Nestroy-Spiele 2015

Theaterg’schichten

43. Nestroy-Spiele Schwechat 2015 im Schlosshof der Rothmühle
in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5
Premiere 27. Juni 2015, Vorstellungen bis 1. August 2015

Nestroy wirft einen höchst amüsanten Blick hinter die Kulissen eines sommerlichen Theaterbetriebs einer vazierenden Theatertruppe, die auf teilweise theaterbegeisterte und teilweise höchst kritische eingestellte Einwohner einer Kleinstadt trifft.

Eine Vorstellung der Produktion „Sappho“ muss wegen eines Unwetters abgebrochen werden, und der Theaterdirektor flüchtet vor der finanziellen Misere ins Irrenhaus – ein turbulentes Spektakel und eine köstliche Selbstpersiflage, vor allem wenn Verrückte, die beim Theater sind oder unbedingt zum Theater wollen, auf Verrückte treffen, die glauben, sie seien normal, nur weil sie dort nicht sind.

Die turbulente Realsatire Theaterg’schichten als musikalisches Spektakel und köstliche Selbstpersiflage im stimmungsvollen Ambiente des Schlosshofs Rothmühle – wie immer in Szene gesetzt von Peter Gruber, der 2014 für seine Nestroy-Interpretationen mit dem NESTROY-Theaterpreis ausgezeichnet wurde.

Besetzung

  • Stössl, Apotheker und Kulturstadtrat Franz Steiner
  • Konrad, sein Sohn Eric Lingens
  • Philippine, seine Tochter Carina Thesak
  • Matthias Damisch, sein Mündel Valentin Frantsits
  • Felber, ein Kunde Peter Kuno Plöchl
  • Schofel, Theaterdirektor und Schauspieler Bruno Reichert
  • Rosaura, seine ‚Nichte‘ Anna Mitterberger
  • Inslbull, ein englischer Lord Maximilian Gruber-Fischnaller
  • Spornhofer, Schauspieler Ottwald John
  • Maxner, Bühnenmeister Andreas Herbsthofer-Grecht
  • Katharin, seine Frau Bella Rössler
  • Lisi, deren Tochter Teresa Renner
  • Mali, deren Tochter Julia Kampichler
  • Krammer, Inspizient Sandro Swoboda
  • Spindl, Souffleuse Gabi Holzer
  • Sedlacek, Bühnen-Feuerwehrmann Peter Koliander
  • Statisten Melina Rössler Patrick Sieber
  • Elevinnen Theresa Groß, Mona Rieger, Marie Seelke
  • TheaterbesucherInnen Sabine Axmann, Christiane Körner, Sissy Stacher, Elias Unger, Jana Unger
  • Prof. Ringerl, Primar einer Irrenanstalt Peter Gruber
  • Dr. Dr. Zahnd, Oberärztin Maria Sedlaczek
  • Krankenschwester Yasmin Öztürk
  • Wärter Harald Schuh, Patrick Sieber, Sandro Swoboda
  • Irre das Ensemble
  • Inszenierung und Textbearbeitung Peter Gruber
  • Mitarbeit Christine Bauer
  • Musik Reinhard Steiner
  • Musikalische Einrichtung Quodlibet Herbert Ortmayr
  • Bühne Tina Prichenfried, Günter Lickel
  • Kostüme Okki Zykan
  • Maske Andrea Zeilinger
  • Lichtdesign Harald Töscher
  • Licht- und Tontechnik Thomas Nichtenberger
  • Organisation Christine Bauer
  • Pressebetreuung Barbara Vanura
  • Büro und Kassa Christiane Körner, Carmen Paulak, Grete Seitl, Patrizia Weiss

Pressestimmen

APA, 28. Juni 2015: Heller Wahnsinn: Nestroys „Theaterg’schichten“ in Schwechat

Der helle Wahnsinn ist in Schwechat ausgebrochen: Bei den 43. Nestroy-Spielen auf Schloss Rothmühle in Rannersdorf hat sich Langzeitintendant Peter Gruber mit den „Theaterg’schichten“ selbst übertroffen. Der Premierenbeifall am Samstagabend war auch durch einen Platzregen kaum zu bremsen.

