Nestroy-Spiele 1995

Wohnung zu vermieten

23. Nestroy-Spiele Schwechat 1995 im Schlosshof der Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5, im Juli 1995

Besetzung

  • Gundlhuber, Sektionschef in Ruhe Bruno Reichert
  • Kunigunde, seine Frau Traude Selinger
  • Amalie, seine Tochter Sabine Stacher
  • Heinrich, sein Sohn Alexandra Kratzwald
  • Gabriel, sein Sohn Patrick Thurner
  • Franzi, sein Sohn Thomas Spinka
  • Adele, seine Jüngste Teli Ragazza
  • Dragica, ihr Dienstmädchen Sabine Gerger
  • August Fels, Amaliens Bräutigam Falke Ameringer
  • Waldi, sein Freund Jakob Enejat
  • Kleefeld, Notar und Hausfreund Konrad Kostmann
  • Louise, seine Tochter Christine Zimmermann
  • Tante Ferner Sylvia Daniel
  • Rosine Chaly, Inhaberin eines Wachsfigurenkabinetts Susi Urban
  • Monsieur Dumont, Prateraussteller Horst Salzer
  • Lisette, Dienstmädchen Isabella Rössler
  • Wohlschmack, Kapitalist Poldi Selinger
  • Eduard, sein Sohn Leo Selinger
  • Heuschreck, Fabrikant und Pleitier Willibald Mürwald
  • Cäcilie, seine Frau Esther Potesil
  • Therese, deren Tochter Angela Koliander
  • Jasmine, deren Dienstmädchen Sonja Scherhaufer
  • Cajetan Balsam, Hausmeister Robert Herret
  • Madame Stoll, seine Gevatterin Sylvia Janousek
  • Sophie, ihre Tochter Regine Ban Korsos
  • Flint, Glaserer Sascha Nikodym
  • Damen der Gesellschaft Veronika Hegler, Sylvia Janousek,
  • Gabi Kozich, Renate Schleder, Sissi Stacher, Brigitte Stöhr
  • Inspektor Andreas Herbsthofer
  • Polizisten Peter Koliander, Horst Salzer
  • Klofrau Olga Weinlich
  • Fiaker Peter Koliander
  • Stellwagen-Kutscher Gerhard Stacher
  • Branntweiner Robert Russel
  • Gäste beim Branntweiner Sylvia Daniel, Veronika Hegler, Sylvia Janousek, Gabi Kozich, Horst Sazer, Renate Schleder,< Gerhard Stacher, Sissi Stacher, Brigitte Stöhr
Sylvia Daniel, Angela Koliander
  • Regie Peter Gruber
  • Bühne und Kostüme Andrea Bernd
  • Assistenz/Organisation Christine Bauer
  • Puppen Christa Müller
  • Körpertraining Sigrid Reisenberger
  • Bühnentechnische Leitung Peter Koliander
  • Licht Fritz Gmoser, Christian Schrott
  • Maske Brigitte Holzer, Gerti Bayer
  • Musik Herbert Ortmayr
  • Klavier Hans Oberwalder, Stefan Riedl
  • Schlagzeug Angela Adebiyi-Berann
  • Geige Popa Tiberiu
  • Effekte Christian Sturtzel
  • Hüte Gertrude Pfertner
Konrad Kostmann, Traude Selinger

Pressestimmen

Niederösterreichische Rundschau, 5. Juli 1995: Posthumer Applaus für Nestroy

Als hätten sie ’nen Verbündeten da oben, heizten am vergangenen Freitag den Darstellern der Schwechater Nestroy-Spiele gut 28 Grade nach Celsius die Premiere des Stücks „Wohnung zu vermieten“ an. Aber nicht nur deshalb wurde es einem warm ums Herz.

Spielfreude und -witz sind Attribute, die sich beinahe alljährlich in den Kritiken über die Aufführungen des Amateurensembles Peter Grubers finden. Und auch beim heurigen Stück fällt es den Darstellern rund um „Hausmeister Cajetan Balsam“ Robert Herret offensichtlich sehr leicht, sich in ihre Figuren hineinzuleben, die Rollen beinahe „authentisch“ wiederzugeben. Kein Wunder, handelt es sich bei Nestroys Spießersatire doch um eines jener Stücke, die die Leichtigkeit des Seins, die Fulminanz des Lebens in den Vordergrund stellen, die das Burlesk-Obszöne entlarven und gleichzeitig schmunzelnd bejahen.

Einst von zeitgenössischen Kritikern „in der Luft zerrissen“, darf sich Johann Nestroy posthum über ehrlichen Applaus, über selbstironische Zustimmung des Publikums freuen. Freilich, heute sind die Dinge wie damals, lediglich die Betrachtungsweisen haben sich geändert. Und so passen auch jene geschickt integrierten Aktualitäten, die Nestroy-Ring-Preisträger in diese Komödie verpackte, bestens hinein ins bunte Geschehen, ins Wirr-Warr der Nestroy’schen Späßchen und Skandälchen.

Besonders gut paßt dieses Stück aber in den Hof des Schlosses Rothmühle. Die „bessere Gesellschaft“ mit ihrem Gesinde findet hier einen Rahmen, wie er kongenialer nicht sein kann. Der Kontakt zum Publikum ist eng, das Stück kann daher auch räumlich „rüberkommen“. Man(n) findet sich als Voyeur im Schlafzimmer wieder und fühlt sich entsprechend wohl.

Interessant die Effekte, die Christa Müllers verblüffend realistische Puppen erzielen. Sie sind der Spiegel, der dem Betrachter permanent vors Gesicht gehalten wird, sie sind aber auch der Weg von der Gegenwart, der stumme Beobachter und Begleiter der verwerflichen Handlung, der Abhörapparat und die Rasterfahndung.

Und wenn das musikalische Thema aus der Love-Story die Tochter des Sektionschef in ihre verbotene Liebschaft begleitet, darf heutzutage ruhig gelacht werden. Und das wurde in Schwechat bei der Premiere, das wird in Schwechat auch bei allen anderen Vorführungen mit Sicherheit. (Manfred Murczek)

Neue Kronenzeitung, 9. Juli 1995: Wohnungssuche 1837

„Oh Häuser, wie groß ist eure Macht!“ Die traditionsreichen Schwechater Nestroy-Spiele haben mit dem Stück „Wohnung zu vermieten“ eine beinahe unbekannte Posse ausgegraben. Mit Erfolg! Denn die Laiendarsteller erfreuen durch Begeisterung an dem fröhlichen Freiluftspektakel.

Wohnungssuche war schon 1837 keine einfache Sache: Vor allem nicht, wenn der Familienvater mehr an der Nachbarin als an der Wohnung interessiert war. Nestroys schonungslos offene, beißende Kritik an Scheinmoral und Heuchelei ist zeitlos.

Gekonnt setzt Peter Gruber (Regie) scharfen Spott ein, um das Gestern mit dem Heute zu verbinden. Witzige Einfälle lockern die Handlung auf, lassen die Aufführung aber auch ins Derbe abdriften. Originell ist das aus aufgestapelten Holzkästen bestehende Bühnenbild Andrea Bernds.

Hervorragend: Robert Herret als intriganter Hausmeister Balsam – ein Nestroy-Original; Bruno Reicherts Gundlhuber ist ein Spießer aus dem (Biedermeier-)Bilderbuch; verläßlich: Konrad Kostmann als ewig lüsterner Herr Kleefeld, Bella Rössler als Lisette, Angela Koliander und Leopold Selinger. (O. L.)

Susanne Urban

Der Standard, 3. Juli 1995: Stapo auf Spurensicherung

Auf der Suche nach unbekannteren Possen für die Nestroy-Spiele in Schwechat ist Regisseur Peter Gruber heuer auf „Wohnung zu vermieten“ gestoßen. Daß diese Komödie von den Theatern heute gemieden wird, hat seinen Grund wohl vor allem darin, daß sie schon bei der Uraufführung 1837 als „witz- und gehaltloses Machwerk“ identifiziert wurde.

Aber wie immer machen sich Gruber und sein hervorragend disponiertes Laienensemble mit Feuereifer und einer Fülle von spaßigen Ideen daran, das verkannte Werk in ein zündendes Spektakel zu verwandeln. Da gerät die Wohnungssuche des Sektionschef Gundlhuber samt Familiensack und -pack (Bruno Reichert als Lodenzombie mit Hitlerbärtchen) im originellen Bühnenbild Andrea Bernds zu einer grotesken Spießerdämmerung. Und da konfrontiert Robert Herret als Cajetan Balsam mit dem infernalischen Urbild eines versoffenen Hausmeisters.

Keiner wird verschont, alle bekommen sie ihr Fett ab. Die Kronenzeitung lesende Stapo ist von Anfang an dabei und versagt später naturgemäß bei der Spurensicherung, während sich derweilen hohe kirchliche Würdenträger in dem Geheimpuff herumtreiben, in das Gruber das Wachsfigurenkabinett Rosine Chalys (Susi Urban) verwandelt hat.

Da wird aber auch munter mit der Liebe jongliert, als ob wir uns in einem Wiener Sommernachtstraum befänden, da zitiert die Musik (Herbert Ortmayr) auch schon Felix Mendelssohn-Bartholdy herbei und treibt ein veritables Feuerwerk die Stimmung auf den Höhepunkt.

Bei all dem hat Peter Gruber (wieder) nur eines übersehen: Daß auch die besten Gags nicht drei Stunden langes Sommertheater rechtfertigen. (Lothar Lohs)

Jakob Enajat, Angela Koliander

Täglich Alles, 2. Juli 1995: Wohnung zu vermieten

„Und erst in Schwechat komm’ ich wieder auf andere Gedanken, bei Schwechat fängt ein anderes Klima an“, läßt Nestroy den Reisenden Überall sagen („Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab“). Als hatt’ er’s geahnt – 150 Jahre später herrscht hier zur Freude der Besucher ein Nestroy-Klima der besonderen Art. Dafür verantwortlich: Regisseur Peter Gruber und „sein“ Amateurensemble St. Jakob.

Seit dem Beginn vor 23 Jahren ist der 49jährige Nestroy-Ring-Preisträger Peter Gruber als Regisseur der Nestroy-Spiele Schwechat dabei. Und hat es sich zur Aufgabe gemacht, vor allem unbekannte(re) Nestroy-Stücke auf die Bühne im romantischen Schloßhof der Rothmühle zu bringen. Und so heißt’s diesmal: „Eine Wohnung ist zu vermieten in der Stadt. Eine Wohnung ist zu verlassen in der Vorstadt. Eine Wohnung mit Garten ist zu haben in Hietzing“. Das erste und letzte Stück Nestroys, das explizit in Wien spielt. Ein Grund, daß diese Spießersatire aus dem Jahre 1836/36 bei der Uraufführung „ausgezischt“ wurde. Und von der einst lediglich Karl Kraus überzeugt war. Und Peter Gruber hat anno 1995 behutsam Nestroys Bissigkeiten zu einem kurzweiligen und zeitlosen Spiegelbild von abscheulicher Doppel- und Scheinmoral verarbeitet. Angereichert mit liebevollen Details und köstlichen Anspielungen auf Klestil, Löschnak, Krenn und Groër. Gruber zur Seite steht ein famoses spielfreudig-mitreißendes Amateurensemble, das auf jeder großen Bühne bestehen kann. Allen voran „Hausmeister“ Robert Herret, der in einem Atemzug mit allen großen Nestroy-Darstellern zu nennen ist. Ein grandioser Erfolg für Regisseur und Schauspieler mit einem einzigartigen Drumherum. Ein Muß für alle Nestroy-Liebhaber. (Judith Lewonig)

Falke Ameringer, Christine Zimmermann

Wiener Zeitung, 2. Juli 1995: Bal macabre mit Wiener Typen

Einmal mehr ist bei den Schwechater Nestroy-Spielen im Schloßhof der Rothmühle eine gelungene Nestroy-Aufführung zu bewundern. Ebenso muß man wieder einmal den bewundernswerten Einsatz und die professionelle Disziplin des Schauspielerensembles, das ja aus sogenannten Laien besteht, hervorheben, bestaunen, ja in manchen Fällen sogar bejubeln.

Peter Gruber, der verdiente Regisseur der Nestroy-Aufführungen in der Rothmühle, hat sich für diesen Sommer Nestroys selten gespielte und umstrittene Posse „Eine Wohnung ist zu vermieten in der Stadt. Eine Wohnung ist zu verlassen in der Vorstadt. Eine Wohnung mit Garten ist zu haben in Hietzing“ ausgesucht. Unter dem Kurztitel „Wohnung zu vermieten“ hat er aus der ein wenig flachen Geschichte, die bei der Uraufführung mit Bomben und Granaten durchgefallen ist, ein skurriles Wachsfigurenkabinett mit typischen Wiener Figuren geschaffen.

Der Slogan „Wien bleibt Wien“ wird in Peter Grubers Interpretation zur wilden Drohung. Das goldene Wienerherz wird entlarvt als eigennützige und hinterhältige Spießerseele, deren einzige Rechtfertigung vielleicht noch die Oberflächlichkeit ist, mit der die „echten“ Wiener Typen agieren. Wie viele vor ihm und nach ihm hat Nestroy wenig Gutes über die Wiener zu berichten, die er wie in einem bal macabre durch die Handlung wirbelt.

Peter Grubers Inszenierung zeigt nicht auf eine verniedlichte und auf bloße Komik reduzierte Nestroy-Posse, sondern eine – für Wien zumindest – ewig gültige Gesellschaftssatire. Trotzdem kommt der Humor nicht zu kurz. Herzhaft lachen kann man über die geschickt aktualisierten Couplets, über die Pointen zum politischen Tagesgeschehen und über den Spieleifer so mancher Akteure.

Stellvertretend für alle schauspielerische Leistungen dieses Abends möchte ich Robert Herret nennen, der dem Hausmeister Cajetan ein wahrlich schmieriges Inneres und Äußeres verleiht und Bruno Reichert, der in der Nestroy-Partie des wohnungssuchenden Gundlhuber, ein stiller Bürger mit schreiender Doppelmoral ist. Ein besonderer Gag sind die lebensgroßen und erschreckend realistischen Puppen von Christa Müller, die schon bei den Festwochen ihre verblüffende Wirkung bewiesen haben und das Panoptikum von Wiener Typen auf der Bühne und im Schloßhof vervollständigen. (Brigitte Suchan)

Niederösterreichische Nachrichten, 5. Juli 1995: Großartige Nestroy-Premiere im Schloßhof der Rothmühle

Einen großartigen Erfolg konnten die Laienschauspieler im Schloßhof der Rothmühle anläßlich der Premiere zu den 23. Nestroy-Spielen verbuchen.

Im 23. Jahr der Schwechater Nestroy-Spiele inszenierte Regisseur Peter Gruber die umstrittene und deshalb selten gespielte Spießersatire „Wohnung zu vermieten“. Ein bissig-böser Frontalangriff auf die Oberflächlichkeit und Doppelmoral der Wienerinnen und Wiener – von 1837 bis heute.

Da entstand ein „skurriles Wachsfigurenkabinett zeitloser Wiener Typen“, inmitten der bei den Wiener Festwochen berühmt gewordenen, erschreckend realistischen Puppen von Christa Müller.

Das war ein Nestroy, der nicht nur mit seinen Couplets, sondern auch in den Textpassagen das Publikum begeisterte. Wieder ein Nestroy, der einfach der Vorstellung des Publikums entsprach. Auch die Darsteller boten ihr bestes.

Man kommt auch nicht umhin festzustellen, daß die Rolle des Cajetan Balsam, dem Robert Herret wieder auf den Leib zugeschnitten war. Ein aufrichtiges Bravo! (Oskar Peham)

Sonja Scherhaufer