Nestroy-Spiele 2013

Die beiden Herrn Söhne

41. Nestroy-Spiele Schwechat 2013 im Schlosshof der Rothmühle
in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5
Premiere 22. Juni 2013, Vorstellungen bis 27. Juli 2013

Höchst erfolgreiche 41. Nestroy-Spiele in Schwechat: Rund 5700 Zuschauer haben die Aufführungen besucht, alle Vorstellungen konnten gespielt werden, das Wetter diesen Sommer (bis auf die erste Woche, die relativ kalt war) meinte es gut mit uns. Die Reaktionen aus dem Publikum waren durchwegs begeistert, genauso wie die Kritiken. Unser Gastspiel in Röttingen, auf Burg Brattenburg, vor 600 Besuchern, ist ebenfalls begeistert aufgenommen worden.

Man glaubt es kaum, aber „Bobos“, „Hotel Mama“, „Generation Praktikum“ – das alles gab’s auch schon vor über 160 Jahren. In „Die beiden Herrn Söhne“, einer Art Fortsetzung seiner „Schlimmen Buben in der Schule“, zeigt Nestroy – grotesk, komisch, radikal und ungeschminkt – wie zwei höchst unterschiedliche Erziehungsmodelle am immer rauer werdenden gesellschaftlichen Alltag von 1845 scheitern. Was also kann und soll man Kindern mitgeben, damit sie für die Zukunft gerüstet sind und dabei auch glücklich werden? Eine hochinteressante Wiederentdeckung eines zu Unrecht vergessenen Stückes des großen Satirikers, dargeboten von den Schwechater Nestroy-Spezialisten rund um Peter Gruber.

Besetzung

  • Herr von Eckheim Franz Steiner
  • Moritz, sein Sohn Rafael Wieser
  • Kunigunde Helmbach, Eckheims Schwester Lili Hilde Lerner
  • Vincenz, ihr Sohn Valentin Frantsits
  • Frau Konrad Gabi Holzer
  • Jakob Balg Bruno Reichert
  • Pumpfinger, Wirt Peter Kuno Plöchl, Helmut Schuster
  • Suse, seine Tochter Eva-Maria Prosek
  • Barbara Stiegel Maria Sedlaczek
  • Pauline, ihre Nichte Conny Schachlhuber
  • Theresia Stern, Tandlerswitwe Bella Rössler
  • Funkl Christoph Johan
  • Glatt Rene Peckl
  • Wladimir Ottwald John
  • Raiffeisl Helmut Frauenlob
  • Herr von Lohrmann Josef Lachmann
  • Lebl, Tandler Andreas Herbsthofer-Grecht
  • Gerichtsschreiber Ottwald John
  • Graf Steinheim Harald Schuh
  • Emilie, seine Tochter Nicole Locker
  • Heinrich Max Gruber-Fischnaller
  • Arbeiterinnen und Arbeiter, Passanten, Masseusen, Treiber, Gäste, Personal und vieles mehr Sabine Axmann, Max Gruber-Fischnaller, Helmut Frauenlob, Andreas Herbsthofer-Grecht, Gabi Holzer, Christoph Johan, Ottwald John, Josef Lachmann, Nicole Locker, Rene Peckl, Peter Kuno Plöchl, Eva-Maria Prosek, Bella Rössler, Maria Sedlaczek, Conny Schachlhuber, Harald Schuh, Sissy Stacher
  • Inszenierung Peter Gruber
  • Mitarbeit Christine Bauer
  • Musik, Schlagzeug Rainer Binder-Kriegelstein
  • Bühne Nora Scheidl
  • Kostüme Okki Zykan
  • Maske Andrea Zeilinger
  • Bühnenrealisation Günter Lickel
  • Lichtdesign Robby Vamos
  • Licht- und Tontechnik Thomas Nichtenberger
  • Organisation Christine Bauer
  • Pressebetreuung Barbara Vanura
  • Büro und Kassa Sabine Stacher, Grete Seitl