Dem „Begeisterungstempel“ Theater ist dieses selten gespielte Stück gewidmet, und Gruber ergreift die Gelegenheit, seine jahrzehntelange Erfahrung als Bühnenmensch kritisch zu reflektieren, wie es eben auch Nestroy selbst getan hat. Sarkastische Seitenhiebe auf den eitlen Kulturbetrieb und die schikanösen Behörden können da nicht ausbleiben. Schließlich landet das turbulente Geschehen in der Psychiatrie, und Gruber selbst mimt exzellent den Primar der Irrenanstalt. Wie schade, dass er sich sonst so rar auf den Bühnen macht.

Alles beginnt sehr gutbürgerlich in der Apotheke zum Hl. Nepomuk, wo es sogar einen Granderwasser-Spender gibt. Der selbstgefällige Apotheker Stössl (Franz Steiner) ist zugleich Kulturstadtrat und verteilt Wahlzettel mit dem Slogan „Für uns. Der einzig Richtige“. Sein exaltiertes Mündel Matthias Damisch drängt zum Theater (ganz ausgezeichnet Valentin Frantsits) und vernachlässigt Stössls Tochter (tapfer die kniemäßig lädierte Carina Thesak) zugunsten der kapriziösen Schauspielerin Rosaura (Anna Mitterberger). Aus der wunderbaren Schwechater Darstellerriege ragen noch Bruno Reichert als bedrängter Theaterdirektor Schofel, Maximilian Gruber-Fischnaller als englischer Lord und Eric Lingens als wackerer Stössl-Sohn Konrad hervor.

Der sich steigernde Wahnwitz äußert sich auch musikalisch in einem ebenso grandiosen wie aberwitzigen Quodlibetfinale zwischen Phantom der Oper, Offenbach-Cancan, Pink Panther und Rocky Horror Picture Show. „Uns ist nicht z’helfen, wir sind unheilbar. Wir sehen uns wieder nächstes Jahr“. Darauf darf man sich schon jetzt freuen – und hoffen, dass die finanzielle Unterstützung in ausreichendem Maß gewährleistet ist.

Kurier, 30. Juni 2015: Purer Backstage-Wahnsinn in Schwechat

Mitreißend. Die Vorstellung fällt buchstäblich ins Wasser. Nein, nicht die „Theaterg’schichten“ bei den Nestroy-Spielen Schwechat, sondern das Theater auf dem Theater, eine Freiluftaufführung von Grillparzers „Sappho“, bei der der theaterbegeisterte Wirrkopf Damisch – eine Studie des dilettantischen Zwänglers liefert Valentin Frantsits – sein Debüt gibt.

Intendant Peter Gruber lässt uns Backstage-Wahnsinn pur miterleben: die schikanöse Bühnenabnahme durch einen bornierten Behördenvertreter (Karl Schleinzer), die intriganten Tratschereien des ambitionierten Nachwuchses, den Despotismus des Direktors Schofel CBruno Reichert hektikelt brillant durch das Chaos), die Allüren seiner Diva Rosaura CAnna Mitterberger), deren skrupellose Ego-Strategie sie noch ans Burgtheater führen wird. Da entfacht Gruber einen Platzregen über der Bühne, dessen Folgen Schofel in den Ruin treiben – übermütiges Kokettieren mit den Fährnissen des Sommertheaters.

An der Rückführung Damischs ins Bürgerliche arbeitet sein Vormund Stössl (Franz Steiner als konservativer Kleinstadt-Kulturpolitiker, der Kultur eigentlich verabscheut). Als Schofel und Damisch im Irrenhaus landen, zeigt sich, wo der wahre Wahnsinn sitzt: Den Primar Dr. Ringerl, einen ausgebrannten Alt-Hippie mit ausgeprägten Ticks, hat sich Gruber selbst maßgeschneidert. Die Szene gipfelt in einem entfesselten Quodlibet, die dramaturgischen Schwächen des Stücks werden mit Elan niedergespielt.

