Der Färber und sein Zwillingsbruder
15. Nestroy-Spiele Schwechat 1987 im Schlosshof der Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5, im Juli 1987
Besetzung
- Der Baron Horst Gaigg
- Der Kommandant Horst Gaigg
- Löwenschlucht, Verwalter jenseits der Grenze Willibald Mürwald
- Fräulein Cordelia, Löwenschluchts Schwester Hilde Lerner
- Peter, Löwenschluchts Bedienter Robert Herret
- von Waldau, Verwalter diesseits der Grenze Ernst Schüller
- Kilian Blau, Färbermeister Franz Steiner
- Mamsell Roserl, Kilians Verlobte Susanne Urban
- Anselm, Kilians Altgesell Leopold Selinger
- Kilians Freunde Franz Fangel, Alexander Sommer, Pepe Starman, Christoph Stepan
- deren Ehefrauen Elisabeth Gauster, Barbara Rittmann, Ulrike Schütz, Grete Seitl
- Gesellen in Kilians Färberei Martin Cejka, Franz Foret, Andreas Mozelt, Albert Schnaitl, Harald Schnaitl, Gerhard Volek
- von Dornberg, Kommandant der Grenztruppen Ernst Schüller
- Hermann Blau, Sergeant der Grenzgendarmerie Franz Steiner
- Madame Gertrud, Marketenderin Traude Selinger
- Sturm, Hermanns Fourierschütz Andreas Bauer
- Hermanns Kameraden Alexander Sommer, Pepe Starman, Christoph Stepan
- deren Amouren Elisabeth Gauster, Barbara Rittmann, Ulrike Schütz, Grete Seitl
- Soldaten bei Hermanns Truppe Martin Cejka, Franz Foret, Andreas Mozelt, Albert Schnaitl, Harald Schnaitl, Gerhard Volek
- Bischof Stephan Schlechtleitner
- Ein Schmuggler und Terrorist Poldi Selinger jun.
- Regie Peter Gruber
- Ausstattung Andrea Bernd
- Musik Herbert Ortmayr
Pressestimmen
Die Presse, 20. Juli 1987
In Schwechat ist Nestroys „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ zu sehen, ein Stück, das im gleichen Jahr wie „Der Talisman“ geschrieben wurde. Daß Tarnen und Täuschen der Inhalt des heiteren Spiels um einen ängstlichen und einen draufgängerischen Zwilling ist, läßt sich bereits am Bühnenbild ablesen, für das das Bundesheer zum Teil die Requisiten zur Verfügung stellte.
Da Franz Steiner die beiden Zwillinge Herbert und Kilian Blau ziemlich hölzern und sehr auf Äußerlichkeiten bedacht spielt, können die von früheren Aufführungen bekannten Nebendarsteller umso mehr brillieren, allen voran Robert Herret als Bedienter und unglücklicher Schwärmer, der das „überwuzelte“ Fräulein Cordelia (Hilde Lerner) aus dem Hause derer von Löwenschlucht am Ende doch nicht bekommt. Der Hof der Rothmühle ist mit heiter gestimmten Sonn- und Feiertagsbesuchern gefüllt, es gibt Würsteln und Bier und in der Pause mischen sich die Akteure ins Publikum: so kommt’s Theater unter die Leut’.(Regina Petsch)
Kurier, 10. Juli 1987: Einspringer in der Schlacht und in Amouren
Zwillinge existieren auf dem Theater lediglich, um miteinander verwechselt zu werden. In Johann Nestroys Posse „Der Färber und sein Zwillingsbruder“, nach einer Opernvorlage verfertigt, ist es nicht anders. Der schüchterne Färbermeister Kilian Blau muß für seinen draufgängerischen Bruder Hermann, einen Sergeanten, einspringen, als dieser eines Rendezvous wegen eine Schlacht versäumt.
