Nestroy-Spiele 1991

Die Papiere des Teufels

19. Nestroy-Spiele Schwechat 1991 im Schlosshof der Rothmühle
in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5,
Premiere 28. Juni, Vorstellungen bis 27. Juli 1991
Robert Herret

Heuer stehen „Die Papiere des Teufels“ aus dem Jahr 1842 auf dem Programm, ein wenig erfolgreiches und nie mehr nachgespieltes Stück Nestroys, von dem nur das berühmte Couplet „Es ist alles Chimäre“ in Erinnerung geblieben ist. Zu Unrecht, wie wir meinen. Denn es enthält eine Reihe von Szenen, deretwegen allein sich diese Wiederentdeckung nach beinahe 150 Jahren sicher lohnt.

Willibald Mürwald

Der Teufel als dankbares Sujet für spannende oder komische Theatersituationen, aber auch als Objekt der Projekton, als Maske, hinter der versteckt das Böse im Menschen offen zutage tritt, als signifikantes Symbol der von der Gesellschaft verdrängten Triebe und versteckten Aggressionen.

Die liebliche Biedermeier-Fassade erweist sich als Chimäre. Hinter vorgetäuschtem Anstand, behaupteter Moral, scheinbarer Rationalität und Aufgeklärtheit, hinter politisch erzwungender Ruhe und Ordnung, lauert all das, was seit Jahrzehnten gewaltsam unterdrückt wurde und in Kürze zu explodieren droht. Denn der wahre Teufel steckt natürlich im Menschen selbst. „Wenn man anläut’t, so kommt er!“

Besetzung

  • Stoppel, Gastwirt einer Provinzstadt Willibald Mürwald
  • Dorothea, seine Frau Renate Bachtrod
  • Sophie, deren Ziehtochter Heidi Gauster
  • Schrollmann, Greißler Andreas Bauer
  • Emilie, dessen Frau Vera Albert
  • Buchfellner, Wirtshausgast Christian Kubo
  • Klauber, Wirtshausgast Martin Meszaros
  • Schneck, Wirtshausgast Gunnar Seelke
  • Steining, Wirtshausgast Alexander Nikodym
  • Zwicker, Agent Alexander Müller
  • Federl, dessen Schreiber Robert Herret
  • Eva, Zwickers Köchin Traude Selinger
  • Rab, Agent Jakob Enajat
  • Hilfreich, Chirurg Alexander Sommer
  • Postbote Leo Selinger
  • Frau Körndlbach, Witwe, Pächterin der Stopplischen Mühle Isabella Rössler
  • Dominik Hauskatz, Maurer und
  • Hausmeister im Herrenhof zu Hügelfeld Bruno Reichert
  • Walpurge, seine Mutter Sylvia Janousek
  • Seppl, Mühlknecht Leopold Selinger
  • Rubinger, ein Pächter vom Lande Willibald Mürwald
  • Frau Schmallner, dessen Schwester Traude Selinger
  • Kathi, dessen Tochter Sabine Stacher
  • Wilkner, ein Hausherrensohn Jakob Enajat
  • Grill, Harfenist Alexander Müller
  • Rosa, seine Frau Sylvia Daniel
  • Anton, Oberkellner Leo Selinger
  • Hannerl, Köchin Sabine Gerger
  • Zeitungsverkäufer Alexander Stetina
  • Blumenverkäufer Thomas Kratzwald
  • Masken Angela Koliander, Sylvia Nemec-Mele, Alexander Sommer
  • Regie Peter Gruber
  • Regie-Mitarbeit Christine Bauer
  • Bühne Andi Mathes
  • Kostüme Herta Mock
  • Hüte Trude Pfertner
  • Schneiderei Olga Weinlich
  • Technik Franz Schulcsik, Alfred Stepan
  • Lichtkonzept Charly Apfelbeck
  • Effekte Christian Sturtzel
  • Musikalische Einrichtung Herbert Ortmayr
  • Klavier Charly Leschanz
  • Ton/Geräusche Future Sound
  • Maske Patricia Grecht,
  • Alexander Müller
  • Perücken und Frisuren Grecht Company
  • Zusatzstrophe(n) Wolfgang Beyer
  • Souffleuse Herta Mock
  • Bühnenrealisierung Hubert Rössler, Hans-Christian Polak, Chris Purkhauser, Günther Griesser
Ensemble

Pressestimmen

Der Standard, 5. Juli 1991: Der Teufel, ein Flaschengeist: Nestroy-Posse in Schwechat

„Es is’ all’s nur Chimäre“: Schwarzes, hakennasiges Vogelvieh lauert in den Ecken und Winkeln der Hof-Bühne der Schwechater Rothmühle. Das nimmt nicht Wunder: Steht doch in Nestroys „Papieren des Teufels“, deren sich das Schwechater Nestroy Komitee verdienstvollerweise angenommen hat, sinngemäß verzeichnet: Wenn Herr Biedermeier durch allerlei Umstände in den Krähwinkel gedrängt wird, dann beißt er nicht, sondern wird g’schnappig.

Doch deswegen hackt kein Rabe ein Auge aus. Peter Gruber hat Nestroys Dramaturgie der Uneigentlichkeit, wo die Menschen einander schöntun, wenn sie einander schlechtmachen, in genauso rast- wie ratloses Spiel übersetzt. Schwechater Amateur-Schauspieler geben auf der zweigeschossigen Schwechater Bühne den Geheimnis-Krämer, die unschöne Müllerin, den Maurer (Dominik), der dem Weingeist rief und nun nicht mehr los wird – der Teufel, ein Flaschengeist.

Dominik, Hausmeister im Herrenhof zu Hügelfeld (Bruno Reichert), ist vornehmlich damit beschäftigt, seinen Triebhaushalt in Ordnung zu bringen. Und noch die mit der Ver- und Entäußerung von Liegenschaften befaßten Machinationen des „Tintenklecksers“ Federl, den der (häufig textunsichere) Robert Herret gleichsam als Diminutiv zu Ignaz Kircher anlegt, sind von jenem Eigennutz getrieben, der, weil um seiner selbst willen angestrebt, zu nichts nütze ist.

In einer erstaunlich präzisen Inszenierung, die nicht nur wegen ihrer mannigfachen pyrotechnischen Effekte den Durst des Publikums anheizt (wenn Mimen halbe Seidel trinken, während es 28 Krügel im Schatten hat), ist Gruber ein denkwürdiger dritter Akt gelungen: In einer furiosen Wirtshausszene, die den Topos des Theaters auf dem Theater beschwört, löst Nestroy, der seine Figuren vornehmlich mit gespaltener Zunge reden läßt, den Mitgift- und Kammerjägern die Zunge – und damit alle Probleme. Denn: Der Österreicher redet nicht gern, denkt sich seinen Erb-Teil – und sieht ansonsten rabenschwarz. (Ronald Pohl)

Arbeiterzeitung, 4. Juli 1991: Quietschendes Intrigen-Karussell

Der Sommer steht vor der Türe, die Rothmühle in Schwechat, pittoresker Veranstaltungsort der Nestroy-Spiele, öffnet ihre Pforten. Wie schon so oft hat Peter Gruber dieses Jahr ein eher unbekanntes Stück der Vergessenheit entrissen: „Die Papiere des Teufels“ von Johann Nepomuk Nestroy wird erstmals seit der Uraufführung wieder gespielt.

Ein Testament ist unauffindbar, die Witwe und ihre Tochter werden aus dem Gut vertrieben. Widerlich arrogante Erbschleicher nisten sich ein. Der einzige, der um das Geheimnis der Papiere weiß, ist ein Maurer, der geschworen hat, Stillschweigen zu bewahren. Der Teufel werde ihn holen …

Eine verfahrene Situation, wäre da nicht der farblose und verklemmte Schreiber „Federle“ (Robert Herret), der sich zum gewitzten „Rächer der Enterbten“ mausert und dem Lohn als Lohn – natürlich – die Hand des hübschen Tochterls winkt.

Das Stück ist sicher kein Meisterwurf: Das Karussell der Intrigen und Irrtümer dreht sich nicht so reibungslos, wie man es von Nestroy gewohnt ist, und manche Konstruktion wirkt etwas Holprig. Doch man sieht darüber hinweg. Denn Regisseur Peter Gruber versteht nicht nur die Stärken, sondern auch die Schwächen des Ensembles geschickt zu nutzen. So baut er bei den Gesangseinlagen bewußt auf den parodistischen Effekt schräger Töne: ein furioses, stellenweise zum Schreien komisches Potpourri, das in dieser Form nur möglich ist, weil die Laiendarsteller ihr Spiel zwar ernst nehmen, sich selbst aber nicht wichtig machen.

„Es ist alles Chimäre, aber uns unterhalt’s“, so das Resümee der Truppe. Uns auch. (Bettina Steiner)

Robert Herret

Neue Kronenzeitung, 1. Juli 1991: Nestroy-Spiele, Rothmühle

Wer vom Sommertheater versucht, Nestroy neu und kritisch zu sehen? Regisseur Peter Gruber tut das alljährlich auf Schloß Rothmühle bei Schwechat. Während Nestroy anderswo oft zum Wurstel verkommt, erlebt man bei den Nestroy-Spielen den Wiener Klassiker jedesmal aufs neue. Diesmal mit einem vergessenen Schauermärchen „Die Papiere des Teufels“.

Grusel war der Zeitgeschmack. Und auch diese Erbschleicherei ist voll von zwielichtigen Gestalten, Höllenängsten und dunklen Kräften. Doch Gruber und sein Laienensemble, das trotz Bühnenerfahrung den Amateurgeist nicht verloren hat, holen viel mehr aus dieser verdrehten Geschichte.

Wo andere herzige Nestroy-Manderln auf die Bühne stellen, schärft man in Schwechat den bösen Witz der Nestroy-Typologie, bis er auch heute wieder schneidet. Da ist Robert Herrets Federl ein verklemmter Kanzleihocker mit lüsternen Träumen. Um ihn herum zeigen sich neureiche Dummköpfe, eitle Laffen, Wiener „Funsen“ und Furien nur von ihrer übelsten Seite. Mit dem Stuhlbein wird im Wirtshaus geprügelt und stimmungsecht falsch gesungen. Der böse Nestroy ist ein Theatererlebnis: Damals und heute in Schwechat. (Konrad Kramar)

Die Presse: Ein lauer Aufguß – Musical-Nestroy in Schwechat

Normalerweise gehört der alljährliche Nestroy in Schwechat zu den Hits des Niederösterreichischen Theatersommers. Daß dies heuer nicht so ist, liegt zum einen an dem ausgewählten Werk, zum anderen an Regisseur Peter Gruber. „Die Papiere des Teufels“, 1842 uraufgeführt, lassen den üblichen zündenden Sprachwitz vermissen. Peter Gruber reichert – wie im Vorjahr – das Stück mit musikalischen Parodien und Musical-Elementen an. Solche Rezepte nutzen sich rasch ab. Zudem minderte das stürmisch-kalte Lüfterl am Premierenabend die Verständlichkeit. Ein lauer Aufguß.

Von den bekannten und weniger bekannten Nestroy-Stücken kommt man in Schwechat zwangsläufig zu den „Ausgrabungen“ und nicht alles, was da ausgegraben wird, ist ein Goldschatz.

Immerhin wäre es nicht Nestroy würden nicht die Typen exakt stimmen: Der reiche Gastwirt Stoppel versteckt Testament und Wertpapiere in einem Herrenhaus auf dem Land, in dem angeblich der Teufel spukt. Kurz darauf fährt er mit seiner Kutsche in den Graben. Stoppels Schwester und ihr Gatte reißen das Erbe an sich. Witwe Dorothea und Ziehtochter Sophie stehen auf der Straße.

Da taucht als Retter in der Not der Schreiber Federl auf, ein jüngerer Verwandter des Winkelagenten Schnoferl („Das Mädl aus der Vorstadt“). Federl liebt Sophie und verspricht der Mutter, ihr Recht zu verschaffen, wenn er die Tochter heiraten darf …

Im vormärzlichen Kleinbürgermilieu, in das Nestroy die „noblichere“ französische Vorlage verpflanzte, kämpfen Krämerseelen um den sozialen Aufstieg. Zwei Figuren bestimmen von der Charakterisierung her wie schauspielerisch den Abend: Federl, der schlaue Liebestragöde, von Robert Herret wie immer überzeugend dargestellt, und Dominik Hauskatz, Maurer und Hausmeister im Herrenhof zu Hügelfeld. Bruno Reichert spielt den etwas einfältigen, aber ehrsamen „Tschecheranten“, der um das „Teufelstestament“ weiß, doch bei Androhung von Höllenstrafen das Plaudern und daher auch das Trinken lassen muß.

Um diese beiden herum geht es in Schwechat teils manieriert, teils klotzig komisch zu. Die sonst so effektvoll Intermezzi zerdehnen und hemmen den verwickelten Handlungsverlauf. Zu vieles wurde hier einer Vorlage aufgepfropft, die so dünn ist, daß sogar musikalische Anleihen bei anderen Nestroy-Erfolgsstücken genommen werden. Commedia-dell’Arte-Masken müssen zur Illustration des Teufelsspuks herhalten. In einer chaotischen „Hamlet“-Parodie konfrontiert der als Teufel verkleidete Federl die Erbschleicher mit ihren Untaten.

Zugegeben, noch immer ist die Schwechater Laienaufführung der Nestroy-Profikonkurrenz im Theatersommer überlegen, doch sollte man vielleicht einmal die Konzeption überdenken. (Barbara Petsch)

Andreas Bauer

Niederösterreichische Rundschau, 3. Juli 1991: Getrübte Freude

Die Nestroy-Spiele, heuer im 19. Jahr, haben sich nicht nur um die kritische Nestroy-Pflege Meriten erworben: Sie waren die ersten, die mit einem zeitgemäßen Konzept versuchten, begabte und begeisterte Amateurschauspieler und -schauspielerinnen mit dem Profiregisseur Peter Gruber zusammenzuspannen und auf diese Weise engagiertes Volkstheater zu probieren. Es ist in der Mehrheit der Aufführungen gelungen. Nichts von Verweigelungen und Verharmlosungen zu sehen und zu hören, immer noch regiert der geschärfte Blick aufs Soziale, in den letzten Jahren ist auch die unbändige Lust aufs Theaterspielen und das Ausleben derselben dazugekommen. Trotzdem macht sich seit einiger Zeit Sand im Theatergetriebe bemerkbar, so daß die Spielgruppe im nächsten Jahr, dem 20., eine neue Konzeption erwägt: Da außer den Schauspielern die andere Hälfte der Nestroy-Spiele bereits aus Profis bestehe, sei ein solche Betrieb für Amateure mit begrenzter Probenzeit nicht mehr machbar.

Heuer wählte Peter Gruber den Biedermeier-Krimi „Die Papiere des Teufels“, ein seit 1842 (zu Recht) nicht mehr gespieltes Stück.

Eine schwache Vorlage um einen mittel- und chancenlosen Kanzleischreiber, die von Gruber und den Seinen mittels Musical- und Commedia dell’Arte Effekten sowie Versatzstücken aus anderen Nestroy-Produktionen aufgemotzt wird.

Auch heuer besteht die Stärke der Inszenierung darin, aus einem Nichts etwas zu machen. Robert Herret, als höllisch durchtriebener Schreiber Federl, Andreas Bauer als zynischer Greißler mit Hang zu Höherem, Christian Kubo als zeitgeistiger Wirtshausgast kompensieren den Abgang des Franz Steiner sehr wohl. Schwach diesmal die Besetzung der Frauenrollen, obwohl jede Menge wienerischer „Funsen“ im Stück vorhanden sind.

Bleibt festzuhalten, daß auch diesmal wieder mit allerlei Verwicklung die Geschichte zu einem guten Ende kommt – Erbschaften und Liebschaften dorthin, wo sie hingehören. Die Freude darüber ist freilich nicht mehr ungetrübt. (Günther Stockinger)

Niederösterreichische Nachrichten, 3. Juli 1991: „Die Papiere des Teufels“ heizten dem Publikum ein

„Es is alles Chimäre, aber uns unterhalt’s“. Mit dieser Devise verabschiedete sich das Ensemble der Nestroyspiele vom Publikum der Premiere am Freitag. Und kündigte gleichzeitig an, auch im nächsten, dem 20. Jahr, wieder ein Stück des Volksdichter zur Aufführung zu bringen.

Vorangegangen waren diesen Schlußworten drei Stunden, die dem Publikum trotz der ganz und gar unsommerlichen Temperaturen die Zeit nicht lang werden ließen. Zugegeben, spektakulär war die Aufführung im vergangenen Jahr schon, dafür kam die heurige Inszenierung wieder dem, was man unter einem klassischen Nestroystück versteht, näher. Ein Punkt, der etliche Puristen unter den Kritikern wohl wieder versöhnen wird. War doch im vorigen Jahr bisweilen kritisiert worden, unter der Inszenierung sei Nestroy nicht mehr zu erkennen.

Da gibt es heuer wohl keinen Zweifel, aus wessen Feder die „Papiere des Teufels“ stammen. Regisseur Peter Gruber mußte zwar auch diesmal vieles aktualisieren. Bei einem Stück, das vor 150 Jahren als Parodie auf eine damals sehr bekannte Oper geschrieben wurde, die heute keiner mehr kennt, ist das auch nicht anders möglich. Dennoch erkennt der Zuschauer seinen Nestroy diesmal auch ohne ins Programmheft zu schauen.

Handikap bei dem Stück war wohl die reichlich komplizierte Handlung, die in der ersten Hälfte wenig Zeit für herzhafte Lacher ließ. Ab der Pause aber jagte dann wie üblich ein Gag den anderen.

Für zusätzliche Heiterkeit sorgte der extreme Wind, der zuweilen mitten im schönsten Couplet der Dekoration zu ungeahntem Eigenleben verhalf. Das gehört eben zum Freilufttheater und wurde vom Ensemble ebenso wie die Kälte in professioneller Manier gemeistert. (Franz Frauenwallner)