Zur mitreißenden Musik von Reinhard Steiner steigert sich das Riesenensemble in wahren Enthusiasmus. Ein Juwel: Ottwald John in seinen Siebzigern als Schauspieler, der noch immer den jugendlichen Liebhaber spielen muss. Theater, oh Theater …! (Barbara Pálffy)

Der neue Merker, 28. Juni 2015: Theaterg’schichten

Fulminant war’s, eine Riesenhetz war’s, und Wetterglück gab es auch noch: Obwohl es auf der Bühne (wie es vorgesehen ist) das Stück auch einmal verregnete – im wahren Leben hatten die 43. Nestroy-Spiele in Schwechat heuer an einem „unsicher“ aussehenden Abend Wetterglück: Gerade fünf Minuten vor Schluß begann es zu regnen, und da ließ sich niemand abhalten, noch bis zum guten Ende dabei zu bleiben und den verdienten reichen Beifall zu spenden.

Nestroys „Theaterg’schichten“, wie sie hier in verkürzter Form heißen (die Langfassung wäre: „Theaterg’schichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit“, womit zentrale Nestroy-Themen zusammen gefasst sind), zählen heute nicht zu denn erfolgreichsten Werken des Autors. Schade eigentlich, denn die Selbstbespiegelung des Theaters ist bei aller schwankhafter Wirkung – dem berühmten „Raub der Sabinerinnen“ kaum nachstehend – doch mit einiger Genauigkeit ambivalent ausgeleuchtet.

Bei aller satirischen Überzeichnung haben die Charaktere absolut ihren harten realen Kern – der Theaterdirektor, der nicht zu Unrecht „Schofel“ heißt (Nestroy erlebte in Karl Carl einen solchen Typ am eigenen Leib), die Diva, die zwischen Rollen und Verehrern (beide gleich wichtig für ihre Existenz) schwankt und jene Exzentrik bietet, die zu ihrem „Rollenprofil“ gehört, der ehrgeizige Bühnenmeister, der alles besser zu machen glaubt, die Nebenrollendarstellerinnen, die neidvoll in ihrer eigenen Galle köcheln, der männliche „Star“, dem kein Trick zu mies ist, um aus einem Engagement auszusteigen zu können, um ein lukrativeres anzunehmen, die Souffleuse, die dem jeweils gerade Mächtigen so schamlos in den Allerwertesten kriecht… Theaterleute werden da die besten, kenntnisreichsten Zuseher sein, und den Rest des Publikums „unterhalt’s“.

Zentrales Anliegen dieses Stücks, das Nestroy dramaturgisch wacklig nach einer Vorlage von Dumas dem Älteren zusammen geschustert hat, ist die „Theaterverrücktheit“ junger Leute, die es ja gleichfalls heute noch geben soll, wenn man auch nicht mehr mit voller Brust und Pathos die hehren Klassiker deklamieren kann, was einst das Ziel der Wünsche war. Nestroy stellt da zwei junge Männer gegen einander – Konrad ist, zutiefst enttäuscht von der Hohlheit der Theaterwelt, wieder mehr oder minder in die Bürgerlichkeit der väterlichen Welt heimgekehrt, während Damisch, der Bräutigam seiner Schwester, sich nichts Herrlicheres vorstellen kann, als in eben diese Theaterwelt zu echappieren – zumal, wenn man sich gleich in die Diva verliebt und durch die glücklichen Umstände eines abgereisten Stars selbst auf die Bühne gestoßen wird… die klassischen Werke hat Damisch natürlich „drauf“!

Eine Freilichtaufführung von Grillparzers „Sappho“, die über kurz oder lang im Regen ertrinkt, ist ein komischer Höhepunkt des Stücks, das dann nach kurzem Umweg im Irrenhaus landet – nicht ganz logisch, aber mit doch sehr brillanten Möglichkeiten.

War die Inszenierung von Peter Gruber schon bis dahin eine Komödie, bei der auch die schwankhaften Elemente immer noch fest im Griff gehalten wurden, machte er dann das Irrenhaus (Theater als Irrenhaus – welch stimmiges Gleichnis) wahrlich zu seinem solchen: Was hier zu einem Monster-Quodlibet von Gruber gedichtet und von Herbert Ortmayr vor allem zu Bernstein (Westside-Story) und Co. in Musik gesetzt wurde, ist ein selten erreichter Höhepunkt an Brillanz und adäquater Umsetzung. Freilich sind die „Schwechater“, die hier seit Jahr und Tag unter Grubers Peitsche sommerlich Theater spielen, keine „Laien“ mehr – aber hier so exakt professionell agieren, dass sie sich vor keinen Musical-Profis verstecken müssten, das überrascht doch und kann nicht genug bewundert und akklamiert werden.

Dass Peter Gruber als Irrenarzt „Prof. Ringerl“ selbst auf die Bühne geht und inmitten seiner entfesselten Schar ausflippt (am Ende sogar in erotischem schwarzem Leder-Outfit unter dem Ärztemantel) – das krönt einen Abend, der wieder einmal besonders gut besetzt ist und besonders scharf und klar gespielt wird. An der Spitze erneut von Valentin Frantsits, der nun schon das dritte Jahr die jugendlichen Nestroy-Rollen spielt und an Sprachbeherrschung, Körpersprache und punktgenauer Pointierung besser nicht sein könnte, ein Wirbelwind, dem Dummheit und Naivität nur so aus den Augen blitzen. Neben seinem theaterwütenden Damisch gibt Eric Lingens als der lebenserfahrene, aber gleicherweise temperamentvolle Konrad dem zweiten jungen Mann Gewicht – wenn er sich in Damians Angebetete verwandelt, könnte er jeder Drag-Queen Paroli bieten.

Bruno Reichert ist der schofle Schofel, der niemandem etwas vormachen kann, so gern er es möchte. Auf der bürgerlichen Seite ist Franz Steiner als der solide Onkel Apotheker das durchaus nicht leichte Gegengewicht.

In der Theaterwelt gibt Anna Mitterberger der Diva Rosaura mit ungarischem Akzent das Flair der eingebildeten Diva, die in Maximilian Gruber-Fischnaller einen Lord mit englischem Zungenschlag und dem schönen Namen „Inslbull“ zum Verehrer hat (und dass er „ihr Tampon“ sein will, ist nur eine der zahllosen aktuellen Anspielungen, die Peter Gruber hemmungslos und Nestroy-gerecht ins Geschehen einfließen lässt). Der Schauspieler Spronhofer, der hier nicht umsonst die Vornamen „Klaus Maria“ erhalten hat, spielt Ottwald John: Die köstliche Parodie eines „Piefke“ im schönen Österreich, der dennoch zu den Fleischtöpfen Berlins zurück will…

Wild geht es zu in der Familie des Bühnenmeisters Maxner (Andreas Herbsthofer-Grecht), den seine Maxn, sprich, das Geld, später zum Direktor machen – und Gattin (Bella Rössler) und die schrillen Töchterchen (Teresa Renner und Julia Kampichler) tragen entschieden zum weiblichen Aufputz des Abends bei. Da hat es die „brave“ Verlobte von Damisch, die nur warten kann, dass er zurück kommt, weniger gut – diese Philippine (Carina Thesak) muss meist nur weinen. Nicht zu vergessen in der Damenwelt: die Ärztin im Irrenhaus, von Gruber frei schwadronierend Dr. Dr. Zahnd genannt (Dürrenmatt wird’s verzeihen): Da darf Maria Sedlaczek loslegen.

Fulminant war’s, eine Riesenhetz war’s, und möge das Wetterglück dem Unternehmen treu bleiben und sich viel Publikum zu diesem ebenso komischen wie brillanten Nestroy einfinden. (Renate Wagner)

NÖN, 29. Juni 2015: Theaterg’schichten

Das Leben ist ein weites Land, mit Wahnsinn gefüllt bis an den Rand! Regisseur Peter Gruber paraphrasiert seinen Nestroy auch auf Arthur Schnitzlers Kosten.

