellung.

Linerl. Ja, warum denn?

Restl. Als Vater macht’s nix, wenn ich nachsichtig, auch kurzsichtig bin; – aber als Schwiegervater muß ich an deinen geheimsten Gedanken zum Verräther werden, muß die Kaffeeschwester deines Rufs, sogar die Waschmiedl deiner Träume seyn. Das is viel!

Linerl. Bey mir is es wenig, oder eigentlich gar nix.

Restl. Ich weiß, du hast nie einen Schritt gethan –

Linerl. Das will ich hoffen.

Restl (fortfahrend). Den nicht der strengste Vater – aber weißt, ich will kein Vorwurf haben –

Linerl. Ich weiß gar nicht, wie mir der Vater vorkommt –!?

Restl. Für deine Vergangenheit muß ich ·garantiren·, die Zukunft is dann reines ·Risiko· deines Gemahls.

Linerl. Ich hab kein Geheimniß vor ihm. Daß sich Einer wegen mir hat erschießen wollen, weiß er.

Restl. Wenn er sich wirklich erschossen hätt, wär’s ihm lieber.

Linerl. Daß ich zum deutschen Frauen-Verein gehört hab, weiß er auch.

Restl. Ein Mädl beym Frauenverein, is immer ein Übelstand.

Linerl. Na, jetzt sind meine Geheimniß schon beisamm.

Restl. Bis auf das, daß du den Graf Friedrich einmahl gesehn hast; das weiß er nicht.

Linerl. Is denn das was Unrechts?

Restl. Sagen muß ich ihm’s doch; es is wegen die nähern Umstände –

Linerl. Wenn mir der Vater einen unnöthigen Verdruß machen will –

Restl. Weißt, Linerl, ich will halt keine Vorwürff haben.

Linerl. Ich werd ihm’s selbst sagen.

Restl. Is mir auch recht.

Linerl (nach dem Fenster rückwärts blickend). Mir scheint – richtig, da kommt er die Gassen herauf.

Restl. Ich werd zuhören da drinn, ob du ihm’s ganz aufrichtig sagst.

Linerl. Der Vater is recht abscheulich.

Restl. Nicht harb sein; ich weiß, du hast nie einen Schritt gethan – aber weißt, ich will halt keine Vorwürff haben. (Geht in die Seitenthüre rechts ab.)

LINERL (allein). Ich hab ein guts Gewissen, ich hab keinen Richter zu scheuen, kühn kann ich ihm entgegentr– (hält plötzlich etwas zaghaft inne) ich muß doch erst abwarten, in was für einen Humor als er nach Haus kommt. (Geht in die Seitenthüre links ab.)

8te Scene

(HEUGEIGN allein; tritt während dem Ritornell des folgenden Liedes zur Mittelthür ein.)

[HEUGEIGN.]

Lied

1.

Ich bin, was is weiter

Nur mit Widerwilln Schneider –

I wär auch trostlos, auf Ehr,

Wenn i a Schuster wor’n wär; –

Selbst als Ledrer, ungschaut,

Fahret ich aus der Haut.

Und das nicht allein ich,

Jeder Gschäftsmann is schich.

Wie Viel möchten sich morden

Weil s’ sind Lebzelter worden!

Der Kirschner seufzt auch:

„Wie is mein Lebnsweg so rauch!“ –

Da thun Friseurs traurig hocken,

Zerzausn d’eigne Parocken –

Der wird schwarz fast vor Zorn

Weil ’r is Gelbgießer wor’n; –

Da ertränkt sich a Drachsler,

Da erhängt sich a Wachsler –

Das kommt weil Jeder leidt,

Bey dem Umschwung der Zeit.

2.

’s Giebt ab’r auch ·Metié·

Die grad jetzt gehn in d’Höh;

So kann kein Färber darben,

Denn d’Politik spielt Farben,

Alle Monath a neuche,

Darnach färbt er die Zeuche,

Denn wer halbwegs nur kann

Steckt vors Fenster ein Fahn.

Auch d’Wirth habn jetzt ka Noth,

·Conträr·, Glanzperiod!

Zu ihnen gehn die Vereine,

So viel große, und so kleine;

Und sie thun ’s Bier nicht schonen

Diese Associationen.

Sie machn wie s’ sind angstochen

Weltgschicht für d’nächste Wochen,

Thun Krawall schmiedn und Aufruhr,

Dabey heißt’s allweil, „sauf zua!“ –

Ja der Umschwung der Zeit

Hat viel Einfluß auf d’Leut.

3.

Für die Drucker schon gar

War’s ein goldenes Jahr;

Flugschriftn niederträchti,

Plakate höchst verdächti,

Nix is z’dumm nix z’schlecht gwesen,

D’ Leut habn Alles z’sammglesen;

„’s Blatt ein Kreuzr!“ hat man g’hört,

Und kein Pfennig war’s werth. –

Nur Ein Gschäft thut z’kurz kommen,

Was, ·metaphorisch· genommen,

Grad z’thun hat am Meisten,

Das sind d’Sattler, die leisten

Enorms in der Zeit,

Wo von gestern auf heut

Hunderttausend von Leut

Habn umgesattelt so gscheidt. –

Und kein Einzger von Alln

Thut dem Sattler was zahln.

Ja, beim Umschwung der Zeit

Lernt man s’ kennen die Leut.

Monolog

Wenn sich der Körper in die Feder verschlieft, und die Seel merkt daß sie jetzt frey is auf a Paar Stund, so gabelt s’ wo a Paar Traumbilder auf, und flankirt mit ihnen auf die Fantasiekirtäg herum; da gibt’s dann oft einen Tanz, gegen den Blocksberg-·Redout·, und wilde Jagd noch etikett-steife Hofbäll sind. – So is es mir dieser Tag gegangen, wie man mich aus unsern politischen ·Extra·-Zimmer enthusiasmus-trunken nach Haus und ins Bett hatt bracht. – Da war mir als höret ich einen abergläubischen Klopfer an der Thür, zwischen Schlüsselloch und Nachtriegel schlupft was herein, und in der nächsten Sekunden steht ein schwarzes Männlein in ·Rococo·-Fräklein mit Dreispitz und Zopfenkatherl als Traumgestalt vor mir. – „Warum arbeiten Sie nichts?“ – war seine erste Frag – „Weil ich nach Höheren trachte“ – war meine erste Antwort – „Aha –“ sagt er in Rappée-schnupfigen Professorton – „Sie fühlen vermuthlich einen Staatsmann in sich?“ – Ja“ – sag ich – „ich bin ein Mann auf den sich der Staat stets stützen kann.“ – „Verzeihen Sie –“ schnofelt er achselzuckend – „wenn ich über diese Staatsstütz stutz –“ „Prüfen Sie mich erst, und dann stutzen Sie“ sag ich keck, – da hat er etwas Unverständliches von ·auribus· oder Ohribus und ·Asinus· gemurmelt, und drauf is ein förmliches Examen, oder eigentlich ein Frag- und Antwortspiel losgegangen – (Im Tone des Professors.) „Sagen Sie mir, was ist das Volk?“ – (Eigner Ton.) „Das Volk is ein Ries in der Wiegen, der erwacht, aufsteht, herumtargelt, Alles zusammtritt, und am End wo hineinfallt wo er noch viel schlechter liegt, als in der Wiegen“ – (Professors Ton.) „·Bene·! Sind Sie für das Ein- oder Zwey-Kammer-System?“ (Eigner Ton.) „Ich bin für das dritthalb Kammer-System, denn in der Nähe der Zwei Kammern sollt immer noch ein Spekkammerl sein“ – [(Professors Ton.)] „Eine andere Frage – Sollte man in Deutschland nicht zur Aufhebung der Spielbanken schreiten, wo die Leute ihre Ducaten in ·Rouge e noir· verlieren?“ (Eigner Ton.) „Nein; denn wenn der Deutsche sein Gold auf Roth und Schwarz setzt, so formirt er seine Landes-Farben, und dieses patriotische Streben darf keiner Beschränkung unterliegen“ – (Professors Ton.) „Welchen Einfluß hat die Reform der Volksrechte auf das Völkerrecht?“ (Eigner Ton.) „Keinen andern als den, daß die Maler in Flor kommen werdn, denn Völkerrecht is das, was den Völkern Recht is, da aber den Völkern gar nix mehr Recht is, so muß man ihnen was mahlen.“ (Professors Ton.) „Wenn Einer in einen Uhrmacher-Laden dringt, sich die schönste Uhr aussucht, und fährt damit ab, werden Sie ihn einen Dieb oder einen Räuber nennen?“ (Eigner Ton.) „Keines von Beiden; ich werde sagen, daß es ein Uhrwähler ist“ – (Professors Ton.) „Ach, Sie verwirren ja die Begriffe“ (Eigner Ton.) „Hörn S’ auf, Sie haben die Klarheit auch nicht erfunden“ (Professors Ton.) „Mir ist Alles klar, was Gesetze hat“ (Eigener Ton.) „Das werden wir sehn. Nehmen wir zum Beyspiel die Ehre –, die hat auch ihre Gesetze. – wie erklären Sie mir folgendes unerklärbare Phänomen: – So wie es von jeher gute und schlechte Diener, so hat es auch von jeher gute und schlechte Herrn gegeben. Wenn in irgend einer ·Branche· der bürgerlichen Gesellschaft recht ein Schmafu-Kerl is, so sagen seine Kameraden, der is uns zu schlecht, mit dem dienen wir nicht, warum haben denn noch in keinem Jahrhundert die Herrscher von einem Kamaraden gesagt, der is uns zu schlecht, mit dem herrschen wir nicht? – An Gelegenheiten hat es nicht gefehlt“ – Der Professor beprießt seine Nase, beutelt den Kopf, aber bringt nix heraus, und ich will schon ein Ironisches Gehianz anheben, da sagt er mit plötzlich veränderter Stimm – „Du bist reif für –“ die paar folgenden Worte sind mir entfallen – und pakt mich bei die Haar; ich will ihm eben einwenden, daß sich seine Hand auf ungesetzlichen Boden bewegt – in den Augenblick aber spür ich keinen Boden mehr unter mir, das Schopfbeuteln hat sich in ·Permanenz· erklärt, und hoch in der Luft zappelnd seh ich, wie die Länder und Städte unter mir auch alle in Bewegung waren – da sagt mein Schopfhalter – der sich im Flug von verschrumpften Professor in einen langmächtigen Genius umgewandelt – „Wisse fauler Schlingel, ich bin der Genius der Schneiderzumpft; wenn ich nichts unthätigers finde, als dich, so zerreiß ich dich.“ – und wie er das sagt, flattert der reiche Faltenwurf von seinen Prachtgewand nach allen Seiten, wie Fahnen, und rauscht in die Weltgegenden hinein. – „Was is denn das für ein Sturm?“ frag ich ihn. – „das sind die politischen Stürme –“ antwortet er – und siehe da, auf einmal hängt das herrliche Gewand an ihm, als wie an einen Kleiderstock, und nicht der leiseste Luftsäusler war zu spüren. – Da frag ich ihn höhnisch – „Was is denn das für ein Sturm?“ „Das is der Landsturm –“ antwortet er“– Ha sixt es Genius, der is noch unthätiger als ich –“ sag ich triumphirend – da laßt er mich los“ und ich sink und sink; unter mir ein ·demagogisch· knisternder Schlund, mit der Flammenaufschrift – „Terrorismus“ – ich stürz hinein und erwache, just nicht in, aber ganz nah neben meinen Bett. Das Traumbild war verschwunden, aber nachgangen is es mir den ganzen Tag. Zu dem Ideal-Gwand nach Genius-Muster hat sich bereits eine Gelegenheit ergeben, die Meinigen habn’s nach meiner Angab gemacht, aber keine Spur zeigt sich von dem politisch glühenden Schlund, der mich verschlingen soll, und nicht „Mau“ hat er noch gsagt jener vielversprechende Terrorismus-Rachen. Na, jetzt werden wir halt sehen –

9te Scene

(LINERL; DER VORIGE.)

LINERL (aus der Seitenthüre links, etwas schüchtern heraustretend). Aber du bist lang ausblieben, lieber Hyginus.

Heugeign (mißlaunig). Ich hab gute Freund getroffen –

Linerl. Sag das nicht, du bist kein Trinker nur die finden überall gute Freund; das is wenigstens ihre beliebte Ausred.

HEUGEIGN. Sekir mich nicht.

LINERL (theilnehmend). Geh, red, was is dir denn Heugeign?

Heugeign. Ich bin verstimmt. Ich hab was Neus erfahren.

Linerl. Aus der Zeitung?

Heugeign. Da steht nix Neu’s, nur Altes; oder wenigstens was aufs Alte wieder hinführt. Der Graf Friedrich is schon wieder da, das is das Nagelneue.

Linerl. Das g’hört schon in die Spatzenversammlung.

Heugeign. So, du weißt es schon –? Das sag ich dir, wie du seine ·Equipage· von Weitem siehst, gehst in a Haus.

Linerl. Warum denn?

Heugeign. Daß d’ ihn nicht siehst, den –

Linerl. Wär denn das ein Unglück? ich hab ihn schon gsehn.

HEUGEIGN (höchst aufgebracht). Du hast ’n gsehn, diesen ·Hautevolé·erer mit der herablassenden Lieb, der beim schönen Gschlecht für Freiheit und Gleichheit schwärmt, und auch überall gleich so frey is? Den hast du gsehn?! Fahr ab aus dem Reichstag meiner Gefühle! ich hab dich gewählt unter Tausenden, ich bin dein Wahlmann, jetzt kriegst du aber das unbändigste Mißtrauens-·Votum· von mir.

Linerl. Eifersucht beweist Lieb, da laß ich mir schon was gfalln.

Heugeign. Rechtfertige dich, wenn du kannst, gib s’ von dir die Denkschrift deiner Entschuldigung, besteig die Tribune, aus allen Gegenden meiner Seele sitzen die ·Deputirten· beysammen, und die Gallerien meiner Denkkraft sind gedrängt voll Zweifeln.

Linerl. Wennst nur reden möchtst, wie ein anderer Mensch. Ich war mit meinen Vatern in Teichenau, wo die Frau Mahm ihrn Meyerhof hat.

Heugeign. Eine Mahm in Spiel? allgemeines Gemurre!

Linerl. Der junge Graf war ermüdet von der Jagd, und die Frau Mahm hat vor ihrn Meyerhof so a große Linden, und da hat er sich niedergsetzt.

Heugeign. Man veröffentliche das Protokoll dieser Sitzung.

Linerl. Ich hab ihm müssen auf einer Tazen a Glas Wasser bringen.

Heugeign. Wässriger Inhalt, das haben die meisten Protokolle.

Linerl. Nach fünf Minuten is er wieder fortgangen.

Heugeign. Fortgangen? Stürmischer Beyfall!

Linerl. Daß er sich a Paar Mahl umgschaut hat, das is seine Sach, da kann doch ich nix davor.

Heugeign. Umgschaut hat er sich? und wie hast denn du gschaut bey seinem Umschauen?

Linerl. Wie halt ein unbefangenes Mädl schaut, grad vor sich hin.

Heugeign. Also grad dorthin, wo der Umschauer gstanden is?

Linerl. Er is hinter die Waldhügeln verschwunden, und ich kann dir nur sagen, daß er sich so wenig jemehr um mich bekümmert hat, als mir ein Gedanken an ihn gekommen is.

HEUGEIGN (besänftigt). Hm, das Faktum seiner Gleichgiltigkeit spricht für dich, und die Majorität neigt sich somit auf die Seite deiner Unschuld. – Man schreite zur Tagesordnung – Bussel!

Linerl. Du verdienst keins.

Heugeign. Soll ich es mit einer Sturmpetition erringen?

Linerl. Zu was denn? ich geb dir’s ja so. (Küßt ihn.)

Heugeign. So is recht, und so soll’s allweil seyn, denn siehst du, ich heische Liebe auf der breitesten Basis.

Linerl. Und ich will kein Mißtrauen mehr, auf gar keiner Basis. Frag nach wo und derwöl, so wirst überall hörn, daß ich a bravs Mädl bin.

Heugeign. Das is eben das Unglück, denn jetzt is ja rein Alles erlogen, was man hört. Und ich sag dir nur, so wahr ich Heugeign heiß –

Linerl. Giebst noch kein Fried –?

Heugeign. Ich verlange die vollständigste ·Personal-Union·, unsere Ehe muß der innigste Anschluß werdn, (zärtlich) Linerl muß rein aufgehn in Heugeign! – Also die Hand drauf –!?

Linerl. Das versteht sich ja Alles von selbst.

10te Scene

(RESTL; DIE VORIGEN.)

Restl (aus Seitenthüre rechts tretend). So is recht, so seh ich’s gern.

Heugeign. Meine Linerl is ein Engel.

Linerl. Was nutzt mich das, wenn ich dein Engel, deine Göttin bin, dein Gott bleibt doch nur die Politik.

Heugeign. Politik is auch das Höchste.

Restl. Aber nebenbey, in freien Stunden sollt der Schwiegersohn doch auch a Bisserl zum Gschäft schauen.

Heugeign. Nichts von Geschäft! die Geschäfte stocken.

Restl. Sie gehn stiller als sonst, aber ganz stocken thun s’ nur bey die, die nix arbeiten wollen. Der Schwiegersohn war ja sonst mit Leib und Seel Schneider.

Heugeign. Ich war mehr, ich war Künstler, ich war Miedermacher, Wuchsbändiger, Formenveredler; aber die ·haut volée· hat meinen Leistungen den Rücken gekehrt.

Restl. Nicht undankbar sein, hat doch heut erst die reiche Fleischhackerin um Ihnen gschickt.

Heugeign (mit aufloderndem Zorn). Ha, diese Ochsenmörderin hat meine Seele zerfleischt! Hört und schaudert! Für ihr Pintscherl hat s’ ein Herbstüberwurf bstellt bey mir.

Linerl. Was –!?

Heugeign. Für ihre Person darf kein andrer arbeiten, als der Parisverwehte ·Charlatan·, der ·Monsieur Manteau·.

Restl. Ich machet das Überwürfel, aber einen ·Conto· krieget s’, einen unsinnigen.

Heugeign. Es is Zunftempörend, – aber jetzt is es aus ; ich hab schon lang nichts gearbeit, jetzt arbeit ich gar nichts mehr.

Restl. Von was will denn der Schwiegersohn Weib und Kind erhalten?

Heugeign. Politik nix als Politik.

Restl. Politik und Schneiderey, wie geht denn das z’samm!?

Heugeign. Hat der Schwiegervater nie ghört, daß Italien ein Stiefel is?

Restl. Nein, daß d’Leut einen Stiefel z’sammreden über Italien, das hab ich wohl den vergangenen Sommer oft gnug g’hört, aber –

Heugeign. Durch seine Geographie-Gstalt allgemein als Stiefel bekannt. Wenn aber Italien ein Stiefel is, dann sag ich, is das übrige Europa ein ·Paletot·. Rußland is das breite Rückentheil, ganz eingericht’t, daß man sich dran anlehnen kann, – der schmale lange Streif, das feine Preußen, is der Sammtkragen, – Deutschland, Frankreich, Spanien sind die Vordertheil, – und England is die Brusttaschen, wo ’s Geld steckt. Finden Sie jetzt noch, daß Politik und Schneiderey gar nichts gemein haben miteinand?

Restl. Will mir noch allweil nicht recht eingehn.

Heugeign. Aus so viele große und kleine Fleckeln ein neuen Mantel machen für die Frau ·Germania· – is das nicht das Frankfurter-Problem?

Restl. Der Schwiegersohn hätt sollen zu ein Minister in die Lehr gehn.

Heugeign. Oder umgekehrt. Nicht umsonst bilden sich im Gasthaus Gruppen um mich.

Restl. ’s is zum Crepiren, ich war selber Zeug.

Heugeign. Wie ich meine letzte Red g’halten hab –

Restl. Da haben a Paar „Me!“gschrien.

Heugeign. Opposition muß sein. Aber nur Geduld! (Mit Begeisterung.) Sie müssen mich noch wo an die Spitze stellen, sey ’s Bewegung oder Clubb, ·liberal·, legitim, ·conservativ·, ·radical·, oligarchisch, anarchisch oder gar kanarchisch, das is mir Alles eins, nur Spitze!

LINERL (ängstlich). Heugeign, du bist furchtbar in deinem Grimm. Du wirst mir noch geköpft, gerädert –!

Restl (nach dem Hintergrunde sehend). Ein Wagen halt vorn Haus –!

Linerl. Leut steign ab.

Heugeign. Sie kommen ins Gwölb.

Restl. Das is die Frau –

Linerl. Ein Herr is auch dabey.

Heugeign (zu LINERL). Geh ins Zimmer hinein, und nimm mein Vertrauen mit dir.

(LINERL geht in die Seitenthüre rechts ab.)

11te Scene

(BRIDEWELL, ATWORTH, RESTL, HEUGEIGN.)

Atworth. Ich fürchte, du wirst hier jede Bequemlichkeit vermissen.

Bridewell. Traurig genug, wenn man sich nur auf solche Weise vor dem Verrath seiner eigenen Leute sicherstellen kann. (Zu RESTL.) Nun, lieber Freund –?

Restl (freundlich ·devot·). Euer Gnaden haben die Gnad, und beehren uns mit der Ehre –

ATWORTH (zur LADY). Mein Verdacht haftet auf deinem Schneider, ihm hast du zuerst die Wahl deines Kostüms mitgetheilt, nur er kann es deinen Feindinnen verrathen haben.

BRIDEWELL (zu ATWORTH) Er schwur mir aber hoch und theuer –

ATWORTH (zur LADY). Was sind Schneiderschwüre!

HEUGEIGN (der dieß halb gehört hat zu RESTL). Was hat der gsagt?

Restl (leise zu HEUGEIGN). Still, das is ja die unbekannte Kundschaft, die dem Schwigersohn sein Feengwand aufn Ball ·produciert·; sowas macht weiter kein ·Renomée·.

Heugeign (zu RESTL). Die Fleischhackerin hätt das, was ich mir eingebildt hab, ihr anmessen zu müssen, an Sonntag in die Predigt anzogen, und da werdn die Kleider weit mehr gemustert als aufn Ball.

Restl (zur Lady, indem er Heugeign aufführt). Mein künftiger Schwiegersohn, der eigentliche ·Chef· dieser Anstalt.

BRIDEWELL (zu HEUGEIGN). Sehr fatal, daß Sie gestern nicht zu Hause waren, ich hätte Ihnen gern Manches erklärt.

Heugeign (frostig). Mir eine Erklärung? 0, ich bitte – das wär traurig, wenn’s der Künstler nicht besser als die Kundschaft verstünd.

BRIDEWELL (frappirt zu ATWORTH) In welchem Tone spricht der Mensch –?

ATWORTH (in scharf zurechtweisenden Tone zu HEUGEIGN). Sie müssen wissen, mein Lieber, daß diese Dame für gewöhnlich bey ·Monsieur Manteau· arbeiten läßt –

Heugeign (mit Hohn und Erbitterung). Beim Mussi ·Manteau·? so? beim ·Manteau·?

ATWORTH. Und daß nur ein besonderer Zufall Ihnen die Auszeichnung verschafft –

Heugeign. Sagen Sie dem Zufall, ich weiß es ihm nicht Dank, daß er mir die Brosamen von derAuszeichnungstafel eines ·Manteau· zuwerffen will. Wahrscheinlich war der Weltstadtschneider der Aufgabe nicht gewachsen, über das gewöhnliche Ballkleid kann er sich nicht erheben, und wenn so einen ·Rue-Riche-lieu-Place-Vandom·-Pfuscher sein ·Champelysée·-Verstand nicht auslangt, dann giebt man aus Gottes Gnaden einem ehrlichen Deutschen was z’verdienen; jetzt fragt sich’s aber, ob der deutsche Professionist noch lang so dumm is, und sich das gfallen laßt; ich bin der erste, der Ihnen (schnofelnd) ·sans façon· und ·franchement· sagt, ich steh gar nicht an auf so a Kundschaft.

ATWORTH (auffahrend). Verwegener –!

BRIDEWELL (leise zu ATWORTH, ihn zurückhaltend). Ruhig – für jetzt bin ich in seinen Händen. (Zu Heugeign.) Weit entfernt, Ihrer Aufwallung zu zürnen, bin ich nur um so mehr auf Ihre Leistung gespannt.

HEUGEIGN (halb für sich). Hm, das is eine Red, die sich hören laßt.

Bridewell. Sie haben sich doch genau nach der Zeichnung gehalten, welche ich (auf Restl deutend) dem Manne übergeben?

HEUGEIGN (geschmeidiger). Was Zeichnung! die Fantasie is die einzige Zeichnerin, von der ich mir was vorzeichnen laß.

BRIDEWELL (erschrocken). Himmel, also nicht nach der Figurin –!?

Restl. Er hat den Schnitt, glaub ich, von einem Traumbild abgenommen.

ATWORTH (leise zur LADY). Der Mensch ist ein Fantast.

BRIDEWELL (leise zu ATWORTH). Mir bleibt keine Wahl, Sieben Uhr vorüber, ich muß eilen, jeden Eindruck, den ein anderes Kostüm auf Friedrichs wankelmüthiges Herz machen könnte, durch mein Erscheinen zu ·paralisiren·. (Zu Restl und Heugeign.) Nur schnell –

Restl (nach Seite rechts zeigend). Da drinn is mein Zimmer, und gleich dran an die Kammer von meiner Tochter –

Bridewell. ’s Ist doch Alles fertig?

Restl. Bis aufs Haftelansetzen und auf a Paar Kleinigkeiten, das geht besser, wenn man’s aufn Leib macht.

Bridewell. Wenn aber mein Wagen so lange hier vor der Thüre steht, wie leicht könnte ich erkannt werden.

Restl. Da is leicht g’holfen, er darf nur da ums Eck fahren.

HEUGEIGN. Das Seitengassel is Fünf Schuh breit und die Feuermauern Sechs Stock hoch; Sonnenstrahlen kommen nie, Menschen selten hinein. Meiner Linerl ihr Kammer hat den Ausgang in das Gassel hinaus.

BRiDEWELL. Vortrefflich, so habe ich beim Fortgehn nicht nöthig erst durch den Laden hier – (Zu RESTL.) Geben Sie doch meinem Kutscher die Weisung –

Restl. Gleich, ich fürcht nur, er glaubt mir’s gar nicht, daß das a Gassel is. (Geht zur Mitte ab.)

ATWORTH (zu HEUGEIGN). Freund, entspricht der Anzug nur halbwegs dem Wunsche der Dame hier, dann ist Ihr Glück gemacht.

Restl (zur Mitte hereinkommend). Die ·Equipagi· fahrt schon ums Eck.

(Man hört das Geräusch des um die Ecke fahrenden Wagens.)

HEUGEIGN (mit affektirter ·Nonchalance· die Thüre öffnend). Wenn es gefällig ist, hereinzuspazieren –

(BRIDEWELL und ATWORTH gehen zur Seitenthüre hinein, HEUGEIGN folgt ihnen.)

12te Scene

(RESTL allein, dann GRAF PAUL, FUCHS und JEAN.)

RESTL (allein). Na, mein Schwiegersohn, scheint mir, kriegt wieder ein Sinn für die Schneiderey. Wär a rechts Glück, denn mit seiner Politik war’s mir schon z’dick. Völker beglücken! zu was denn so Sachen für ein Burgersmann, der seine Zeit weiter braucht?! Was hat der Mensch nicht Alles zu thun, bis er sein Weib glücklich macht und seine Kinder?! nacher noch so Gschichten anfangen wollen. Jetzt muß ich hinein – (sich eines andern besinnend) oder nein ich laß ihm allein die Freud, so eine schöne Dame – das macht Alles ·animo· zum Beruf.

(GRAF PAUL, FUCHS und jEAN treten zur Mitte ein.)

PAUL (im Eintreten zu JEAN). Es kann nicht seyn, du mußt dich geirrt haben; ärgerlich nur, daß du durch dein albernes Mährchen mich in wichtiger Conferenz mit Herrn Fuchs gestört.

jEAN. Wie ich Euer Gnaden sage, es war ihr Wagen.

Fuchs. Und vor zehn Minute noch –?

jEAN. Ist er hier vor der Ladenthüre gestanden.

Fuchs. Unbegreifflich, in dieser Winkelgassen.

RESTL (für sich). Aha, die suchen a Quartier.

FUCHS. Da müssen wir drauf kommen.

PAUL (zu JEAN). Entferne dich nicht, und mein Wagen soll in der Nähe bleiben.

JEAN. Sehr wohl, Euer Gnaden. (Geht zur Mitte ab.)

13te Scene

(Die Vorigen ohne Jean.)

Restl (vortretend). Mir ist leid, Euer Gnaden –

PAUL (jetzt erst RESTL gewahrend). Was will der Mensch –?

Fuchs (ebenso). Der hat zughorcht –

Restl. Hier werden Sie nichts Passendes finden.

Fuchs. Wir suchen auch etwas, was gar nicht hieher paßt.

Paul. Ist nicht eine Dame hier?

Restl (zweifelhaft, was er sagen soll). Eine Dame suchen Sie –? ja so – na, sehn Sie, ich hab ’s Gschäft aufgegeben, natürlich, ich bin nicht mehr in die Jahr, aber mein Schwiegersohn probiert ihr da drinn a Kleid an.

Paul. Also wirklich hier –?

Fuchs (zu RESTL). Wie schaut sie aus?

Restl. Wie sie ausschaut –? Mein Gott, ich hab’s ganze Gschäft aufgegeben, da wird Ihnen schon mein Schwiegersohn Auskunft geben; müssen sich halt derweil da gedulden bis er herauskommt.

Fuchs (zu PAUL). Wir sind auf der Spur.

PAUL (zu Fuchs). Es ist kein Zweifel – (Spricht im Stillen mit ihm weiter.)

Restl (für sich). Die verdächtige Fragerey – ich kenn mich nicht aus; ich muß mitn Kutscher reden, der führt mich vielleicht auf ein Grund. (Geht zur Mitte ab.)

14te Scene

(Die VORIGEN ohne RESTL.)

Fuchs. Vor Allem müssen wir – (Sich nach dem abgegangenen Restl umsehend.) He, guter Freund – er is fort –

Paul. Wenn nur nicht am Ende ein Geheimniß hier obwaltet, welches meinem Bruder ein Recht gäbe, die Hand der Lady auszuschlagen.

Fuchs. ·Conträr·, ich ·parir· es is eines, welches in unsern Kram taugt.

Paul. Sie sprachen aber auch, eh uns Jeans Nachricht turbirte, von einem wirksameren Mittel zum Ziele –

Fuchs. Freylich, – „nur die Sach von zwei Seiten zugleich anpacken, dann geht’s,“ – das war meinen ·A, B, C·-Lehrer sein Wahlspruch, wenn er den Schülern über die Ohren gekommen is.

15te Scene

(RESTL; DIE VORIGEN; RESTL tritt, ohne von den Anwesenden bemerkt zu werden, zur Mitte ein.)

PAUL (in obigem Gespräch fortfahrend). Und dieses Mittel wäre?

Fuchs. ·Mésalliance·.

Paul. ·Mésalliance· –?

RESTL (vortretend). Das is nicht schön Euer Gnaden, (Gekränkt.) Alleweil über die Schneider.

Paul. Was will denn der Mensch –?

Restl. Sie haben „·Mesallianz·“ gsagt.

Fuchs. Das heißt Mißheurath.

Restl. Das is nicht wahr, hier heurathet ein Schneider, und das nennen Sie eine ·Mesallianz· – gehört sich nicht, das ewige Ausspatten alleweil. (Will zur Mitte ab.)

Fuchs. So laß sich der Herr doch sagen –

Restl. Wenn S’ mich bös machen, geh ich gar nimmer herein. (Zur Mitte ab.)

16te Scene

(DIE VORIGEN ohne RESTL.)

Paul. Was es doch für bornierte Menschen giebt.

Fuchs. Seyn wir froh, wenn s’ uns nicht z’gscheidt werdn. – Was ich also vorher sagen wollte – um ganz sicher zu gehen, wär’s gut, wenn man bey der Erkaltung Ihres Herrn Bruders gegen die Lady, zugleich für eine Entflammung für eine andere sorget.

Paul. Sie sprachen aber von einer ·mésalliance·.

Fuchs. Ganz recht, und da wär halt das simple Strohhut-Geschöpf, was ihn verflossenes Fruhjahr in Teichenau so entzückt hat, der passendste Gegenstand.

Paul. Die blöde Dirne, die ihre glotzenden Augen so auf ihm haften ließ, daß sie meine Anwesenheit gar nicht bemerkte.

Fuchs. Ich hab bereits Erkundigungen eingezogen, sie ist aber nicht mehr auf dem Meyerhof.

Paul. Die Alte muß dann Auskunft wissen.

Fuchs. Die will aber nicht herausrucken mit der Farb; is etwas obstinat, diese alte Meyerhoferin.

Paul. Pah! Durch Geld muß es ja gehn.

17te Scene

(HEUGEIGN; DIE VORIGEN.)

Heugeign (verwirrt und entzückt aus der Seitenthüre rechts tretend). Nein, diese Schönheit –! ich weiß auch was Recht is, aber – je mehr man sie anschaut – es is eine Grausamkeit; kann ich sie besitzen?– nein; – also, was untersteht sie sich so reitzend zu sein? wozu diese Bräutigam-Verblenderey?

FUCHS (HEUGEIGN betrachtend). Ohne Zweifel der Schneider. Guter Freund –

Heugeign (ohne Fuchs zu bemerken). Selbst mein glühender ·Manteau·-Haß macht einer milderen Wärme Platz.

Paul. Auf ein Wort –

Heugeign (ihn kurz abfertigend). Ich bitt, in einer Stund – oder ein andersmahl. (Zum Tisch im Hintergrunde eilend.) Da haben wir’s ja, (Das Nachbenannte vom Tische nehmend.) Zaubergürtel, Sternenschleyer –

PAUL (dringend zu HEUGEIGN). Das Alles soll uns die Dame nicht verbergen, die da drinnen ist.

Heugeign. Ich hab keine Zeit, lassen S’ mich gehn.

Fuchs. Da vorn Gwölb war ihr Wagen.

Heugeign (keine Notiz von ihm nehmend). Mir fahrt eine Idee durchn Kopf.

Paul. Wir weichen nicht.

Heugeign (wie oben, von einer Idee ergriffen). Ha, großartiger Plan! wenn ich ihr den Sternmantel anheft, werd ich ihren Alabaster-Nacken berühren. (Seine Hand betrachtend.) Aha, du neidischer Fingerhut, du willst mir ein Fünftel rauben von dieser Seeligkeit –? Herab mit dir! (Zieht den Fingerhut ab und steckt ihn in die Tasche.)

Fuchs. Es is kein vernünftiges Wort herausz’bringen aus ihm.

Heugeign. Auszubiegeln is auch noch allerhand.

PAUL (ärgerlich). Mein Herr, mir scheint, Ihr Gehirn –

Heugeign (das Biegeleisen aus der Glutpfanne nehmend). Da liegt’s ja in der Glut.

Fuchs (zu PAUL). Ey was! wir gehn halt hinein. (Will mit PAUL in die Seitenthüre rechts hinein.)

Heugeign (sich vor die Thüre stellend). Zurück, oder ich brenn Ihnen nieder, alle Zwey! (Hält ihnen das Biegeleisen entgegen.)

PAUL (zur Seite springend). Wenn ich aber –

Heugeign. Zurück! ins innere Heiligthum dringen, das ist nur Schneider-·Privilegium·.

PAUL (zu Fuchs). Und am Ende, wenn es doch eine andere Dame wäre – wie würde ich mich ·compromittiren·.

Fuchs (zu PAUL). Wir werden die Sache aufs Gerathewohl – (Zu Heugeign.) Freund, wollen Sie Ihr Glück machen?

Heugeign. Mein Glück? – (Bei Seite.) Das zweite Glück schon, was man mir antragt in fünf Minuten.

Fuchs. Es ist so viel als gemacht, wenn Sie die Dame, die da drinnen is, auf die lächerlichste, geschmackloseste Art kostumieren.

Paul. Hier die Dukatenbörse – (zeigt Heugeign selbe.)

Heugeign. Geben Sie her – (nimmt die Börse.)

Fuchs. Wir rechnen also darauf –

Heugeign. Daß ich das Äußerste aufbiethen werde, ihre namenlosen Reize noch um ein Nahmhaftes zu erhöhen.

Paul. Spitzbube, mein Geld –!

Heugeign (die Börse rasch einsteckend). Das is dem ·Fiscus· verfallen, die Hälfte wegen Treubruch­ver­leitungs­versuch, die andere Hälfte wegen Künstler­stolz­beleidigender­selbsteigene­·ideal·­schöpfung­verschandlungs­zumuthung. Wissen Sie jetzt mit wem Sie zu thuen haben?

ATWORTH (von Innen). Nun, Meister, wo bleibt ihr denn?

Heugeign. Ich fliege trotz Pfeil, Blitz, und Praterlaufer. –

(Eilt zur Thüre rechts ab.)

18te Scene

(DIE VORIGEN ohne HEUGEIGN.)

Fuchs. Haben Sie g’hört? das war den Sir Atworth seine Stimm! – die Lady is drin, gar kein Zweifel mehr.

Paul. Wie sie aber überraschen, ohne daß es den Anschein hat, als hätte ich ihr nachgespürt?

Fuchs (einen Augenblick sich besinnend). Hm, – das wird gleich ·arrangiert· sein. (Zieht seine Brieftasche heraus, und ruft zur Mittelthür hinaus.) Jean! Mussi Jean! (Auf ein Blatt Papier schreibend.) „Mein Herr – Sie sind betrogen –“

Paul. Wer ist betrogen?

19te Scene

(JEAN; DIE VORIGEN.)

JEAN (eintretend). Befehlen?

Paul. Warte.

Fuchs (unterschreibend). „Baronesse Adele ward soeben gesehen“ –

Paul. Meine Adele ward gesehn –?

Fuchs (weiterschreibend). „Wie sie in Begleitung des Sir Atworth in die Boutique des Schneiders –“

PAUL (für sich). Ha, ich verstehe.

Fuchs (zu JEAN). Wie heißt der Kerl?

JEAN. Heugeign, sagt mir die Öbstlerin nebenan.

Paul. Merkwürdig, was das gemeine Volk für Nahmen hat. Wie kann ein Mensch Strohvioline heißen.

Fuchs. Er heißt nur Heugeign. (Schreibt.) „Heugeign getreten.“ (Zu JEAN, indem er den Zettel rollt und zusammen kneift und ihn dann JEAN übergiebt.) Nimm der Mussi Jean das verzwickte Brieferl, und bring ’s der Mussi Jean in fünf Minuten seinem Herrn daher. Verstanden?

JEAN. Vollkommen, Herr von Fuchs! (Geht zur Mitte ab.)

Fuchs (zu PAUL). So, jetzt haben der Herr Graf sonst nichts zu thun, als die Sache als ·haranguierter· Cavalier weiter zu verfolgen.

Paul. Gut, Lieber, das treff ich schon.

Fuchs. Ich hab vielleicht vor dem Ball noch die Ehre. (Geht mit einem Bückling zur Mitte ab.)

20ste Scene

(Paul, Atworth.)

ATWORTH (aus Seite rechts, ohne PAUL zu bemerken). Je mehr der Anzug seiner Vollendung naht, desto mehr erschreckt mich seine Bizarrheit.

PAUL (thut als ob er ATWORTH nicht bemerkte, und tritt vor, indem er nach der Uhr sieht). Halb Acht, also nur eine halbe Stunde noch –

ATWORTH (ihn bemerkend, betroffen für sich). Was seh ich – Graf Paul!? – wenn der die Anwesenheit der Lady erführe – ihr Anzug müßte schon deßhalb unbedingtes Mißfallen erregen, wenn der es auf dem Ball zum Besten giebt, welch ·obscurem Atelier· derselbe entstammt.

PAUL (als ob er jetzt erst ATWORTH gewahr würde). Täusch ich mich nicht – Sir Atworth, Sie hier –?

ATWORTH (sich überrascht stellend). Ist’s möglich – Herr Graf –?

Paul. Der Oheim einer so brillanten Dame wie Lady Brideweil kann doch unmöglich hier Bestellungen machen.

ATWORTH (nach einer Ausrede suchend). Wie begreifflich, betrifft es auch nicht meine Nichte, – sondern –

Paul. Der Wagen mit dem Wappen der Lady erregte Aufsehen vor der Bude.

ATWORTH (mit seiner Ausrede nach und nach ins Reine kommend). Meine Nichte kam eben nach Hause, und bath mich zu eilen – es betrifft eine Wohlthätigkeits-Sache –

Paul. Ah, soll vermuthlich eine arme Familie gekleidet werden? – Das macht dem Herzen der Lady Ehre. Und sehen Sie, wie das gute Beispiel wirkt – ich fühle mich plötzlich gedrungen, eine ähnliche Spende – auch ich kenne Dürftige, die derlei nöthig haben – ich werde bey dem Manne dasselbe anfertigen lassen. (Nähert sich der Seitenthüre rechts.)

Atworth. Ich muß Sie bitten, hier nicht einzutreten.

Paul. Das klingt doch sonderbar, und spornt auf Ehre die Neugierde nur noch mehr.

Atworth. Demungeachtet muß ich meine Bitte ernstlich wiederholen.

Paul. Gesetzt aber, ich hätte wichtigere Gründe, als bloße Neugierde, in dieß Gemach zu dringen?

Atworth. Die hätten Sie nur, wenn Ihre Angebethete drinnen wäre.

Paul. Baronesse Adele? 0, da bin ich sicher.

21ste Scene

(JEAN; DIE VORIGEN.)

JEAN (hastig zur Mitte hereinlaufend). Euer Gnaden – ein Billet – sehr dringend –! (übergibt es an GRAF PAUL und läuft wieder zur Mitte ab.)

22ste Scene

(DIE VORIGEN ohne JEAN.)

PAUL (sich überrascht stellend). Ein Billet –? Zwei Zeilen, die man mir hieher sendet – sonderbar. (Liest.) Himmel – ist’s möglich –! betrogen – betrogen von ihr –!!

Atworth. Was ist Ihnen denn?

PAUL (sich wüthend stellend). Mein Herr – die Dame, die hier ist – ich will sie sehen! – die Dame, mit der Sie hieher kamen, es ist Baronesse Kargenhausen.

Atworth. Was sagen Sie –?

Paul. So ist es, lesen Sie – (hält ihm das empfangene Billet hin) ich habe ein Recht in dieses Kabinet zu dringen!

ATWORTH (stellt sich vor die Thüre rechts). Das werden Sie nicht!

Paul. Ich werd es!

ATWORTH. Zurück! oder –

23ste Scene

(HEUGEIGN; DIE VORIGEN.)

Heugeign (aus Seitenthüre rechts kommend). Was wär denn das für ein Männertumult bei einem Frauenschneider?!

ATWORTH (leise zu HEUGEIGN). Unglückseliger, schweige –!

Heugeign (zu ATWORTH). Grad is sie fort.

(Man hört das Geräusch des fortfahrenden Wagens.)

Paul. Was war das –?

ATWORTH (für sich). Geborgen –! ich athme wieder auf.

PAUL (für sich). Verdammt – sie entwischt mir.

Heugeign (für sich). Merkst was, Heugeign? (Mit Beziehung auf PAUL.) Das is der Gemahl; folglich is der andere (mit Beziehung auf ATWORTH) nicht der Gemahl. (Zu PAUL.) Steht was zu Diensten? was ·Grosgrain·enes, ·Delain·enes, ·Fulard·enes oder ·Wattmull·enes? bitte nur –

ATWORTH (zu PAUL). Nun die Thüre ist frey, ich wehre Ihnen den Eingang nicht.

24ste Scene

(RESTL; DIE VORIGEN.)

Restl (zur Mitte hereineilend). Ehre, Schwiegersohn! Ehre über Ehre!

Heugeign. Habn s’ mich zu was gewählt?

Restl. Auszeichnung über Auszeichnung!

Heugeign. Was bin ich denn wordn?

Restl. Gar nix; aber weiß der Schwiegersohn, wer die Dam’ war, die sich da drinn vermaschkerirt hat?

ATWORTH (erschrocken, für sich). Himmel –!

PAUL (gespannt). Nun –?

Restl. Um kein Haar weniger, als –

Heugeign (leise zu RESTL, indem er ihn mit dem Ellbogen stoßt). Halt der Schwiegervater ’s Maul.

Restl (nicht kapierend). Was stoßt mich denn der Schwiegersohn? es is ja eine Ehre –

PAUL (zu RESTL). Sprich, oder du bist des Todes! (Packt ihn.)

ATWORTH (zu RESTL). Einen Laut, und ich erwürge dich!

(Packt ihn ebenfalls.)

Restl (in größter Angst). Da bin ich auf alle Fäll hin! Hilfe! Wache! Räuber! Familienmörder!

Heugeign (sich ins Mittel legend, und Restl befreyend). Halt! meine Herren, was wär denn das!? Drohung, Thatsächlichkeit, gröbliche Antastung der persönlichen Unantastbarkeit! und warum? weil sich den Agenten Muhberger seine Frau da zu einem Haustheater anzogen hat, wo sie ohne Wissen ihres Gemahls mitspielt. (Zu ATWORTH, laut mit verstellter ·Excuse·.) Mir is leid, aber ich kann mir meinen Schwiegervatern nicht zerreißen lassen wegen Ihre Geheimniß, is eh der einzige Schwiegervater, den ich hab.

PAUL (zweifelhaft). Die Frau des Agenten –

Heugeign. War die, die vor drey Minuten von da fortgefahren is, mein Schwiegervater hat schlechte Augen –

Restl. O, nein! ich fadl noch ein, wenn’s schon ganz tumper is.

Heugeign. (zu PAUL). Er hat s’ halt jetzt erst erkennt –

Restl. Nein, nicht ich, der Stadtguardi hat gesagt: „Der Wagen muß gestohlen seyn, das is nicht möglich, in diesem Gassel der Wagen von der –“

Heugeign (ihm schnell ins Wort fallend). Frau von Muh –

Restl (unsicher und zögernd). Muhberger.

Heugeign (zu PAUL). Sehn Sie, wie ich gsagt hab. (Zu ATWORTH, im Tone verstellter Entschuldigung.) Müssen nicht bös sein, aber –

ATWORTH (leise zu HEUGEIGN). Tausend Dank!

Restl (der anfängt zu merken, daß hier etwas vorgeht, für sich). Es is schwer, wenn man nicht eingeweiht is.

ATWORTH (zu PAUL). Nun, Herr Graf –

Heugeign (überrascht). Ein Graf –?

Restl. Verbeugung! (Verneigt sich devot.)

PAUL (kopfschüttelnd, für sich). Ein verlornes Spiel. (Laut zu ATWORTH.) Ich sehe, man hat mich getäuscht. Ihre Hand Milord!

Restl. Milord –?! Der is entweder a Pudl, oder was Groß’s. (Verbeugt sich.)

Paul. Nun, wir haben hohe Zeit

([PAUL und ATWORTH] gehen ein Paar Schritte gegen die Mittelthüre.)

25ste Scene

(LINERL; DIE VORIGEN.)

Linerl (in freudiger Aufregung aus Seitenthüre rechts kommend). Heugeign! geliebter Hyginus –!

PAUL (wendet sich rasch um, wie er eine Frauenstimme hört). Was seh ich?! (Sie erkennend, für sich.) Das Mädchen – sie ist’s!

ATWORTH (zu PAUL). Was ist Ihnen?

Paul. Nichts! (Für sich.) Unschätzbare Entdeckung!

Linerl (zu HEUGEIGN). Weißt schon wer die Dam’ war –?

Heugeign (leise zu ihr). Still, entsetzliche Geliebte!

ATWORTH (zu PAUL). So kommen Sie doch – (Zieht ihn fort.)

Restl (zu LINERL). Verneig dich – hier herrscht allgemeine Verneigung. (RESTL, LINERL und HEUGEIGN machen den Abgehenden ihr Kompliment, PAUL und ATWORTH gehen zur Mitte ab.)

26ste Scene

(LlNERL, RESTL, HEUGEIGN.)

Heugeign (mitgespannter Neugierde zu LINERL). Jetzt red –

Restl (noch immer in verbeugter Stellung). Sinds s’ schon

fort –? (Richtet sich auf.)

Heugeign. Also wie heißt sie, diese ·Gentle·frau?

Linerl. Die Lady Bridewell war’s.

Restl. Die leibhaftige Lady Bridewell.

Heugeign (in freudiger Überraschung). Ich fall um, halt’ts mich – ich fall um!

Linerl. Faß dich Heugeign.

Restl. Er hat halt auch schon dran verzweifelt, daß er jemals ein ·bon-ton·-Schneider wird.

Heugeign (sich stolz aufrichtend). Schneider –? 0, ihr kleinen Geister. Sind denn eure geistigen Nadelöhre wirklich zu winzig für die Fäden der ·Combination·? Fallt euch das gar nicht auf, daß da was dahinter steckt? Meine simple Boutique wimmelt auf einmahl von lauter Edelgrafen und ·Gentle·leut, sie laßt arbeiten bey mir, die stolze Miliady mit dem ächten Norfolkshir-·Windsorcastle·-Geblüt in den Adern.

Linerl. Das is ja eben das Glück.

Restl. Diese unendliche Rekommendation.

Heugeign. Kurzsichtige –! Dieses ·Lady·-Kleid war nur eine Prüfung meiner ·Genialität·, das ·Genie· paßt dann auf jeden Platz; man hat höhere staatspolitische Zwecke mit mir – die Schneiderey ist der Vorwand, auf den Sack schlägt man, und den Esel meint man; altes Sprichwort.

Restl. Und soll das wirklich aufn Schwiegersohn passen?

Heugeign. Na ob! Es is ja zu klar; man is auf mich aufmerksam geworden. Die Aristokratie drängt sich in ängstlicher Ungewißheit an mich, – von meine Reden in Bierhaus is ihnen kein Wort entgangen bey Hof, – England hat offenbar die Hand im Spiel, das allein schon is Beweis, daß was herausschaut – (Einen Entschluß fassend.) Mein Gallakleid!

Restl. Wo will denn der Schwiegersohn hin?

Heugeign. Aufn hochgräflichen Ball. Kleine Ursachen, große Wirkungen; so liegt auch jetzt Alles dran, daß die Lady in meinen Idealgwand ·furore· macht; das lenkt das allgemeine Augenmerk auf meinen Geist, ich kann heut Nacht noch der Mann des Tages werden. Morgen steh ich nacher schon wo an einer Spitze, und übermorgen bin ich vielleicht der Mann, von dem ’s abhängt, ob Europa eine Pensylvanische Provinz, oder ob Nord-Amerika eine Vorstadt von Frankfurt werden soll. (Geht gestikulirend in die Seitenthüre rechts ab. RESTL und LINERL folgen ihm kopfschüttelnd nach.)

Verwandlung

(Die Bühne stellt den hinter dem Orchester sich befindlichen Theil des Tanzsaales im ·Palais· des Grafen Hohenstern vor. An die vierte Coulisse schließt sich der Prospekt mit drey ausgeschnittenen Bogen; der mittlere dieser drey Bogen ist breit, der rechts und links befindliche schmal. Ohngefähr in der Höhe der Thürgesimse, läuft ein praktikable Gallerie innerhalb des Prospectes, quer über die ganze Bühne, so daß sie sämmtliche drey Bogen horizontal durchschneidet. Im Mittelbogen auf der Gallerie befindet sich das Orchester, wo DIE MUSICI mit dem Rücken gegen das Publikum sitzen. Gerade vom Orchester führt eine Treppe nach vorne auf die Bühne herab, welche Treppe die volle Breite des Mittelbogens hat. Der unterhalb der Gallerie sich befindliche Theil der beiden Seitenbogen bildet zwey Eingänge in den Tanzsaal, welche mit halb zurückgeschlagenen Vorhängen versehen, etwas Aussicht in den Tanzsaal eröffnen. Durch den oberhalb der Gallerie sich befindlichen Theil der drey Bogen sieht man den Plafond des Saales mit Lusterreihen nach perspektivischer Tiefe.)

27ste Scene

[(GRAF PAUL, BARONIN KARGENHAUSEN, ADELE, FUCHS; LAKAIS, GÄSTE, ZUSEHER, MUSICI.)]

(Im Orchester-Raum auf der Gallerie sitzen die MUSICI. Auf der Gallerie rechts vom Orchester stehen einige LAKAIS und einige LEUTE in bürgerlicher Kleidung als Zuseher unter ihnen. Alle sehen nach rückwärts in den Saal hinab. Mit der Verwandlung hört man eben die letzten Tacte einer Quadrille. Einige HERREN in schwarzen Fracks, und einige DAMEN, in Kostüms gekleidet, kommen von Seite links aus dem Vordergrunde, und gehen durch den Bogeneingang links nach dem Tanzsaale ab.)

(GRAF PAUL, BARONIN KARGENHAUSEN, ADELE und FUCHS treten gegen Ende der Musik aus dem Eingang unter dem Bogen rechts auf die Bühne. GRAF PAUL und FUCHS sind in schwarzen Frack gekleidet, die BARONIN KARGENHAUSEN im Ball-Anzug; ADELE im Kostüm als Königin Elisabeth.)

BARONIN. Die Hitze im Saale ist unnatürlich.

PAUL (in Beziehung auf ADELE). Dazu noch das Ungewohnte des Kostüms –

ADELE. Und mich drückt überdieß das Bewußtseyn meiner Schuld zu Boden.

Paul. Welcher Schuld?

BARONIN. Sey kein Kind.

Fuchs. Bin ja nur ich der Bösewicht, der den Plan geschmiedet hat.

ADELE. Glauben Sie mir, Graf Paul, daß nur kindlicher Gehorsam mich dazu vermochte, das von der Lady gewählte Kostüm zu usurpiren.

Paul. Welch ein Gedanke! wer verdient es mehr als Königin zu prangen, als Sie reitzende, göttliche Adele!?

ADELE. Denken Sie sich nun die Verlegenheit der Lady, die das nächst beste wählen muß.

BARONIN. Ich bin entzückt über dein engelgleiches Gemüth –

Fuchs. Aber nur nicht zu ·sensible·, nur auch auf die Nerven denken.

BARONIN. Wenn man nur wüßte, woher sie ein anderes Kostüm in der Eile genommen, bey jedem nur erträglichen Schneider ließ ich nachforschen, aber vergebens.

28ste Scene

(RESTL; DIE VORIGEN.)

RESTL (von Seite links aus dem Vordergrunde auftretend, zu einem LAKAI, welcher ihn zurückhalten will). Ich bitt, ich bin in Geschäften, ich muß herein.

LAKAI. Hier giebt’s keine Geschäfte.

Restl. Ich muß ins Orchester, einer Bratschen einen Überzug anmessen. (Die BARONIN und ihre TOCHTER erblickend.) Ah, da sind ja Damen, das is gscheidt.

Fuchs (sich besinnend). Das ist ja –

BARONIN. Was will der Mensch –?

Restl (zur BARONIN). Ihre Protektion; durch Weiberprotektion geht ja Alles, und ich möcht gern – wissen S’, ich muß auf mein Schwiegersohn Acht geben, – (FUCHS bemerkend) Oho, der Herr is ja auch ein Bekannter von mir – (PAUL bemerkend) und der auch!

Paul. Was wünschen Sie?

Restl. Lauter Bekannte, da werd ich mich ja sehr gut unterhalten auf dem Ball.

Fuchs. Kommen Sie mit mir, Freund, ich will Ihnen einen Platz anweisen, wo Sie Alles –

BARONIN. Ich staune.

Restl (zu Fuchs). Das is gscheidt, so braucht sich (auf die BARONIN zeigend) die alte Frau nicht zu strappeziren mit mir.

BARONIN. Welche Impertinenz.

Restl (zu FUCHS, nach der Gallerie deutend). Da droben unter die Bedienten stehen schon so a Paar hereingeschwärzte, da stech ich nicht ab.

Fuchs (indem er mit Restl die Treppe hinaufgeht). Kommen Sie nur! (Führt ihn auf die Gallerie links.)

ADELE (zu PAUL). Welche Bekanntschaft –

BARONIN. Das Räthsel ist doch zu unauflösbar.

Paul. Nur Geduld –

29ste Scene

(ATWORTH; DIE VORIGEN.)

ATWORTH (durch den Bogeneingang links aus dem Saale kommend, ohne die Anwesenden zu bemerken). Noch immer nicht da, –

BARONIN. Ah, Sir Atworth –

ATWORTH (begrüßend). Meine Damen –

ADELE (zu ATWORTH). Nun, wo bleibt denn unsere Freundin?

BARONIN. Ohne Zweifel legt sie noch die letzte Feile an ihre Toilette.

ADELE. Sie hat das im Grunde gar nicht nöthig um uns alle zu überstrahlen.

BARONIN (während Fuchs die Treppe herabkommt). Da kommt Fuchs, der muß uns jetzt gleich aufklären –

ATWORTH (unruhig für sich). Wo sie nur bleiben mag. (Sieht spähend durch den Bogeneingang in den Saal hinaus.)

Fuchs. Der wär ·placiert·.

Paul. Ich sehe, was Sie in Staunen setzt, und sage Ihnen nur so viel, wir sind dem Winkelschneider auf der Spur, bey dem sich die Lady ein Kostüm ·improvisirte·.

ADELE. Nicht möglich –!?

BARONIN. Ah, das muß man sogleich in Umlauf bringen.

ADELE (geziert). Die Ärmste, wahrhaftig, es thut mir leid um sie.

(BARONIN, ADELE, PAUL und FUCHS gehen durch den Bogen links in den Saal zurück.)

30ste Scene

(ATWORTH, dazu HEUGEIGN.)

ATWORTH (für sich). Was kann sie zurückhalten, – es wird doch nicht ein neuer Unfall – ich muß ihr entgegen – (will im Vordergrunde rechts ab, und begegnet HEUGEIGN, dem er, ohne ihn anzusehen, ausweichen will; HEUGEIGN beabsichtigt dasselbe; beide treten aber immer zugleich einmahl rechts, einmahl links, so daß sie sich fortwährend den Weg vertreten) zum Teufel –

Heugeign (ihn erkennend). Ah, Sie sind’s?

ATWORTH (ihn erkennend). Ah, Sie hier –? Ist sie schon da?

Heugeign. Grad hab ich Ihnen drum fragen wollen – (ihn im Diskurs an der Frackklappe haltend) dann müssen Sie mir auch noch zur Güte Verschiedenes sagen –

ATWORTH (ihn bei Seite schiebend). Ach, lassen Sie mich –

Heugeign (zudringlich). Es is nehmlich –

ATWORTH (sich mit Ungeduld losmachend). Gehn Sie mir aus dem Wege. (Eilt durch den Bogeneingang links in den Saal ab.)

31ste Scene

(HEUGEIGN, RESTL auf der Gallerie.)

Heugeign (für sich). Aha, dem steh ich schon im Weg, oh ich werde noch Manchem im Weg stehn.

Restl (welcher von der Gallerie herab Heugeign gewahrt). Schwiegersohn! ich hab da a prächtigs Platzl.

Heugeign. Das is gscheidt, nur gleich ein Zeichen geben wenn s’ kommt.

Restl. Wie is denn der Schwiegersohn herein kommen?

Heugeign. Einem Jäger bin ich ausg’rissen, ein Gangfenster hab ich eingschlagn, einen Bedienten hab ich umg’rennt, eine Spalirthür hab ich aufdruckt – das ·Genie· bricht sich überall seine Bahn. Nur bey ihren Erscheinen auf Alles genau Acht geben, jeden Sensations-Blitzer, jede Bewunderungs-·Nuance· –

Restl. Jedes Trümmerl Beyfall wird ·rapportirt·.

Heugeign (sieht durch den Bogeneingang in den Saal hinaus). Und diese Menschenmassa –! mir wird etwas kurios – wenn der Anzug doch nicht den gewünschten Effekt – viel Köpf viele Sinn, – nicht wahr is’s! wenn jeder Kopf einen Sinn hätt, so gäbet’s nicht so viel unsinnige Köpf.

32ste Scene

(FUCHS, HEUGEIGN.)

Fuchs (aus dem Bogeneingang links eilig kommend). Meine Damen! – wo sind sie denn? ich habe meine Damen verloren –! (zu HEUGEIGN, ohne ihn viel anzusehen) die zwey Damen, mit denen ich früher da war –

Heugeign (um Auskunft verlegen). Aha.

Fuchs. Sie versäumen den interessanten Momenten, eben ist der Wagen der Lady vorgefahren – (fortwährend nach allen Seiten spähend) sie tritt von drüben durch den ·Concert·-Saal ein – und meine Damen sind nicht da, auf die Letzt geben s’ mir die Schuld – ’s is was Schrecklichs mit die Damen! (Ist mit den letzten Worten durch den Bogeneingang rechts in den Saal zurückgekehrt.)

33ste Scene

(HEUGEIGN, dann PAUL.)

Heugeign (allein). Sie kommt – was hammerst du denn so engbrüstig du europäisches Herz? (Unruhig auf und nieder gehend.) Was trippelst du denn so kleinmüthig du hohes Paar Stützen eines großen Mannes? – sie kommt – (sich ·encouragirend·) was is’s weiter? wenn sie kommt, so is sie da, das is das Ganze, naja. – So ein entscheidender Augenblick ist doch –

PAUL (indem er lachend durch den Bogeneingang links auftritt). Hahahaha! das ist köstlich! auf Ehre, unbezahlbar!

Heugeign (PAUL erkennend). Das is ja der, der mir das Verschandlungs-·Honorar· gebothen. –

Paul. Ah, seid Ihr da, Freund? Ihr seid ein Teufelskerl.

Heugeign. Nicht wahr? na ich hoff, die hohe Ballgesellschaft wird es zu würdigen wissen.

PAUL (lachend). Das hoff ich auch. Es ist ein Meisterstück, Ihr habt meine Erwartungen weit übertroffen.

Heugeign (mit affektirter Bescheidenheit). O, ich bitte –

Paul. Noch ist sie im Vorsaal – aber ich habe in meinem Leben nichts Geschmackloseres, Lächerlicheres gesehn.

Heugeign (ihn groß anglotzend). Wa – was!?

Paul. Die ·parokeste· Zwittergestalt von ·Armida·, ·Undine·, ·Nixe· und ·Furie·, die je – (wirfft ihm eine Börse in den Hut) da hast du Geld du Kapital-Stümper! hahahaha! (Geht lachend in den Saal zurück.)

34ste Scene

(HEUGEIGN, dazu ATWORTH.)

Heugeign (allein). Was sagt der –? mein reichhaltiger Faltenwurf wäre ·Nixe·, das Strahlenbram wäre Furie!?

ATWORTH (wüthend durch den Bogeneingang rechts hereinstürzend). Wo ist er –? (HEUGEIGN erblickend.) Ah, da bist du ja, du Spitzbube! (Packt ihn am Kragen.)

Heugeign (erschrocken). Was giebt’s denn?

ATWORTH. Schurke, du verdienst nicht von meiner Hand zu sterben –

Heugeign. Hab auch nie die geringste Sehnsucht geäußert.

ATWORTH. Es ist zu arg! ich habe sie im Vorsaal gesehen, dieses erbärmliche Hexengewand, dieses koboldartige –

Heugeign (für sich). Der macht gar noch a Trud draus.

ATWORTH. Da sieh hin! (Dreht ihn gegen den Bogen links.) In wenig Sekunden wird sie eintreten, das Opfer deiner schmachvollen Pfuscherey – aber das schwör ich dir, – ich lasse dich nicht mehr los – bei dem ersten Zeichen des Mißfallens, bey dem leisesten Nasenrümpfen fliegst du durchs nächste Corridor-Fenster in den Hof hinab.

Heugeign (desperat). Bringen Sie mich um! was is ein Leben, ohne Ruhm, ohne ·Genialität·, ohne Stellung an der Spitze –

ATWORTH (nach dem Saal zurücksehend). Sie ist schon eingetreten – die Menge theilt sich – (zu HEUGEIGN) mach dein Gebeth du Schuft –!

Heugeign. Ich bin schon mehr todt als lebendig –

Restl (auf der Gallerie). Ha – sie tritt vor – der alte Graf – der junge Graf – alles tritt vor, Schwiegersohn, Bewunderung –! Entzücken! –

Heugeign. Was hör ich –!?

Restl (wie oben). Enthusiasmus –!

ATWORTH. Ist’s möglich –!?

Restl (wie oben). ·Furore· – ungetheilter Wahnsinn –!!

Heugeign (jubelnd). Triumph! Triumph!

35ste Scene

(GRAF PAUL, FUCHS; DIE VORIGEN.)

Fuchs (mit PAUL aus dem Bogeneingang links kommend). Merkwürdig, sie gefällt ihm, und Alles ist pflichtschuldigst entzückt – die Baronin will an der Stell nach Haus fahren, so bös is sie.

Paul. Morgen sollen Sie etwas hören, was unsere gemeinschaftliche Hoffnung neu beleben wird.

(FUCHS geht links im Vordergrunde ab. PAUL nach dem Saal zurück.)

36ste Scene

(DIE VORIGEN ohne PAUL, ohne FUCHS.)

Heugeign. Ich hab’s ja gleich gewußt, drum hab ich aber auch keinen Augenblick die Fassung verloren. – Was is es denn jetzt mitn Umbringen?

ATWORTH (entzückt). Ihr sollt leben, Freund, hoch leben! (Wirfft ihm eine Börse in den Hut.)

Heugeign (dem Orchester auf der Gallerie zurufend). Tusch! – unbändiger Tusch!!

ATWORTH (zu HEUGEIGN). Was fällt euch ein?! das wäre ja gegen alle Schicklichkeit. – Ich muß nur – (Eilt durch den Bogeneingang nach dem Saale.)

Heugeign (wirft eine Börse aufs Orchester hinauf). Tusch! hier ist Geld, meine Herrn, – Mauernerschütternder Tusch!!

(Die MUSICI blasen Tusch.)

Restl (wie es wieder ruhig ist). Man steckt die allgemeinen Köpf zusammen – Alles scheint nach dem Schöpfer der Kleiderschöpfung zu fragen –

Heugeign (zu den BEDIENTEN). Meine Herrn Lakais, nehmen Sie mich auf die Schultern, – dieser Beutel voll Dukaten – (Wirft ihnen die Börse zu.)

LAKAI (zu seinen Kameraden). Um das kann man’s ja thun.

(Die LAKAIS setzen HEUGEIGN auf ihre Schultern.)

Heugeign. Man zeige mich dem Volk in seiner nobelsten Bedeutung!

Restl (dem Orchester zurufend). Tusch! rastloser Tusch!

(Die MUSICI blasen fortwährend Tusch, HEUGEIGN wird von den LAKAIS auf die Gallerie nach links getragen, RESTL zeigt mit beiden Händen auf HEUGEIGN, indem er ihn der Gesellschaft im Saale präsentirt; HEUGEIGN, verneigt sich, auf den Schultern der LAKAIS sitzend, nach dem Saal hinab, Bouquets fliegen ihm zu, während allgemeiner Bewegung fällt der Vorhang.)

(Ende des ersten Actes.)

Zweiter Act

(Heugeigns Laden, wie im ersten Akt.)

1ste Scene

(RESTL, LINERL, BIEGELSCHEER, FINGERHUT; die beiden GESELLEN stehen müssig da, RESTL mit Briefen und Adressen in der Hand vor ihnen, LINERL ihm zur Seite.)

Restl. Ja was wär denn das? Ihr wollts nix arbeiten und die Bestellungen häufen sich.

FINGERHUT. Jetzt sind halt andere Zeiten.

BIEGELSCHEER. Und wir können nicht z’ruckbleiben beim allgemeinen Fortschritt.

Restl (die Briefe und Adressen durchblätternd). Da eine Bstellung von der Gräfin ·Pixbommern·, – da von der Baronin ·Grandezza· – da von der Banquierin ·Goldzucker·, – da von der Staatsräthin ·Nasenberg· –

FINGERHUT. Was Arbeit!

BIEGELSCHEER. Wir haben Hoffnung auf Barrikaden.

Restl. Aha, bloß für’s Dalümmeln und Bsoffensein Zwei Zwanzger alle Tag, das wär euch halt recht.

LINERL (zu den GESELLEN). Wer hat euch denn so was in Kopf gsetzt?

FINGERHUT. Der Herr Heugeign sagt, es muß losgehn.

Restl. So gehts zum Teufel mit euerm Losgehn, und ich geh auf d’Herberg, und hol andere Gsellen.

FINGERHUT. Is kein einziger mehr z’finden dort.

BIEGELSCHEER. Der Herr Heugeign hat ihnen versprochen, wie er einmahl an der Spitze steht, so is ’s Arbeiten das Erste, was er ganz abschafft.

Restl (erbost). Ich hab mich zwar in die Ruh’ gsetzt, aber ich spring euch mit gleichen Füssen ins Gsicht – (Geht grimmig auf die beiden GESELLEN los.)

Linerl. Sind das heillose Menschen!

FINGERHUT. Wir gehn recht gern, wir sind keine Sclaven.

BIEGELSCHEER. Jetzt heißt’s, Freiheit! Vaterland! und noch allerhand! (Geht stolz mit FINGERHUT zur Mitte ab.)

2te Scene

(RESTL, LINERL.)

Restl. Hörst es? das sind lauter Heugeign Grundsätze.

Linerl. Er hat auch seine guten Seiten, a Bissel überspannt wohl –

Restl. Wie den Menschen ’s Glück verfolgt seit gestern; wie viel Schneider giebt’s denn, die so groß dastehn wie er? aber nein, er will eine politische Größe sein.

Linerl. Er wird sich bessern; wenn wir einmahl verheurath’t sind, gwöhn ich ihm ’s Politische schon ab.

Restl. Wann’s dann nur nicht schon z’spat is, – denn ich fürchte immer –

Linerl. Was denn Vater?

RESTL. Ich fürchte, daß er bereits eingewirkt hat auf das Allgemeine.

Linerl. Warum nicht gar.

RESTL (bedenklich). Hm, es war Alles so gewiß in Bewegung, Vormittag schon hab ich überall Gärung gefunden.

Linerl. Weil der Vater in der Weinhandlung und in der Bierhalle war.

RESTL. Leut, bei die man so was gar nicht vermuthet, haben die Köpf z’sammgsteckt; einfache Staatsbürger sind träuplweis beysamm gstanden, a Paar haben Gsichter gschnitten – mein Kopf zum Pfand, daß das Mißvergnügte waren.

Linerl. A Bisserl Crawall haben wir wohl öfters schon g’habt.

RESTL. Mein Schwiegersohn soll aber kein Crawallmacher seyn.

Linerl. Das is er nicht, und ich heurath ihn auf alle Fäll.

RESTL. Thu was du nicht lassen kannst, mich aber sehts nicht bei der Hochzeit.

Linerl. Na, das wär nicht übel –

RESTL. Nein, um kein Preis, ich flücht mich, und das lieber bei Zeiten.

Linerl. Es is ja aber Alles ruhig bei uns.

RESTL. Das is eben das Gefährliche; an jeden Ort, wo’s losgegangen is, is es früher ruhig gewesen.

Linerl. Wo will denn der Vater hin?

RESTL. Ich habe einen Bekannten vor der Linie draußt.

Linerl. Wann ’s wirklich so kritisch wär, wie sich der Vater einbildt, so lasseten s’ ja gar kein Mann mehr bei der Linie hinaus.

Restl. Wie s’ mir deßwegen den geringsten Anstand machen, geb ich mich gleich für a verkleidt’s alts Weib aus; 0, ich komm schon durch, mir is gar nicht bang. (Geht in die Seitenthüre rechts ab.)

3te Scene

(LINERL, dann GRAF PAUL und FUCHS.)

LINERL (allein). ’s Is nicht schön von mein Bräutigam, er weiß wie furchtsam der Vater is, und macht doch solche Sachen.

(GRAF PAUL und Fuchs treten zur Mitte ein.)

PAUL (im Eintreten zu Fuchs). Ah, da ist sie ja.

Fuchs (zu PAUL). Und allein, das is die Hauptsach.

LINERL (zu den BEIDEN). Der Meister Heugeign is nicht zu Haus.

Paul. Das wissen wir wohl.

Fuchs. Ja leider nur zu wohl, und eben deßwegen – vor Allem, meine beste Gute, müssen Sie uns Zutrauen schenken.

Linerl (auf PAUL deutend). Der Herr war gestern nur auf ein Raub da, –

Fuchs. Das is heut wieder der Fall, die Sach is ·pressant·.

Paul. Gleich zur Sache, ihr Geigenhäu –

Linerl. Umkehrt is auch gfahren.

Fuchs. Heugeign –

Paul. Gleichviel, er schwebt in großer Gefahr.

Linerl. Himmel, er hat doch nicht –?

Paul. Politische Umtriebe gemacht –

Fuchs. Die ihm den Hals kosten können.

Linerl (aufschreiend). Ah!! – Sie sagen mir nicht Alles – es kost’t ihm auch den Kopf –!??

Fuchs. Möglich.

Paul. Sie allein kann ihn retten.

Linerl. O Gott! ich thu ja Alles –!

Fuchs. Na, dann ist ja Hoffnung. Also –

Linerl. Still, – ich muß erst hineinschaun, ob mein Vater nicht horcht – ich bin gleich wieder da. (Geht in die Seitenthüre rechts ab.)

4te Scene

(DIE VORIGEN ohne LINERL.)

Fuchs. Na, sehn der Herr Graf, sie macht uns gar keine Umständ –

Paul. Das wohl – aber ein großes Wagniß bleibt es immer, daß Sie zum Schauplatz unserer Unternehmungen gerade das Schloß der Lady gewählt haben.

Fuchs. Das hat so sein müssen. Der Herr Bruder geht aufn poëtischen Anstrich, das Abenteuerliche is seine Passion, also war es das Beste, das Mädl für eine Gefangene auszugeben, die die Lady aus Eifersucht festhalt. So is das Interesse an dem Wesen gesteigert und der Haß gegen die Lady angefacht. Is von der Baroneß Adele diese Idee.

Paul. Geistreiche, erhabene Adele!

Fuchs. In Betreff des Kostüms, was den Herr Brudern so entzückt hat, hat sie mir gar einen ·grandiosen· Gedanken an die Hand gegeben.

Paul. Nun, die mysteriöse Aufforderung zum nächtlichen ·Rendezvous· wurde Friedrich gleichfalls in höchst mysteriöser Weise zugestellt, somit wäre Alles –

Fuchs. Bis auf das, ob die Lady wirklich ins Garn geht, und sich vom Schloß Rosenbach entfernt.

Paul. Adele und ihre Mutter haben das übernommen. Kann etwas fehlschlagen, wenn eine Zauberin, wie Adele zu meinem Besten wirkt?

Fuchs. Also frisch gewagt-!

5te Scene

(LINERL; DIE VORIGEN.)

LINERL (aus Seitenthüre rechts kommend). Der Vater packt seine Sachen zusamm – reden S’ ungenirt – liegt mein Hyginus in Ketten?

Paul. Von einem tollen Wahn gefesselt ist er, so zwar, daß er noch fröhlich und guter Dinge ist, während das gezückte Schwerdt über seinem Haupte schwebt.

Linerl. Ich kann ihn aber retten, sagen Sie?

Paul. Durch ein Wort –

Fuchs. An den Grafen gerichtet.

Linerl. An was für einen Grafen?

Fuchs. An Graf Friedrich von Hohenstern, der bey Hof so zu sagen Alles in Allem is.

LINERL (betroffen). An den –?

Paul. Und zwar noch eh der nächste Morgen graut.

Fuchs. In Pardonsachen is eine versäumte Minuten um kein Haar weniger als eine Ewigkeit.

LINERL (erschroken). Ums Himmelswillen –!!

Paul. Ruhig; der Graf trifft heute Nacht noch, aus wichtigen Gründen jedoch im strengsten ·Incognito·, auf dem Schlosse Rosenbach ein.

Fuchs. Natürlich ist es da nur auf eine ganz eigene Weise möglich, mit ihm zu sprechen. Sie müssen deßhalb blindlings unserer Leitung folgen.

Linerl. Was Sie schaffen, Sie guter Herr.

Paul. Vor Allem sind Kleider nöthig, die Ihr Bräutigam nicht kennt.

Linerl. Die leih ich mir da droben von der Fräule aus.

Paul. Wie heißt sie? wer ist sie?

Fuchs. Das ist ja ganz ·égal·.

Linerl. Na, freylich, ’s is halt a Fräule, die schöne Kleider hat. Aber sagn S’ mir, is denn mein Hyginus auch in den Gschloß?

Paul. Keine Neugierde, nichts als unbedingte Folgsamkeit.

Linerl. O Gott! wie eine Sclavin will ich ja gehorchen, wenn ich nur mein Heugeign frey machen kann.

Fuchs. Also in einer halben Stunde wart ich auf Ihnen vorn am Ecke mit einem Wagen. Ich bin ein angehender Greis, der Hoffnung hat ehrwürdig zu werden.

Linerl. Ah gehn S’, das sieht man Ihnen gar nicht an. Aber macht nix, es gielt mein Heugeign, ich fahr mit.

Paul. ·Adieu·, liebe Kleine. (Geht mit Fuchs zur Mitte ab.)

6te Scene

(LINERL, dann RESTL.)

LINERL [(allein)]. Wenn nur der Vater schon fort wär! – Ich muß ihm zureden, daß er dableibt; je mehr man ihm widerspricht, desto gewisser geht er.

Restl (aus Seitenthüre rechts kommend, den Hut aufgesetzt, trägt ein Bündl unter dem Arm). Linerl, ich hab höchste Zeit.

Linerl. Aber was hat denn der Vater?

Restl. Vor unsern Gassel steht ein Leiterwagen.

Linerl. Na, und was is’s nacher?

Restl. Wann s’ den umstürzen, und das Nöthige drauflegen, so is es eine Barrikad.

Linerl. Ja, wann, wann!

Restl (ängstlich horchend). Hörst? sie trommeln Allarm –!

Linerl. Nicht wahr is’s, mit einer Scheibtruhen fahrt einer vorbey.

Restl. Das täuscht ein so lang, bis auf einmahl wirklich trommelt wird. Der Apotheker drüben hat mir gsagt, wie ’s Pflaster aufgrissen wird, is es gfährlich, und wer weiß – (Ängstlich horchend.) Hörst? – Sie läuten Sturm.

Linerl. Sie läuten Achte, wie alle Tag.

Restl. Nix Achte! das is Sturm, reiner Sturm! – du wirst es sehn, Linerl, wir kriegen noch a Pupilln-Gard.

Linerl. Was is denn das?

Restl. Das is der höchste Grad von Volksbewaffnung, wenn schon einmahl das wahre Volk bewaffnet wird. (Ängstlich horchend.) Hörst es, sie schlagen an die Hausthür.

Linerl. Warum nicht gar, der Greißler neben uns sperrt sein Gwölb zu.

Restl (in steigender Angst). Nein, nein, sie holen alle waffenfähigen Männer –!

Linerl. Da g’hört doch der Vater gwiß nicht dazu.

Restl. Wer sagt denn das? die Rebellen nehmen Alles, von Zwölf bis Fünf und siebenzig Jahr; sie holen ein ausn Bett, grad wenn’s ein am meisten ·genirt· – ich leg mich nicht mehr nieder, bis ich nicht einen Ort erreich, wo gar nie was losgehn kann.

Linerl. Ein solcher ·existirt· nicht, außer ’s Grab.

Restl. Selbst da, sagt man, wird’s losgehn aufn jüngsten Tag. – Ich hab aber in der Zeitung glesen, daß sich a Menge Ruheliebhaber mit dem besten Erfolg nach Baden geflüchtet habn, ich mach ’s aber noch gscheidter, ich flücht mich nach Baden-Baden – da muß gar eine unendliche Ruhe herrschen. (Geht zur Mittelthüre ab.)

Linerl (ihm nachsehend). So – jetzt steht der muthvollen Braut kein ängstlicher Vater im Weg – also frisch an’s Rettungswerk! (In die Seitenthüre rechts ab.)

VERWANDLUNG

(Salon auf dem Schlosse der Lady mit Mittel- und Seitenthüren. Ein Kronleuchter erhellt die Bühne.)

7te Scene

(BRIDEWELL, BARONIN KARGENHAUSEN und ADELE treten zur Seitenthüre rechts auf.)

BRIDEWELL (bereits im Gespräch begriffen). Nein, nein, es ist sonnenklar, meine Feinde, oder eigentlich meine Feindinnen – denn ich schmeichle mir, derley nur im schönen Geschlecht suchen zu müssen – wollten mir einen Streich spielen.

ADELE (zur LADY). Denke du von den Übrigen nach Belieben, nur an unserer Ergebenheit zweifle nicht.

Bridewell. Gebe ich euch nicht dadurch einen Beweis meines Vertrauens, daß ich ungesäumt eurem Winke Folge leiste?

BARONIN. Graf Friedrich ist, wie gesagt, in Föhrenburg, dort beabsichtigt man ihm die Teichenauer-Schönheit zuzuführen.

Bridewell. Ich begebe mich allsogleich dorthin, und hole mir eine Überzeugung –

ADELE. Die jetzt minder bitter ist, als wenn sie zu spät dir käme; doch eile, denn sieben Meilen sind keine Kleinigkeit.

BRIDEWELL (zur BARONIN). Meinen Dank für Ihre Freundschaft, die Sie eine Fahrt in so später Stunde nicht scheuen ließ.

BARONIN (im Abgehen). ·Adieu·! Und beglücken Sie morgen wieder die ohne Sie verödeten Cirkel. (Geht mit ADELE zur Mitte ab.)

8te Scene

(BRIDEWELL, dann HEUGEIGN, MISS KEMBLE.)

BRIDEWELL (allein). Von dieser Seite muß ich die kränkende Kunde erhalten, während mein Oheim mich ohne Nachricht läßt. – Wo er nur so lange säumt –

(MIss KEMBLE tritt mit HEUGEIGN von Seitenthüre links auf.)

KEMBLE. Ich habe dem Herrn auf Euer Gnaden Befehl Alles gezeigt.

Heugeign. Nur mein Aug hat die Garderobkästen durchwühlt, mein Geist aber –

Bridewell. Natürlich, Ihr Geist sann auf Neues, ·Geniales·, in dem Alten nur Mängel entdeckend.

Heugeign (für sich). Wenn die Red nicht politisch is, nacher weiß ich’s nicht.

Bridewell. Ich werde es nie vergessen, daß Sie mir einen Triumph bereitet, daß Sie die Hoffnungen meiner Feinde vernichtet haben.

Heugeign. Hab ich das? ich hoffe noch Größeres zu leisten.

Bridewell. Ich ernenne Sie zum Inspektor meiner ·Garderobe·, und wünsche, daß Sie auf meinem Schlosse wohnen, und sich künftig nur mit meinen Aufträgen beschäftigen mögen.

Heugeign (für sich). Man verbiethet mir ·praxis·, man fesselt mich an die unmittelbare Person –jetzt muß ich etwas durchblitzen lassen. (Laut.) Ich fühle mich hochgeehrt, und tiefgeschmeichelt – und doch – nun ich hoffe bald Befehle anderer Art von Euer Ladysehen Gnaden zu erhalten.

Bridewell. Ich verstehe nicht, was Sie meinen.

Heugeign. Kann man mit einem Selter-Blutzer die Tiefe eines Brunnens füllen? kann man mit einem Abschöpflöffel die Meeresfluth zur Ebbe machen? – Ich kenne etwas Höheres als Schneiderwirksamkeit, ich habe Momente, wo es mir geringfügig vorkäm, wenn man bei mir fürn Schneeberg ein Mieder anschaffet, oder wenn ich für die glatte Martins-Wand einen wattirten Überrock machen müßt.

BRIDEWELL (leise zu KEMBLE). Kemble, ich fürchte, der Mensch ist einigermaßen – (Deutet ihr Geistesverwirrung.)

KEMBLE (leise zur LADY). Ja, ja, mir kam es auch schon so vor. Wenn wir zurückkommen, will ich ihn genauer beobachten.

Bridewell. Ja, ja, denn jetzt haben wir Eile.

Heugeign (welcher die letzten Worte gehört hat). Euer Ladykeit verreisen?

Bridewell. Hoffentlich nur auf Einen Tag; ·adieu·, mein Freund. (Geht zur Mitte ab. KEMBLE folgt ihr.)

9te Scene

(HEUGEIGN allein.)

[HEUGEIGN] (entzückt). „Freund“ hat sie gesagt – jetzt nur Kaltblütigkeit, Überlegung, Diplomatie. – Sie, die Hochtory, bietet mir, dem Volksbürger, ihre Freundschaft an – das is offenbare Demokratie. – Die Art und Weise wie sie mich anzieht und festhält, ist nichts anders als ·Central·-Gewalt. – Ein Haar hat gefehlt, so wär ich ihr zu Füßen gestürzt – da scheinen schon Mehrere gestürzt zu sein – wenn man von diesen Stürzungen auf andere Stürze schließt, so bleibt kein Zweifel, sie gehört zur Umsturz-Parthey. Wer weiß, ob sie nicht schon eine ·Agitator·-Stelle für mich in ·petto· hat – Meiner Seel, ich werd ·Agitator·, nacher schau ich mich um a Paar Millionen Stimmen um, – ah jetzt is der Zeitpunkt, wo auch aus ein Schneider was werden kann. (Wendet sich zum Abgehen gegen die Mittelthüre.) Es is merkwürdig, wie auf einmahl die Zukunft als glänzende Lichtgestalt vor mir steht.

(Die Mittelthür öffnet sich ·à tempo·, und FUCHS von oben bis unten mit einem schwarzen Mantel verhüllt, und eine schwarze Larve vor dem Gesicht tritt ein.)

10te Scene

(FUCHS; DER VORIGE.)

Fuchs. Halt, auf ein Wort, guter Freund.

Heugeign (betroffen zurücktretend). Korschamerdiener!

Fuchs. Meister Heugeign –

Heugeign. Sie kennen mich –? dann sagen Sie mir gefälligst, haben s’ Ihnen von ein alten Vehmgericht in Spiritus aufbewahrt, oder soll das eine neue Conduktansager-Uniform seyn?

Fuchs. Höre mich an.

Heugeign (bei Seite, beleidigt). ·Per· du –? Na, gfreu dich, wann ich ·Agitator· bin!

Fuchs. Dieses Haus hier steht leer.

Heugeign. Halten Sie die Dienerschaft für gar nichts, Sie mittelalterlicher Menschheitsrechteabstreiter?

Fuchs. Die Dienerschaft ist bestochen.

Heugeign. Bagage! Herrschaftsbusengenährte Schlangen! ’s Mittelalter hat erst nicht gar so Unrecht g’habt.

Fuchs. Die Lady is abgereist.

Heugeign. Um morgen wiederzukehren, und es fürchterlich zu rächen, wenn man nur mit einem Tupfer ihren ·Agitator· verunglimpft.

Fuchs. Man hat sie nach Föhrenburg gelockt, um dem Grafen Friedrich, während sie ihn dort sucht, hier freyes Spiel zu machen.

Heugeign. Schöne Machination.

Fuchs. Du wirst dich nun beeilen, einem allerliebsten Geschöpfe, dessen Bekanntschaft der [Graf Friedrich] hier erneuern soll, vorerst Maß zu nehmen, und dann –

Heugeign. Aha, ich versteh, bedaure aber unendlich, daß ich nicht dienen kann; meine sämmtlichen sowohl wachen, als noch schlummernden Talente sind ausschließend der Lady zur Verfügung gestellt.

Fuchs (sehr barsch). Du weigerst dich –?!

Heugeign. Mit dem Muth eines Mannes, der sich durch eine Mummerey nicht schrecken laßt; –glauben Sie ja nicht, weil ich ein Schneider bin, daß Sie mich ins Bockshorn jagen können.

(FUCHS klatscht in die Hände. Die Mittelthür öffnet sich, und vier MÄNNER, ebenso, wie FUCHS mit schwarzen Mänteln und Larven vermummt, treten ein.)

11te Scene

(VIER VERMUMMTE; DIE VORIGEN.)

Heugeign (betroffen). Wa – was is denn das –!?

Fuchs. Vier gute Freunde, die meinen Befehlen den etwa nöthigen Nachdruck verleihn.

HEUGEIGN. Ein saubers Bandl Herrn.

Fuchs. Du wirst nun hoffentlich geschmeidiger sein.

Heugeign (sich ermannend). Meinen Sie? – Wenn ich Ihnen aber wiederholt versichere, daß ich unter die Spiele der Nature gehöre? Es hat Kalbln mit fünf Füß gegeben, es gehn Affen mit Schwanenpelz herum, es ist ein Pferd mit Hörnern gezeigt worden – etwas Analoges sehen Sie in mir; ich bin ein Schneider mit Löwenmuth, und so beseelt sag ich Ihnen, daß es ein Schmafu-Stückel is, eine unschuldige Lady von ihrem Brautposten zu verdrängen, daß ich der Lady nachfahren, sie in Kenntniß setzen, und das sie umsponnenwordenseinthuende Truggewebe zerreißen will.

Fuchs. Wirklich? (Zieht seinen Dolch. Die VERMUMMTEN ziehen ebenfalls ihre Dolche.)

Heugeign (zurückprallend). Was – was soll das seyn –?!

Fuchs. Entgegnung auf deine dummköpfige Rede.

Heugeign. Schöne Entgegnung, und gleich in fünf Exemplar.

Fuchs. Du wirst nunmehr gehorchen.

Heugeign (für sich). Nachgeben, wenn der Widerstand nix nutzt, is staatsmännisch. – (Laut zu FUCHS.) Bringen Sie das weibliche Wesen, (indem er Papiermaß und Scheere aus der Tasche zieht) ich hab das Nöthige bey mir. (Zu den VERMUMMTEN.) Brauchen sich nicht zu fürchten. (Auf seine Scheere zeigend.) Das is kein Dolch.

Fuchs. Noch eine Bedingung –wenn du es wagst, ein Wort an das Geschöpf zu richten, so kostet es dein Leben.

Heugeign. Das wär ein kostspieliger Diskurs.

Fuchs. Nun weißt du Alles. (Geht zur Mittelthüre ab.)

Heugeign (ihm nachrufend). Schad, vielleicht fallt Ihnen noch was ein, bis [S’] zuruckkommen.

12te Scene

(DIE VORIGEN ohne FUCHS.)

Heugeign (für sich). Vielleicht is mit die Viere eher ein Wort z’reden. (Zu den VERMUMMTEN.) Meine Herrn, ich hätt einen nothwendigen Gang, mich kommt’s nicht drauf an, Ihnen auf ein Glas Wein, ·respective· Vier Gläser Wein – (Die vier VERMUMMTEN zücken die Dolche gegen ihn.)

Heugeign. Aha, so meinen Sie? – dank Ihnen – (Für sich.) Jetzt bin ich schon wieder in Klaren ; es is auf eine Prüfung meines Muthes abgesehen. Wer unter Dolchen Maß nimmt, der kann auch im Kugeldonner Regierungsplane machen – so kalkuliren sie, diese offenbaren Mitmirwasvorhaber. Ich muß ihnen aber doch a Bissel zeigen, daß ich sie durchschau.

13te Scene

(LINERL, FUCHS; DIE VORIGEN. FUCHS masquirt wie früher führt LINERL, welche elegant als Dame gekleidet ist, und eine Sammtlarve vor dem Gesichte trägt, zur Mitte ein; bey Heugeigns Anblick bleibt sie stehen, man merkt ihr eine innere Bewegung an; FUCHS bemerkt dieß, faßt sie bei der Hand, flüstert ihr ein Paar Worte ins Ohr, und führt sie nach vorne.)

Heugeign (sie betrachtend). Teufel noch einmahl! wer muß denn das sein!?

Fuchs. Schnell ans Werk, fang an.

Heugeign (über den gebietherischen Ton ärgerlich, für sich). Socius! (Laut.) Das Wesen muß aber die Güte haben, die Larven abzunehmen.

Fuchs. Warum nicht gar!

Heugeign. Ich muß das Gsicht sehn, denn das Bild, was sich meiner Phantasie einprägt, muß immer die Figurin sein, nach der ich arbeit. Ein Kleid machen is keine so mechanische Arbeit, als wie ein litterarischer Aufsatz, den man nur so hinschmirt, ohne viel z’denken dabey.

Fuchs. Ohne Umstände, Maßgenommen! (Greifft nach dem Dolch.)

Heugeign. Lassen Sie’s gut sein. (Indem er sich anschickt Maß zu nehmen.) Das Maßnehmen is das, was den Schneider über Tausende seiner Mitmenschen erhebt; der Schneider bemeßt das früher, was er ins Werk setzen will; das sollten viele große Männer lernen, so lang s’ noch klein sind, natürlich, als so großer lernt man nix, denn was groß is, is ungschickt. – Werden wir zuerst die ·taille· – die ·taille· is die merkwürdigste Linie des Menschen, sie halbiert nicht nur jedes einzelne ·Individuum·, nein, sie theilt auch das ganze schöne Geschlecht in Zwey Theile, nähmlich in solche, welche eine ·taille· haben, und in solche, welchen der Schneider erst eine machen muß.

Fuchs. Vorwärts, wozu das Gesalbader.

Heugeign (für sich). Aha, von der Schneiderey will er nichts hören; werd dir gleich mit dem aufwarten, was du bezweckst. (LINERL genauer betrachtend, für sich.) Aber, meiner Seel, in der Figur is sie ganz die nähmliche Figur, wie meine Braut – (Zu FUCHS.) Aber Sie – wenn ich sie auch nicht sehen darf, a Bissel bschreiben müssen S’ mir s’ doch. Was hat sie für Augen?

Fuchs. Schwarze.

Heugeign (vergnügt bei Seite). ·Tantum abest·, sagt der Lateiner; die Meinige hat Vergißmeinnichtkatzenazurlblaue, mit lichtgelbe Wimpern. (Laut.) Um aber wieder auf die Taille zu kommen – die Taille, die die Menschen horizontal in Oben und Unten scheidet, die gielt in der Politik nicht viel, natürlich, weil da alle Augenblick das Obere unten und das Untere oben is. Die Politik kümmert sich nur um die ·verticale· Theilung, die zwei Seiten bildet, die Linke und die Rechte. (Zu LINERL.) Ich bitte einen Arm ein wenig zu erheben; (zu FUCHS) welchen befehlen Sie?

Fuchs. Gleich den, wo du stehst, unerträglicher Schwätzer.

Heugeign. Aha! (Ihn schlau fixirend.) Sie wünschen die Linke –? hm, der Linken Maß nehmen ist sehr eine gefährliche Maßregel, indem der Linken meistens mehr Maß zu wünschen wäre. (LINERL Maßnehmend. für sich.) Aber sonderbar, wenn ich den Arm angreiff – nicht anders, als wenn ich zu Haus wär.

Fuchs (ungeduldig). Vorwärts! vorwärts!

Heugeign. Ja, das is der Hauptfehler von der Linken und von der Rechten, daß nix vorwärts geht. Das geschieht aber nur, um das christliche Wohlthätigkeits-·Princip· in doppeltem Umfang zu erfüllen. Die Linke soll nicht wissen, was die Rechte thut, es weiß aber auch die Rechte nicht, was die Linke thut, und das wird nehmlich dadurch am sichersten erzweckt, wenn beide Theile gar nichts thun.

Fuchs. Bist du zu Ende?

Heugeign (Maßnehmend). Bis auf die Irxen·peripherie·. Nein, aber diese herrlichen Locken! ich glaub der ruhigste Staatsbürger möchte in diesen Locken ein Wühler werden. – (Zu FUCHS.) Wir sind in Ordnung.

Fuchs (LINERL an der Hand nehmend). Nun kommen Sie.

(Er führt sie gegen die Mittelthüre, wo er sie einem der VERMUMMTEN übergibt, welcher mit ihr abgeht; man sieht ihr an, daß sie zögernd und ungerne folgt.)

14te Scene

(DIE VORIGEN ohne LINERL.)

Heugeign (ihr nachblickend). Wie ungern sie geht, die Unbekannte mit dem Unheimlichen. Jetzt bin ich nur neugierig –

Fuchs (sich rasch zu Heugeign wendend). Auf was?

Heugeign. Ich hab schon glaubt, Schwarzdieselben werden in der Dummheit – will ich sagen – in der Schußlerey fortgehn, ohne anzuschaffen, was ich für das Frauenzimmer machen soll.

Fuchs. Du wirst ihr einen Anzug machen, gerad so, wie der, in welchem die Lady auf dem gestrigen Ball Bewunderung erregt hat. Alles Nöthige findest du in diesem Zimmer (nach links deutend) aber wohl gemerkt, in Zwei Stunden längstens mußt du fertig seyn.

Heugeign. Das is eine Unmöglichkeit.

Fuchs. Du mußt!

Heugeign. Gut, so schaffen S’ mir Gselln her. Sind diese Herrn (auf die VERMUMMTEN deutend) vielleicht Schneidergselln, ·eh bien·! so sind sie mir willkommen; sind sie Lehrbubn, sind sie mir noch willkommener, weil ich s’ dann nach ·Gusto· beuteln kann.

(Die drei VERMUMMTEN zücken die Dolche.)

Heugeign. Weiß schon was Sie sagen wollen. (Für sich.) ’s Is kein Spaß zu machen mit diese Dolchinhaber. (Zu FUCHS.) Wie Sie glauben, geht’s nicht, aber deßwegen geht’s doch. Ich hab den Garderobschlüssel der Lady; da nehm ich ihren gestrigen Anzug, und richt ihn nur her für die unbekannte Person.

Fuchs. Gut, jetzt sprichst du vernünftig. Hättest du aber vielleicht einen Plan [zur] Entweichung im Hinterhalt, so sag ich dir nur, jeder Ausgang ist besetzt, und wie du für den bloßen Versuch bestraft würdest, das kannst du dir denken.

Heugeign. Na ja, in der bekannten beliebten Manier –

(FUCHS und die drei VERMUMMTEN zücken die Dolche und gehen gegen die Mittelthüre ab. HEUGEIGN sieht ihnen, grimmig in den Bart murmelnd nach, als sie schon unter der Thüre sind, hebt er einen Stuhl auf, als ob er ihn nachwerffen wollte.)

Fuchs (welcher [als] der letzte gegangen, sieht sich unter der Thüre rasch um). Was soll’s –?

Heugeign (setzt sich ganz gelassen auf den Stuhl, den er in die Mitte der Bühne stellt, nieder). Nix, niedersetzen wird man sich doch derffen?

(FUCHS droht ihm mit dem Finger, und geht zur Mitte ab.)

15te Scene

(HEUGEIGN allein.)

[HEUGEIGN.] Ah, die Vermummten können mir gstohlen werdn! Ich hab s’ nie leiden können; nur keine Vermummten! außer d’Milichweiber und die müssen sauber sein. – Mir scheint, – mir scheint, der führt was Schlechtes im Schild, denn bei was Guten brauchet er ja nicht den Aushängschild seines Innern, sein Gesicht, zu verlarven. – Das is übrigens noch keine Folg; es giebt schon so Leut, die können Alles nur nicht offen zu Werk gehn; selbst wenn s’ einem ein’n Dukaten schenken, so machen s’ a Bewegung dabey, daß man glaubt, sie wolln ein a Schnopftüchel stehln. – Das kränkt mich gar so, daß ich gegen die Lady ·operiren· soll, mir is so leid um die Lady, auf Ehr, mir is um die Lady leid.

16te Scene

(BRIDEWELL, MISS KEMBLE; DER VORIGE; es öffnet sich eine Tapetenthüre, aus welcher die LADY im Reiseanzuge mit KEMBLE tritt.)

BRIDEWELL (in großer Aufregung, einen Brief in der Hand). Verrathen! Betrogen!

Heugeign (verwundert). Ha, – is das ihre Doppelgängerin, oder is es einfach sie selbst –!?

Bridewell. Still, ums Himmelswillen! (Zu MISS KEMBLE, ihr ein offenes Billet gebend.) Theilen Sie ihm mit, was nöthig ist, und kommen Sie sodann. (Eilt die Seitenthüre rechts ab.)

Heugeign. Die Lady da!? (Zu MISS KEMBLE.) Waren Sie vielleicht so glücklich umzuwerffen?

KEMBLE. Nein, aber als wir eben die Wegsäule an der Bergstraße vorüberfuhren, überreichte uns ein Eilbote dieß Billet von Lord Atworth –

Heugeign. Und was steht da drin?

KEMBLE. Ein Komplott, man will den Bräutigam der Lady in ein Liebesabentheuer verwickeln, welches hier –

Heugeign. Das wissen wir Alles, aber steht nicht der Nahmen von derjenigen im Billet?

KEMBLE. Der ist so unbedeutend, wie ihr Stand, (ihm nachlässig das Billet reichend) da – sehn Sie selbst.

Heugeign (für sich). Ich lachet, wenn’s von unserer Zunft Eine wär, – etwan gar dem ·Manteau· seine Frau – 0 Gott, das wär a Passion! (Überfliegt murmelnd den Inhalt des Billets, plötzlich stößt er einen lauten Schrei aus, und sinkt in den Stuhl.)

KEMBLE (erschrocken). Mein Gott – was ist Ihnen, Meister –! Sie sind ja – (Hält ihm ein Riechfläschchen vor.)

Heugeign (niest). Helf Gott, es is wahr – (die Hände ringend) es is wahr!! – Linerl –! (Will sich aufrichten, und sinkt wieder zusammen.)

KEMBLE. Still! Sie verrathen uns noch. Erholen Sie sich –! (Reibt ihm mit dem Odeur die Schläfe.)

Heugeign (mit schwacher Stimme). Nicht da – besser in der Mitten – da is die ·incurable· Stell.

KEMBLE. Ist etwa der Nahme in dem Billet?

Heugeign. Lina Restl!! das giebt mir den Rest, das raubt mir Glück, Hoffnung, Verstand – Alles bis aufs letzte Restl. Und ich hab ihr die Maß genommen – für einen Grafen hab ich sie bemessen – schauderhaft!!

KEMBLE. Kennen Sie diese Lina?

Heugeign. A Bisserl, ja, sie is weiter gar nix als meine Braut.

KEMBLE. Beruhigen Sie sich – ich kenne den Grafen, er kehrt wieder zur Lady zurück wie früher.

Heugeign. Meine Linerl kehrt auch zurück – (mit halb von Thränen erstickter Stimme) aber nicht, wie früher.

KEMBLE. Weinen und Händeringen nützt hier nichts, wir müssen handeln.

Heugeign. Bey dem Handel schaut ein trauriger Profit heraus.

KEMBLE. Ich muß zur Lady, seyn Sie vernünftig und denken Sie, daß Ihre Muthlosigkeit uns Alles verderben kann. (Geht in die Seitenthüre rechts ab.)

17te Scene

(HEUGEIGN allein.)

[HEUGEIGN.] Graf und Schneider – das is ein zu ungleicher Kampf; und doch –! was steht denn noch Alles in dem Billet? (Liest.) „Man wird zuerst sie“ – (Spricht.) Aha, das is die Lady nähmlich – (liest weiter) „von Rosenbach entfernen. Der Graf kommt noch vor Tagesanbruch, und wird, um vor jedem unwillkommenen Erkanntwerden sicher zu sein, in schwarzem Mantel und Maske sich dem ·Pavillon·, wo er das angeblich gefangen gehaltene Mädchen finden soll, nähern, dessen Thüre von den dort aufgestellten Wächtern auf die ·Parole· – ,Nacht und Verschwiegenheit’ – ihm geöffnet wird.“ (Grimmig das Papier zerknitternd.) Wart, Braut-Usupirer! – Schöne Berechnung das! bis auf den Strich, den ich durchmach. – Noch is es zu Früh – dieses Schloß scheint als eine ächte Reliquie aus der ·Feudal·-Zeit voll geheimer Gänge zu sein, – da sollen mir diese Garderobe-Schlüssel und diese Tapeten-Thür gute Dienste thun. – Also das wär der politische Hintergrund? Der Teufel soll – Aber halt, – nicht voreilig sein, junger Diplomat. Am Ende – möglich is es doch, daß da etwas Staatszweckisches – hm, wer weiß, ob man nicht das Nützliche mit dem Angenehmen vereinen will. Das nützliche mit dem Angenehmen vereinen wär wohl eine schöne Sach, wenn’s sich nur öfters treffet in Leben – aber leider wachst sich das bisserl Angenehme, was einem unterkommt statt aufs Nützliche fast immer nur aufs Unangenehme hinaus.

(Lied dann Verwandlung.)

[Lied

1.

Es giebt Frauen, mit denen der Mann

Recht ein g’scheidten Diskurs führen kann

Nicht bloß über Wirthschafts- und Dienstboth’n-Verdruß,

Wie man hint’r ihre Greißler-Manklerey’n kommen muß,

Wie viel Ey’r um ein Guld’n, und wie theuer’s Pfund Schmalz,

Wie man ’s kennt beym Pollak’l ob ’s a jung’s od’r a alt’s ;

Sondern auch über Reichstag, Regierungsverhältniß,

Völkerkrieg, und was sonsten noch Schön’s in der Welt is,

Oder was ’s Ministerium All’s macht –

Ah, a Frau, die was kennt is a Pracht!

Doch ’s giebt Frau’nzimmer, die nicht beym Wissen seyn blieb’n,

Die d’Politick der Geg’nwart hab’n pracktisch betrieb’n;

Sie habn im Frau’nverein g’red’t eb’n soviel als unsinni,

Und auf d’Aula sind s’ g’loffen schon grad’ als wie wini,

Und damit man sie zu Amazonen erhebt,

Habn s’ heroisch die Würst’ln auf d’Barikaden hing’schleppt.

Trotzdem is ihr’ G’sinnung g’nau anz’geb’n sehr schwer,

Erst habn s’ g’schwärmt für d’Studenten nacher für’s Militär

Wann i a Solche betracht’, sag’ i, „nein

Da hört es auf ein Vergnügen zu seyn.“

2.

In der Jägerzeil wohnen is schön,

So die Leut’ seh’n in Prat’r abi geh’n.

Die Männer, wie s’ d’Kinder führ’n, und ihre Frau’n,

Die übrall hin nur nicht au’m Mann und ’s Kind schau’n;

Wie s’ so g’schmackvoll gekleid’t sind, od’r aufputzt wie d’Narr’n,

Wie so Viele abireit’n, und ’s wär’g’scheidter sie fahr’n;

Da Equipagen mit Gold-Livrée und Eisenschimmeln,

Da Fiakerpirutsch’, wo Fünf G’schwufen d’rinn lümmeln.

’s Muß Jeder sag’n, der das betracht,

Da z’·logier’n·, das is wirklich a Pracht.

Doch g’rad an dem Platz habn s’ Barrikaden gezog’n,

In die mit b’sonderer Vorlieb’ d’Granaten sind g’flog’n,

Und der, den bey d’Herbstflammen nix hat betroffen,

Der wär’ bald in den Fluthen des Winters ersoffen;

Schicksals-Stöß’ treffen Alle, seyn s’ klein oder groß,

Den Leopoldstädtern nur droht noch ·extra· ein Stoß,

Der Eisstoß benahmst, – zwar is d’Rettung stets nah’,

Acht Tag’ nach d’r Überschwemmung lieg’n die Treppen schon da –

D’Jägerzeil so betracht’t, sagt man „nein,

Da hört es auf ein Vergnügen zu seyn.“

3.

Der Grundsatz is zwar nicht ganz neuch,

Vor’m Gesetz sind die Staatsbürger gleich;

So viel ich weiß war das bey uns schon früher der Fall,

Doch man redt jetzt so gern, also b’spricht man’s noch Mahl.

In der Sonne des Recht’s wirfft der Stammbaum kein ’n Schatten,

In welchem verberg’n man könnt’ unrechte Thaten;

So groß is kein Kapsul und kein Pergament,

Daß man etwas Schlecht’s damit zudecken könnt’.

Schön, daß man das zum Grundgesetz macht,

So a Gleichheit bleibt ewig a Pracht.

Doch die Gleichheits-Versess’nen sag’n gar, es soll rein

Zwisch’n ein Schust’r und ein Herzog kein Unterschied seyn;

Und g’rad, wenn wir in Rang und Stand Alle sind gleich,

Wird noch bitt’rer der Abstand werd’n zwisch’n arm und reich;

Mit Zehn Fürsten und Grafen red’t man leichter ganz g’wiß

Als mit ein Flecksieder, der Millionär worden is.

Auch Aufwand, ·Luxus·,Verkehr, fallt All’s mit d’großen Herrn,

So daß d’G’werbsleut’ vor Gleichheit noch betteln gehn wer’n.

Schaut man d’Gleichheit so an, sagt man, „nein,

Da hört es auf ein Vergnügen zu seyn.“

4.

Das geheime System Tiranney,

Samt Gefolge, is All’s jetzt vorbey.

Früher hat man sich kaum getraut z’machen ein ’n Muks,

Jetzt Freyheit der Rede und Freyheit des Drucks;

Früher war das verborg’n, wie im Dunckel der Nacht,

Was die Staatswirthschaft für eine Wirthschaft hat g’macht;

Jetzt is nix mehr Geheim’s, jetzt erfahrt’s Jeder gleich,

Wie die Staatsschulden alt wer’n, und d’Anleh’n ganz neuch –

Vor Freud’n ’s ganze G’sicht einem lacht,

O, nur frey seyn, denn das is a Pracht. –

Doch seit Deutschland a Flotte baut, sieht Alles Schiff’,

Das erzeugt schiefe Ansicht, und falsche Begriff’; –

So glaub’n s’,Freyheit heißt ungeniert schimpf’n über’n Staat,

Und das,was man braucht, dem wegnehmen, der’s hat.

„Wir sind arm“ – sagen s’ – „der is reich, der muß uns sein Geld geb’n,

Zu was braucht er’s? a Reich’r hat a so ’s beste Leb’n!“ –

Und für reich halten s’ Jed’n, der ein schönen Rock tragt;

O, Verblendete! geht doch zu d’Schneider und fragt! –

Ah, wenn d’Freyheit ·Communismus· wird, „nein,

Da hört es auf ein Vergnügen zu seyn.“

5.

Es giebt eine Stadt, die heißt Wien,

Da war All’s was nur ang’nehm is drinn;

Wie hab’n d’Straßeneck’ ausgeschaut vor der Umstaltung,

Da war Alles ganz vollpappt mit Tanzunterhaltung;

Kein Ernst auf den G’sichtern, es war Alles froh,

Jeder Mund war voll gute und schlechte ·Bonmot·;

Wiener-Spaß war gemüthli und hat troff’n wie der Blitz,

’s War berühmt der Fiaker- und Schusterbub’n-Witz; –

Jeder hat an Wien sehnsuchtsvoll dacht,

Denn das Leb’n in Wien, das war a Pracht!

Wie sich das jetzt hat g’spalten, ’s geht über d’Begriff’,

D’ Schusterbubn ·radical·, d’Fiaker ·conservativ·.

Es sitzt Kein’r in ein Wirthshaus, der nicht in sein Hirn

Sich denckt, wie das schön wär’, wann er thät regier’n;

’s Elysium sogar, was die ·Quint·-Essenz g’west,

Is in heurigen Fasching ein trübselig’s Nest;

Soweit is’s jetzt kommen, für Wien is’s a Schand,

Wir sind noch fad’r als Berlin mit sein Sand und Verstand –

Fallt d’Umstaltung so aus, sag’ i, „nein,

Da hört es auf ein Vergnügen zu seyn.“]

(Nach dem Liede HEUGEIGN durch die Tapetenthüre ab.)

VERWANDLUNG

(Elegantes Gemach im Park-Pavillon des Schlosses der Lady, von einer Schirmlampe erhellt. Links eine Seitenthüre, welche in den Park, rechts eine Seitenthüre, welche in ein Nebengemach führt.)

18te Scene

(FUCHS, LINERL.)

Fuchs (indem er Linerl zur Seitenthüre links hereinführt. Er ist noch wie früher schwarz vermummt, trägt jedoch die Larve in der Hand, Linerl ist in ihrer vorigen Kleidung). Nur keine Zaghaftigkeit! es is ja eine edle Tat.

Linerl. So lang’s licht war, is es mir auch so vorkommen, aber in der Nacht schaut halt das Edelste so verdächtig aus.

Fuchs. Nicht kindisch! nehmen S’ den außerordentlichen Vollmond und diese Astral-Lampen noch dazu, – das is ja eine Beleuchtung, wo sich mancher Tag schamen müßt; in eurer Schneiderboutik is es ’s ganze Jahr nicht so hell.

Linerl. Na, meintwegen, weil ich nur von den Flinserlgwand ·dispensirt· bin.

Fuchs. ’s Wär ja unnöthig, denn überhaupt – zu was denn eine Fee? (Bei Seite.) Der Malefizschneider is mir durch die Lappen, als ob ihn der Satan durch die Luft gführt hätt – oder hat ihn vielleicht nur so der Wind vertragn –? (Zu LINERL.) Ich schau jetzt hinaus, der Graf muß den Augenblick –

Linerl. Mit a Paar gute Wort wird es ja abgethan sein, ’s muß Ihn ja rühren, wenn er sieht, was ich für mein Bräutigam tentir.

Fuchs. Na freylich, is ja ein Herr, wie die gute Stund. Bleiben S’ jetzt nur ganz ruhig. (Geht Seitenthüre links ab.)

19te Scene

(LlNERL allein.)

[LINERL.] Wenn er aber wiede r z’Haus is, dann soll er sich gfreun, der Heugeign, wie ich ihm’s sagen werd – sagen –? Jetzt weiß ich mein er Seel nicht, ob ich ihm Alles sagen soll. Auf d’Letzt hab ich nicht einmahl einen Dank davon. – Nein, ich sag’s, retten soll man d’Männer, und bleiben soll man ’s lassen. – Still, ich hör was – (horchend und nach rechts deutend) das is ja auf der Seiten –

20ste Scene

(BRIDEWELL; DIE VORIGE.)

BRIDEWELL (aus Seitenthüre rechts kommend). Fürchte dich nicht, liebe Kleine.

Linerl (sie erkennend). Euer Gnaden sind’s –!? Jetzt wird mir freylich leichter ums Herz.

Bridewell. Wisse, es waren Betrüger, die dich hieher gebracht.

Linerl. Aber hab ich mir’s denkt!

Bridewell. Die deine Unbefangenheit schändlich getäuscht. Später sollst du Alles erfahren, geh jetzt in’s Nebenzimmer hier zu meiner Kammerfrau, und erwarte mich; ich werde hier deine Stelle einnehmen.

Linerl. Ich dank Ihnen vielmahls. Da kann man sehn, wie der Mensch ins Unglück kommen könnt. Gott, 0 Gott –!

BRIDEWELL. Mache schnell, der Graf kann jeden Augenblick –

Linerl. Das war ’s erste und letzte Mahl, daß ich wem rett! (Geht in die Seitenthüre rechts ab.)

21ste Scene

(BRIDEWELL, dann [FUCHS,] HEUGEIGN.)

BRIDEWELL (allein). Wenn er kommt, der Treulose – ach, die Lampe brennt so hell, trotz des Schleyers müßte er mich sogleich erkennen. (Dreht die Lampe ein, daß sie schwächer brennt; horchend.) Ha – (Man vernimmt undeutlich eine Stimme von Außen links.) War das nicht das Losungswort –?

Fuchs (mit der Larve vor dem Gesicht, öffnet die Seitenthüre links). Belieben Euer gräflichen Gnaden – (HEUGEIGN mit schwarzem Mantel, Hut und Larve angethan, tritt ein, Fuchs macht allsogleich hinter ihm die Thüre zu.)

Heugeign (für sich). Also hier, hier is der Ort, wo Treu und Glauben ein End hat – das Halbdunkel is so stark ausgfallen, daß man d’Larven keck herunter thun kann – (Nimmt die Larve ab.)

BRIDEWELL (für sich). Er ließ nicht vergeblich warten, der Verräther

(Diese ganze Scene wird mit gedämpfter klangloser Stimme gespielt.)

Heugeign (zur LADY). Sind Sie da?

Bridewell. Ja.

Heugeign. Ich bin auch da, und da ich da bin, bin ich so glücklich, des Daseins seeligste Gefühle –

BRIDEWELL (bei Seite). Kaum halte ich den gerechten Zorn zurück.

Heugeign (bei Seite). Sie hört ganz gemüthlich zu, gfallt ihr der romantische Graf – na, wart, du Schlangenkrot!

BRIDEWELL (bei Seite). Wenn er es wagen sollte, sich zu nähern –

Heugeign (bei Seite). Ob sie das leidt, wenn ich s’ bei der Hand nehm. (Zur LADY, indem er ihr nähertritt.) Man sagte mir, daß Sie Lina heißen?

BRIDEWELL. Ja.

Heugeign. Das Volk nennt Sie sogar „Linerl“ –? (Ihre Hand ergreiffend.) Gehst du her, du zarte schwaanenbeschämende Lilienhand!? (Sich entfernend, bei Seite, mit trostloser Miene.) Sie leidt es – 0, Natter! 0 heuchlerisches Codicil –! Krokodil, will ich sagen. – (Überlegend.) Ob sie das leidt, wann ich sie sanft umschlinge.

BRIDEWELL (bei Seite). Wenn er sich unterstünde –

Heugeign (zur LADY, indem er nähertritt). In Teichenau, wissen Sie noch, Lina, wie ich unter der Linden saß, und einen Stutzen Wasser trank, den Sie mir brachten.

BRIDEWELL. Ach ja.

Heugeign (sie umschlingend). Hätt ich Sie damals an mein Herz zu drücken dürfen können wagen – 0, wie unaussprechlich – (Entfernt sich, mit desperater Gebärde, bei Seite.) Sie leidt es.

BRIDEWELL (bei Seite). Hat meine Liebe solchen Verrath verdient –?

Heugeign (überlegend). Ob sie das leidt, wenn ich ihr ein Bussel geb –

BRIDEWELL [(bei Seite)]. Sollte er sich vermessen –

Heugeign (zur LADY). Süßes Mädchen, ein Liebender fleht – Lina! – Wart’ du Goschi-Goschi du – (Küßt sie, und entfernt sich von ihr; bei Seite, die Hände ringend.) Sie leidt es!

BRIDEWELL (bei Seite). Das, Falscher, hat uns für immer getrennt. (Nähert sich der Thüre rechts.)

Heugeign (für sich). Ich reiß mir die Haar aus –! Verzweiflung öffne deine Krallen! (Verhüllt sich händeringend bis über den Kopf in den schwarzen Mantel, und stürzt zur Seitenthüre links hinaus.)

22ste Scene

(BRIDEWELL, dazu MISS KEMBLE; dann FUCHS von Außen.)

BRIDEWELL (In die Seitenthüre rechts rufend). Miß Kemble!

KEMBLE (herauskommend). Befehlen –

Bridewell. Er ist fort, verschließen Sie schnell die Thüre. (Nach links zeigend.)

KEMBLE. Sogleich. (Thut, wie ihr befohlen.)

BRIDEWELL (für sich). Wahrscheinlich von plötzlicher Reue befallen, stürzte er hinaus.

Fuchs (von Außen, die Thüre links öffnen wollend). Mamsell Linerl –!

KEMBLE (zur LADY). Hören Sie, gerade war’s noch Zeit.

BRIDEWELL (für sich). Das Mädchen muß mir gestehen, ob sie ihn früher gekannt. – Ihr verzeihe ich gerne –

Fuchs (von Außen). Ich bin ’s, machen S’ nur auf.

Bridewell. Aber sein Flehen wird mich nimmer rühren, solchen Verrath verzeiht die zürnende Liebe nie. (Geht Seitenthüre rechts ab, MISS KEMBLE folgt ihr.)

Fuchs (von Außen an der Thür rüttelnd). Mamsell Linerl –! ich komm, Ihnen abzuholen – Mamsell Linerl! (Rüttelt heftiger an der Thüre.)

VERWANDLUNG

(Park des Schlosses, im Hintergrunde rechts sieht man den Pavillon von der Außenseite.)

23ste Scene

(FUCHS allein; steht an der Pavillon-Thüre und rüttelt daran.)

[FUCHS.] Aber, Mamsell Linerl –! (Unwillig.) Was sind denn das für Schulmadlgspaß, das dumme nicht aufmachen wollen –!? – Unbegreifflich, – entweder ’s is Bosheit, oder sie is in Ohnmacht gfallen; das thun d’Frauenzimmer auch meistens, wann s’ boshaft sind, also Bosheit auf alle Fäll. – Warten muß ich, was da gschieht; jetzt heißt’s halt sich umschaun um a zweckmäßige Hollerstaudn. (Geht rechts hinter dem Pavillon ab.)

24ste Scene

(RESTL allein; von Seite rechts aus dem Vordergrund auftretend.)

[RESTL.] Ah, das war ähndrisch – in einer Allee hab ich zwei Schwarze gsehn – aber wie schwarz! – Was hat das zu bedeuten? Redut is keine, Hoftrauer auch nicht – zu was also schwarze Manteln? – Das muß eine Verschwörung sein. – Und da soll ich meine Linerl finden? – Herausgfahren is sie; das hat die Tracteurin, neben uns, ausn Kutscher herausbratelt. (Nach links in den Hintergrund sehend.) Da kommt auch ein Schwarzer – Merkwürdig! wenn man mit der besten Hoffnung herkommt, hier wird man gezwungen, schwarz zu sehn. (Zieht sich im Vordergrunde links zur Seite.)

25ste Scene

(HEUGEIGN; DER VORIGE.)
(Im Verlauf der folgenden Scene bricht nach und nach der Morgen an.)

HEUGEIGN (tritt in den schwarzen Mantel eingehüllt, die Larve jedoch in der Hand tragend, aus dem Hintergrunde links, mit gesenktem Kopf und verschränkten Armen auf). Verrathen, betrogen, verkauft – was verkauft! Verschleudert, verschenkt, fortmitschaden hindangegeben –! und immer treibt’s mich wieder in die Gegend, wo ich als Nicht-ich mein eignes Glück gemordet, wo sie mich für den Nichtmich gehalten – wo oh!

Restl (vortretend). Schwiegersohn!

Heugeign. Wer wagt diese Benennung?

Restl. Ich, der alte Restl.

Heugeign. Schwiegersohn –? ich bin es nicht mehr.

Restl. Ja richtig, ’s is wahr, Sie sind ein Verschworener.

Heugeign. Verschworener –!? (Grimmig auflachend.) Hahahaha!

Restl. Ob Sie lachen oder nicht, ich sag Ihnen nur – man soll zwar nix verschwören, aber eh ich ’s Madl ein Verschwornen geb, eher –

Heugeign. Sie reden und wissen nix. Glauben Sie denn, ich nähmet s’? Ich sag Ihnen nur so viel, die Linerl is für mich unmöglich geworden.

Restl. Wegen was soll denn ’s Madl unmöglich sein? Reden S’ doch, das intressirt mich.

Heugeign (in heftiger Bewegung mit losbrechender Wuth). Dieser Verführungsgraf! – oder eigentlich dieser Nichtgraf, dieser –! Rache –! Rache!!

Restl. Ich weiß zwar nicht, was geschehn is, aber was will denn der Schwiegersohn thun?

Heugeign. Protest einlegen gegen Alles, das is das Erste, nur Protest.

Restl. Mein Gott, das nutzt grad so viel, als wenn man einem Enthaupteten in der Spielerey-Niederlag ein neu’n Kopf kauft.

Heugeign. Wissen Sie nicht, wo man a neu’s Herz kriegt, wenn ’s alte z’rissen is?

Restl. Da muß ein fürchterliches Ereigniß –! Wünschen Sie vielleicht, daß ich ’s Madl verfluch? Sie haben zu befehln.

Heugeign. Was nutzt mich das!?

Restl. Nein, wann sie’s verdient, – (in feyerlichem Tone) dann verwünsch ich die Stund, wo ich ihre Mutter geheurathet hab, – (in gewöhnlichem Tone) das hab ich ohnedem schon sehr oft gethan.

Heugeign (kleinlaut). Beschwören Sie die Todten nicht herauf.

Restl. Wäre Niemandem ungelegener als mir; aber lassen Sie mich fortfahren – (In feyerlichem Tone.) Ich verwünsche das gute Beyspiel, was ich ihr gegeben. (In gewöhnlichem Tone.) Na ja, für was denn? wenn’s nix gefruchtet hat.

Heugeign. Halt ein, Gräßlicher!

Restl (in feyerlichem Tone). Ich verfluche das Wasser, was sie getrunken – (in gewöhnlichem Tone) sie is beim Wasser auferzogn; (mit mehr Wärme) und glauben Sie mir, Schwiegersohn, wenn ich ’s Wasser verfluch, so is das kein leeres Wortgepränge.

Heugeign. Schone dich, vielgeprüfter Greis.

Restl. Ich geh fort, ich will ’s Madl gar nicht mehr sehn, und Sie schreiben mir einen Auszug über ihren Thatbestand. – Aber wie komm ich fort? es is schon hellichter Tag worden, und so viel ich gmerkt hab, wer hier keinen schwarzen Mantel anhat –

Heugeign. Wenn S’ wolln, ich geb Ihnen den meinigen sammt Zugehör.

Restl. Geb der Schwiegersohn her.

Heugeign (ihm Mantel und Hut gebend). In den Anzug können Sie hier aus- und eingehn, als wie ’s Kind in Haus.

Restl. Um d’Larven bitt ich auch – (selbe vornehmend) so, jetzt schaun S’ mich an – nicht wahr? in so einer Larven, man hat völlig ganz a anders Gsicht. Merkwürdig, wenn ich mich jetzt vorn Spiegel stellet, und fanget mich zum sekiren an, ich zerbrechet mir den Kopf, wer denn das is.

(Geht links im Hintergrunde ab.)

26ste Scene

(HEUGEIGN, dazu BRiDEWELL und LINERL.)

Heugeign (allein). Vielleicht heurath ich s’ doch noch; das muß aber in ·Contract· hinein, daß ich s’ umbringen derf.

(Die Thüre des Pavillons öffnet sich, und die LADY kommt mit LINERL heraus.)

Heugeign. Infernalisches Gaukelspiel! – Nein, sie selbst ist es, die Schauerliche.

BRIDEWELL. Was ist Ihnen, Meister, Sie sind ganz verstört?

Heugeign. Eine unbedeutende Schneiderverzweiflung.

BRIDEWELL. Beruhigen Sie sich.

Heugeign. Unter zehn Jahren kein Gedanken.

BRIDEWELL. Sind Sie vernünftig?

Heugeign. Davon is vielleicht in zwanzig Jahren noch keine Red!

Linerl. Aber Heugeign, ich bin ja nur hergfahren, weil ich glaubt hab, dein Leben steht aufm Spiel.

Heugeign (mit scharfer Ironie). Dank dir, edle Retterin – und was hat dich bewogen, dich in das zwielichtrige Dunkel jenes Kabinetts zu begeben?

Linerl. Laß dir nur sagen –

Heugeign. Keine Ausflüchte – beantworte die Kabinettsfrage!

Linerl. Wie der Graf Friedrich kommen is, war ich ja gar nicht mehr drin.

Heugeign. Ach, geh, wer wär’s denn nacher gwesen?

Bridewell. Ich, mein Freund.

Heugeign (wie vom Donner gerührt). Wie? –Was? – Sie? –

Bridewell. Ich habe die Stelle des Mädchens eingenommen.

Heugeign. Das waren Euer Gnaden – Exzellenz? – Also Sie und nicht du! – (Jubelnd.) Die „Sie“ war’s und nicht die „du“! – Linerl – Linerl!

27ste Scene

(MIss KEMBLE; DIE VORIGEN.)

KEMBLE (kommt in großer Aufregung und Eile von Seite rechts vorne). Ach, gnädigste Lady! –

Bridewell. Was ist Ihnen was ist geschehn?

KEMBLE. Ein unglaublich verwegenes Bubenstück!

Heugeign. Ein Bubenstück? Doch nicht an Ihnen verübt?

BRIDEWELL (zu MISS KEMBLE). Sie erschrecken mich! –

KEMBLE. Der unerhörteste Betrug; in diesem Augenblicke kommt der Oheim mit Graf Friedrich hier an.

Bridewell. Das ist unmöglich!

KEMBLE. Es ist so, wie ich sage.

Heugeign (für sich). Jetzt geht ’s Wetter los.

Bridewell. Himmel! –

KEMBLE. Wer muß das nun gewesen sein, der im Pavillon? –

Bridewell. Wenn ich den Elenden kennte –

Heugeign (beiseite). Der wird sich hüten, daß er sich meldt.

Bridewell. Und koste es, was es wolle, ich muß es wissen.

Heugeign (große Indignation heuchelnd). Ah, freilich, da muß nachgeforscht werdn. Das is ja zu arg, in Grafengestalt zu einer Lady dringen, sie umarmen, sie mit Liebkosungen –

Bridewell. Wer sagt Ihnen denn das?

Heugeign (etwas betroffen, sich aber allsogleich fassend). Niemand, aber wenn einer schon so keck is und in die Pavillons dringt, das andere giebt nacher schon die Vernunft.

KEMBLE. Lord Atworth ließ bereits den Garten schließen, denn nach der Aussage des Gärtners kann derjenige noch nicht fort sein. Alles wird durchsucht. (Spricht leise mit der LADY weiter.)

Heugeign (wie früher). Das is recht in so einem Fall, nur strenge Maßregeln, energische Schritte – heda! Leute, Dienergesinde, Schloßtroß! Alles herbei!

Linerl. Heugeign, auf a Wort – (Winkt ihm, näher zu ihr zu treten.)

Heugeign (noch unbefangen). Was denn, Linerl?

Linerl. Dir geht ja ’s Maul, als wie –

Heugeign (schmeichelig). Nein, weißt, mich empört das, wenn ein Mensch gar so verwegen is –

Linerl. Und zugleich so unvorsichtig, was zu verlieren, daß man den Thäter mit Händ greifen kann.

Heugeign (verblüfft). Wie denn, was denn? (In ängstlicher Hast seine Taschen durchsuchend für sich.) Himmel – hab ich denn was verloren? –

Linerl. Da –! (Überreicht Heugeign seinen Fingerhut.)

Heugeign ([wie vom Donner gerührt]). Mein Fi – Fi – Fingerhut – (Für sich.) Da haben wir’s; wenn ei’m wer verrat’t, so kann man parieren drauf, es is a guter Freund. (Steckt den Fingerhut rasch in die Tasche.) Linerl! – (Reumütig.) Wie wir nach Haus kommen, fall ich dir zu Füßen; hier is keine rechte Gelegenheit.

LINERL (halb grollend, halb versöhnt). Na ja, ’s is schon gut.

KEMBLE (zur LADY). Ich hab dem Gärtner die genaueste Beschreibung des Verbrechers –

Bridewell. Den reichsten Lohn für die Entdeckung

28ste Scene

(RESTL, ZWEI GÄRTNERBURSCHEN, ZWEI BEDIENTE; DIE VORIGEN.)

GÄRTNER und BEDIENTE (von innen links). Wir habn ihn – wir habn ihn!

Heugeign (in die Scene sehend). Wen bringen s’ denn da?

GÄRTNER und BEDIENTE (RESTL in ihrer Mitte bringend, kommen aus links vorne). Wir habn ihn! Da is er!

Restl (mit Hut und Mantel, die Larve jedoch in der Hand, ängstlich zu den LEUTEN). Wenn ich euch aber schon sag, erstens bin ich kein Verschworner, und dann –

Linerl. Himmel! Der Vater –!

Restl. Und da is die Lady! – jetzt kann sie’s selber sagn – (Zur LADY.) Die wollen mir da aufbringen, ich hätt Euer Exzellenz a Bussel geben.

BRIDEWELL (mit indigniertem Staunen). Ist’s möglich? – Ihr seid es?

Restl. Und wegen dem Bussel, sagen s’, müßte ich sterben, das heißt im allgemeinen, wenn die Busseln tötlich wären.

Bridewell. Ich überlasse meinem Oheim die Bestrafung –

Restl. Um alles in der Welt – Sie glauben doch nicht! – Sind Sie denn rasend? Und schau ich einem Ladyfrevler gleich?

LINERL (zu HEUGEIGN). Das kann ich nicht sitzen lassen auf meinem Vatern, jetzt sag ich, daß du’s warst.

HEUGEIGN (leise zu LINERL). Linerl, mach mich nicht unglücklich.

LINERL (zu HEUGEIGN). Meinem Vater sein Ruf is mir ’s erste.

Heugeign (in großer Angst und Verlegenheit). Aber süßeste Braut!

Restl. Zu Hilfe! jetzt schrei ich, als wenn ich am Spieß stecket, zu Hilfe!

29te Scene

(ATWORTH; DIE VORIGEN.)

ATWORTH (von der Seite rechts im Vordergrunde auftretend). Was geht hier vor? (RESTL erblickend.) Augenblicklich laßt den Mann frei!

Restl. Kannibalisches Gepack! – (Die GÄRTNER und BEDIENTEN haben ihn losgelassen.) Jetzt bitt ich mir aber a Gnad aus!

Atworth. Später, mein Freund!

Restl. Nein, das müßt gleich sein; ’s is nur, daß ich denen vier Herren da (auf die GÄRTNER und BEDIENTEN zeigend) Paar und Paar d’Köpf z’sammenstoßen dürft. (Die VIERE laufen davon.)

Bridewell. Aber, bester Oheim –

Atworth. Manches wird dir noch ein Rätsel sein, und doch ist die Lösung leicht. Gewohnt, für dein Bestes zu wachen, hab ich die Absichten deiner Feinde vereitelt; den Verwegenen, der es gewagt, dich im Pavillon zu überraschen, haben wir, es ist kein anderer, als der saubere Herr Fuchs.

LINERL (leise zu HEUGEIGN). Er meint den, der mich hergführt hat.

Heugeign (leise zu LINERL). Dem vergönn ich das Mißverständnis und seine Folgen.

BRIDEWELL (zu ATWORTH). Und Friedrich? –

Atworth. Ist mit mir angekommen, in keiner anderen Absicht, als durch Beschleunigung eurer Vermählung sich das höchste Glück, seinem Vater die freudigste Überraschung zu bereiten. (Will mit der LADY rechts im Vordergrunde ab.)

Heugeign (ATWORTH zurückhaltend). Erlauben zur Güte –! (geheimnisvoll) jetzt muß ich in allem Ernst bitten, daß Sie sich erklären, was mit die gewissen höheren Zwecke is, zu die Sie mich verwenden wollen.

Atworth. Ich verstehe Sie nicht –

Heugeign. Mit die Staatsumsturz- und Terrorismusentwicklungen? –

Atworth. Mein erster Ausspruch bestätigt sich, der Mensch ist ein Narr. (Geht mit der Lady rechts vorne ab, MISS KEMBLE folgt.)

30ste Scene

(HEUGEIGN, RESTL, LINERL.)

Restl. Schwiegersohn, der spricht es aus, denkt hab ich mir’s schon lang im stillen.

Linerl. Wenn er’s nur einsehet einmal!

Heugeign (im Tone des Vernichtetseins). Also gar kein politischer Hintergrund? An gar keine Spitze haben sie mich, sondern zwei Spitzen (Hörner deutend) haben sie auf mich stellen wollen.

Restl. So weit kann man’s bringen mit der Politik.

Heugeign (sich Raison machend). Linerl, Schwiegervater, ich halt mich jetzt nur mehr an die Nadelspitze. Fahr ab, Öffentlichkeit! Denn es droht dem Privatmann eine eigene Gattung kommunistischer Umtriebe, wenn man ein saubers Weiberl hat; um diese hintanzuhalten, braucht man die ganze Politik für sein Haus.

(Der Vorhang fällt.)