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Alles will den Prophet’n seh’n

Posse mit Gesang in Drey Acten
  • Entwurfstitel Zum ersten Male: Der Profet, große Oper von Mayerbeer. Posse mit Gesang in 3 Acten. Keine Parodie des Profeten
  • Uraufführung 4. Mai 1850, Carl-Theater (4 Aufführungen)
  • Nestroy-Rolle Kilian Sitzmeyer, Juwelier (Rollenverzeichnis 754)
  • Musik Carl Franz Stenzel, nicht erhalten
  • Vorlage Charlotte Birch-Pfeiffer: Gasthaus-Abenteuer (Posse, 1848)
  • Überlieferung Gladt S. 38 f.; Hadamowsky 1934, S. 194; SW Bd. 13, S. 689–718; HKA Stücke 29, S.159–309
  • Werkausgaben (Stücktext) CG Bd. 6, S. 257–306; SW Bd. 13, S. 479–585
    HKA Stücke 29 (Hg.: Obermaier), S. 5–80 und 81–103 (Erstfassung des 3. Aktes)
  • Literatur HKA Stücke 29, S. 3

Personen

  • Liborius Knollich, Bürgermeister von Neftingen
  • Berta Veronika Rosenblüh, Eigentümerin eines Hotels
  • Eduard Braun, Kaufmann
  • Kilian Sitzmeyer, Juwelier
  • Gabriele
  • Nanett, deren Kammermädchen
  • Falk
  • Maus, Gauner
  • Rollberg
  • Friedrich, Oberkellner,
  • Anton, Kellner, beide in Madame Rosenblühs Hotel
  • Herr von Glanzbach, Rentier aus der Provinz
  • Frau von Glanzbach
  • Minona,
  • Emma,
  • Andolin, ihre Kinder
  • Bombardon, vormals Regimentskapellmeister in holländischen Diensten
  • Amtsdiener
  • Wächter
  • Seifensiedergesell
  • 1. u. 2. Tenor
  • 1. u. 2. Baß
  • 1. u. 2. Primadonna
  • Theaterdiener
  • Inspizient
  • Friseur
  • Garderobier
  • Logendiener
  • Herren
  • Damen
  • Kellner
  • Polizeidiener
  • Garderobegehilfen
  • Ort der Handlung: das Hotel der Madame Rosenblüh in einer kleinen Provinzstadt

Inhalt

1. Akt

Das Gasthaus von Mad. Rosenblüh ist ausgebucht, weil im Theater Der Prophet gegeben wird. Knollich warnt die Hotelbesitzerin vor einer Diebes- und Gaunerbande, die in der Stadt ihr Unwesen treibt. Ein „supra schlaues Diebesgenie“ führe die Bande an. Besonders vor ihm soll sie sich in Acht nehmen. Die Polizeidirektion in der Residenz hat einen besonders erfahrenen Polizeibeamten auf die Reise geschickt, der in Mad. Rosenblühs Hotel absteigen wird und helfen soll, des Gauners, der sich zur Zeit „Müller“ nennt, habhaft zu werden. In dem neuangekommenen Gast Falk, der sich Rollberg nennt, erkennt Knollich nach einem Blick in den Paß den angekündigten Polizeibeamten. Durch seine charmante Art gewinnt Falk auf der Stelle die Zuneigung von Mad. Rosenblüh. Um ihm noch ein Zimmer in dem ausgebuchten Hotel zu verschaffen, muß sie ihr eigenes Zimmer räumen. Ihr Sekretär, in dem sich die Wertsachen der Hotelgäste befinden, wird in ein anderes Zimmer gebracht. Falk vertraut Mad. Rosenblüh 4.000 Gulden an und hört interessiert, daß sie zur Zeit große Reichtümer hüten muß. Erst allmählich und mit Mühe erkennt Mad. Rosenblüh in dem Mann, der ungestüm und dringend ein Zimmer verlangt, ihren früheren Geliebten, den Goldschmiedgesellen Kilian Sitzmeyer. Vor 25 Jahren hatte sie statt seiner den mittlerweile verstorbenen Hotelier Rosenblüh geheiratet. Sitzmeyer macht aus seiner Enttäuschung über ihr jetziges Aussehen keinen Hehl, während er sich selbst für unverändert hält. Dennoch beginnt Mad. Rosenblüh an ihm Gefallen zu finden, als sie hört, daß er durch eine Erbschaft ein reicher Juwelier geworden ist. Falk zeigt sich hocherfreut über die Ankunft eines Juweliers, zumal Sitzmeyer erzählt, er habe eine Menge Brillanten in seiner Schatulle. Falk rät ihm, sie Mad. Rosenblüh anzuvertrauen, doch Sitzmeyer behält sie lieber bei sich. – Lied Knollich I, 19 (R: „Das is a politischer Herr.“). – In Männerkleidern erscheinen Gabriele und Nannett im Gasthaus. Sie geben sich als Eduard Braun und dessen Diener aus. Gabriele ist von zu Hause ausgerissen, weil ihr Vater und ihr Bräutigam, besagter Eduard Braun, ihr nicht erlaubt haben, zur Aufführung des Propheten zu reisen. Erzürnt muß Gabriele feststellen, daß Mad. Rosenblüh das Bedientenzimmer an Sitzmeyer vergeben hat. Zudem erkennt sie in dem eintretenden Mann trotz dessen Perücke Eduard, der energisch ein Zimmer verlangt. Als Friedrich ihn abweist, bittet er Gabriele, mit ihm ein Zimmer zu teilen. Hastig lehnt sie ab und läßt ihn stehen. Dennoch glaubt Eduard, in diesem Mann seine Braut erkannt zu haben, und besteht nun erst recht auf einem Zimmer. Er gibt Friedrich sechs Dukaten, damit dieser ihm ein Nachtquartier verschafft.