Pressestimmen

Kurier, 25. Juni 2013: Schwechat: Wo ein alter Nestroy ganz aktuell wird

Enstaubt

Unterschiedlicher könnten die beiden Cousins nicht sein, die aus der Provinz in den Großstadtdschungel geraten: Vincenz, Bildungs- und Arbeitsverweigerer von knapp 30, noch immer Mamis nichtsnutziger, aber hochsubventionierter Liebling, wird von selbiger dorthin gedrängt, wo ihm die Schickeria-Bubis der Bussi-Bussi-Gesellschaft all das beibringen, was ihm zum echten Kotzbrocken noch fehlt. Den braven Moritz treibt sein Vater aus dem Haus, weil er mit dessen Liebe zu Pauline nicht einverstanden ist. Trotz guter Ausbildung, Fleiß und Strebsamkeit findet er keine Anstellung und muss sich mit prekären Arbeitsverhätnissen durchschlagen.

Trüffel

Regisseur Peter Gruber hat „Die beiden Herrn Söhne“ für die Schwechater Nestroy-Spiele herausgetrüffelt – und die einst so erfolglose, so gut wie vergessene Posse entpuppt sich in seiner von Staub und Spinnweben befreiten, flotten Inszenierung als Thesenstück über die soziale Verortung heutiger Mittzwanziger. Eine Entdeckung ist auch Valentin Frantsits. Sein Vincenz hat die coolen Moves des Hip-Hoppers, die Couplets (in einem raffinierten Stilmix von Rainer Binder-Kriegelstein) bringt er messerscharf wortdeutlich mit Rap-Anklängen, das gepflegte Macho-Image des flexiblen Bindungsscheuen unterfüttert er mit einer gehörigen Portion Charme. Ebenso typgerecht trifft Rafael Wieser den Moritz. In der geschlossen guten Ensembleleistung der Schwechater Nestroy-Addicts berührt besonders Bruno Reichert als Bedienter Balg, der eben beide „Buben“ so liebt, sie sie sind. (B.P.)

Niederösterreichische Nachrichten, 26. Juni 2013: Erfolg für die „Die beiden Herrn Söhne“

Das Stück wurde am 16. Jänner 1845 im Theater an der Wien uraufgeführt, nach nur wenigen Aufführungen abgesetzt und niemals wieder gespielt. Man kann also davon ausgehen, dass bis zu den diesjährigen Nestroy-Spielen kein heute Lebender dieses Stück, zumindest offiziell, gesehen hat.

Inhalt: Zwei Söhne (Cousins), aus gutem Haus kommend, höchst unterschiedlich erzogen, verlassen ihr Elternhaus, um in der Großstadt Wien Fuß zu fassen. Vincenz, der von seiner Mutter maßlos Verwöhnte, wirft das Geld mit beiden Händen zum Fenster raus, lässt sein Mädel mit dem Vater zurück aufs Land gehen und reißt seine Mutter schlussendlich mit in den finanziellen Abgrund. Moritz, der immer Brave und Vernünftige versucht sich mühsam und vorsichtig eine Karriere aufzubauen, die, allerdings ohne böse Absicht, von Vetter Vincenz zerstört wird. Zu allem Überfluss wird Moritz auch noch von seiner geliebten Pauline verlassen, die dem Gelde nachläuft. So scheitern beide letztendlich an der kapitalistischen Gesellschaft und landen gemeinsam auf einem ungastlichen Dachboden. Der Dritte im Bunde ist der Diener Jakob Balg, der den Beiden in die Stadt folgt und bis zum Ende versucht, auch moderierend, zwischen den beiden Welten zu vermitteln. Ein „Happyend“ gibt’s aber trotzdem.

Ein überaus gut geschriebenes Stück, das auch sprachlich sehr schön ist. Natürlich musste dem Regisseur Peter Gruber szenisch schon einiges einfallen, damit das Stück nicht das gleiche Schicksal ereilt, wie vor 168 Jahren. Das ist ihm auch weitgehend gelungen.

