Posse mit Gesang in 3 Acten
- Uraufführung 17. November 1843, Theater an der Wien (4 Aufführungen)
- Nestroy-Rolle Rochus Dickfell, Lederergeselle (Rollenverzeichnis 684)
- Musik Adolf Müller; Nachweise: Hilmar S. 84 f.; HKA Stücke 20, S. 433–438
- Vorlage Michel Masson, Daniel le lapidaire, ou les Contes de l’atelier (Paris 1832; darin: La fabrique; Daniel der Steinschneider oder Werkstatterzählungen, übers. von L. Kruse, Leipzig 1833) und andere Quellen
- Überlieferung Gladt, S. 67 f.; Hadamowsky 1934, S. 240; SW, Bd. 12, S. 537–566; GW, Bd. 4, S. 719 f.; HKA Stücke 20, S. 163–241
- Werkausgaben (Stücktext) Chiavacci, Bd. 12, S. 35–89; SW, Bd. 12, S. 3–107; GW, Bd. 4, S. 195– 285; HKA Stücke 20 (Herausgeber Jürgen Hein), S.5–85
- Musik (erhältlich) Wienbibliothek | Klavierauszug
- Literatur HKA Stücke 20, S. 3; May; Preisner; Walla 1999; Rio Preisner, Nestroy und die Dialektik der Unruhe, Zur Posse Nur Ruhe aus dem Jahre 1843. In: Rio Preisner, Aspekte einer provokativen tschechischen Germanistik, Kafka – Nestroy, Würzburg 1977, S. 122–125; Friedrich Walla, Nur Ruhe! ist die erste Bürgerpflicht. Überlegungen zu Nestroys größtem Durchfall. Nestroyana 7 (1987) S. 110–116
- Aufführungen Nestroy-Spiele 1986
Personen
- Anton Schafgeist, Lederermeister
- Heinrich Splittinger, sein Neffe
- Herr v[on] Hornissl, Speculant
- Barbara, seine Frau
- Peppi, beyder Tochter
- Laffberger, Neffe des H[errn] v[on] Hornissl
- Madame Groning, Forstmeisterswittwe
- Syndicus Werthner
- Franz Walkauer, Geschäftsführer bey Schafgeist
- Sanfthuber, Altgeselle bey Schafgeist
- Rochus Dickfell, Lederergeselle bey Schafgeist
- Steffl, Lehrjunge bey Schafgeist
- Frau Schiegl, Schafgeists Haushälterin
- Klecks, Amtschreiber
- Patzmann, Dorfchirurg
- Leocadia, Ziehtochter des Rochus
- Schopf, Wachter
- 1ter Geselle
- 2ter Geselle
- 1ter Knecht
- 2ter Knecht
- Die Handlung spielt in Schafgeists Hause und in der Umgegend, nicht weit von der Hauptstadt entfernt.
Inhalt
1. Akt
Der Lederermeister Schafgeist, seit dem Tode von Frau und Kind vor über zwanzig Jahren Witwer, will sich an seinem 55. Geburtstag zur Ruhe setzen und sein Geschäft seinem Neffen Splittinger übergeben, der mit der Forstmeisterswitwe Groning verlobt ist. Das Haus wird von Frau Schiegl, der Betrieb von Franz Walkauer, Sanfthuber und Rochus Dickfell geführt. Rochus hat eine Ziehtochter Leocadia, die aus der Stadt bei ihm zu Besuch ist. – Auftrittslied Rochus I, 3 („Allweil Leder erzeug’n, das is völlig a Schand’“). – Schafgeist kann keine Ruhe finden: Sein Neffe kümmert sich nicht um das Geschäft, der wegen Stiftung von Unfrieden entlassene Rochus will wieder eingestellt werden, und in die Geburtstagsvorbereitungen platzt noch der Spekulant Hornißl aus der Stadt samt Familie (Frau Barbara, Tochter Peppi, Neffe Laffberger), derenWagen verunglückt ist. Schafgeist muß alle aufnehmen; Hornißl und Laffberger richten sich bei ihm so ein, daß sie das ganze Hauswesen in Unordnung bringen. Rochus’ Gegenspieler Franz erkennt in Peppi das Mädchen wieder, dem er in der Stadt „einmal nachgegangen is“, und verliebt sich erneut.
2. Akt
Aus den verschiedenen verwandtschaftlichen und anderen Beziehungen entwickelt sich ein Intrigenspiel, bei dem Rochus dem eifersüchtigen Hornißl seine Dienste anbietet. – Lied Rochus II, 9 („Eine Frau sich mit’n Hauskonsum durchaus nicht plagt“). – Überdies offeriert er Leocadia sowohl Laffberger als auch Schafgeists Neffen Splittinger, die sich beide interessiert zeigen und zu Nebenbuhlern werden. Hornißls Cousine Madame Groning macht Schafgeist wegen der Beziehungen Splittingers zu Peppi Vorwürfe und pocht auf ihre Rechte als Braut. Schafgeist bezeichnet sich als Brautwerber (für Franz), was wiederum Hornißl mißversteht, der erbost Frau und Tochter verstößt.
3. Akt
Rochus betreibt eine Intrige mit Splittinger. Frau Hornißl sucht mit Peppi bei Schafgeist Zuflucht. Madame Groning droht Hornißl, die Wahrheit über die Erbschaft ihres Onkels ans Tageslicht zu bringen. Bei Kinderlosigkeit der Ehe Hornißls wäre das Erbe ihr zugefallen; sie macht Andeutungen, Hornißl habe unrechtmäßig ein Kind an sich gebracht und das Erbe erschlichen. Splittinger vereitelt eine Entführung Leocadias durch Laffberger, der bei der Flucht in den Teich fällt und Splittinger des Mordversuchs bezichtigt. Mit der Suche nach einem in den Teich gefallenen Armband Leocadias, einem Geschenk von Splittinger, beginnt die Aufklärung. – Lied Rochus III, 13 (R: „Und glaub’n S’, ’s ihm recht? – Gar ka Spur!“). – Auf dem Grund des Teiches wird eine von Hornißl versenkte Schatulle mit belastendem Material gefunden: Peppi ist in Wahrheit die Tochter Schafgeists, die nach der Niederkunft der Mutter von einer Bäuerin in Pflege genommen worden war. Eine Gerichtsverhandlung, die Amtsschreiber Klecks in Abwesenheit seines Vorgesetzten Werthner auf Betreiben Hornißls eigenmächtig anberaumt, verstärkt die Mißverständnisse: Hornißl bezichtigt Schafgeist des Ehebruchs mit seiner Frau, der Entführung seiner Tochter und der Mittäterschaft, weil er seinen Neffen deckt. Auf dem Höhepunkt des Geschehens erscheint rechtzeitig der Syndikus Werthner und setzt dem groteske Züge annehmenden Spiel ein Ende. Die haltlosen Vorwürfe klären sich auf. Durch den entdeckten Kindesraub Hornißls wird Schafgeist zum glücklichen Vater einer Tochter, die er seinem treuen Geschäftsführer Franz zur Frau gibt, ferner kittet er die Ehe Hornißls und gibt auch seinen Segen zur Verbindung Splittingers mit Madame Groning. Damit endgültig Ruhe eintrete, legt Schafgeist sein Geschäft in die Hände des neuen Schwiegersohns, während dessen Widersacher Rochus, der kurzfristig sogar Franz’ Entlassung durch Splittinger erwirkte, samt seiner Ziehtochter leer ausgeht.
Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner