Nestroy-Gespräche 2009: Referate (Exposés)

„… nur alles ohne Leidenschaft …“
Gelebte Konventionen, gespielte Gefühle

 

 

 

Jürgen Hein: Einführung

„Nur alles ohne Leidenschaft“! – Das Motto der 35. Internationalen Nestroy-Gespräche gilt gewiß nicht für das Jubiläumsjahr: ohne Nestroy-Leidenschaft der Gründer und Mitwirkenden gäbe es die Erfolgsgeschichte der Nestroy-Gespräche in Schwechat nicht; sie widmeten sich bislang folgenden Themen und Schwerpunkten:

  • 1975 Nestroys Wirkung auf dem Theater und in der Literatur
  • 1976 Nestroy, ein Europäer
  • 1977 Nestroy und das Biedermeier
  • 1978 Wie inszeniere ich Nestroy?
  • 1979 Vom Vorläufer des Jux bis zu Hello Dolly
  • 1980 Der politische Nestroy
  • 1981 Nestroy, ein Philosoph und Denker?
  • 1982 Nestroy und das Rollenbild – im Speziellen der Frau
  • 1983 Nestroy: Parodie und Operette
  • 1984 Nestroyverständnis 1848 – 1984
  • 1985 Nestroy und die Zeitgenossen
  • 1986 Nestroy – ein Klassiker (Literarische Tradition – Schule – Bühne – öffentliches Bewusstsein)
  • 1987 Militär und Militanz auf dem (Volks-)Theater; Zwillinge und Doppelgänger auf dem Theater
  • 1988 „’s is wirklich famos, wie der Fortschritt so groß!“: Politische, ökonomische und soziale Krise im Vormärz und ihre Spiegelung in den Medien
  • 1989 „Es sind gewiß in unsrer Zeit die meisten Menschen Handelsleut“: Ökonomie und Konsum in Leben und Werk
  • 1990 Das Böse, Magische und Irrationale bei Raimund und Nestroy
  • 1991 „… da kann man doch rauchen dabey“: Theatralisches von Mozart bis Grillparzer und Nestroy
  • 1992 Theater, magische Künste; Landschaft und Reisen bei Nestroy
  • 1993 Zu ebener Erde und erster Stock: Oben und Unten, Diener und Herren, Geld und Glück
  • 1994 Nestroy und die Geschichte
  • 1995 Nestroys Wien und anderswo
  • 1996 „Sie wird schöne Geschichten sehen“: Österreichisches und Fremdes bei Nestroy und Zeitgenossen
  • 1997 „Das wär’ so a Stoff jetzt, allein ich verschluck’s –“
  • 1998 „Es stelln sich gar Manche wie d’Lamperln so frumm“
  • 1999 „Nur der geistlose Mensch kann den Harm übersehn, der überall durch die fadenscheinige Gemütlichkeit durchblickt“
  • 2000 „Bis zum Lorbeer versteig’ ich mich nicht …“
  • 2001 In anderen Welten
  • 2002 Aus der Vorstadt in die Welt oder „Na, lass’ man ein Jedn sein Freud“
  • 2003 „’s is jetzt schön überhaupt, wenn m’r an etwas noch glaubt“
  • 2004 „Nur Keck!“ oder Zwei vor und Eins zurück?
  • 2005 Raimund und Nestroy im kulturellen Gedächtnis
  • 2006 Raimund und Nestroy im Kontext internationaler Lachkultur
  • 2007 „’s kommt Alls auf a Gwohnheit nur an“ – Raimund und Nestroy: Kanon, Kontext, Inszenierung
  • 2008 „Viel lernen und nacher viel wissen, das ist keine Kunst“ – Raimund und Nestroy: Korrespondenzen, theatrale Räume und Traditionen
  • 2009 „… nur alles ohne Leidenschaft … “ – Gelebte Konventionen, gespielte Gefühle

Schloß Rothmühle in Schwechat, wo einst Mozart Vater und Sohn zu Besuch waren, ist seit 1973 Ort der Nestroy-Spiele, seit 1975 finden dort auch die Internationalen Nestroy-Gespräche statt, nach einem Zwischenspiel 2002 bis 2004 in „Felmayers Garten“, ab 2005 im Schloß Altkettenhof (Justiz-Bildungszentrum). Von Professor Walter Mock († 1985) gegründet, werden die Gespräche vom Nestroy-Zentrum Schwechat in Zusammenarbeit mit der Internationalen Nestroy-Gesellschaft veranstaltet. Sie verbinden Wissenschaft und Forschung mit Theaterpraxis und Bildungsarbeit; sie bieten ein Forum für alle Theaterliebenden und Nestroybegeisterten, darüber hinaus für alle am Wiener Volkstheater und seiner Wirkung bis ins 21. Jahrhundert Interessierten.

In den ersten Jahren der Gespräche standen sowohl allgemeine Themen und Überblicke im Mittelpunkt als auch konkrete Themen und exemplarische Betrachtungen. So ging es um Nestroy in seiner Zeit, sein Verhältnis zu den Zeitgenossen, um seine Rezeption und Wirkung bis ins heutige Theater, um ästhetische Strukturen und Inszenierungsfragen, um die philosophische und politische Dimension. Nestroy wurde auf sein Geschichtsbild und soziales Rollenverständnis befragt, ob und wie er zum ‚Klassiker’ geworden sei, wo sein Ort im internationalen komödiantischen Theater und in der europäischen Lachkultur ist, worin seine Originalität liegt.

Zunehmend wurde das Bild differenzierter, rückten Einzelfragen und mehrperspektivische Interpretationen in den Vordergrund, wobei immer auch der Kontext des Wiener Volkstheaters – Vorgänger, Zeitgenossen und Nachfolger -, der Literatur und der Medien ebenso im Blick war wie die ökonomischen, sozialen und politischen Veränderungen, die Produktion und Rezeption beeinflussten. Parodie und Satire, ‚alte’ Posse, Volksstück und Operette, Theatralität, karikaturistische und konstruktivistische Verfahren erschienen in neuem Licht, ferner Bürgerlichkeit und Lachkultur sowie Aspekte des Medienwechsels: Übersetzung in andere Sprachen und Kulturen, in neue Medien, in unsere Zeit. Nestroys Präsenz im „kulturellen Gedächtnis“ wurde befragt, und es zeigte sich, wie viel Vormodernes, Modernes und Postmodernes bei ihm zu entdecken ist, wie sich seine Welt von der Vorstadt ins Universum weitete. Dabei blieb seine „fragmentarische Biographie“ (W.E. Yates) oft im Hintergrund, kein Wunder, bei einem Theatermann, der nur wenige Tage seines aktiven Künstlerlebens nicht mit dem Theater befasst war. Dennoch konnten auch hier neue Stationen begangen und neue Erkenntnisse erzielt werden, auch in der Synthese biographischer, historischer und poetologischer Betrachtung: Nestroy gibt im potenzierten theatralen Spiel Antworten auf Entfremdung und Selbsttäuschung – damals wie heute.

Statt einer Einführung in Thematik und Schwerpunkte der heurigen Gespräche soll Nestroy selbst zu Wort kommen, der seine Figuren neben der „stummen Sprache“ mit Skepsis Konventionen und Gefühlen begegnen läßt:

Reserve (hg. von W. E. Yates, S. 35, 59, 77):
Leidenschaft läßt sich nicht in geometrische Figuren zwängen, ebenso wenig als Poesie im Quadrat der Hypotenuse zu finden.
Wo die Form herrscht, wird das Gefühl in den Staub getreten.
Diesem Gefühl[,] an Nacht gewöhnt, ist das Licht der Rede schmerzlich, das Auge der Seele brennt, als sollte es erblinden.

Die schlimmen Buben in der Schule (1847)
(HKA Stücke 25/I, hg. von Friedrich Walla, S. 37, 1. Strophe):

In der Sprachlehr’ blammirn s’ mit d’ vielen Hauptwörter sich
Der Mensch kennt Ein Hauptwort nur, und das heißt „ich“.
„Ja“ und „Nein“ sind als Neb’nwörter nur angegeb’n,
Und für’n Ehrnmann sind’s Bindewörter fürs ganze Leb’n.
Mit Empfindungswört’r erst, da will’s durchaus nicht fort,
Für viele Empfindungen habe s’ gar kein Wort
Selbst im A, B, C findt ka Anleitung statt
Wie m’r am g’scheidtesten B sagt, wenn m’r A gesagt hat
Und die Hauptlehr in jeder Sprach wär’ es wohl,
Genau anzugeb’n, wenn man ‚s Maul haltn soll
Drum was drüb’r erscheint auch in Druck,
In der Sprachlehr da sind wir z’ruck.

Zwey ewige Juden und Keiner (1846)
(HKA Stücke 24/I, hg. von John R.P. McKenzie, S. 22):

WILHELM. Es scheint, dass ein Strahl des Glückes –
KRANZ. Was Strahl!? Das is Sonnenglanz Fixsternbeleuchtung! Vom Bettel-tutti-Stand plötzlich ein Dreitausendguldenmensch zu werden, das is zu stark, das is unerhört!
MUMMLER (zur Mitteltüre in großer Aufregung). Das is zu stark, das is unerhört!
KRANZ (Mummler’s Exclamation hörend). Was!? Noch ein Überglücklicher wie ich?
MUMMLER. O nein! Aus mir redt die Desperation!
KRANZ. Und aus mir der Jubel, und dennoch die nehmlichen Ausdrücke – o Mangelhaftigkeit der Sprache!

Freiheit in Krähwinkel (1848)
(HKA Stücke 26/I, hg. von John R.P. McKenzie, S. 28):

[…] o, er hat recht, jener populäre Philosoph, wenn er so klar sagt, daß das „Seyn“ ein Begriffsaggregat mit markierten electromagnetisch-psychologisch-galvanoplastischen Momenten ist.

 

Julia Bertschik
Auf den ersten Blick
Kleidung als Fetisch bei Nestroy und Horváth

Die Komödie kann als Paradigma einer literarischen Mimesis an die Moderne gelten. Schon die Kombination aus veristischer Wirklichkeitsnähe und humoristischer Respektlosigkeit gegenüber der Alltagsrealität des griechischen Mimus zeigt, dass diese Nähe zugleich mit dem gesellschaftskritischen Impetus der Wirklichkeitsinterpretation und –subversion verbunden ist. Im Prozess der Moderne sind es darüber hinaus die Volksstücke des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, welche die Darstellung und Reflexion der modernen Massengesellschaft in ihren ökonomischen, sozialen und kulturellen Umbrüchen besser zu leisten vermögen, als die auf den Sinnhorizont des singulär bedeutenden Todes ausgerichtete Tragödie. Davon zeugt zum einen die „Strukturhomologie von Geldfunktion und Komödienhandlung“ als „Chiffre des Sozialen“, wie sie von Daniel Fulda und Walter Pape an Komödientexten der Frühen Neuzeit, der Aufklärung und des frühen 19. Jahrhunderts nachgewiesen worden ist. Darauf verweist aber auch der damit häufig theaterreflexiv verbundene und von mir bezüglich des volksstücktypischen Stadt-Land-Gegensatzes so benannte, lehrhaft-‚vestignomische Code’ von Kleidung und Verkleidung, Maskerade, Tausch und Betrug.

Daran anschließend soll hier nun der von Bourdieu vorgeschlagenen Ausweitung und Verbindung von ökonomischem, kulturellem und symbolischem Kapital nachgegangen werden. So, wie sie Nestroys Possen und Horváths Volksstücke strukturiert. Dabei wird eine Spur verfolgt, die Nestroy bereits im Titel seiner populären Posse Talisman (1840) auslegt. Wie ich an ihr und der lange unterschätzten Posse Heimliches Geld / Heimliche Liebe (1853) zu zeigen versuche, führt sie ins Zentrum signifikanter Wissensdispositive und zeigt in Konkurrenz zu anderen, neuen Medien die Strukturhomologie von Fetischismus und Theatralität auf.

Gerade im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert machen sexuelle und warenfetischistische Konzepte in Europa Karriere, worauf zuletzt Hartmut Böhme eindrücklich hingeweisen hat. Sie bedienen sich dazu immer wieder der Beziehung zwischen Körper und Kleidung. Nestroys Perücken-Talisman liefert dabei in parodistischer Distanz eine erste Auskunft über die fetischistischen Züge von Kleidung als social agent und verbindet dies zugleich mit einer Reflexion über die Doppelcodierung des Theaterkostüms als zeichenhaft-symbolisches Gewand.

Vor dem makrosozialen Hintergrund einer Expansion der konsumorientierten Attraktionskultur aus Schaufenstern, Warenhäusern und Reklame seit der Jahrhundertwende werden die sexuellen Implikationen des Warenfetischismus in Horváths Volksstücken explizit zum Thema und zur guckkastenverdoppelnden Bühnenstruktur, wie an den Beispielen der Geschichten aus dem Wiener Wald (1931) und Glaube Liebe Hoffnung (1933) zu sehen.

Denn der weibliche Körper, an den die durch Krieg und moderne Technik erlittene Gewalt hier delegiert wird, erscheint ebenso käuflich wie zerlegbar: sei es im reduzierenden Blick auf dessen, über entblößende Dessous ausschnitthaft akzentuierte und fetischhaft verselbstständigte Teilreize, welche so selbst in eine Art Schaufenster gestellt werden; sei es unter den sezierenden Präparatorenhänden ‚im Dienste der Wissenschaft‘.

Horváths und Nestroys Volksstücke können daher im zeitgenössischen Kontext von Fetischismus- und Schaufensterdiskurs gesehen werden, der primär auf optische Wahrnehmung, theatrale Performanz und Illusionsbildung ausgerichtet ist und damit in mediale Konkurrenz zur Institution des Schauspiels tritt, dessen Bühnenbild nicht mehr bloße Kulisse ist, sondern zur Komödienhandlung selbst wird.

 

Olaf Briese
Die andere Seite des Lachens
Sebastian Brunners Romansatire Die Prinzenschule von Möpselglück (1848)

I. Heutigen Arbeiten über literarische Satire, Humor und Komik aus der Zeit zwischen 1830 und 1850 ist nicht selten zu eigen, eine imaginative Grenzziehung vorzunehmen. Vornehmlich das, was sich als emanzipativ, liberal oder demokratisch bezeichnen läßt, wird mit diesen genannten literarischen Mitteln in Verbindung gebracht. Das was sich als konservativ, autoritativ oder reaktionär bezeichnen läßt, wird mit eifernden Pamphleten, anklagenden Moralpredigten und grobgeschliffenen Invektiven assoziiert. Damit wird, in literatursoziologischer Hinsicht, das literarische Feld der Zeit in mindestens drei Punkten verzeichnet. Erstens entsteht der Eindruck, heute kanonisierte Autoren des ersten Spektrums hätten, allein was Veröffentlichungsanteil und Rezeption betrifft, mit ihren oft humorvollen Arbeiten eine durchgreifende öffentliche Prävalenz besessen; zweitens entsteht der Eindruck, Autoren des zweiten Spektrums hätten sich humorvoller Mittel gar nicht bedienen können und hätten im literarischen Wirkungsfeld auch deshalb keine prägende Rolle gespielt; drittens entsteht der Eindruck, es ließe sich das, was jenseits dieser beiden genannten Autorengruppen tatsächlich im literarischen Feld dominierte und wohl etwa 80-90 % der literarischen Produktion ausmachte (nämlich unverbindliche Unterhaltung, Humor und Satire jenseits gewollt politischer Ambitionen), literaturwissenschaftlich grundsätzlich vernachlässigen.

II. Der einst recht bekannte österreichische Autor Sebastian Brunner (1814–1893) gehört zum Spektrum humoristisch, komisch und satirisch arbeitender literarischer Autoren, die sowohl vor als auch nach der Epochenscheide 1848 ein klar konservatives Profil aufwiesen. In den an einer Hand abzuzählenden Aufsätzen und Dissertationen über ihn aus den letzten fünfzig Jahren steht jedoch, bis auf eine Ausnahme, der späte Brunner im Mittelpunkt, der Kirchenschriftsteller und Antisemit. Seine literarischen Satiren der Jahre 1843–1849 sind gänzlich unaufgearbeitet. Lediglich ein sehr gründlicher Aufsatz Werner M. Bauers thematisierte literarische Veröffentlichungen Brunners, analysierte seine drei kurz aufeinanderfolgenden Künstlerromane. Die zeitlich daran anschließende umfangreiche Bildungssatire „Die Prinzenschule von Möpselglück“ von 1848 – Bildungssatire und Zeitroman in einem – harrt hingegen noch literaturwissenschaftlicher Aufarbeitung. Der geplante Vortrag über diesen humoristischen Roman soll zwei Vermutungen nachgehen. Erstens soll er die Vermutung prüfen, daß dieser genannte Roman (journalistisches Vademecum, Intellektualprosa und Zeitroman gleichermaßen) im „engeren“ gattungspoetologischen Sinn die stilistischen Vorgaben der Jungdeutschen, die in ihm durchgehend scharf kritisiert werden, spiegelbildlich beerbt. Und zweitens soll die Annahme geprüft werden, daß die im Roman religiös wie auch politisch ausgestellte konservative Weltsicht keinesfalls einen Rückfall hinter Aufklärungsprämissen darstellt, sondern daß sie, in einem „weiteren“ inhaltlichen wie gattungspoetologischen Sinn, die Vorlagen aufklärerischer Bildungs- und Erziehungsromane transformiert und aktualisiert.

III. Darf eine Brunner-Analyse von einem wissenschaftlichen „Nordlicht“ vorgenommen werden, also von einem Wissenschaftler, der zwar zur deutschen Literatur der Jahre zwischen 1830 und 1850 gearbeitet hat, aber zugegebenermaßen die österreichische Literatur der Jahre 1830–1850 wenig kennt? Sie darf. Denn im Fokus des zu untersuchenden Romans steht der fiktive Ort Möpselglück, eine Stadt, die im norddeutschen, protestantischen Raum liegt. Möpselglück ist eine Residenzstadt, in der all die Folgen der in Berlin ersonnenen hegelianischen, junghegelianischen und jungdeutschen Emanzipationsbestrebungen auf traurige Weise kulminieren, denen hier im Roman satirisch der Spiegel vorgehalten wird: religiöser Indifferentismus, Sittenverfall sowie sich verstärkende politische Anarchie. All das könne nur in Revolution münden. Damit stellt sich die Frage nach dem Adressaten des Romans. Dient er der Mobilisierung, der warnenden Mobilisierung der katholischen Trägerschichten sowie der katholischen Eliten des Habsburgerreichs? Ist er also für die gedacht, die es immer schon wußten und besser wußten? Oder richtet er sich an andere Lesergruppen? Es scheint, daß das Zielpublikum des Romans sich nördlich der Alpen befindet: vor allem im katholischen Rheinland. Denn letzteres gehörte seit dem Ende der Napoleonischen Kriege zu Preußen und war damit direkt dem institutionellen Zugriff des protestantischen Staats ausgesetzt. Daß es damit auch dem ideologischen Zugriff von literarischen und philosophischen Aufbruchsbewegungen ausgesetzt war, deren Hort im protestantischen Teil Preußens liegen würden, ist das Konstrukt, das der Roman etablieren möchte – um diesen Einflüssen mit Mitteln des satirischen Zeitromans vehement entgegenzusteuern. Damit wirkt die Satire nach Österreich zurück: Sollten auch im katholischen Rheinland solche Emanzipationsbewegungen genuin entstanden sein, dann seien das eben Ergebnisse jenes gezielten „Emanzipationsexports“, dem Österreich um seiner selbst willen um so mehr wehren muß.

 

Herbert Herzmann
Gefühlsverwirrungen in Nestroys Stücken

Was ist wahr und was ist falsch? Wie kann man Lüge und Wahrheit, Falsches und Echtes, Spiel und Wirklichkeit unterscheiden? Was verbirgt sich hinter den in der Öffentlichkeit getragenen Masken? Wie verhalten sich „Falsches“ und „Echtes“, „Gespieltes“ und „ernst Gemeintes“ zueinander? Handelt es sich um unvereinbare Gegensätze oder um Pole, die in irgendeiner Weise miteinander verbunden sind und ineinander übergehen können?. Diese und ähnliche Fragen bilden die thematische Grundlage von Nestroys Werk und bestimmen dessen Struktur.

Damit stellt sich auch die Frage nach den Gefühlen. Sind beispielsweise die zur Schau gestellten Liebesseufzer und die vor versammelter Gesellschaft vergossenen Tränen und erfolgenden Ohnmachtsanfälle echt oder gespielt, und angenommen, dass derartige Gefühlsäußerungen zumindest im Augenblick echt empfunden und gemeint sind: wie beständig sind sie, wie weit kann man sich auf sie verlassen?

Die Tatsache, dass das (inszenierte) Gefühlstheater sehr häufig den (spontanen) Gefühlsausdruck ersetzt, kann man als Indiz dafür lesen, dass die herrschende Gesellschaft den Gefühlen als einer ordnungsgefährdenden Macht misstraut. Jedenfalls zensuriert die Gesellschaft, so wie sie in Nestroys Possen erscheint, die spontan geäußerten (und in diesem Sinne „wahren“) Gefühle, räumt jedoch dem theatralisch inszenierten (und in diesem Sinne „falschen“) Gefühle nahezu unbeschränkte Freiheit ein. Nichtsdestoweniger gibt es immer wieder Momente, in denen die unzensurierten Gefühle durchbrechen, und das Publikum ist auch in der Lage, solche Moment zu erkennen.

So wenig wie das Gefühlstheater den spontanen Gefühlsausdruck immer verhindern kann, lassen sich auch tragische und ernste Elemente aus Nestroys Possen vollkommen verdrängen. Trotz des unterhaltsamen Zynismus der Hauptfiguren sind Nestroys Possen so gut wie nie »nur« lustig. Hinter ihrer Lustigkeit tut sich, und sei es auch nur für Augenblicke, ein Abgrund von Trauer auf, der uns an die Zerbrechlichkeit des Daseins erinnert und daran, dass Glück oft in Enttäuschung mündet. Theklas Meinung in Das Mädl aus der Vorstadt, dass „Heiterkeit und Schmerz […] nicht gut unter einem Dach [tun]“,da „eins das andere verletzen [muß]“, wird von Nestroys Praxis widerlegt.

 

Ein Abend mit Gert Jonke
Gestaltung und Einführung: Ulrike Längle

„Die Zeiten, als der strenge liebe Gott noch persönlich auf die Erde kam, um nach dem Rechten und nach dem Unrechten zu sehen, sind vorüber. Bisweilen aber schickt er einen der Seinen auf die Erde, um uns an ihn und an seine Wunder zu erinnern. Die armen Boten, sie sind eindeutig nicht für unsre Welt gemacht: Sie müssen ihre Flügel in Jackenärmel zwängen, und wenn sie dann hier auf die Erde stürzen, dann kommen sie hart auf, und es bleibt ihnen ein leichtes Hinken. Rasch merken sie, wenn sie ihre Botschaft hörbar machen wollen, dass sie werden müssen wie wir. Das aber gelingt ihnen nicht recht, und so behalten sie selbst in nächster Nähe immer auch etwas Unbegreifliches.“

Mit diesen Worten begann die Trauerrede, die Jonkes Verleger Jochen Jung beim Begräbnis des Dichters im Jänner 2009 am Wiener Zentralfriedhof gehalten hat. Noch vor einem Jahr wußte Gert Jonke nichts von seiner Krebserkrankung und hat zugesagt, bei der Tagung der Internationalen Nestroygesellschaft 2009 eine Lesung zu halten. Da er nun nicht selbst erscheinen kann, auch wenn er immer schon so etwas wie ein Bote aus einer anderen Welt war, machen wir den Schein zur Realität: Wir spielen Jonkes Stimme beim Lesen seiner Texte vom Band ein und lassen ihn zwar nicht leibhaftig, aber doch in seiner körperlichen Gestalt auf Leinwand erscheinen.

Gert Jonke, der am 8. Februar 1946 in Klagenfurt als Sohn einer Pianistin geboren wurde und am 4. Jänner 2009 in Wien gestorben ist, war nicht nur einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Österreichs, ein Poet und unermüdlicher Sprachexperimentator, sondern auch ein genialer Interpret seiner eigenen Texte. Nicht nur seine Lesungen blieben für die Zuhörer unvergeßlich, er ist auch selbst als Schauspieler aufgetreten, so in seinem letzten Stück „Platzen plötzlich“, das vom Aktionstheater-Ensemble im Juni 2008 in Bregenz uraufgeführt wurde und aus dem wir eine Passage zeigen. Das verbindet ihn mit Johann Nestroy, genauso wie sein Sprachwitz. Zudem wurde Jonke drei Mal mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet, als bester Dramatiker 2003 für „Chorphantasie“, 2006 für „Die versunkene Kathedrale“ und zuletzt 2008 für „Freier Fall“. Joachim Lux, der Chefdramaturg des Burgtheaters und Herausgeber von Jonkes gesammelten Stücken, dankte dem schon schwerkranken Autor bei der Preisverleihung mit den Worten: „weil du den Traum vom Fliegen weiterträumst. Du gibst uns Ahnung von der Freiheit, die es vielleicht nie gegeben hat, ohne die wir aber nicht leben wollen.“

Als Schriftsteller wurde Jonke mit seinem Erstlingswerk „Geometrischer Heimatroman“ 1969 schlagartig berühmt. Er schrieb Romane, Erzählungen, Hörspiele, Gedichte, Drehbücher und in den letzten Jahren vor allem Theaterstücke. Die Musik war im Werk Jonkes, der selbst Klavier am Klagenfurter Konservatorium studiert hatte, ein vorrangiges Thema: Seine Erzählung „Schule der Geläufigkeit“ (1977) zählt zu den Klassikern der Moderne; musikalische Themen behandelte er auch im Drehbuch „Geblendeter Augenblick – Anton Weberns Tod“ (1986) oder in dem Theaterstück über den ertaubenden Beethoven „Sanftwut oder der Ohrenmaschinist“ (1990). Jonke erhielt zahlreiche Auszeichnungen, etwa 1977 den allerersten Ingeborg-Bachmann-Preis, 1997 den Erich-Fried-Preis und den Franz-Kafka-Literaturpreis, 1998 den Preis der Preußischen Seehandlung Berlin, 2002 den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur, 2005 den Kleist-Preis und 2006 den Arthur-Schnitzler-Preis.

 

Arnold Klaffenböck
Ein Nestroy für Linzer Verhältnisse?
Die Nestroy-Aufführungen der „Volksbühne“ unter Ignaz Brantner

Die Ausstellung „‚Kulturhauptstadt des Führers‘. Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich“ zum „Kulturhauptstadtjahr 2009“ rief mit dem Schauspieler und späteren Vizepräsidenten des Verbandes österreichischer Theaterdirektoren Ignaz Brantner (1886–1960) eine wichtige, wenn auch nicht unumstrittene Persönlichkeit des Linzer Kulturlebens wieder in Erinnerung. Brantner leitete seit 1932 das Linzer Landestheater. Er behielt diese Funktion nach dem „Anschluss“ 1938 und führte das Haus bis zur Schließung 1944. Nach dem 2. Weltkrieg untersagten ihm die US-Besatzer zunächst die Fortsetzung seiner Arbeit am Landestheater.

Seit August 1946 betrieb Brantner – bis zu seiner Rückkehr ans Landestheater 1948 – im Stadtteil Blumau die „Volksbühne“ im Theresiensaal (Jungwirthstraße 4–6) und nahm auch mehrere Stücke Nestroys ins Repertoire. Diese Inszenierungen werden bis heute in den spärlichen Quellen als vorbildlich und niveauvoll bezeichnet, ohne allerdings anzugeben, worin die „positiven“ Eigenschaften und die Qualität der Darbietungen bestanden hatten.

Im Sinne eines „Theatertransfers“ soll gezeigt werden, wie Nestroys Stücke, die Brantner zuvor am Landestheater während des „Ständestaats“ und des Dritten Reichs inszeniert hatte, für die gewandelte räumliche – bedingt durch den unfreiwilligen Wechsel von der „großen“ Bühne des Landestheaters zur „kleinen“ Volksbühne –, vor allem aber für die geänderte ideologische/kulturpolitische Situation adaptiert wurden. Zu fragen ist ferner, ob Brantner dabei am traditionellen Nestroy, an einem eher repräsentativen, wie auch immer gearteten Biedermeierstil festhielt oder aber eine modernere, vielleicht sogar avantgardistische Auffassung vertrat, sodass die Volksbühne den Charakter eines Experimentiertheaters (vergleichbar etwa mit den Klein- und Kellertheatern Wiens) besessen hätte.

 

Marion Linhardt
„Franz Moor … Nicht als jener karikierte Mephisto im roten Mantel, roter Perücke, eine rote Hahnenfeder auf dem Barett …“
Kostümkonventionen des frühen 19. Jahrhunderts und das Wiener Vorstadttheater

Karoline Bauers berühmte Beschreibung der Darstellung des Franz Moor durch Ludwig Devrient im Jahr 1824 spricht implizit mehrere für die zeitgenössische Entwicklung des Bühnenkostüms entscheidende Aspekte an: In erster Linie geht es hier natürlich darum, dass Devrient mit einer Kostümtradition gebrochen und dem Franz Moor ein neues, ungewohntes Erscheinungsbild verliehen hat; dies verweist aber zugleich auf die grundsätzliche Idee einer Individualisierung des Bühnenkostüms und damit auch auf die bis dato vorherrschende und mit Auftritten wie demjenigen Devrients keineswegs überwundene Bindung eines standardisierten Kostüms an ein bestimmtes Rollenfach.

Devrients Entscheidung, Franz Moor „in der schwarz-samtnen, reich gestickten Adelstracht des vorigen Jahrhunderts, mit Spitzenkragen und Spitzenmanschetten, mit dem Galanteriedegen an der Seite und den eleganten noblen Manieren d’ancien régime“ zu geben, fällt in eine Zeit, in der sich in der Kostümgestaltung das Bemühen um historische Korrektheit bemerkbar macht bzw. in der zumindest die bis dahin auch im historischen Schau- und Trauerspiel vorherrschende Kostümierung nach der jeweiligen Zeitmode in den Hintergrund tritt.

Die Kostümgestaltung im frühen 19. Jahrhundert war also von Verschiebungen auf mehreren Ebenen gekennzeichnet, bestehende Konventionen wurden durch neue abgelöst. Das „Wiener Volkstheater“ war dabei in ganz eigene Regelwerke eingebunden, die für das „Hochtheater“ keine Geltung hatten: Rollenfachfixierungen hatten langfristig Bestand und fanden ihre extreme Ausprägung in den stehenden Typen, die mit einem eindeutig festgelegten Kostüm verbunden waren; neben der für das nicht-ernste, nicht-historische Genre maßgeblichen Orientierung an der aktuellen Kleidermode erforderten die behandelten Sujets sehr wohl Auseinandersetzungen mit zeitlich und räumlich fern liegenden Bekleidungsstilen; das ländliche Kostüm bzw. die Tracht spielte neben Standeskostümen eine wichtige Rolle. Den Rahmen für diese bühnenästhetischen Sachverhalte gab die Alltagspraxis der Theater ab, in der in erster Linie aus dem Fundus ausgestattet wurde und SchauspielerInnen einen Grundstock an vielseitig verwendbaren Kostümteilen selbst zu stellen hatten.

 

Matthias Mansky
Schiller im Fleischwolf oder Fiesko in Wien
Ein Beitrag zur frühen Schiller-Rezeption in Österreich

Ähnlich wie die Dramen des jungen Goethe kommt es auch bei den Stücken Schillers erst über den Umweg von Wandertruppen und mit zeitlicher Verspätung zu vereinzelten Aufführungen auf den Wiener Theatern. Während seine Werke dem Wiener Publikum in gedruckter Form zugänglich sind, schaffen es bis zu seinem Tod lediglich Die Verschwörung des Fiesco zu Genua und Die Jungfrau von Orleans auf die Bretter der Hofbühne, eine Tatsache von der sich zahlreiche Wissenschafter irritiert zeigen. Die anfängliche josephinische Skepsis gegenüber den frühen Dramen Schillers wird vor allem von Seiten der älteren Forschung einer literarischen Rückständigkeit zugeschrieben. Lediglich durch Hinweise auf die rigide Zensurpraxis und die mangelhaften Bühnenbearbeitungen versucht man gemeiniglich die unzureichende Würdigung seiner Werke in Wien zu rechtfertigen bzw. zu entschuldigen. Demgegenüber sollen anhand des republikanischen Trauerspiels Die Verschwörung des Fiesco zu Genua – bei dem es sich wohl weder um Schillers bestes noch um sein bühnenwirksamstes Drama handelt – verschiedene parodistisch-satirische Zugänge in Wien erläutert werden, die auch die Grenzen zwischen Hoftheater und ‚volkstheatraler’ Bühnenpraxis ein wenig verschwimmen lassen. Die im Vortrag herangezogenen Quellen veranschaulichen die verschiedenen Möglichkeiten der parodistischen Destruktion des Erhabenen, Heroischen und Tragischen, die einen Grundzug der österreichischen Komödienliteratur seit dem frühen 18. Jahrhundert ausmacht. Während die Erstaufführung des Fiesco am Burgtheater bereits ungewollt parodistische Züge aufgewiesen haben dürfte, distanzieren sich die österreichischen Aufklärer in literarischen Satiren von den dramatischen Novitäten des Sturm und Drang und somit auch von Schillers Trauerspiel. Die Parodie Joseph Alois Gleichs Fiesko der Salamikrämer (1813) gewinnt hingegen bereits eine nicht zu übersehende Eigendynamik. Der Vortrag soll in der Darstellung des Übergangs von früher Literaturkritik zur Parodie am Vorstadttheater, in der sich bereits zusätzliche Möglichkeiten der Gattung andeuten, einen im Verhältnis ‚Schiller und Wien’ gern ausgesparten Themenkomplex referieren, und so zumindest einen Mosaikstein zur österreichischen Rezeption des heutigen Klassikers leisten.

 

Beatrix Müller-Kampel
Kasperl und die Frauen
Am Beispiel von Stücken aus dem Repertoire des Leopoldstädter Theaters (Ferdinand Eberl, Leopold Huber, Karl Friedrich Hensler, Karl Marinelli, Joachim Perinet)

Man kennt die Grundkonstellation nicht nur aus den Hanswurstiaden des 18. Jahrhunderts, sondern schon aus dem frühneuzeitlichen Fastnachtsspiel wie auch danach aus den deutschen Schwänken des 19. und 20. Jahrhunderts:

Während der aushäusige Bühnen-Ehemann stets fremden Schürzen nachjagt, wartet der weiblich Hausdrache grollend zu, bis dass er dem untreuen Ehegespons es heimzahlen kann (wörtlich oder brachial). Wichtig nahmen derlei weder die Theaterhistoriographie noch die Germanistik, weder die Psychoanalyse noch die Genderforschung (in deren Gebiet derlei ‚Leidenschaften‘ eigentlich fallen).

Der Vortrag versucht die Kategorien und Perspektiven der relativ jungen Emotionsforschung an den in den Stücken stets karikierten Beziehungsmustern zu überprüfen und dergestalt zu validieren. Zugleich soll damit ein vertiefter Zugang zu den Stücken der ‚Hausautoren‘ des Leopoldstädter Theaters und dessen Hauptprotagonisten Johann Josef La Roche gewonnen werden.

Überdies soll die Frage gestellt werden, ob und inwiefern von der Karikatur/Satire des Gefühls auf der Bühne auf zeitgenössische Wahrnehmungs-, Urteils- und Gefühlsmuster geschlossen werden kann – und wenn ja, in welchem Modus und mit welchen Einschränkungen.

 

Christian Neuhuber
Joseph Krones, Nestroy in nuce?

Auch wenn er heute beinah völlig vergessen ist, war Joseph Krones (1797–1832), Komiker an der Seite Raimunds und Nestroys am Leopoldstädter Theater und am Theater an der Wien, ein talentierter Bühnenautor. Geschickt wusste er gängige Sujets und effektvolle Einfälle in Szene zu setzen mit einem unbestreitbaren Gespür für die speziellen Charakteristika und Stärken seiner Kollegen, denen er maßgeschneiderte Rollen schrieb. Vielleicht hätte er sich mit seinen dramatischen Arbeiten einen bekannteren Namen erworben, hätte ihn nicht früh schon der Tod ereilt. Nur 17 Monate nach seiner Schwester Therese, dem legendären Bühnenstar der 1820er Jahre, starb er am 1. Juni 1832 „an der Auszehrung im 35. Lebensjahr“.

Der erste Teil des Referats zeichnet den Lebensweg Krones’ nach, der schon früh in der Truppe seines Vaters Bühnenerfahrung sammelte, um sich nach Jahren der Wanderschaft und kurzfristigen Engagements auf den Provinzbühnen der Monarchie schließlich auch an den Vorstadttheatern der Residenzstadt zu behaupten. Der zweite Teil geht auf die bislang ungelöste Frage ein, von wem die drei unter dem Namen seiner Schwester aufgeführten Komödien, das äußerst erfolgreiche, von Raimund erstinszenierte Zauberspiel Sylphide, das See-Fräulein (1828) sowie die rasch abgesetzten Stücke Der Nebelgeist und der Branntweinbrenner (1829) und Kleopatra (1830), tatsächlich verfasst wurden. Durch Handschriftenvergleiche und textanalytische Untersuchungen kann hier im Einzelnen Klarheit geschaffen bzw. der Blick der Forschung auch auf ein weiteres Familienmitglied, Joseph Krones senior, gelenkt werden. Im dritten Teil schließlich wird Krones’ letztes Lustspiel Die Zauberhöhle oder der Hausmeister unter den Hottentotten der etwa zur selben Zeit entstandenen Ballettparodie Der gefühlvolle Kerkermeister oder Adelheid die verfolgte Wittib Nestroys gegenübergestellt. In der (kurz umrissenen) Analyse von Text und Rezeption sollen genre- und zeittypische Elemente der Theaterpraxis, vielleicht aber auch der feine Unterschied gezeigt werden, der den ‚Kleinmeister‘ vom (späteren) Erneuerer und Vollender des Wiener Volkstheaters trennt.

 

Walter Pape
„Ein armer Mensch derf nix empfinden als den Hunger“
Komödien- und Possengefühle bis auf Nestroy

Siegfried J. Schmidt hat kürzlich von der „Medientauglichkeit der Emotionen“ gesprochen und festgestellt, dass nicht „alle Emotionen für alle Medien tauglich“ seien: Die Gattungen spielten eine „höchst selektive Rolle bei Auswahl, Herstellung und Darstellung von Emotionen“ (Siegfried J. Schmidt: Systemflirts. Ausflüge in die Medienkulturgesellschaft. Weilerswist: Velbrück 2008, S. 117).

Viele Komik- und Komödientheorien haben bisher verstellt, dass es in der Komödie wie in der Posse nicht nur um Spiel und Lachen, sondern vor allem um Emotionen geht. Am irreführendsten in dieser Hinsicht sind die vielzitierten Theoreme Schillers und Bergsons; wenn nach ersterem das Ziel der Komödie das höchste überhaupt sei, nämlich „frey von Leidenschaft zu seyn, immer klar, immer ruhig um sich und ins ich zu schauen“, dann sind Emotionen durchweg negativ konnotiert und zu überwinden. Und für Henri Bergson kann eine Figur nur dann komisch wirken, wenn „wir an der menschlichen Person alles beiseite lassen, was in uns Empfindungen weckt“. Die Gefühle in der Komödie spielen jedoch – wie in jedem Drama – auf beiden Seiten eine entscheidende Rolle: bei den Figuren und bei den Zuschauern; so erweckt ja z. B. nach Warning das ästhetisch Komische (also das Verlachte) Sympathie, weil der Zuschauer dankbar ist für den Lustgewinn durch das Lachen.

Der Vortrag wird nach einem kurzen Blick auf die Tradition der Dramen- und Komödiengefühle in den unterschiedlichen Lustspielformen am Beispiel Nestroys zeigen, welche Art und welcher Grad von Gefühlen (wie Freude, Trauer, Mitleid, Wut, Hass, Angst, Neid, Stolz, Liebe) in der Komödie thematisiert, wie sie dargestellt und beobachtet bzw. bei den Zuschauern hervorgerufen werden, in welchem Verhältnis sie zur Komik stehen und ob ihre Wertigkeit bzw. ihre Authentizität dadurch tangiert werden; denn zugänglich sind uns Gefühle nur in der Beobachtung von sprachlichen oder mimetischen Gefühlsäußerungen. Wenn Joachim Ritter konstatiert, dass es beim Lachen um Dinge gehe, die auch Anlass des Schmerzes, der Melancholie und der Skepsis gegenüber Größe und Wert des Lebens sein können, so könnte gerade eine Untersuchung der Komödien- und Possenemotionen im Kontext der jeweiligen Gefühlskultur ein wichtiger Baustein für eine neue Komödientheorie sein.

 

Oskar Pausch
Theater an der Wien, Carl Carl und das Carl-Theater
Neue Quellen

Der „Fonds Pokorny“ wird seit 1965 im Österreichischen Theatermuseum verwahrt. Er enthält die Brief- und Aktennachlässe von Franz, Alois und Ferdinand Pokorny, in denen sich immerhin auch wichtige Abschnitte der Direktionsarchive des Theaters in der Josefstadt und des Theaters an der Wien im 19. Jahrhundert verbergen. Dieses Material wurde – zumindest in Teilen – bisher nur von Siegmund Schlesinger, einem Schwiegersohn Franz Pokornys und bedeutenden Feuilletonisten, von Franz Hadamowsky und Johann Hüttner beachtet. Eine jetzt laufende Aufarbeitung hat bisher unbekannte Quellen zu Karl Carl, seiner Theaterführung und dem Verhältnis des Carltheaters „an der Donau“ zum Theater an der Wien während der Direktionszeit von Franz und Alois Pokorny ans Licht gebracht. Einiges davon soll im Referat vorgestellt werden.

 

Sigurd Paul Scheichl
Liebe im understatement

Wie drücken Nestroy-Figuren Liebe und Zuneigung aus? Pauschal gesagt: Überhaupt nicht. Genauer: (wahrscheinlich) durch nicht-sprachliche Mittel, die dem Schauspielerin und dem Schauspieler überlassen sind.

‚Liebesgeflüster’, das in Lustspielen anderer ein wichtiges Element auf dem Weg zum glücklichen Ende ist, gibt es bei Nestroy nicht, anders als beispielsweise in Raimunds Alpenkönig, um ein zeitlich und räumlich nahe liegendes Beispiel zu nennen. Die Pathosskepsis Nestroy’scher Dia- und Monologe lässt den Ausdruck von Emotionen kaum zu – und schon gar nicht den zärtlicher Gefühle; Wutausbrüche werden eher in Sprache umgesetzt. Das für Liebende in der Komödie zur Verfügung stehende Inventar an Floskeln und Wörtern der Zuneigung ist den Figuren Nestroys versagt, nicht zuletzt weil er sich durch das Vermeiden solcher Dialoge von allen Formen der verbreiteten trivialen empfindsamen Literatur distanzieren will – die diese sprachlichen Mittel unbrauchbar gemacht hat.

In manchen Parodien Nestroys wird diese Art des Redens über Gefühle sogar zum Gegenstand der Satire.

Wie Titus Feuerfuchs sich und dem Publikum am Ende des Talisman sein künftiges Glück an Salomes Seite (rot) ausmalt, ist ein typisches Beispiel für Nestroys Vermeiden der ‚Sprache der Liebe’. Emotionen werden allenfalls indirekt ausgedrückt, im understatement, z. B. in Kathis Gespräch mit Frau von Schleyer im Zerrissenen, wo allein das Interesse des Mädchens an der bevor stehenden Heirat des Herrn von Lips ein Indiz ihrer Zuneigung zu diesem ‚Bräutigam’ einer anderen ist.

Einige Beispiele solchen unterkühlten Ausdrucks von ‚Liebe’ sollen vorgestellt und analysiert werden, u. a. aus Heimliches Geld, heimliche Liebe und aus Kampl.

 

Thomas Steiert
Vom „Zauber der Musik“ im Wiener Volkstheater

Die Musik des Wiener Volkstheaters lässt sich nur bedingt als selbständige Sphäre von Theatermusik beschreiben; vielmehr bedient sie sich sämtlicher musiktheatralischer und musikalischer Genres von der Oper und dem Singspiel über die instrumentalen Gattungen bis hin zum Kunstlied und den vielfältigen Formen der Volksmusik. Als Eckpunkte dieses Spektrums von Anleihen und Einflüssen wäre einerseits das Quodlibet zu sehen, das entweder als Nummer oder als Gattung ausschließlich bereits vorhandene Musik kompiliert, andererseits das Couplet, das weitgehend frei von musikalischen Vorbildern unmittelbar aus der Textstruktur seine formale Gestalt gewinnt. Die vielfachen Verflechtungen der Theatermusik mit anderen musikalischen Bereichen deutet auf ihre funktionale Komplexität hin, die durch eine stückimmanente Betrachtungsweise nicht zu erfassen ist, sondern aus einem übergeordneten kulturellen Zusammenhang zu erklären wäre.

Folgende Aspekte sollen angesprochen werden:

  • Umwertung der musikalischen Anleihen: die Differenz zwischen der „Theatermusik“ und den ursprünglichen Kontexten, aus denen die Musik stammt.
  • Vergleich mit der zeitgenössischen Ballettmusikpraxis: Arrangements aus Opern und Herausbildung einer anwendungsbezogenen Gebrauchsmusik
  • zeitgenössische Distributionsmechanismen als Voraussetzung für die Quodlibet-Praxis: Verbreitung von Bearbeitungen populärer Opernnummern in der Klaviermusik (Variationsgenres in der Kunstmusik, simplifizierende Bearbeitung für die „Hausmusik“)
  • Volksmusik als Fundus für das Theater: Wechselwirkungen zwischen dem Straßenlied und dem Theaterlied

 

 

 

 

 

 

Martin Stern
Die „Wienerpossen“ in Berlin
Anlass für Gottfried Kellers Hoffnung auf eine Erneuerung der politischen Volkskomödie

Das Referat kommentiert einen Brief Kellers an den Germanisten Hermann Hettner von 1850 sowie eine Stelle im 8. Kapitel des zweiten Buches des Grünen Heinrich von 1854, wo der junge Erzähler nach der Tell-Aufführung das Gebaren politischer Kannegießer kritisiert. Der Brief, aus dem Hettner 1851 ganz Partien in seine Abhandlung Das moderne Drama übernahm, schildert ausführlich und mit Begeisterung Berliner Gastspiele von „mehreren Wienerkomikern“, die im Sommer 1850 am Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater stattgefunden hätten und „Vorboten einer neuen Komödie“ seien, weil sie in aristophanischem Geist wieder politische Kritik wagten. Keller preist den Witz der Couplets, aber ebenso das hinreißend komische Mienen- und Gebärdenspiel und die Kunst der Anspielungen und Improvisationen. – Dieser Brief gibt Probleme auf. Denn erstens nennt sein Verfasser weder Werktitel noch Aufführungsdaten, und zweitens zeigt ein Blick auf die lange Liste der Stücke der Berliner Sommergastspiele von 1850, die Keller besucht haben könnte, dass darunter nur wenige waren, die noch politisch Farbe zu zeigen wagten – im Gegensatz zu den zahlreichen Stücken der beiden Vorjahre, als Keller noch in Heidelberg studierte. Wie kam sein Urteil zu Stande, das – angesichts der schon mächtigen politischen Repression und Zensur – eindeutig zu optimistisch war? – Noch anderes erstaunt an seinem Brief: Sein Verfasser ist noch immer der Meinung, er müsse sich gemäß dem Stipendium, das er aus Zürich bezog, in Berlin zum Dramatiker ausbilden. Dabei scheiterten sowohl seine Trauerspiel- als auch seine Lustspielversuche. Am Entstehen aber war sein Jahrhundertroman, die erste Fassung seines Grünen Heinrich. Auch in diesen könnten, wie angedeutet, kritische Beobachtungen und Reflexionen über politisierende „Volksvertreter“ eingeflossen sein, wie er sie in den „Wienerpossen“ 1850 in Berlin begeistert miterlebt hatte.

Die einschlägige Partie des Briefes an Hettner vom 16. September 1850 wird den Teilnehmern des Symposium als hand out zur Verfügung gestellt, so dass auch die vielen Bezugnahmen auf historische Ereignisse und Theaterverhältnisse en detail diskutiert werden können. – Der ebenfalls zu kommentierende Abschnitt im Grünen Heinrich (Zweiter Band, achtes Kapitel) wurde auch in der zweiten Fassung des Romans beibehalten.

 

Rainer Theobald
Theater in Folio und Oktav
Bühnengeschichte als Sammelgebiet

Anders als die Mehrzahl bekannter Privatsammler kulturgeschichtlicher Pretiosen kam ich durch meine berufliche Laufbahn dazu, Dokumente zur Geschichte des Theaters zu sammeln. Dabei dienten mir in- und ausländische Sammlungen zum Vorbild, die einst ebenfalls von Privatleuten gegründet worden waren. Das Theater als eine kurzfristige Versammlung vieler Künste widersetzt sich seinem Wesen und seiner Ausdehnung nach dem Versuch, seine historisch-ästhetischen Kollektiv-Ereignisse in ihren Überbleibseln zu sammeln und möglichst komplett zu konservieren. Dennoch ist ein Zusammentragen dieser Materialien geeignet, die Erforschung historischer Theatervorstellungen entscheidend zu fördern oder überhaupt erst zu ermöglichen, sofern eine sinnvolle Abgrenzung und Systematik solche Sammeltätigkeit regiert. Aus der Abwägung von Angebot, Nachfrage, Möglichkeiten und Grenzen ergaben sich für mich drei Schwerpunkte, die in optimaler Weise mit originalen Zeugnissen und mit Sekundärliteratur zu belegen ich mir vornahm, um eigene und fremde Forschungen und Publikationen gezielt zu begünstigen, wie es sonst nur wenigen Instituten und auch dort oft nur unvollkommen möglich zu sein schien. Dazu galt es zu klären, welche Gattungen theaterhistorischer Relikte überhaupt existieren, welche Fachliteratur bereits vorliegt und in welchem Ausmaß beides zu erwerben sowie systematisch zu lagern und auszuwerten ist. Es zeichneten sich vier Kategorien theaterhistorischer Themen ab, nach denen von der Forschung gefragt wurde: historisch-chronologische, gattungsspezifische, personenbezogene und ortsspezifische Phänomene. Die Gattung der Oper mit ihren Dokumenten und ihrem Stellenwert in der Sammlung Theobald soll exemplarisch für die Kategorie gattungsspezifischer Fragestellung ausführlicher behandelt werden. Für ein Referat in Schwechat bieten sich vor allem die Bestände an Zeugnissen zur Barockoper in Wien an. Es wird gezeigt, daß die gedruckten Libretti des 17. und 18. Jahrhunderts als einzige unmittelbare Relikte einer konkreten Aufführung die ergiebigsten Datenträger des mit dem Theaterabend vergangenen kollektiven Kunst-Ereignisses sind. Hierzu wird eine Reihe von Beispielen besonders seltener und wertvoller Drucke aus meiner Sammlung herangezogen. Auch für die Kategorie der personenbezogenen Objekte werden noch einige Beispiele angeführt. Zum Abschluß soll ein zahlenmäßiger Überblick über die verschiedenen Gruppen von Gegenständen innerhalb der rund 20.000 Objekte in der Theatersammlung Rainer Theobald den Reichtum an nutzbaren Quellen ins Bewußtsein rufen.

 

Till Gerrit Waidelich
Eduard von Bauernfeld
Lust- und Trauer-Spielereien

Eduard von Bauernfeld setzte sich in seinen frühesten dramatischen Versuchen intensiv mit der eigenen Biographie und jener seiner teils exzentrischen Freundeskreise auseinander.

In unterschiedlichsten Arrangements und Szenenformen, aber auch veritablen kleinen Dramen, werden Freunde, Professoren und er selbst porträtiert. Angeregt wurde er dabei sowohl vom Volkstheater, als auch der intensiven Lektüre zur Vorbereitung der Wiener Shakespeare-Ausgabe.

Seine bereits zu Schülerzeiten begonnenen Notate von Bonmots, phantasierten oder wirklichen Erlebnissen, die teils auf losen Blättern, teils in „Suddel-Books“ aufgezeichnet wurden, zog er auch in den Jahrzehnten seiner großen Erfolge immer wieder heran.

 

Fred Walla
Johann Nestroy als Vertreiber seiner selbst

Vieles aus Nestroys Biographie ist noch wenig erforscht bzw. allgemein bekannt.

Ferdinand Raimund hat alle seine Stücke (zugegebenermaßen nur acht) selbst eifrig an den Mann bzw. an die Bühnen gebracht. Von Nestroy wissen wir das nicht so genau. Aus den Briefen erfahren wir, dass er einige Stücke selbst, andere durch Theateragenten (zunächst Adalbert Prix) vertreiben hat lassen (hat vertreiben lassen). Anekdotisch ist überliefert, dass Nestroy für den Lumpacivagabundus 25 Gulden bekommen habe (Renate Wagners Feststellung „Jedenfalls überließ er die Rechte an seinen Stücken zu einem Schlüssel von 60/40 dem Agenten Prix“ (Nestroy zum Nachschlagen. Sein Leben – Sein Werk – Seine Zeit, Graz-Wien-Köln 2001, S. 246) beruht auf einer missverstandenen Briefstelle (vgl. die Erläuterungen zu Johann Nestroy, Briefe, hg. von Walter Obermaier, Wien 1977, S. 38)).

Über die Briefe hinaus gibt uns Bäuerles Theaterzeitung durch ihre Anzeigen Auskunft darüber. Es ergibt sich ein differenzierteres Bild. Viele der großen Erfolge seiner mittleren Jahre hat Nestroy selbst vermarktet (oder doch durch Marie Weiler vermarkten lassen?). Allerdings gelang es nicht, alle Stücke zu erfassen.

Interessant wäre es, die Agententätigkeit Nestroys zu anderen Aspekten seiner Biographie (Auslastung durch Auftritte und Schriftstellerei, Schauspieltätigkeit der Marie Weiler) in Beziehung zu setzen. Für seine letzten Stücke gibt es keine Hinweise, vielleicht wurden sie von den Angestellten des Carltheaters vertrieben.

 

Gar Yates
Das (Bühnen-)Leben der Anderen
Zu Nestroys Schauspielerkollegen und -kolleginnen

Die erste Hälfte des Referats geht den Folgen des frühen Tods der Lokalsängerin Thekla Kneisel nach, für die sich zunächst keine geeignete Nachfolgerin fand: Auf Elise Zöllner folgten verschiedene Schauspielerinnen, bis im Februar 1835 Nestroy ein Personenverzeichnis für Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab zusammenstellen konnte, das Rollen für Adele Muzzarelli, Doris Dielen, Marie Weiler und Eleonore Condorussi einschloß. Erst 1839, nach Carls Übernahme des Theaters in der Leopoldstadt, stand mit Elise Rohrbeck wieder eine Lokalsängerin und schauspielerin mit Charisma – „für die Volksbühne eine wahre Perle“ (Der Sammler, 15.12.1840) – dem Dramatiker zur Verfügung.

Der zweite Teil des Referats befaßt sich mit zwei männlichen Ensemblemitgliedern: Wilhelm Brabbée, dem ersten Christopherl in Einen Jux will er sich machen, und Franz Gämmerler, der seit Carls Münchner Jahren zu dessen Truppe gehörte und 1825 mit ihr nach Wien kam, und der nach Carls Tod 1854 einen informativen biographischen Erinnerungsband Theater-Director Carl, sein Leben und Wirken veröffentlichte.

  1. Was für ein privates Minenfeld dahinterstecken mochte, darüber können wir nur spekulieren; Tatsache bleibt, daß sich Die verhängnißvolle Faschings-Nacht sowie Der Erbschleicher um eine Wahl zwischen zwei Frauen drehen, die in beiden Fällen von Weiler und Condorussi gespielt wurden. (Louise Adey Huish, ‚Der experimentierende Nestroy‘, 1999)
  2. Nestroy und Nestroys Kollegen dominierten die Bühne dermaßen, daß den Frauengestalten nicht allzu viel Raum verblieb. Dazu kam, daß etwa acht bis zehn ausgezeichneten Volksschauspielern der Raimund- und Nestroy-Zeit bloß eine einzige Frau gegenüberstand, die sich an Talent und Popularität mit ihren männlichen Kollegen messen konnte. Das war die frühverstorbene Therese Krones (1801–1830). Zu Nestroys Lebzeiten gab es keine in diesem Sinn überragende weibliche Bühnen-Darstellerin. Freilich fällt anderseits auf, daß – ähnlich wie bei den männlichen Rollen – auch die weiblichen an Plastizität und Farbe gewannen, je größer das schauspielerische und sängerische Talent ihrer Trägerinnen war. (Herbert Zeman, Johann Nepomuk Nestroy, Wien 2001, S. 176)
  3. Mad. Rohrbeck, die so beliebte Benefiziantin wurde freundlichst begrüßt, und sie spielte ihre Rolle (Roserl), mit jener Charakteristik, die wir an dieser so ausgezeichneten Localdarstellerin zu sehen gewohnt sind. […] Uiberhaupt erscheint uns Mad. Rohrbeck stets als ein Reis, das, auf jene gute Zeit ge[f]propft, welche Raimund, Krones u. s. w. durchblitzten, den Saft jener ewigzurückzusehnenden Totalmunterkeit – einsog, und uns als grüner Zweig erscheint, der uns aus jenen entschwundenen Tagen heraufwinkt in die frohe Gegenwart. Besonders licht tritt Mad. Rohrbeck hervor, wenn ihr Scholz und Nestroy zur Seite stehen, diese zwei unversiegbaren Bronnen sprudelnder Laune. (–rzr–, Theaterzeitung, 15. 12. 1840)
  4. Das Bild, das ich Dir hier spendire,
    Häng’ hoch auf über Deine Thüre,
    Auf daß es Dein Kämmerlein ziere,
    Tapferster der bairischen Ex-Kanoniere.
    (Nestroy, 1845 [Nachträge II, 370])

 

 

 

 

 

 

Information zur Exkursion nach Brno/Brünn
Dienstag, 30. Juni 2009

Abfahrt 8:15 Uhr vom Justiz-Bildungszentrum. Ankunft etwa 11 Uhr in Brünn. Voraussichtliche Heimfahrt um 16.30 Uhr, Ankunft im Justiz-Bildungszentrum etwa 19 Uhr. Bitte Personalausweis oder Reisepass mitnehmen.

Auf der Fahrt Informationen zu Brünn, insbesondere zu Nestroys Beziehung zu dieser Stadt (Engagement 1825/26, Gastspiele, „Eisenbahnheiraten“ etc.). Ankunft in Brünn auf der Festung Spielberg. Besichtigung der Kasematten (ca. 1 Stunde, Eintritt 80 Kronen). Dann Abstieg in die Altstadt und Beginn des Stadtrundgangs, der zu einigen der wichtigsten Bauten (vor allem auch Nestroy betreffend) führen wird: Dominikanerplatz, Krautmarkt mit Reduta (das Theater, in dem Nestroy auftrat), Altes Rathaus, ehemalige Statthalterei, Dom, Thomaskirche, Jakobskirche, Mahentheater, etc.). Dazwischen (ca. 13.00 – 14.30 Uhr) Mittagspause und Möglichkeit, individuell Essen zu gehen.

Fahrpreis: 25 Euro. In vielen Lokalen kann man mit Euro zahlen; die Möglichkeit, Tschechenkronen zu besorgen, wird am Montag in Schwechat bestehen (derzeitiger Kurs 1 EURO = ca. 23 – 25 CZK).

Spielberg – Dominikanerplatz (St. Michael, Besedni Dum) – Dom – Krautmarkt (Redouta, Parnaßbrunnen) – Altes Rathaus – Freiheitsplatz – Komeniusplatz (Masaryk-Universität, Janacekakademie) – Statthaltereipalais und Thomaskirche – Jakobskirche – Jesuitenkirche – Mahentheater.

Verbindliche Anmeldung bis 15. Juni 2009