Auf der typischen Nestroybühne wird nur mit Versatzstücken gearbeitet. Das eigentliche Bühnenbild das sind die allesamt großartigen Darsteller, die, gleichgültig welchen Alters mit jugendlicher Frische, Farbe und Temperament ein Bild formen, das eine Geschichte erzählen kann, die einem Nestroy zur Ehre gereicht.

Trotzdem kann man diesmal nicht umhin, die drei Protagonisten Rafael Wieser als Moritz, Valentin Frantsits als Vincenz und Bruno Reichert als Balg ob ihrer komödiantischen Bravourleistungen besonders hervorzuheben. Die Couplets absolut gekonnt serviert, haben sich dem flotten Spieltempo angepasst. Besonders beeindruckend auch, wie sich die sprachlich unterschiedlichen Klangfarben voneinander absetzen und so die Unterschiedlichkeit der Charaktere noch unterstreichen. Und wie bei allen seinen Nestroy-Inszenierungen windet sich Grubers Liebe zum Detail wie ein roter Faden durch das ganze Stück.

Mit einem Augenzwinkern nahezu perfekt. (Jopie den Dulk)

Kronenzeitung, 28. Juni 2013: Verlorene Söhne

Das Werk zählt zu Nestroys unbekannten Stücken: „Die beiden Herrn Söhne“, 1845 im Theater an der Wien erstaufgeführt und durchgefallen, ist seither nur eine Fußnote in der Theatergeschichte. Intendant Peter Gruber zeigt es nun im Schloss Rothmühle in Schwechat.

Die Geschichte ist etwas flach: Die beiden Söhne – Cousins – verwirklichen unterschiedliche Lebensmodelle: der eine streb- und arbeitsam, aufgrund einer Liebschaft vom Vater verstoßen; der andere von der Mutter verhätschelt und faul, großzügig im Umgang mit fremden Finanzen: Beide landen im Elend, am Ende finden die verlorenen Söhne aber wieder heim. Naja.

Man kann über das Stück streiten, als Ausgrabung ist es allemal nett, Uno nett gemacht. Auch wenn die Erkenntnis ein bisschen banal ist, dass das Leben 1845 auch nicht anders war als heute.

Peter Gruber hat als Regisseur allerdings einen sehr lebendigen, pointierten Abend entworfen, der flott über die Rampe kommt. Ihm gelingt es, ein „heutiges“ Erlebnis zu schaffen, ohne anbiedernd zu arbeiten.

Die Bilder sind einfach und gut, die Figuren schlüssig. Im Zentrum Valentin Frantsis als Vincenz: locker, authentisch, antreibend. Ein sympathischer Bursch. Dazwischengestreut die peppigen Couplets, die gleichermaßen unterhaltsam wie unaufdringlich sind. Und auch das übrige Ensemble gefällt, ja beeindruckt streckenweise: BrunoReichert, Rafael Wieser, Lili Hilde Lerner, Maria Sedlaczek.

Spaß und herzliches Lachen sind angesagt!

Der neue Merker, 29. Juni 2013: Auf nach Schwechat

Nestroy bleibt immer spannend, nicht zuletzt deshalb, weil der Garten seines Schaffens noch immer nicht ausgeschritten ist. Das ist zwar nicht allgemein bekannt, weil etwa ein Dutzend seiner Stücke immer wieder die Bühne bevölkert und dies allgemein als ein reiches Angebot erscheint. Aber bei über 70 Werken (einiges über 70, und interessanterweise rechten die Wissenschaftler über Zuschreibungen noch immer!) gibt es einen wahrhaft unentdeckten und höchst entdeckenswerten Nestroy-Dschungel. Was machte der große Mann, wenn es Peter Gruber und seine Nestroy-Spiele in Schwechat nicht gäbe – heuer in ihrem 41. Jahr, unverändert unter derselben Leistung, mit derselben Ambition, mit immer demselben stupenden Ergebnis!?!

Man findet tatsächlich immer wieder Stücke, die zwar in den Biographien stehen, die aber nie jemand gesehen hat. Durchgefallen und vergessen wie „Die beiden Herrn Söhne“, die es nach ihrer Premiere am 16. Jänner 1845 im Theater an der Wien auf 6 Aufführungen brachten und auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Dafür gibt es ein paar gute Gründe, vor allem, dass die Geschichte des schlimmen und des braven Vetters so simpel gestrickt ist (das französische Vorbild gab nicht viel her) und dass die Nebenrollen, zwar quantitativ reichlich, qualitativ ein wenig schmal ausgefallen sind – mit Ausnahme der Figur des treuen und vollmundigen Faktotums Balg, den Nestroy seinem Kollegen Wenzel Scholz auf den fülligen Leib schrieb.

Zum Misserfolg der Premiere trug sicher auch die so wenig „moralische“ Schlusswendung des Stücks bei. Zwar war die Zeit Raimunds lange vorbei, wo sich die Menschen am Ende „erkannt“ und damit gebessert haben, aber dass Nestroy einen wirklich unverschämten Taugenichts auf die Bühne stellte und eigentlich nur die Unveränderlichkeit von dessen Wesen und Charakter behauptete, sah man wohl nicht so gern. Wobei gerade darin großer Reiz liegt.

Wie viel in dem Stück steckt, das macht Peter Gruber heuer in Schwechat, wo man es wirklich und wahrhaftig neu entdeckt, klar. Es ist ein Stück, dessen Couplets ( „Drum sag ich, ’s Studirn is a unnöth’ge Plag!“, „Man is rein nur dem Schicksal sei Narr“ und „Das sind die Geheimnisse von Wien“) sich auf der Höhe seiner Denk- und Formulierungskunst bewegen, ein Stück, von dem manch eine Formulierung sich in den Nestroy’schen „Sprüche“-Sammlungen finden – und ein Stück, dessen grundlegendes Thema von der „Bildbarkeit“ des Menschen so aktuell ist wie eh und je.

Vincenz, der Sohn der reichen und als Mutter besinnungslos dummen Kunigunde Helmbach, hätte die allerbeste Erziehung erhalten sollen – und wollte sie nicht, weil er weiß, dass ein reicher Mann dergleichen nicht braucht. Der andere „Herr Sohn“ Moritz, der Vetter von Vincenz (sein Vater, Herr von Eckheim, ist der Bruder der Frau Helmbach), ist genau so gut erzogen – und so „brav“, wie Vincenz „schlimm“ ist. Und Nestroy zeigt nun, dass die beiden nicht anders können: Wie immer das Schicksal mit ihnen umspringt, der eine wird der Tunichtgut bleiben, der andere ist, wie er ist, muss sich also anständig zu verhalten. Erbgut vor Erziehung – wenn man es zu Nestroys Zeiten auch noch nicht so genau gesehen haben mag wie heute.

Peter Grubers Inszenierung bewegt sich im bewährten, pawlatschenhaften Schwechat-Stil: Nora Scheidl bringt ein paar Möbelstücke und ein paar Versenkungen auf die im Hintergrund mit Treppen zu einem Oberstock führende Bühne, und man hat alles, was man braucht – und Okki Zykan sorgt für Alltagskostüme, teils wild-skurril, teils schäbig, jedenfalls lustig und heutig. Nirgends gehen Nestroy’sche Verhältnisse so fugenlos ins Heute über wie in Schwechat unter Grubers souveräner Hand.

Wenn Vincenz in der Stadt ein Lotterleben führt und dabei das Vermögen der Mutter vernichtet, tut er es mit jenen „Freunderln“, die sich um die Reichen herum immer finden und denen Gruber den Stil einer Jeunesse gar nicht dorée gibt, bei der sich Gier und geheuchelte Lässigkeit mischen. Pflichten- und verantwortungslos weiß man eigentlich gar nicht, was man mit dem Leben anfangen soll – von einer Party zur nächsten, von einem Mädel zum nächsten, was gibt es sonst zu tun? Es bleibt einem tatsächlich der Mund offen, wie wenig sich da geändert hat – bzw. wie gültig Nestroy offenbar ewiges Verhalten (vermutlich war es bei den alten Römern nicht anders…) in den Griff bekommen hat.

Aber nicht nur das: Wenn auf den Luxus-Jux der unvermeidliche Absturz folgt, dann begleitet Nestroy seine Helden in die schäbigste Dachkammer und führt ihnen und dem Publikum vor, wie bittere Armut schmeckt – in einer Szene von solch sozialer Kompetenz, dass das Weiterwurschteln jener, die nichts mehr haben, gleichfalls unschwer wieder zu erkennen ist. Fabelhaft, was in einem so vergessenen Stück steckt und herauszuholen ist.

Das gelingt auch, weil man in Schwechat Nestroy wirklich zu spielen versteht, nicht nur das wundersame Ensemble, das mit Laien begonnen hat und heute (bis auf minimale Ausnahmen) Nestroy mit der größten Selbstverständlichkeit von bis in die Fingerspitzen kompetenten Profis umsetzt. Dabei erneuert sich das Personal selbstverständlich, und heuer hat man zwei junge Männer für die Titelrollen gefunden, die sich trotz ihrer Jugend auf der Höhe Nestroy’scher Sprachbehandlung und Personengestaltung bewegen: Wenn die beiden keine Karriere machen, geht es nicht mit rechten Dingen zu.

Dabei hat Valentin Frantsits mit dem Vincenz, der Nestroy-Rolle, die vordergründig bessere Rolle – einer, der nicht gut tut, wie man in Wien sagt, und das aus voller Lust an der Sache auch gar nicht will (es gibt eine lange Reihe von „Lumpen“ in der Geschichte der Nestroy-Figuren, wobei sich der Vincenz nicht zu verstecken braucht). Frantsits spielt ein Früchterl mit lustvollem Prolo-Ton und selbstherrlichem Zynismus, versteht es aber dabei, nicht vollends widerlich zu sein, sondern im Gegenteil mit seiner Frechheit und Unverfrorenheit zu amüsieren. Eine wirklich starke Leistung.

Da hat es Rafael Wieser als „braver“ Moritz viel schwerer, denn wer mag die Musterschüler schon? Aber einen zu spielen, der ernsthaft und anständig ist, enttäuscht wird, vom Leben gebeutelt und dennoch nicht alles hinschmeißt, nicht weinerlich wird, nicht die Welt beschuldigt – dass dieser nicht zum leblosen, faden Tugendbold wird, das ist ein wahres Kunststück. Auf seine Art ist Moritz auf die stille Art so nachdrücklich und lebendig wie Vincenz auf die laute.

Der Jakob Balg, die Bedientenseele, hat viel von einer komödiantischen Kunstfigur, aber nicht, wenn Bruno Reichert ihn spielt: Da sucht nämlich einer nur seinen Platz im Leben, buckelt und schmeichelt sich durch, um überall unterschlüpfen zu können, und ist doch trotz des Verhaltens-Pragmatismus kein übler, sondern ein guter Kerl. Der dritte im Bund der darstellerischen Meisterstückeln des Abends.

Aber auch Lili Hilde Lerner als verbohrte Mutter und Franz Steiner als der zwar liebende, aber aus Klugheit strenge Vater sind keine Theaterklischees, sondern runde, echte Figuren, ebenso Bella Rössler, die eine sich lächerlich machende Alte spielen muss, die Nestroy immer wieder gnadenlos aufs Korn nahm.

Ein tobender Wirt (Vater einer Entführten) ist bei Peter Kuno Plöchl, eine genau ums Finanzielle Bescheid wissende Proletarierin (Tante einer Entführten) bei Maria Sedlaczek in besten Händen. Ein jüdischer Tandler (Andreas Herbsthofer-Grecht) wird ohne einen Hauch von Antisemitismus gespielt, während ein Bankmensch, der bei Nestroy Ruppich heißt und hier in „Raiffeisl“ umbenannt wurde (gewandt: Helmut Frauenlob) vortänzeln darf, wie aus geliehenem Geld für die Bank gleich ein Drittel mehr dessen wird, was der Schuldner tatsächlich erhält… Und ein jagender Graf (Harald Schuh) darf hier noch, heutig aufgeputzt, nebenbei mit Waffen und Immobilien handeln: Solche Figuren sind uns ja nicht unbekannt, und wenn es einen Autor gibt, der immer auf die Aktualität der jeweiligen Zeit zielt, ist es Nestroy – und dessen Geist lebt ja heute in Gruber und Schwechat weiter…

Zu modernisierender, aber nicht „vergrauslichender“ Musik (Rainer Binder-Krieglstein) – da hat man in Nestroy-Aufführungen wahrlich schon Schlimmes gehört –, ist das ein Abend, wie man ihn sich für den Dichter und das Publikum nur wünschen kann: Nestroy pur. Bei aller Komödiantik klar und scharf ins Schwarze gezielt. Auf nach Schwechat! (Renate Wagner)

Der Standard, 1. Juli 2013: Geglückte Wiederbelebung

„Wenn’s Geld vom Studieren käm, gäb’s keine reichen Stockfisch’ und keine armen Gelehrten“, meint Vincenz, der aufs Studieren pfeift und als kecker Lederhosenhedonist im Gabalier-Look über die Bühne tollt. Valentin Frantsits spielt den Lebemann bei den Nestroy-Spielen in Schwechat mit Bravour, wechselt im Laufe des Stücks mühelos vom Gabalier- ins Falco-Outfit samt gelungener Rap-Einlage.

An Vorlagen für das „Was kost’ die Welt – Nach mir die Sintflut“-Motto mangelt es dem Ensemble nicht. Das zeigen auch Vincenz’ Dandy-Freunde, die sich als „ure geile“ Typen ungeniert dem dekadenten Banausentum hingeben („Party heut Abend?“) und Vincenz schlitzohrig das Geld aus der Tasche ziehen. Der hängt noch immer am Tropf seiner wohlbegüterten Frau Mama und erkennt daran nichts Schlimmes. Ganz anders hingegen sein Vetter und Gegenstück Moritz (Rafael Wieser), der als verbissener Streber vergeblich auf Anerkennung hofft.

1845 uraufgeführt, fiel Nestroys Posse Die beiden Herren Söhne beim zeitgenössischen Publikum durch. „Eine Masse von Gemeinheiten – derb und hässlich“, echauffierten sich die Kritiker. Das Stück versank in der Bedeutungslosigkeit, galt als unspielbar. In einer Zeit, in der Generation Praktikum und Rekordjugendarbeitslosigkeit auf Hedonismus und Verschwender-Ethos treffen, muss man aber für die Wiederbelebung des Stücks dankbar sein.

Das Ensemble um Regisseur Peter Gruber wird daher auch nicht müde, am Text zu schrauben, um Die beiden Herren Söhne ins Jahr 2013 zu retten. Vor allem die zahlreichen Couplets (vielseitig Valentin Frantsits) sprechen Aktuelles gnadenlos an: ökonomischer Leichtsinn, Korruption, moralische Verlotterung. Der Banker Ruppich wird in Consultingmanager Raiffeisl umbenannt. Spätestens wenn der Geld-, Waffen- und Immobilienhändler Graf Steinheim feststellt, dass er nur ein einfacher Bauer ist, wird offensichtlich, wer sein Fett abbekommt. Ein wortwörtlicher Knaller: die Jagdszene samt üppiger Jause.

Auch wenn sich Vincenz und der Bedienstete Jakob Balg dem Wein hingeben – Doppler-Kultur wird hier noch hochgehalten –, merkt man die Freude am Spielen. Bei Bruno Reichert als charmant-frechem Bediensteten kommt einem phasenweise der legendäre Hans Moser in den Sinn.

Die beiden Herren Söhne ist wahrlich kein großer Wurf. Dazu fehlt der Komödie etwas der Witz. Dennoch gelingt eine politisch wache Aktualisierung des schwierigen Skandalstücks. (Stefan Weiss)

KleinKunst, 2. Juli 2013: Eine Theateraufführung, bei der einfach alles stimmt

Die Location in der Rothmühle in Schwechat ist wohl ohne Frage eine der außergewöhnlichsten Theaterschauplätze überhaupt. Man fühlt sich eher wie in einem kleinen Biergarten, die Zuschauerplätze befinden sich im Freien und gegen Kälte helfen die Decken, die beim Eingang verteilt werden. In dieser Location wird jetzt seit über 40 Jahren jährlich bei den berühmten Nestroyspielen der in Theaterkreisen sehr bekannt und geniale Theaterdichter Nestroy geehrt, indem seine Stücke auf der Bühne wieder lebendig werden.

Die zwei Herren Söhne ist ein wohl eher unbekanntes Stück von Nestroy, meiner Meinung nach aber zu Unrecht. Mit viel Witz und Nestroys typischem satirischen Unterton wird das Leben zweier völlig unterschiedlicher Vettern erzählt. Der eine, Moritz, ein tüchtiger Student, der andere, Vincenz, ein Lebemann, dessen Lieblingshobby ist, das Geld seiner Mutter zum Fenster rauszuschmeißen. Hier werden in einer amüsanten Geschichte rund um den Vergleich zwischen Großstadt und Landleben zwei völlig unterschiedliche Erziehungsmethoden gegenübergestellt.

Die Aufmachung des Stückes ist sehr gelungen, und hier ist besonders Peter Gruber für seine ausgezeichnete Regiearbeit zu loben. Aufgelockert wird die Geschichte durch einige musikalische Einlagen, in denen besonders Hauptdarsteller Valentin Frantsits mit seinen Reimen mit Ohrwurmpotenzial rund um den Zauber von Wien überzeugt. Lediglich etwas seltsam war als Begleitung das Schlagzeug auf der Bühne, da die restliche Musik aufgenommen war. Auch war die Bühnensprache leider nicht immer verständlich, da der Dialekt der Figuren teilweise schon etwas extrem war, und die Autorin dieser Kritik sich als Nichtwienerin ziemlich konzentrieren musste, um einige Darsteller zu verstehen.

Hervorzuheben sind aber die vielen gelungenen Szenenwechsel mit jeweils neuer Kulisse und Kostümierung, wobei besonders die tollen Kostüme und Perücken auffielen, für die Okki Zykan verantwortlich war. Und auch die Special Effects sind sehr eindrucksvoll, wie der künstliche Schnee oder die vielen Knalleffekte. Mit philosophischem Geplänkel wird auch nicht gespart, was der ganzen Geschichte aber wiederum eine intelektuelle und tiefsinnige Note gibt. So wird über die Vergänglichkeit des Menschen schwadroniert und darüber, ob im Lob nicht doch eine gewisse Geringschätzung liegen müsse.

Was das Stück aber vor allem besonders macht, ist die hochgradige schauspielerische Leistung des gesamten Ensembles. Und das ist in „Die zwei Herren Söhne“ nicht gerade klein. Das Zusammenspiel der Darsteller ist hierbei hervorzuheben, sowie auch die Leistungen der Hauptpersonen, allen voran der bereits erwähnte Valentin Frantsits in der Rolle des Vincenz, der nicht nur durch seine Musikalität auffällt, sondern auch das gesamte Stück hindurch in seiner Rolle versetzt bleibt und eine Authentizität mitbringt, die erstaunlich ist. Bewundernswert ist vor allem, welche enorme Textmenge Frantsits sich aneignen musste und diese ohne jede Zögerung scheinbar mühe- und fehlerlos vorträgt. Aber auch Sabine Axmann, Helmut Frauenlob und Andreas Herbsthofer-Grecht fallen positiv auf. Trotzdem sind die restlichen Schauspieler und Statisten nicht zu vergessen, die allesamt in ihren Rollen überzeugend waren.

Eine Theateraufführung, bei der einfach alles stimmt. Witz liegt in der Luft, die Aufmachung ist mit der großer Bühnenstücke vergleichbar und auch die Schauspieler überzeugen. Hinzu kommt noch die tolle Location mit hauseigener Bar für ein Gläschen Wein oder Bier vor und nach der Aufführung. Ein sehr gelungener Kulturabend und ein Muss für alle Theaterfreunde. Lassen Sie sich das nicht entgehen! (Stephanie Ellemunter)