Die Geschichte wirkt umso mehr an den Haaren herbeigezogen, als der Zensur zuliebe aus Soldaten Gendarmen gemacht werden mußten, so daß die Grenze, um die es geht, sich im Nebel auflöst. Wichtig ist sowieso nur, daß einer, der sich im Frieden duckt, zum Heros stilisiert wird, sobald er für einen couragierten Sprüchemacher suppliert. Daß er auch zum Einspringer im amourösen Bereich wird, erhöht den Spaß noch.
Um diesen geht es den Amateuren, die das Stück heuer an den Wochenenden vorm Schloß Rothmühle aufführen. Peter Grubers Inszenierung baut die Handlung einleitend in stummen Szenen aus, die vermuten lassen, daß es um die akrobatische Fertigkeiten des Ensembles besser bestellt sei als um die schauspielerischen.
Immerhin ist Franz Steiner in der Doppelrolle der Komik der Situationen durchaus gewachsen. Mit dem Charme eines erwachenden Peter Alexander zieht er die Lacher auf seine Seite. Auch Robert Herret und Susanne Urban profitieren vom witzigen Text, die übrigen lassen ihn wenigstens zu.
Der Abend war mild, die Gelsen waren gnädig – wie sollte es der Rezensent da nicht sein! Die Luft ist gut in Schwechat-Rannersdorf. (Kurt Kahl)
Neue Kronenzeitung, 5. Juli 1987: Ein Held wider Willen
Der Hof des Schwechater Rothmühle-Schlößchens ist genau die richtige Spielstätte. Nestroys Posse „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ zündet durch Wortwitz und Aktionen. Und die Akteure der Nestroy-Spiele sind mit Feuereifer bei ihrer Sache. Volkstheater im guten Sinn!
Es sind Laienschauspieler, die von Regisseur Peter Gruber nun schon im 15. Jahr geleitet werden. Manches wirkt schülerhaft, wie der Gesang oder die Sprechkünste einiger Chargen. Aber das Spiel bereitet allen viel Spaß.
„Die Mühen sind enorm, die Kraft von fünf, sechs Leuten steckt dahinter“, kommentiert Gruber. „Die Stadtväter unterstützen wohl, sind aber nicht sehr interessiert. Dabei ist das Unternehmen der einzige Kulturträger in Schwechat.“ – Franz Steiner, Lehrer in Schwechat, glänzt in der Paraderolle des biederen Färbers, des Helden wider Willen. Einmal in Fahrt gekommen – das heißt: in die k. und k. Montur geschlüpft, um den Zwillingsbruder aus drohender Gefahr zu retten –, führt er als trefflicher Komödiant das Ensemble an. „Schauspielerische Eitelkeit steht nicht so im Vordergrund“, lobt Gruber, „Man spricht nach den Proben nächtelang über das Stück.“ (MR)
Niederösterreichische Nachrichten, 8. Juli 1987: Auch Nestroy hätte mit den Schwechatern eine Freude
Freitag begannen die 15. Nestroy-Spiele Schwechat mit „Der Färber und sein Zwillingsbruder“. Vor ausverkauftem Haus (Hof) wußte das Ensemble St. Jakob einmal mehr zu begeistern.
Das Entstehungsjahr 1840 zeigt die Monarchie schon krisengeschüttelt, die Revolutionen 1848 keimen bereits. Nestroy gelingt es mit seinem „Färber“, die zartgesponnene Kritik als Art Zeitgeist in seine Person einzubauen. Da ist auf der einen Seite der Färbermeister Kilian Blau, der von sich selbst sagt: „an mir ist jeder Zoll Zivil!“, als Vertreter des sich im Aufwind befindenden Bürgertums mit seiner Braut Roserl, die sich anfangs als „Angeschmierte“ sieht, die aber in den Augen Kilians auf jeden Fall der Heirat zustimmen muß („Ich bin ein Färber und hab ein Geld “). Dem Paar gegenüber steht der Zwillingsbruder Hermann als draufgängerischer Sergeant der Grenzgendarmerie mit seiner Cordella, Schwester des Verwalters Von Löwenschlucht.
Eigentlich ist es nur die Geschichte des Färbers, der da plötzlich gegen seinen Willen die Rolle seines Zwillingsbruders übernehmen muß, und überrascht im scheinbar so weit auseinanderklaffenden Leben zwischen Militär und Zivil Parallelen findet. Es genügt, nur nicht vom Pferd zu fallen.
Hauptdarsteller Steiner alias Kilian und Hermann Blau personifiziert sich mit den Zwillingen vortrefflich. Großartig im künstlerischen Ausdruck, besonders begeisternd in seiner Mimik, versteht er es, glaubwürdig in die Rolle der Brüder zu schlüpfen. Gelungen auch seine Komik in amourösen Situationen.
Um nichts nach stehen ihm Willibald Mürwald als meist grimmiger, ihn stets pistolenbeladen verfolgender Rächer seiner Schwester Cordella – ein überzeugender Von Löwenschlucht! – und Robert Herret als Löwenschluchts Bediensteter Peter, dem es gelingt, aufgrund seiner individuell köstlich zum Ausdruck gebrachten Komik die Leute zu Szenenapplaus hinzureißen.
Hervorzuheben auch noch Susanne Urban als teils schüchternes, teils energisches Roserl, Traude Selinger als Marketenderin Gertrud und vor allem der ungestüme Andreas Bauer in der Rolle der Schützen Sturm.
Ein Kompliment Peter Gruber und dem ganzen Ensemble St. Jakob für einen neuerlich herzerfrischenden, mit viel Schwung (Lichteffekte, Saltis auf der Bühne) und originellen Ideen gespickten Nestroy. Der Dichter hätte mit der Schwechater Aufführung trotz weniger schwach besetzter Rollen (zu leise) seine Freude. Ganz im Sinne Nestroys auch die zarten Anspielungen auf Lokales, wie z.B. Die Renovierungen des Schlosses gerade jetzt während der Nestroy-Spiele. Zusammenfassend wirklich eine Aufführung, die empfohlen werden kann. (Hans Kähsmayer)
Badener Rundschau, 16. Juli 1987: „Nestroy-Spezialisten“ laden ein
Wenn Schloß Rothmühle in Schwechat (Rannersdorf) in den letzten 15 Jahren zu besonderem Ruhm gelangte, dann ist dies der Amateurtheatergruppe Sankt Jakob zuzuschreiben. Seit 1973 veranstaltet diese Spielgemeinschaft im Hof des Schlosses, allsommerlich, mit viel Elan und komödiantischen Ambitionen Nestroy-Spiele, die stets starke Resonanz in den Medien und Publikum finden, obwohl sie ungerechterweise im offiziellen nö. Theatersommerprogramm nicht erwähnt werden.
Die heuer vom Regisseur Peter Gruber (dem einzigen Profi) und dem Ensemble, mit viel Laune und Temperament auf die Pawlatschenbühne gebrachte Inszenierung der Posse „Der Färber und sein Zwillingsbruder“ wurde dem sarkastischen Spötter Nestroy wieder voll gerecht.
Es ist ihnen gelungen, den sozialkritischen Gehalt des Stücks – hier der Färbermeister Kilian Blau, ein Zivilist aus Überzeugung und da sein Zwillingsbruder Hermann, der das Soldatentum als Ausbruch aus der Bürgerwelt versteht – weitaus Nestroy-gerechter auf die Bühne zu bringen, als dies oft an Wiener Theatern gelingt. Dies liegt sicher nicht zuletzt auch in der Begeisterung, mit der die „Jakobiner“ ans Werk gehen und die vergessen machen läßt, daß sie im Grund „nur“ Amateure sind. Vom Theaterspiel besessene Menschen jedoch, die ihren „Hausautor“ Johann Nestroy von jeher nicht nur als urigen Spaßmacher, sondern immer auch als grimmigen Satiriker und Zeitkritiker begriffen haben.
Nicht nur Liebhaber Nestroyscher Couplets und aktueller Extempores werden von der Aufführung entzückt sein. Ein Theater-Ausflug, der sich lohnt. (Leo Willner)