Und zeigt – besonders im mitreißenden Quodlibet –, dass die Welt mindestens so geisteskrank ist, wie es die Irren auf der Baumgartner Höhe sind.

Eigentlich handelt diese Posse vom Widerspruch zwischen Theaterwelt und bürgerlichem Leben. Aber Peter Gruber weiß, dass sich bei Nestroy hinter allen vordergründigen Intrigen, Romanzen und Irrsinnigkeiten eine ganze Welt verbirgt, mit all den Gegensätzen, die sie am Laufen halten.

Das zeigt und sagt er deutlich. Mit dem wunderbaren Ensemble hat er beeindruckend gearbeitet und spielt selbst einen Irrenarzt im Dominakostüm.

Fazit: Großartig: Immer wieder einer der besten Nestroys, die man um Geld kaufen kann.

„Die Welt ist ein Irrenhaus“ (Interview)

Am Samstag fand im Schloss Rothmühle die umjubelte Premiere von Johann Nepomuk Nestroys „Theaterg’schichten“ statt. Das 1854 im Carl-Theater uraufgeführte Stück überzeugte Premierengäste und Kritiker. Die NÖN sprach mit Christine Bauer, dem Herzstück der Nestroyspiele, über die Entwicklung der nun schon 43. Produktion und mit Regisseur Peter Gruber über Hintergründe und Philosophie des Stücks.

NÖN: Wie hat sich das Stück während der Probenarbeit aus Ihrer Sicht entwickelt?

Christine Bauer: Es war ein bisschen schwierig, nach dem letzten Jahr ein Stück zu wählen. Nach Krähwinkel, einem politischen Stück, war es notwendig, wieder zum Theater zurückzufinden. Da hat sich dann „Theaterg’schichten“ angeboten.

Also zurück auf die Bühne?

Bauer: Wir haben heuer eine ganz neue Bühnenform gewählt. So haben wir den Hof noch nie bespielt. Perspektivisch einmal ganz anders. Und es gibt Möglichkeit mit großem Ensemble, wir haben heuer 32 Leute auf der Bühne, zu arbeiten. Dazu sei gesagt, dass wir auch einige Neuzugänge haben. Es vermischt sich aber gut. Neben der Regiearbeit spielt Peter Gruber auch wieder mit. Er spielt den Irrenhausprimar, zu dem sich der Theaterdirektor wegen finanzieller Schwierigkeiten hinflüchtet. Ein sehr verständliches Problem für Theaterdirektoren. Für mich war es eine angenehme Arbeit. Nicht zuletzt auch wegen der Chemie untereinander, die absolut gepasst hat.

Warum ist dieses Stück so in Vergessenheit geraten?

Peter Gruber: In der ersten Zeit waren die „Theaterg’schichten“ sehr erfolgreich. Warum das Stück dann nicht mehr auf den Spielplan kam, hat wahrscheinlich ganz banale Gründe. Es ist ein sehr personenreiches Stück, das mit der Zeit aus ökonomischen Gründen nicht mehr auf den Spielplan gesetzt wurde. Es wirkt nur, wenn viele Leute mitspielen.

Was hat Sie bewogen, dieses Stück, das schon 1994 hier auf dem Spielplan stand, nochmals aufzugreifen?

Gruber: Durch diesen wunderschönen Nestroy-Preis (der spielt übrigens auch mit), den ich bekommen habe für die vielen Jahre Arbeit, habe ich mich gefragt: was spiele ich denn jetzt? Da habe ich mir gedacht, dass es Zeit wird, sich mit dem Theater selbst, mit der Situation der Schauspieler und natürlich mit Ehrungen für Theater, die kein Geld haben.

Gibt es bei dieser Produktion einen Unterschied zu 1994?

