Nestroy-Spiele 2009

Heimliches Geld, heimliche Liebe

37. Nestroy-Spiele Schwechat 2009 im Schlosshof der Rothmühle
in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5
Premiere 27. Juni 2009, Vorstellungen bis 1. August 2009

 

 

Trailer

„Was Nestroy betrifft, ist Wien eine Vorstadt von Schwechat“ und „Schöner kann man Nestroy nicht auf die Bühne bringen“ – diesem Kritikerlob wollen die Nestroy-Spiele auch in ihrem 37. Jahr gerecht werden. Heuer zeigen wir ein lange unterschätztes spätes Meisterwerk Nestroys aus dem Jahr 1853. Die „revolutionären“ Träume von politischer Freiheit und einer Besserung der sozialen Verhältnisse sind geplatzt. Industrialisierung und Kapitalismus bestimmen den Kurs, die kleinen Leute müssen den Mund halten, verheimlichen, vorsichtig sein, um nicht das Wenige zu verlieren, das sie noch haben, mitunter auch zu Tätern werden, um überleben zu können. Ihren Kampf um Liebe und Geld, die so selten Hand in Hand gehen, schildert Nestroy spannend, geistreich und mit komödiantischer Brillanz. Es spielt das bewährte Nestroy-Ensemble rund um Regisseur Peter Gruber.

Besetzung

  • Herr von Makler, Spekulant Franz Steiner
  • Hortensia, seine Frau Maria Bittner
  • Adolar, deren Sohn, Student in Berlin xxx
  • Frau von Lärminger, Fabrikantin, Witwe Bella Rössler
  • Marie, ihre Stieftochter Martina Hinterleitner
  • Herr von Flau, deren Vormund Harald Schuh
  • Pemperer, Werkführer bei der Firma Lärminger Horst Salzer
  • Leni, seine Tochter, Küchenmädchen Rebecca A. Döltl
  • Theres, Wirtschafterin Sissy Stacher
  • Peter Dickkopf, ehemaliger Krämer Bruno Reichert
  • Casimir Dachl, sein Stiefsohn, Kupferschmiedgeselle Christian Graf
  • Franz Glimmer, sein Neffe, Kupferschmiedgeselle Florian Haslinger
  • Arbeiter Peter Kuno Plöchl, Peter Koliander, Alex Lainer,
    Andreas Herbsthofer-Grecht
  • Nazl, Lehrjunge Melina Rössler
  • Pfanzer, Hausmeister Andreas Herbsthofer-Grecht
  • Regerl, seine Frau Gabi Holzer
  • Körbl, Kräutlerin, Witwe Maria Sedlaczek
  • Gottfriedl, ihr Sohn Alex Lainer
  • Nettl, Köchin Sabine Stacher
  • Janina, arbeitslos Milena Nikolic
  • Dorotka, arbeitslos Susanne Adametz
  • Bittmann, arbeitslos Peter Koliander
  • Nemo, Asylwerber xxx
  • Staub, Comptoirist bei Makler Alex Lainer
  • Notar Peter Kuno Plöchl
  • Inszenierung Peter Gruber
  • Mitarbeit Christine Bauer
  • Regie- und Dramaturgieassistenz Anna Steger
  • Musik und Akkordeon Christian Selinger
  • Bühne Alexandre Collon
  • Ausstattungsassistenz Milena Nikolic
  • Bühnenrealisation Günter Lickel
  • Kostüme Okki Zykan
  • Maske Sigrid Lessel, Sabine Stropeck
  • Maskenassistenz Veronika Mikus
  • Lichtdesign Robby Vamos
  • Lichttechnik Thomas Nichtenberger
  • Organisation Christine Bauer
  • Pressebetreuung Barbara Frank-Vanura
  • Büro und Kassa Sabine Stacher
  • Mitarbeit Katharina Rodax, Grete Seitl

Pressestimmen

Österreich, 29. Juni 2009: Nestroy ganz aktuell

Regisseur Peter Gruber hat bei den 37. Nestroyspielen in Schwechat ein tiefschwarzes Ass aus dem Ärmel gezogen. Denn Heimliches Geld, heimliche Liebe ist keine heitere Komödie, sondern eine düstere, gesellschaftskritische Groteske, die in Zeiten von Finanzkrise und Asyldramen nichts an Aktualität eingebüßt hat. In einer vom Geld korrumpierten Gesellschaft intrigieren und lustwandeln sie, die Armen wie die Reichen. Herausragend aus dem guten Ensemble: Christian Graf als Kasimir und Bruno Reichert in der Rolle des Dickkopf. (Andrea Kramer)

Kurier, 29. Juni 2009: Bitterböses Spiel um die Gier als Erfolgsgeschichte

„Den ganzen Sommer ka Regen!“ – dafür erntet die Kräutlerin Sali den ersten Lacher des Abends und nimmt das einzige Problem der Premiere von „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ in Schwechat vorweg: Wohl bedingt durch die Wettereskapaden in der letzten Probenphase wirken manche Abläufe und Übergänge noch etwas unroutiniert; doch sonst gibt es Nestroy vom Feinsten. In Peter Grubers Regie, für den Nestroy wohl den Ehrentitel des Zuckergussentschlackungsspezialisten erfunden hätte, prallen die sozialen Gegensätze zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten hart aufeinander. Die finden ihre optische Entsprechung auch in den kontrastierenden Lebenswelten zwischen Salon und Dachkammer, die das ungemein flexible Bühnenbild von Alexandre Collon widerspiegelt. Im brillanten Spiel Bruno Reicherts als verarmtem Krämer Peter Dickkopf wird klar, dass dessen nahezu erotische Beziehung zum Geld nicht bloß einer miesen charakterlichen Disposition entspringt, sondern den ökonomischen Verhältnissen. Zum Betrüger wird er, weil er sich selbst um alles betrogen fühlt. Die gallbitteren Zynismen seines Stiefsohns Casimir schießt Christian Graf treffsicher ab. Die anspruchsvolle Wortakrobatik transportiert er punktgenau und verständlich bis in die Couplets (mit pointierter Rhythmik musikalisch unterlegt von Christian Selinger). Rund um die beiden tritt ein engagiertes Team den Beweis an: Nestroy ist krisensicher. (Barbara Pálffy)

Kronen Zeitung, 29. Juni 2009: Spart nicht mit Spott

Nestroys Posse „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ zum Start der 37. Nestroy-Spiele in Schwechat vor dem schönen Schloss Rothmühle: Peter Grubers Inszenierung trifft genau den Charakter des Spätwerks, einer oft verwirrenden, aber durchaus aktuellen Geschichte über soziale Missstände und die arrogante, habgierige Gesellschaft (Bühne: Alexandre Collon). Und das vor allem auch dank der Qualität der Schauspieler. Allen voran gefällt Christian Graf als Casimir Dachl, der Nestroys scharfzüngigen Witz und Spott über die Wiener Biedermeier­gesellschaft perfekt trifft. Bruno Reichert als Dickkopf, Florian Haslinger als Glimmer und alle anderen fügen sich überzeugend ins Gesamtbild dieser genauen, klugen Gruber-Inszenierung. Viele Lacher! (Florian Krenstetter)

APA, 28. Juni 2009: Aktueller Nestroy in Schwechat: Peter Gruber zeigt selten gespielte Posse bei den Nestroy-Spielen als Abgesang auf verlorene Utopien

„Heimliches Geld, heimliche Liebe“ steht in diesem Sommer auf dem Spielplan der Nestroy-Spiele Schwechat im Hof von Schloss Rothmühle in Rannersdorf. Die Premiere am Samstagabend wurde einmal mehr zum verdienten Erfolg des bewährten Ensembles und seines Regisseurs Peter Gruber, der einer als eher spröde geltenden Nestroy-Posse verblüffend aktuelle Bezüge abgewonnen hat.

„Heilig sei das Eigentum“ steht mit Kreideschrift auf einer der düster-schäbigen Bühnenwände zu lesen, zwischen denen ein wechselhaftes Spiel von Hoffnung, Enttäuschung, Gier und Gerechtigkeit seinen Lauf nimmt. Es scheint fürwahr keine Aussicht auf Änderung der Verhältnisse zu geben, „weil Oben und Unten, Reich und Arm, Geld und Liebe wohl ewig unvereinbare Gegensätze bleiben werden“, wie Gruber im Programmheft vermerkt, nicht ohne zwischen der postrevolutionären Zeit des 19. Jahrhunderts und unserer krisengebeutelten Gegenwart klare Parallelen zu erkennen – und auch zu verdeutlichen.

So zieht sich denn die soziale Kluft durchs Personal des bestens inszenierten Stücks, vom Spekulanten namens Makler (Franz Steiner) und der Fabrikantin Lärminger (Bella Rössler) über den groben Werkführer Pemperer (Horst Salzer) bis zum intriganten Schreiber Dickkopf (Bruno Reichert), dem proletoiden Hausmeister (Andreas Herbsthofer-Grecht) und der korpulenten Kräutlerin Körbl (Maria Sedlaczek). Den Kupferschmiedgesellen Casimir (Christian Graf) und Franz (Florian Haslinger) ist es vorbehalten, doch noch eine Art Happy End zu erkämpfen. Die Grundstimmung erscheint dennoch resignativ, und wenn Christian Selinger in den Umbaupausen mit seinem Akkordeon die Bühne umwandert, wirkt es wie ein Leichengang als Abgesang auf verlorene Utopien. (Ewald Baringer)

Der neue Merker, 8. Juli 2009: „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ von Johann Nestroy

Als „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ 1853 uraufgeführt wurde (eines der späten Nestroy-Stücke), war es ein Misserfolg. Man warf dem Autor vor, „gemeine“ Personen des niedrigen Standes auf die Bühne zu bringen. Gerade das macht dieses Werk für uns interessant – der Blick in die damalige Arbeitswelt (hier ist es eine Kupferschmiede-Fabrik), der Kontrast zwischen den elendiglich armen Leuten und den im doppelten Sinn unverschämt reichen – unverschämt, weil sie alle meinen, mit Geld alles kaufen zu können; und unverschämt, weil keiner von ihnen auf rechtem Weg zu diesem Reichtum gekommen ist. Regisseur Peter Gruber muss fast nichts tun, um ein Stück wie dieses aktuell zu machen – in Zeiten wie diesen spricht „Heimliches Geld, heimliche Liebe“ für sich selbst. Und die Nestroy-Spiele Schwechat, die bereits das 37. Jahr in Szene gehen, erweisen sich wieder als Hochburg des Nestroy-Verständnisses und Nestroy-Verstandes.

In der Rothmühle in Rannersdorf bei Schwechat würde man vermutlich auch dann nicht auf Aufwand setzen, wenn man es könnte: ein schlichter Hof, eine einfache Pawlatschenbühne, Schauspieler mit Umbauverpflichtung, eine Ausstattung (Alexandre Collon) so lapidar und dabei ausdrucksvoll wie die Aufführung. Obwohl das 19. Jahrhundert optisch mitspielt, legt sich keinerlei Distanz zwischen Darsteller und Publikum: „Wir da oben, ihr da unten“ – darum geht es. Den ewigen Tanz um das Geld, um die paar Kreuzer oder die Tausender, tanzen beide.

Es gibt sie natürlich, die Menschen wie Peter Dickkopf (eine der „bösesten“ Figuren, die Nestroy je geschaffen hat): Sie sind so besessen von Geld, dass sie gewissermaßen den Verstand verlieren, jegliche Form von Anstand und Einsicht überhaupt. Er wird die ärmsten Leute noch um ein paar Kreuzer betrügen, er wird seine Verwandten um alles bringen, was ihnen zusteht, er wird greinen und zappeln vor Gier und Angst, dass man ihm etwas wegnimmt. Armselig und noch viel böser gedacht, als Bruno Reichert ihn nichtsdestoweniger glänzend spielt: Was Geld aus Menschen machen kann, Nestroy hat es geschrieben, die Inszenierung zeigt es.

Am anderen Ende der Skala steht der Spekulant mit dem sprechenden Namen „Herr von Makler“: Nicht nur, dass er sich von jeder Transaktion seine ganz dicke Scheibe abschneidet, er hängt sein Mäntelchen nach dem Wind, verrät den einen „Kunden“ an den anderen, wenn das vorteilhafter erscheint. Und ist die Figur, die jeder erkennt: der absolut skrupellose „Geldmacher“ für die eigene Tasche. Er könnte von der Bühne steigen und sein Büro in der nächsten Bank oder Investment-Firma beziehen. Vielleicht bei Goldman Sachs? Er wäre dort sicherlich willkommen. Auch in der Gestalt des gewandten, unter der verbindlichen Fassade so spürbar mit allen Wassern gewaschenen Franz Steiner.

Das „heimliche Geld“, für das diese beiden Figuren stehen, ist natürlich viel interessanter als die „heimliche Liebe“, und dennoch ist Casimir Dachl, der Arbeiter in der Kupferschmiedefabrik, rechtens die Hauptperson des Geschehens. Einerseits will die reiche Fabriksbesitzerin Frau von Lärminger (Bella Rössler macht sich in dieser Rolle so wenig lächerlich wie möglich) ihn heiraten, genauer gesagt: ihn kaufen, den tüchtigen Arbeiter und den jungen Liebhaber mit einem Zug einkassieren. Wie selbstverständlich anständig dieser Casimir ist, zeigt sich daran, dass er dieses Geschäft nicht eine Sekunde erwägt. Wie unerschütterlich intelligent er ist, ergibt sich nicht nur aus der brillanten Wortequlibristik, die Nestroy ihm in den Mund legt, sondern aus seinem Handeln: Die Intrige, durch die ihm seine Geliebte, ein armes Mädel (entzückend: Rebecca A. Döltl) entfremdet werden soll, durchschaut er schnell und löst sie ohne weiteres auf – kein sinnlos rasender Othello, sondern ein Mann, der nachdenkt. Und der in Erbitterung über die Verhältnisse, wie sie sind, eigentlich nur Gift und Galle sprühen kann. Christian Graf, nicht nur seit Jahren der „Star“ von Schwechat, sondern einer der besten Nestroy-Spieler des Landes, lässt hier einen souveränen Intellekt mit schönster Souveränität und herrlicher Bosheit tanzen. Entsprechend scharf klingen die dazu passenden Akkordeontöne, die Christian Selinger seinem Instrument als Couplet-Begleitung und in den Umbaupausen entlockt.

Ein Liebespaar mit Eigenschaften: Martina Hinterleitner und Florian Haslinger. Noch ein paar scharfe, witzige Leistungen – Horst Salzer als polternder Vater, die schöne Dümmlichkeit der Figur aufbauschend; Maria Sedlaczek als „Kräutlerin“, mit solidem Menschenverstand und scharfem Mundwerk durch das schwere Leben wogend; Gabi Holzer und Andreas Herbstdorfer-Grecht als gequältes Hausmeister-Ehepaar, das dauernd versucht, sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. Nestroy lacht über sie, hat aber diese Ärmsten der Armen mit ihren echten Problemen nicht vergessen. Der Regisseur hat ihnen noch ein paar Arbeitslose und Asylwerber beiseite gestellt, allerdings diskret genug – man hätte auch ohne sie verstanden, dass sich gar nicht so viel geändert hat.

Gewiss, es ist ein besonderes Stück. Aber man verdankt Inszenierung und Darstellern, dass es als solches kenntlich wird. Wem wirklich an Nestroy liegt, der sollte den Weg in Richtung Schwechat nehmen. (Renate Wagner)