2. Akt

Sitzmeyer sorgt sich wegen der Diebesbande, doch Mad. Rosenblüh, die an dem schwärmerischen Geist mehr und mehr Gefallen findet, beruhigt ihn mit dem Hinweis auf den anwesenden Polizeirat. Hysterisch bedrängt die Familie Glanzbach Sitzmeyer, er solle seine Bekanntschaft mit dem Bürgermeister Knollich nutzen, um ihnen fünf Sperrsitzkarten zu verschaffen. Zu allem Überfluß wird auch noch Eduard in Sitzmeyers Zimmer einquartiert. Er vertröstet die aufdringliche Familie auf den anderen Morgen und macht es sich auf der Chaiselongue bequem, die er vor die nicht abzuschließende Tür schiebt. Das jedoch beruhigt Sitzmeyer keineswegs, da nun auch niemand mehr hinaus kann und überdies auch noch ein Fenster vorhanden ist. Mit Sitzmeyers Nachtruhe ist es endgültig vorbei, als Eduard seinen Dolch zeigt und sich spaßeshalber als „Müller“ vorstellt. Ängstlich liegt Sitzmeyer auf seinem Bett, während Eduard an Gabriele denkt, die er verdächtigt, dem Tenor nachzureisen. Als er glaubt, Sitzmeyer sei tief eingeschlafen, nimmt er Perücke und Bart ab. Doch Sitzmeyer beobachtet ihn und versucht, aus dem Zimmer zu fliehen. Obwohl Eduard beteuert, kein Mörder, sondern lediglich auf der Suche nach seiner Braut zu sein, ist Sitzmeyer überzeugt, einen leibhaftigen Räuber vor sich zu haben. Nachdem Eduard eingeschlafen ist, versucht Sitzmeyer erneut mit seinen Brillanten durch das Fenster zu fliehen. Dabei trifft er auf Falk, der gerade durch dasselbe einsteigt. Allerdings hat er sich im Zimmer geirrt. Ursprünglich hatte er den Sekretär von Mad. Rosenblüh ausrauben wollen. Sitzmeyer ist überglücklich, den vermeintlichen Polizisten zu sehen, und zeigt ihm den angeblichen Gauner auf der Chaiselongue. Souverän bietet Falk Sitzmeyer an, die Brillanten zu verwahren, doch der vertraut sie nun doch Mad. Rosenblüh an.

3. Akt

Am nächsten Morgen sind alle davon überzeugt, daß Eduard der gesuchte Gauner ist. Falk führt die Ermittlungen. Sobald Eduard von seinem Spaziergang zurückkehrt, soll er verhaftet werden. Zunächst wird Friedrich zur Rede gestellt. Falk nimmt ihm die sechs Dukaten Trinkgeld ab, weil es sich angeblich um Beweismittel handelt. Sitzmeyer beklagt den Raub seiner Brieftasche. Insgeheim wundert sich Falk, weil er nicht weiß, wer den Diebstahl begangen haben könnte. Der heimkehrende Eduard wird von Falk und Knollich verhört. Man findet bei ihm Sitzmeyers Brieftasche, die er auf dem Boden gefunden hatte. Als er seinen Namen mit „Eduard Braun, Kaufmann“ angibt, ist die Verwirrung perfekt. Falk, der die Brieftasche und Eduards Wertsachen an sich genommen hat, ordnet an, daß beide Brauns bis zum Ende der Vorstellung in ihren Zimmern festgehalten werden. Man will sich gerade zum Theater begeben, als der richtige Rollberg erscheint.

[Erstfassung des 3. Aktes: Nach einem kurzen Schreck beschuldigt Falk ihn, der Gauner Müller zu sein, da er selbst schließlich Rollberg heiße. Rollberg erzählt, er habe wegen einer Erkrankung in Eisenquell übernachten müssen. Dort habe ihm der Gauner Papiere und Geld gestohlen. Diese Erklärung weckt Zweifel in Knollich, ob es sich bei Falk tatsächlich um den Polizeibeamten handle. Falk selbst bleibt ungerührt. Als Mad. Rosenblüh die Papiere holen will, die er ihr anvertraute, entdeckt sie, daß jemand versucht hat, ihren Sekretär aufzubrechen. Als Dieb wird Maus gefaßt, der seinen Anführer als Rollberg identifiziert, während er behauptet, Rollberg sei der Bandenführer Müller. Als Beweis ihrer Unschuld verlangen Falk und Rollberg, der verwirrte Knollich solle sie verhaften. Zufällig tritt Gabriele ein, und nun erkennt Eduard seine Braut unter der Maske. Auf der Stelle nimmt er seine eigene Verkleidung ab und behauptet, er sei der falsche Eduard Braun. Für diesen Betrug will Knollich ihn verhaften lassen, doch Gabriele stürzt dazwischen. Eduard nimmt alle Schuld auf sich, bis Rollberg, Gabrieles Vater, dazwischentritt und man Gabriele, halb ohnmächtig vor Schreck, hinausführt. Nannett, von Knollich um Aufklärung gebeten, erklärt, es handle sich bei den drei Personen um Rollberg, dessen Tochter Gabriele und deren Bräutigam Eduard. – Lied Sitzmeyer III, 18 (nicht ausgeführt). – Unter vier Augen gesteht Falk Knollich, er sei der Komponist Meyerbeer und wolle inkognito sein eigenes Stück sehen. Schweren Herzens verspricht Knollich, diese großartige Nachricht bis nach der Aufführung für sich zu behalten. Er nimmt Falk mit in seine Loge.]

Knollich und Sitzmeyer sind überzeugt, einen Gauner vor sich zu haben. Stolz berichten sie, des Anführers bereits habhaft geworden zu sein. Kurz entschlossen bringen sie Rollberg in Brauns Zimmer. Verwundert sehen sie die Begegnung der zwei Männer, die sich offensichtlich kennen. Sitzmeyer beschließt, den seiner Meinung nach richtigen Braun zu holen, um den Fall zu klären. Obwohl Gabriele auf der Stelle ihre Verkleidung abnimmt und sich bei ihrem Vater Rollberg entschuldigt, sind Knollich und Sitzmeyer davon überzeugt, eine „ganze Räuberfamilie“ vor sich zu haben. Erst als Rollberg seine Papiere vorweist, erkennt Knollich seinen Irrtum. Rollberg hat bereits einen Komplizen des Gauners dingfest gemacht. Er bittet, Verstärkung zu holen, um auch Müller hinter Schloß und Riegel zu bringen. Knollichs Ärger wächst, weil diese Angelegenheit ihn von dem Besuch des Propheten abhält. Er sagt Falk auf den Kopf zu, ein Betrüger zu sein, doch dieser scheint kaum beeindruckt. Unter vier Augen gesteht Falk, in Wahrheit sei er der Komponist Meyerbeer und wolle inkognito sein eigenes Stück sehen. Schweren Herzens verspricht Knollich, diese großartige Nachricht bis nach der Aufführung für sich zu behalten. – Lied Sitzmeyer III, 20 (R: „Hintnach is a Jeder a Prophet“).

[Der Schluß ist in beiden Fassungen identisch:] Nach der Aufführung wird der Sänger des Propheten – in dieser Verkleidung hatte Falk auf eine Fluchtmöglichkeit gehofft – in einer Art Triumphzug zum Gasthaus geleitet. Durch eine gespielte Ohnmacht versucht Falk, der Menge zu entkommen, doch als der echte Sänger hereingebracht wird, ist der Betrüger endgültig entlarvt. Am Ende wird Falk von Rollberg verhaftet, Eduard und Gabriele sind wieder versöhnt, und Sitzmeyer bittet Mad. Rosenblüh um ihre Hand.

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner