Posse mit Gesang in 4 Akten
- Uraufführung 9. April 1847, Theater in der Leopoldstadt (49 Aufführungen)
- Nestroy-Rolle Gottlieb Herb (Rollenverzeichnis 727)
- Musik Adolf Müller; Nachweise: Hilmar S. 69; HKA Stücke 24/II, S. 423–431
- Vorlage Vgl. HKA Stücke 24/II, S. 132–134
- Überlieferung Gladt S. 72–74; Hadamowsky 1934, S. 247; SW Bd. 8, S. 356–392; GW Bd. 4, S. 724f.; HKA Stücke 24/II, S. 111–415
- Werkausgaben (Stücktext) CG Bd. 6, S. 67–132; SW7, S. 107–238; GW Bd. 4, S. 603–713; HKA Stücke 24/II (Hg.: McKenzie), S. 7–107
- Musik (erhältlich) Wienbibliothek | Klavierauszug
- Literatur HKA Stücke 24/I, S. 3; McKenzie, J. R. P.: Nestroys vorrevolutionäre Possen Zwei ewige Juden und Keiner und Der Schützling. Nestroyana 18 (1998), S. 40–49; ders.: Nestroy’s Zwey ewige Juden und Keiner: a Tale of Three Cities. In: McKenzie/Sharpe (Hg.) 1998, S. 130–144
- Aufführungen Nestroy-Spiele 1988
Personen
- Baron von Waldbrand
- Pauline, seine Gemahlin
- Julie Billdorf, Witwe, deren Jugendfreundin
- von Saalstein, Präsident
- Pappinger, ein armer Buchbinder
- Gottlieb Herb, dessen Neffe
- Martin, ein Tischlergesell
- Nanny, eine Putzwäscherin
- Frau von Zollfeld
- August von Zollfeld, ihr Sohn
- Herr von Walk,
- Filner, Supplikanten
- Treffler, Kammerdiener,
- Bart, Jäger, beide beim Baron
- Hebler,
- Last, Werkmeister in den Eisenhütten des Barons
- Michel,
- Franz,
- Sebastian, Arbeiter daselbst
- Reichthal,
- West,
- Schönfels, Zollfelds Freunde
- Fum, Bureaudiener einer Aktiengesellschaft
- von Werling
- Doktor Schwarz
- Schlager, ein Klempner
- Staffelhuberin, Hausmeisterin
- Gesellschaft
- Bediente
- Die Handlung spielt in den beiden ersten Akten in einer großen Stadt, in den beiden folgenden Akten auf einer eine Tagesreise von der Stadt entfernten Besitzung des Baron Waldbrand
Inhalt
1. Akt
Gottlieb hat eine Stelle als Schulgehilfe aufgegeben, denn er fühlt sich „zu was Höherem geboren“. Nun wohnt er in ärmlichen Verhältnissen. Sein Onkel Pappinger hat als alter Buchbinder ebenfalls kein Geld. – Auftrittslied Gottlieb I, 2 (R: „Manchem Menschen g’rath’t All’s […] Mancher Mensch hat kein Glück.“). – Nach außen gibt Gottlieb sich den Anschein eines wohlhabenden, geachteten jungen Mannes. Mit einem Manuskript über die Verbesserungen der Fabrikproduktionen hofft er zu Geld zu kommen. Sein Ziel ist eine Anstellung als Fabrikdirektor. Als er glaubt, Werling habe seine wahren Verhältnisse erkannt, und er zudem eine erneute Ablehnung seines Manuskripts erhält, beschließt er, sich zu erschießen. Allerdings wird er durch einen Drehorgelspieler und eine laute Feier in der Nachbarwohnung gestört. Er entscheidet, den Selbstmord aufzuschieben, bis er einen geeigneteren Ort gefunden hat. Unterdessen bittet Pappinger Pauline um Hilfe. Pappingers Frau war Paulines Amme, und da Pauline selbst aus ärmlichen Verhältnissen stammt, hat sie ein offenes Ohr für Pappingers Wunsch, Gottlieb einen Posten als Direktor eines großen industriellen Unternehmens zu besorgen. Allerdings fürchtet sie sich, diesen Wunsch ihrem Gatten vorzutragen. Schließlich faßt Pauline den Entschluß, Gottlieb eine „schützende Hand“ zu reichen, „aber eine geheimnisvolle, wohlverborgene Hand.“ Pappinger ist der Meinung, daß auch Gottlieb nichts von dieser Protektion wissen sollte. In dunkler Nacht glaubt Gottlieb, den rechten Ort für einen Selbstmord gefunden zu haben. Doch just im entscheidenden Moment entreißt Martin ihm die Pistole, um einen Dieb zu verfolgen, der Nanny einen Brief entwendet hat. Es gelingt ihm, den Brief wiederzuerlangen, während Gottlieb sich um Nanny kümmert. Der Brief ist an Gottlieb adressiert und enthält ein Schreiben, in dem ein Freund seines Vaters erklärt, er habe erst jetzt von Gottliebs mißlicher Lage gehört und wolle ihm gerne helfen. Leise schleichen Martin und Nanny davon, während Gottlieb ungläubig den beiliegenden 1.000-Gulden-Schein anstarrt.
2. Akt
Noch immer weiß Gottlieb nicht, wer hinter allen Wohltaten steht, die ihm widerfahren. Heimlich bringen Martin und Nanny ihm eine Uhr und einen Ring. Gottlieb hatte diese für ihn sehr wertvollen Dinge seinerzeit versetzt. Bei dieser Gelegenheit entdeckt Martin im Schlafzimmer ein Kreuz mit Samtband, das Nanny gehört. Sie hatte es bei dem nächtlichen Überfall verloren. Martin verdächtigt sie der Untreue, wohingegen Nanny glaubt, Gottlieb sei heimlich in sie verliebt. Verwundert findet Gottlieb Ring und Uhr vor. In ihm wächst der Verdacht, hinter allem könne ein weibliches Wesen stecken. Gottlieb ist fest entschlossen, alle Wohltaten zurückzuweisen und es nur „durch eigene Geisteskraft zu etwas zu bringen“. Noch immer weiß Pauline nicht, wie sie sich ihrem Mann gegenüber rechtfertigen soll. In ihrer Not behauptet sie, ihre Freundin Julie habe sie um die Protektion eines jungen Mannes gebeten, der an die Spitze eines industriellen Unternehmens wolle. Sie übergibt Waldbrand Gottliebs Manuskript und erinnert ihn an die vakante Stelle in seinem Eisenwerk in Finsterbach. Darüber ist Waldbrand sehr erstaunt, denn für diese Stelle hatte er Zollfeld vorgesehen. Über dritte weiß er, daß Zollfelds Mutter eine Heirat ihres Sohnes mit Julie wünscht. Zu Paulines Entsetzen erscheinen Julie und Frau von Zollfeld, um sich für Zollfelds Berufung einzusetzen. Nur mit Mühe gelingt es Pauline, der von Waldbrands zweideutigen Bemerkungen verwirrten Julie die Situation zu erklären und sie um ihr Stillschweigen zu bitten. Julie ist empört, verspricht aber zu schweigen. Vor Waldbrands Arbeitszimmer wartet Zollfeld mit einigen Herren. Der großspurige Zollfeld ist überzeugt, von Waldbrand die Leitung des Eisenwerkes übertragen zu bekommen. Entsprechend behandelt er den ebenfalls wartenden Gottlieb. Dieser stellt ihn jedoch als Angeber bloß. Umso verärgerter ist Zollfeld, daß Gottlieb vor ihm hereingebeten wird. Zudem werden die übrigen Herren auf den nächsten Tag vertröstet. Regelmäßig informiert Treffler Pappinger über den Fortgang des Gesprächs. Auf diese Weise erfährt auch Zollfeld, daß Waldbrand Gottlieb die Direktorenstelle angeboten hat. Außer sich vor Wut beschließt Zollfeld, die genauen Umstände dieser Bevorzugung zu ergründen.
3. Akt
In Finsterbach hat Zollfeld die Arbeiter gegen Gottlieb aufgebracht. Insgeheim lanciert Zollfeld ein Zeitungsblatt, das auch auf Gottliebs Schreibtisch plaziert wird. Darin wird ihm Unfähigkeit vorgeworfen. Weiters heißt es dort, Gottlieb verdanke seinen Posten ausschließlich weiblicher Protektion. Gottlieb selbst arbeitet unbeirrt an der Verbesserung der Produktion. Unter vier Augen erzählt Werling Gottlieb von seiner mißlichen Lage. Werlings Onkel hatte den Segen zu einer Beziehung verweigert und seinen Neffen statt dessen für ein Jahr auf Reisen geschickt. In dieser Zeit hat er sich in die Frau verliebt, die sein Onkel für ihn bestimmt hat. Doch es fehlt ihm der Mut, seiner ehemaligen Geliebten die Wahrheit zu sagen. Auch Gottlieb hatte einst eine unglückliche Liebe erlebt. Es handelte sich um eine junge, kränkliche Frau, die er letztlich nicht mehr sehen durfte. Er ist sich sicher, daß sie aus Gram über das Ende dieser Beziehung gestorben ist. Es stellt sich jedoch heraus, daß beide von derselben Frau reden: von Julie. Gottlieb sucht das Gespräch mit ihr. Er wirft ihr ihre Beziehung zu August Zollfeld und ihre Liebe zu Werling vor. Seine bitteren Worte kränken sie sehr. Im Laufe des Gesprächs erkennt Julie, daß Gottlieb der von Pauline protegierte Mann ist, was ihre Eifersucht anstachelt. Tief verletzt verläßt sie Gottlieb. Dieser fühlt sich zunächst vollständig im Recht, muß sich aber eingestehen, daß er verärgert war, festzustellen, daß Julie seinerzeit nicht aus Liebeskummer gestorben war. Wenig später stört der aufgebrachte Gottlieb einen Ball bei Waldbrand, um diesem den Zeitungsartikel zu zeigen. Gottlieb schwört, nicht zu ruhen, bis er „den Namen der heimlichen Gönnerin der allgemeinen Zerfleischung preisgegeben habe.“ Ohnmächtig sinkt Pauline auf einen Stuhl.
4. Akt
Gottlieb hat erfahren, wer seine heimliche Wohltäterin ist. Julie gegenüber erklärt er, er verbiete sich Paulines Wohltaten, zu denen sie kein Recht habe. Auch Pappinger kann ihn nicht umstimmen. Unerwartet tritt Waldbrand hinzu, der Julie als die gesuchte Wohltäterin bezeichnet und damit allgemeine Verwirrung auslöst. Nach Waldbrands Weggang führt Gottlieb die überraschte Nanny und den glücklichen Martin zusammen, um das Gerücht, er habe ein Verhältnis mit Nanny, aus der Welt zu schaffen. Inständig bittet Julie Gottlieb, ihr einige beruhigende Worte für Pauline aufzutragen, doch Gottlieb weigert sich. Wegen dieser grausamen Haltung kündigt Pappinger ihm die Freundschaft, doch Gottlieb versichert, von Pauline ganz begeistert zu sein und selbst mit ihr sprechen zu wollen. Zollfeld brüstet sich vor seinen Freunden, die nach ihm schmachtende Julie verlassen zu haben. Gottlieb, der sich sicher ist, in Zollfeld den Verfasser des diffamierenden Artikels vor sich zu haben, behauptet, Julie habe ihn gebeten, sie von Zollfelds Zudringlichkeiten zu befreien. Empört über seine Lügen wenden sich seine Freunde von Zollfeld ab. – Lied Gottlieb IV, 10 (R: „Drum der Fortschritt hat beym Licht betracht’t, / Die Welt nicht viel glücklicher g’macht.“). – Pauline gesteht Julie, sie habe Waldbrand ein Geständnis geschrieben. Einerseits quäle sie ihr Gewissen, doch andererseits fehle ihr nach wie vor der Mut für ein offenes Gespräch. Den Brief hat sie auf Waldbrands Schreibtisch gelegt, und nun zittert sie vor seiner Reaktion. In diesem Moment tritt Gottlieb ein. Bevor er Pauline seine vorbereitete Rede halten kann, hört man Waldbrand kommen. Schnell flüchtet Gottlieb in ein Kabinett, in dem sich schon Julie aufhält. Pauline, die einen Wutausbruch ihres Gatten erwartet, ist verblüfft über seine Anweisung: Er verbietet Pauline den Umgang mit Julie, bis diese Gottlieb als ihren Gatten vorstellt. Es wird deutlich, daß Waldbrand den Brief nicht gefunden hat. Insgeheim entschließt sich Pauline, den Brief wieder an sich zu nehmen. Plötzlich hört man aus dem Kabinett ein Geräusch, das Waldbrands Mißtrauen weckt. Zu Paulines Erleichterung kommt aber nur Julie zum Vorschein. Aufgeregt stürzt der betrunkene Pappinger herein, um zu berichten, er habe seinen Neffen über eine Pappel in Waldbrands Zimmer einsteigen sehen. Leise flüstert Julie Pauline zu, daß Gottlieb versuche, den Brief zu holen. Unterdessen hat Gottlieb das Papier bereits gefunden. Bei dieser Gelegenheit entdeckt er auch ein an ihn adressiertes Schreiben. Freudig liest er es, wird aber von den herannahenden Bedienten gestört. Eine Flucht scheint unmöglich. In letzter Sekunde hat Gottlieb die rettende Idee: Er stellt sich schlafwandelnd. So finden ihn Waldbrand, Pauline und Julie, die beobachten, wie Gottlieb, scheinbar im Schlaf, einen Liebesbrief an Julie schreibt. Zwischendurch gelingt es Gottlieb, Pauline unauffällig den verräterischen Brief zuzustecken. Waldbrand will sich versichern, daß Gottlieb tatsächlich schlafwandelt. Da Schlafwandler angeblich geschlossene Briefe lesen können, hält er Gottlieb das zuvor gelesene Schreiben ans Herz. Tatsächlich gibt Gottlieb den Inhalt wortwörtlich wieder. Der Brief ist von Saalstein, der das Eisenwerk kaufen wird und Gottlieb als „genialen Verfasser jenes Manuskripts“ zum Bleiben bewegen will. Damit hat Gottlieb Waldbrands Zweifel ausgeräumt. Man weckt ihn und gibt ihm den Brief, an dessen Inhalt er sich angeblich nicht erinnert. Überglücklich über diese Wendung des Schicksals bittet Gottlieb Julie um ihre Hand.
Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner