Charivari
„Fuck your property“ und „Capitalism is the virus“ hat jemand auf das Gebäude des ehemaligen Kürschners Muffinger gesprayt. Nicht einmal der tattrige Hausknecht verhehlt seine Verachtung des reichen Herrn. Der, im protzigen Pelz, will seinen verklemmten Sohn partout mit dem Bücherwurm von Mündel verheiraten, gegen beider Willen. Doch die vife Köchin und ihr genialischer, aber krankhaft eifersüchtiger Ehemann bringen Muffinger mit einer haarsträubenden Intrige zur Strecke. Soweit der Plot von „Charivari“, das die Nestroyspiele mit dem ihnen eigenen Mix aus literaturwissenschaftlichem Interesse und politischer Griffigkeit zur zweiten Realisierung seiner Geschichte bringen. Bei der Uraufführung kurz nach der gescheiterten Revolution 1848 fiel Nestroys Stück nämlich nachhaltig durch.
Angesichts der Wiederentdeckung lässt sich das zwar gut nachvollziehen, aber Regisseur Peter Gruber packt die krude Posse mit Tempo und Respektlosigkeit an. Neben virtuosen Travestienummern von Oliver Baier glänzt durch unverkrampft resches Nestroy-Spiel Michelle Haydn als Köchin Kathi. Die von Gruber und Baier gedichteten Zusatzstrophen der Couplets fallen besonders bissig aus. Über den Reim vom Kanzler und seinem Schwanzier lachte bei der Premiere sogar die Landeshauptfrau. (Martin Pesl)