Gruber: Es ist schon bisschen anders. Aber ich habe sehr viel davon verwenden können. Weil sich schon 1994 abgezeichnet hat, dass diese Zeit, in der Schauspieler nicht außerhalb der Gesellschaft stehen sollen, sondern in die Gesellschaft eingegliedert werden, und auch von dem leben können, was sie am Theater verdienen, sowie die Verbürgerlichung des Berufes in den 90er Jahren begonnen hat, wieder abzubeuteln. Wir befinden uns heute in der Situation, wo Schauspieler leben wie im Biedermeier. Und das macht das Stück total aktuell.

Der Schwerpunkt liegt also auf der Situation der Schauspieler und Theater?

Gruber: Ja. Es geht im Stück um eine Sommerbühne, die in einen kleinen Ort hineinkommt, um hier Theater zu spielen. Und ein Amateur, der noch nie beim Theater war, ist so theaterbegeistert, dass er von der Seite zuschauen möchte . Ein Schauspieler fällt aus und er springt ein. Ab diesem Moment glaubt er, er wird nun ein großer Star. Sein Cousin kommt eben vom Theater zurück, gibt Theater auf, wo er drei Jahre war, und die Nase voll hat von dem, was er dort erlebt hat. Aus diesen gegensätzlichen Positionen ergibt sich ein Spannungsfeld im Stück. Das Ganze endet quasi im Irrenhaus. Schließlich sammeln sich dort die ganze bürgerliche Welt, die Theaterwelt und die „normale“ Welt, und lassen sich kaum mehr voneinander unterscheiden. Die ganze Welt ist ein Irrenhaus! Das ist die Hauptaussage.

Wiener Zeitung, 29. Juni 2015: Die Welt von heute ist im Grunde ein Irrenhaus

Wo Johann Nestroy draufsteht, ist viel Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung drinnen, auch in seinen weniger bekannten Werken. Auch aus einem solchen, den „Theaterg’schichten“ (Original: Theaterg’schichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit), lassen sich publikumswirksam Funken schlagen. Das beweisen einmal mehr die Nestroy-Spiele im Schwechater Schloss Rothmühle.

Die Posse von 1854 ist eine Persiflage auf die Sommertheater jener Zeit – daher kommt die Selbstironie nicht zu kurz. In der Nestroy-Rolle des Matthias Damisch, der aus Theaterbesessenheit – gegen den Willen seines Vormunds – in der „Sappho“-Aufführung einer Sommerbühne einspringt, brilliert Valentin Frantsits. Quirlig und temperamentvoll, nicht nur beim Couplet gekonnt die Pointen setzend, liefert er auch eine grandiose Tanzeinlage.

Theaterleute und -kritiker, Kulturpolitiker und Behördenvertreter werden schonungslos durch den Kakao gezogen. Die hemmungslose Theaterfreude und die Musical-Qualitäten des ganzen Ensembles offenbart das aktualisierte Quodlibet aus „West Side Story“, „Mary Poppins“, „Phantom der Oper“ et cetera.

Die Welt ist im Grunde ein Irrenhaus, sagt diese Inszenierung von Peter Gruber, der passenderweise als „seit vierzig Jahren“ amtierender Chef einer Irrenanstalt auftritt (seit 1973 leitet er die Schwechater Nestroy-Spiele).

Als längst kein Auge mehr trocken war, setzte bei der Premiere – knapp vor dem Ende – der Regen ein. Das Publikum ließ sich aber dadurch weder vertreiben noch an einem ausgedehnten Schlussapplaus hindern. (Heiner Boberski)

Kronenzeitung, 29. Juni 2015: Liebe, Intrige und viel Klamauk

In Schwechat nehmen es in diesem Sommer die Nestroy Spiele von der leichten, sehr spaßigen Seite. Mit den „Theaterg’schichten“ lässt man es im Schloss Rothmühle ordentlich und leider auch ordentlich flach und deftig-krachen – bis der Arzt kpmmt. Aber: Einen „Nestroy“ (den Theaterpreis) wird Prinzipal Peter Gruber für diese „Theaterg’schichten“ wohl nicht einheimsen …

