Nestroy-Spiele 1999

Unverhofft

27. Nestroy-Spiele Schwechat 1999 im Schlosshof der Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5, Premiere 2. Juli 1999
Kurt Sobotka

Besetzung

  • Herr von Ledig, Partikulier Kurt Sobotka
  • Frau Schnipps, Ledigs Haushälterin Bella Rössler
  • Arnold, Maler Markus Heller
  • Walzl, Hutfabrikant Bruno Reichert
  • Gabriele, seine Frau Christine Zimmermann
  • Berg, Handlungsreisender in Walzls Diensten Konrad Kostmann
  • Anton, Bedienter bei Herrn Walzl Poldi Selinger
  • Heinrich, ein Kadett, Walzls Sohn aus erster Ehe Sascha Nikodym
  • Jakob, ein Kadett, sein Freund Jakob Enajat
  • Hutmadame, in Walzls Fabrik Eveline Bolaffio
  • Hutmamsellen Regine Ban-Korsos, Margherita Bolaffio, Dagmar Jedletzberger, Gabi Kozich, Esther Potesil, Maria Sedlaczek
  • Falk, Modewarenhändler Willibald Mürwald
  • Therese, seine Schwester Elisabeth Strache
  • Marie, deren Cousine Sabine Stacher
  • Frau Nanni, Kindeswärterin Traude Selinger
  • Deren Kinder Sabine Gnadlinger, Alena Koliander, Jessica Kölbl, Marlene Mürwald, Florian Rössler, Christian Wittmann
  • Arbeitslose Maria Schrittwieser, Sissy Stacher, Christl Wittmann, Edi Gnadlinger, Peter Koliander, Gerhard Stacher
  • Duellanten Florian Haslinger, Stefan Pestl, Thomas Spinka
  • Ein Polizist Peter Plöchl
  • Regie Peter Gruber
  • Ausstattung Nora Scheidl
  • Musik Kurt Adametz

Pressestimmen

Der Standard, 8. Juli 1999: Genußvolles Doppelleben

Kurt Sobotka feiert sein 50jähriges Bühnenjubiläum bei den Schwechater Nestroy-Spielen.

Es ist heute nicht ohne weiteres nachvollziehbar, daß Johann Nestroy mit Unverhofft im April 1845 einen Kassenschlager und Dauererfolg landete, dem sogar der Kaiser und Mitglieder des Hofes beiwohnten. Die Posse mit der etwas überkonstruierten Handlung rund um den Senior-Single Herr von Ledig, dessen geruhsames Leben durch einen mitten in seinem Schlafzimmer deponierten Säugling in heillose Verwirrung gerät, gehört nicht mehr zu den Hits des Possen-Klassikers.

Peter Gruber jedoch gelingt es, mit seiner heurigen Inszenierung bei den „Nestroy-Spielen Schwechat“ selbst aus diesem vertrackten „Schwank“ Funken zu schlagen. Ein Erlebnis, mit welcher Akribie und Phantasie im Schloßhof Rothmühle Nestroy gepflegt wird. Natürlich läßt sich das Geheimnis des früheren Erfolgs auch auf heute übertragen, geht es doch um nichts anderes als die genußvolle Aufdeckung des bürgerlichen Doppellebens, das durch die Suche Ledigs nach dem Kindsvater in Gang gesetzt wird. Keiner, der nicht Dreck am Stecken hätte, niemand, der nicht „frühere Verhältnisse“ zu vertuschen hätte. Selbst Herr von Ledig hat da, wie sich herausstellt, einiges auf dem Konto.

Aber das erfährt man erst ganz zum Schluß als Coup des Abends, nachdem Ledig auf der Suche nach dem Vater des Findelkinds bis in die Intimsphäre des Hutfabrikanten Walzl und dessen Frau (Christine Zimmermann) vorgestoßen ist, nur um unverhofft weitere Unordnung zu stiften oder solch dubiose Gestalten wie den Modewarenhändler Falk (Willibald Mürwald) zu treffen. Das Findelkind bleibt zunächst ohne Vater, dafür erweitert Regisseur Peter Gruber das Stück um Szenen, die das erbarmungswürdige Los der Hutfabrik-Arbeiterinnen illustrieren.

In der Nestroy-Paraderolle glänzt als prominenter Ehrengast in Schwechat Kurt Sobotka. Ein Vergnügen, wie er als selbstgefälliger Hagestolz das Hohelied des Single-Daseins singt, wie er den messerscharfen Wortwitz Nestroys bedient und wie er, von den Abenteuern der Vatersuche für sein Findelkind durchgebeutelt, mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert wird. Es war Sobotkas Wunsch, zu seinem 50-jährigen Berufsjubiläum mit dem bewährten Schwechater Ensemble zu spielen: Der Profi und die Amateure, eine ganz wunderbare Symbiose. Schwechat ist wieder eine Reise wert. (lohs).

Wiener Zeitung, 16./17. Juli 1999: Herr von Ledig witzelt, das Findelkind rapt

Die engagierten Amateure der Nestroy-Spiele Schwechat haben für die laufende Produktion von Johann Nestroys „Unverhofft“ einen Schauspieler aus dem Profilager engagiert: Kurt Sobotka gibt den Herrn von Ledig, dessen ruhiges, selbstverliebtes Single-Dasein von einem Findelkind durcheinandergewirbelt wird. Nestroy hat diese Rolle bis zu seinem Tod selbst gespielt.

Das Stück stammt aus Nestroys mittlerer Schaffensperiode. In all der Konfusion und den unerwarteten Wendungen, die das Stück nimmt, wird die Brüchigkeit der „geordneten“ bürgerlichen Verhältnisse deutlich.

Regisseur Peter Gruber versucht zudem, die gesellschaftliche und soziale Situation des Vormärz anzudeuten: Vor Aufführungsbeginn mischen sich Schauspieler im Bettler-Kostüm unters Publikum und lagern während der Aufführung vor der Bühne, die kecken „Hutmamsellen“ arbeiten in einer Hutfabrik, die sich in Sekundenschnelle in ein Bordell verwandelt.

Kurt Sobotka witzelt, was das Zeug hält und wie man es von ihm weniger als ernsthaftem Bühnendarsteller denn als „Guglhupf“-Kabarettist gewohnt ist. Ihm zur Seite stehen Bella Rössler als seine quirlige Haushälterin, Markus Heller als eleganter Maler Arnold, Bruno Reichert als Hutfabrikant, Christine Zimmermann als dessen opulente Frau, Konrad Kostmann als Handlungsreisender Berg und Willibald Mürwald als grimmiger Modewarenhändler Falk.

In das wunderschöne Ambiente des Schlosses Rothmühle setzte Günter Lickel einen stimmungsvoll-düsteren, in zwei Ebenen geteilten Bühnenraum.

Routiniert und mit großem Einsatz meistern die Darsteller die ersten zwei Akte. Den letzten Akt formte Regisseur Peter Gruber weniger glücklich in eine nervöse Musikrevue um, die unverhofft mit einem an Rap erinnernden Sprechgesang des Findelkindes endet. (Rainer Elstner)

Kurier, 4. Juli 1999: Des Biedermeiers böse Fratze

Zufrieden stolpert Herr von Ledig in sein Domizil. Schlafrock und Zipfelmütze sind rasch angelegt; der ältliche „Lotterbub“ sucht seine Ruhe. Doch plötzlich hebt das zarte Geschrei eines fremden „Wesens“, eines weggelegten Säuglings an, bricht die heilige Stille und zerstört mit einem einzigen Laut das biedermeierliche Idyll. Die Revolution steht freudig vor der Tür.

Im Schloßhof Rothmühle zu Schwechat zeigt Intendant und Regisseur Peter Gruber Johann Nestroys Posse „Unverhofft“ als exzellenten Abgesang auf eine gar nicht gute, alte Zeit. Sehr sorgfältig analysiert Gruber Nestroys 1845 entstandenes Werk und seziert die komischen Charaktere mit scharfer Klinge. Ein Vater muß gefunden, Abgründe müssen aufgedeckt werden. Geistreich, rasant und unerbittlich irrt Nestroys Held durch das praktikable, düstere Dekor (Ausstattung: Nora Scheidl), stiftet köstliche Verwirrungen und reißt dem Biedermeier die Maske vom zarten Gesicht. Die Damen der Hutfabrik – sie sind auch sexuellen Diensten zugetan. Die so braven Ehefrauen – sie bleiben ungeliebt. Die ehrenwerten Geschäftsherren – sie sind skrupellos. Bei fast jeder Pointe schwingt diskrete Sozialkritik mit; am Ende spielen Kinder Revolution.

Eine werkgetreue Aufführung, die durch Grubers Ensemble noch an Witz gewinnt. Als Herr von Ledig feiert Kurt Sobotka sein 50jähriges Bühnenjubiläum und brilliert mit wienerischem Idiom. Ein stilsicherer Erzkomödiant, der alle mit „Herz und Liebe“ agierenden Darsteller zu Höchstleistungen animiert. Traude Selinger, Christine Zimmermann, Bruno Reichert, Willibald Mürwald oder Markus Heller haben Nestroy längst im Blut. (Peter Jarolin)

Die Furche, Juli 1999: Junggeselle

Entlarvende Zeit- und Gesellschaftskritik brodelt unter der vergnüglichen Oberfläche von Johann Nestroys 1845 entstandener Posse „Unverhofft“, die heuer dem Publikum der Nestroy-Spiele Schwechat im Schloßhof Rothmühle Unterhaltung mit Tiefgang bietet. Peter Grubers Inszenierung kratzt pointensicher an den Fassaden bürgerlicher Wohlanständigkeit. Nora Scheidls düsteres Bühnenbild liefert stimmig die Kehrseite der Biedermeieridylle.

Ein besonderer Gast brilliert im spielfreudigen Ensemble, mit unter anderen Bella Rössler, Bruno Reichart und Sascha Nikodym. Kurt Sobotka feiert mit der Paraderolle des eingefleischten Junggesellen Herrn von Ledig, der eines Nachts überraschend ein Baby in seinem Bett vorfindet, sein 50-Jahre-Bühnenjubiläum. (Annemarie Klinger)

Niederösterreichische Nachrichten, 5. Juli 1999: Tüpfelchen auf dem i – Wenn man Pech hat, spielt man Nestroy in Schwechat

Eine gelungene Symbiose aus Laien- und Profitum begeisterte das Premierenpublikum bei Nestroys „Unverhofft“.

Kurt Sobotka zeigte als „alter Hase“ wieder, was er kann, trotz Schleimbeutelentzündung tobte er als Herr von Ledig über die Bühne – auf der verzweifelten Suche nach einem Vater für sein Findelkind. Doch auch die Laienschauspieler standen ihm in nichts nach, brillant heuer Bella Rössler, die nach mehrjähriger Abstinenz wieder in einer größeren Rolle als Haushälterin Sobotkas zu sehen war.

Wie gut das gesamte Ensemble harmonierte – „wir spielen ja miteinander und nicht gegeneinander“, so Sobotka im Vorfeld – konnte man deutlich auf der Bühne sehen. Die Lust am Theater und das Spiel mit Gags und Pointen steckte an, sodass trotz klassischer Inszenierung auch die bekannten Bezüge auf aktuelle Ereignisse nicht fehlten. Und wie wohl sich auch der Profi Sobotka inmitten der Hobbydarsteller fühlte – „wohler als mit manch anderen Kollegen“ – zeigte ein Couplet, das provokativ begann: „Seit einem halben Jahrhundert spiel ich Theater und da denkt sich manch einer, siehst wenn man ein Pech hat, spielt man auf seine alten Tag’ Nestroy in Schwechat.“

Hervorragend war auch heuer wieder die Regiearbeit Peter Grubers, der nach der vorjährigen sehr modernen Inszenierung heuer wieder auf eine klassische Regieführung zurückgriff, doch die typisch grubersche Interpretation durfte nicht fehlen. Und so wurde das Publikum zum Schluss mit einem „Aufstandsrapp“ der Jugend überrascht. Doch dieses Aufbegehren der Bürger, das von der Jugend ausgeht, unterbindet ein Polizist. Und sofort kehrt Ruhe und Ordnung ein und alles versinkt mit einem Wiegenlied wieder in seinen Dämmerschlaf der Unterdrückung und Bevormundung.

Ein besonderes Zuckerl der Regiearbeit bekamen allerdings nur die ersten Reihen mit. Denn vor der Bühne lagerten Sandler, die unterste Klasse der vom Großbürgertum beherrschten Gesellschaft des nestroyianischen Biedermeiers.

Zum Gelingen trug auch das ungewöhnliche Bühnenbild von Günther Lickl bei, mit einem schrägen Teil im Vordergrund und einem einstöckigen Aufbau dahinter.

Nach der erfolgreichen Premiere gratulierte Bundeskanzler Viktor Klima Kurt Sobotka zum 50-jährigen Bühnenjubiläum und das Publikum schloss sich mit „Standing Ovations“ an. Ein sichtlich gerührter Kurt Sobotka meinte dazu nur mit zahlreichen Blumensträußen im Arm: „Ich komm mir vor wie bei meiner Aufbahrung, nur hoffentlich kommen zu meinem Begräbnis auch so viele Leute.“

Unter dem hellauf begeisterten Publikum waren wieder traditioneller Weise Bundeskanzler Viktor Klima, der extra aus Salzburg anreiste, samt Gattin Sonja und seiner Mutter, ebenso durften unter anderem Bürgermeister Gogola, NR-Abgeordneter Dr. Josef Höchtl, LAbg. Richard Gebert, Kulturstadträtin Isolde Sacher, Stadtamtsdirektor Dr. Helmut Stippl, WK-Außenstellenleiter Dr. Franz Lima, Karl-Martin Sukopp, Nestroy-Intendant Robert Herret, die „Brennnesseln“, Werner Sobotka zur seelischen Unterstützung seines Vaters, sowie die Teilnehmer der Nestroy-Gespräche und der Urgroßneffe des Dichters, Otmar Nestroy, nicht fehlen.

Prominente Kritiker

Universitätsprofessor Dr. Otmar Nestroy, Urgroßneffe von Johann Nestroy: „Man ist natürlich vorbelastet, einerseits wenn man Nestroy heißt, andererseits wenn man die Werke des Dichters kennt. Doch durch ihre Zeitlosigkeit lassen sie dem Regisseur Raum für Interpretationen, was freie Umsetzungen wie die Grubers rechtfertigt. Ich komme gern nach Schwechat nicht nur zum Theater, sondern auch zum Symposium.“

Bundeskanzler Viktor Klima: „Es ist immer wieder wunderbar hier, die heurige Kombination der sehr engagierten Laiendarsteller mit Kurt Sobotka hat sich gesucht und gefunden. Auch das Wechseln der Inszenierungen von modern auf klassisch macht den Theaterbesuch spannend. Meine Gattin und ich unterhalten uns jedes Jahr sehr gut hier in der Rothmühle.“

NR Dr. Josef Höchtl: „Kurt Sobotka ist eine hervorragende Bereicherung für das Ensemble, das selbst ein hohes Profitum aufweist. Aber auch ihm scheint Nestroy besonders zu liegen – und mir gefällt es jedes Jahr.“

Bürgermeister Reinhard Gogola: „In diesem Jahr ist die Regie wieder klassischer, doch sie passt so hervorragend zu Kurt Sobotka. Für mich ist der Unterschied Laie – Profi kaum mehr zu erkennen.“

Kulturstadträtin Isolde Sacher: „Ich finde es bewundernswert, wie das Ensemble jedes Jahr eine so hohe Leistung bringt. Die Zusammenarbeit mit Kurt Sobotka ist da heuer das Tüpfelchen auf dem i.“

Kabarettist und „Hektiker“ und Sohn Werner Sobotka: „Ich bin zum ersten Mal in der Rothmühle, aber ich bin ganz begeistert, wie professionell das hier alles aufgezogen ist. Manche der Laienschauspieler sind so gut, dass man sie ohne weiteres auf eine normale Bühne stellen könnte.“ (Barbara Schindler)