Nestroy-Spiele 1979

Einen Jux will er sich machen

7. Nestroy-Spiele Schwechat 1979 im Schlosshof der Rothmühle in Schwechat-Rannersdorf, 2320 Schwechat, Rothmühlstraße 5, im Juli 1979
Horst Kummerfeld, Erika Stepan, Gertrude Pfertner, Michaela Mock
Franz Steiner, Sylvia Smaha

Besetzung

  • Zangler, Gewürzkrämer Peter Bolaffio
  • Marie, dessen Nichte und Mündel Silvia Smaha
  • Weinberl, Handlungsdiener Horst Kummerfeld
  • Christopherl, Lehrjunge Michaela Mock
  • Kraps, Hausknecht Bruno Reichert
  • Frau Gertrud, Wirtschafterin Herta Mock
  • Melchior, ein vazierender Hausknecht Robert Herret
  • August Sonders Franz Steiner
  • Hupfer, ein Schneidermeister Georg Wertnik
  • Madame Knorr, Modewarenhändlerin Gertude Pfertner
  • Frau von Fischer, Witwe Erika Stepan
  • Fräulein von Blumenblatt, Zanglers Schwägerin Edith Muck
  • Brunninger, Kaufmann Rudolf Kaltenbrunner
  • Philippine, Putzmacherin Helli Meissl
  • Lisette, Stubenmädchen bei Fräulein von Blumenblatt Maria Seis
  • Ein Hausmeister Walter Mock
  • Ein Lohnkutscher Kurt Kratky
  • Ein Wächter Rudolf Kaltenbrunner
  • Rab, ein Gauner Kurt Kratky
  • Zwei Kellner Georg Wertnik, Bruno Reichert
  • Regie Peter Gruber
  • Bühne Guido Salzer, Peter Gruber
Horst Kummerfeld, Michaela Mock

Pressestimmen

Wiener Zeitung: Herzhafter „Jux“ in Schwechat

Das Wetter war schön, das Ensemble spielte mit Freude und Engagement, Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“ faszinierte wie immer, die Stimmung unter den Zuschauern war blendend. Mit einem Wort: Sommertheater, wie man es sich vorstellt, wurde in der Rothmühle in Schwechat gezeigt, der Abend war ein Vergnügen.

Nestroys Verwirr- und Versteckspiel um den Gewürzkrämer Zangler und seinen Handelsgehilfen Weinberl, der endlich „einmal einen Kraftakt setzen möchte“, ist heute noch ein kulinarisches Theaterereignis. Bissig, ironisch, zynisch, dann wieder derb und fast sentimental: nahtlos reihen sich die Gags und minutiös erarbeitete Szenen aneinander, bruchlos geht bissige Sozialkritik in seichte Unterhaltung über.

Peter Gruber, der sich heuer durch einige Inszenierungen am Theater der Jugend schon Lorbeeren verdient hat, läßt den Nestroyschen Text fast rein, ohne nachträgliche Interpretationen und falsche Aktualisierungen spielen. Behutsam legt er die Komödiantik seines Laienensembles frei, läßt die Darsteller sich ausagieren und bremst nur selten übergroßes Pathos ein.

Die Bühne – von Guido Salzer und Peter Gruber – ist zweigeschossig, und nahezu ideal für die raschen Szenenfolgen und -wechsel. Alles in allem: ein höchst kurzweiliger, spannender Abend. Man sah ein Ensemble an der Arbeit, das natürlich und mit echter Freude am Theater agierte, man sah teilweise professionelle Leistungen. Mehr kann man vom „Sommertheater“ nicht verlangen. (Helmut Strutzmann)

Volksstimme: Begrenzter Ausbruch aus der Bürgerwelt

Seit sieben Jahren existieren die Schwechater Nestroy-Spiele und sind in diesem Zeitraum zum Inbegriff Nestroyscher Spielpraxis und -behandlung geworden, wie sie hierzulande leider nur selten anzutreffen ist. Zusätzlicher Vorzug dieser Spiele, die von der Amatuertheatergruppe St. Jakob unter der Leitung des jungen Wiener Regisseurs Peter Gruber bestritten werden, ist es, sich auch der „unbekannteren“ Stücke des wohl schärfsten Wiener Satirikers anzunehmen.

Heuer freilich griff man zum „Jux“, der gewiß nicht unbekannt ist. Und vorweg: Auch diese Aufgabe wird souverän gelöst. In einer dichten, turbulenten Inszenierung bekommt der Zuschauer einen Nestroy zu sehen, der in den „großen, offiziellen“ Theatern hierzulande eine Ausnahme als Regel ist.

Vor einem flexiblen Bühnenbild (Peter Gruber, Guido Salzer) läuft die Handlung „zu ebener Erd’ und im ersten Stock“ ab, in der der begrenzte Ausbruch des Handlungsdieners Weinberl gezeigt wird. Da wird die modellhafte Spielwelt des „Handelsstandes“ mit vergnüglichen Elementen der Commedia dell’arte erfüllt, da treibt der Weinberl (der vom Handlungsdiener zum Compagnon aufrückt) seinen Jux und wird seinerseits von ihm getrieben. Wird Marionette und Spießer („Der Diener ist Sklav’ des Herrn, der Herr ist Sklav’ des Geschäfts“) und bezahlt seinen „Aufstieg“ mit der Einschränkung individueller Freiheit.

Horst Kummerfeld (Weinberl) gelingt es vortrefflich, den doppelten Aspekt seiner Abhängigkeit szenisch klarzumachen (Hegels „Phänomenologie des Geistes“ und Brechts „Puntila“ sind da gar nicht so weit entfernt), und muß letztendlich erkennen, daß für seinen „Jux“ nur ein begrenzter Raum zur Verfügung steht.

Erstaunlich, wie es Regisseur Peter Gruber immer wieder gelingt, die Mitglieder des Laienensembles zu motivieren (und die gewiß nicht geringen Schwierigkeiten bei der Besetzung zu umgehen).

Extra Dank also dem Ensemble, dem Regisseur und den vielen Mitarbeitern im Hintergrund für diesen Nestroy. Der stimmt und ist stimmig. Und geht weit über einen bloß vergnüglichen Abend hinaus. (Günther Stockinger)

Neue Kronenzeitung: Wo Weinberl die Rosinen klaubt

Ein besonderes Rosinenstückl hat man diesmal aus dem Nestroy-Repertoirkuchen geklaubt. Weinberl ist ein sommerlicher Theatertrumpf in der Schwechater Rothmühle. Schon traditionell „nicht gekürzt und radiert“, macht man sich heuer einen „Jux“. Eine rundum vergnügliche, mit Abstrichen gelungene Aufführung!

Im barocken Schloßhof setzt Weinberl, der so gerne einmal ein „verfluchter Kerl’ wär“, wieder alles auf eine Karte. Stürzt sich mit dem g’wölberischen Commis in spe, Christopherl, Hals über Kopf ins Nestroysche Verwechslungskarussell.

Regisseur Peter Gruber hat die Posse liebevoll inszeniert. Mit allem zu Gebote stehenden Turbulenzbewußtsein. Es dauert zwar, bis der Handlungskreisel richtig rotiert. Aber dann wird die Satirenklinge schwungvoll und mit Witz geführt. Verlogenes Moralvokabular, Verwechslungsklamauk seiner selbst willen effektvoll entwaffnet.

Wie man aus der Szenenwechselnot eine Tugend macht, zeigt die Schwechater „Jux“-Bühnenlösung: Zwei Etagen halten Spieltempo aufrecht, lassen lange Umbaupausen vermeiden und liefern auch gleich eine Vorschau auf den nächsten Nestroy-Sommer! Eben zu ebener Erde und erster Stock! (Martin Schweighofer)

Arbeiterzeitung: Nestroy-Praxis und -Theorie

In Schwechat fanden heuer die 5. Internationalen Nestroy-Gespräche statt, und es ging dabei um spätere Bearbeitungen von „Einen Jux will er sich machen“. Daher steht auch heuer der „Jux“ auf dem Programm der Schwechater Nestroy-Spiele im Schloßhof Rothmühle.

Es ist – wie immer – eine Aufführung, der man die Begeisterung anmerkt, mit der die Schauspieler am Werk sind, und die daher auch mit jeder Profiaufführung konkurrieren könnte. Peter Gruber hat sehr geschickt Regie geführt und aus dem Amateurensemble, das ja schon eine siebenjährige Routine hat, das Beste herausgeholt.

Peter Gruber hat übrigens auch zusammen mit Guido Salzer das Bühnenbild gestaltet, das diesmal besonderes Lob verdient: Es wird auf zwei Ebenen gespielt, im Oberstock und im Parterre. Dadurch ergeben sich viel bessere Möglichkeiten zum Szenenwechsel und das Gesamtbild wirkt wirklichkeitsnäher. Die Schauspieler sind auf dieser Bühne außerdem auch die Kulissenschieber, und man merkt, daß jeder Handgriff bei ihnen sitzt; da steckt also gleichfalls eine wohldurchdachte Organisation dahinter.

Im Sinne der heurigen Nestroy-Gespräche ging diesmal am Nachmittag der Premiere eine gekürzte Aufführung des Musicals „Hello Dolly“ voran, das ja Nestroys „Einen Jux will er sich machen“ zum Vorwurf hat. Es spielten ganz nett die Eleven des Konservatoriums Prayer in Wien. (G. H.)