Aber jener metallene „Nestroy“, den Gruber 2014 für seine Nestroy-Inszenierungen erhalten hat, darf hier zumindest mitspielen. Stolz schleppt ihn die mit ungarischem Akzent daklamierende, frischgebackene Burgschauspielerin Rosaura – hübsch drall: Ensemblemitglied Anna Mitterberger – auf die Pawlatschen im Hof von Schloss Rothmühle: (Sommer-)Theater auf dem Theater ist bei Nestroys heiter-schräger Possen-Rarität „Theaterg’schichten durch Liebe, Intrigue, Geld und Dummheit“ angesagt.

Da hat sich Nestroy einiges von der Seele geschrieben und mit Spott übergossen: Aptheker-Mündel Matthias Damisch, den Valentin Frantsits als herrlichen Trottel anlegt, zieht es magisch zum Theater. Also springt er als Faun in einer „Sappho“-Aufführung ein. Der Rest: wilder Klamauk, Liebeswirren, ein Theaterbankrott und anderes, bis sich alles im Irrenhaus trifft

Regisseur Peter Gruber hat für sein vor Spiellust sprühendes Ensemble Nestroys Vorlage sommerleicht tiefer gelegt und bietet einen Freiluftjokus, der nichts auslässt, was sich für eine Pointe oder auch nur eine Anspielung anbietet: von der Kulturpolitik bis zum Traiskirchen-Problem, von der (Burg-)Korruption bis zur Bankenkrise … Selbst den allzu kinderfreundlichen Michael Jackson oder den „Tampon-Sager“ von Prinz Charles kramt man lustvoll hervor.

Natürlich betreibt man auch lustvolle Selbstbespiegelung. Das beschert dem Abend die hübscheste Idee: Die herzhaft geschmierte Freiluft-„Sappho“ geht in einem mächtigen Wolkenbruch unter.

Gruber drückt fest auf die Spaß-Tube, bis es mit ihm in einer überlangen Ensemble-Gesangsnummer in der Irrenanstalt durchgeht und er selbst als Anstaltsleiter zum hüpfenden Frank’n’Furter-Double mutiert.

Da können Bruno Reichert als Theaterdirektor, Eric Lingens als verlorener Künstlersohn, Franz Steiner als Apotheker und visionsloser Kulturstadtrat noch so überzeugend spielen.

Diesem Gruber-Nestroy hätten weniger irrlichternder Slapstick und mehr Geist gut getan. Unters Sommtheaterniveau muss Sommertheater halt nicht gehen. Sommer hin oder her. (Stefan Musil)

Der Standard, 17. Juli 2015: Nestroyspiele Schwechat: Alle wollen zum Theater

In der Backstage-Posse „Theaterg’schichten“ treibt Regisseur Peter Gruber die Selbstironie der Theaterzunft bis zum Exzess.

In der Apotheke zum Heiligen Nepomuk hängt der Haussegen schief, weil der Schwiegersohn in spe weniger der Pharmazie als der Muse der Thalia zugewandt ist. Er will Schauspieler werden – heute wie auch zu Nestroys Zeiten eine riskante Berufswahl.

In der Backstage-Posse Theaterg’schichten treibt Regisseur Peter Gruber die auf viel beklagenswerter Realität gründende Selbstironie der Theaterzunft bis zum Exzess: Kostümhorror (Wespenkleid), Amtsvorschriften (Belüftung, sogar Open Air), Starmimentum (Klaus Maria Spornhofer).

Im Vorjahr erhielt der Impresario der Nestroyspiele Schwechat für seine verdienstvolle Dramenpflege einen Nestroypreis, heuer hat sein mit Laien aufgemischtes Ensemble tief in die Klamottenkiste gegriffen und – vor allem im zweiten Teil – mehr auf ein närrisch-plattes Treiben hingearbeitet.

Die „Sappho“-Szene unter dem professionell verregneten Schnürboden möchte man aber nur ungern missen. (afze)