Posse mit Gesang in 3 Acten
von J[.] Nestroy
1842
[Musik von Herrn Kapellmeister Adolph Müller]
HKA Stücke 18/I, Herausgegeben von W. Edgar Yates, Wien 1991
Zangler, Gewürzkrämer in einer kleinen Stadt
Marie, dessen Nichte und Mündel
Weinberl, Handlungsdiener bei Zangler
Christopherl, Lehrjung bei Zangler
Kraps, Hausknecht bei Zangler
Frau Gertrud, Wirthschafterin bei Zangler
Melchior, ein vazierender Hausknecht
August Sonders
Hupfer, ein Schneidermeister
Madame Knorr, Modewaaren-Händlerin in der Hauptstadt
Frau von Fischer, Witwe
Fräulein Blumenblatt, Zanglers Schwägerin
Brunninger, Kaufmann
Philippine, Putzmacherin
Lisett, Stubenmädchen bei Fräulein Blumenblatt
Ein Hausmeister
Ein Lohnkutscher
Ein Wächter
Rab, ein Gauner
Erster Kellner
Zweiter Kellner
Die Handlung spielt im ersten Aufzug in Zanglers Wohnung in einer kleinen Stadt; dann in der nahe gelegenen Hauptstadt, gegen Schluß wieder bei Zangler.]
1ster Act
(Zimmer in Herrn Zanglers Hause. Die Allgemeine Eingangsthüre im Prospect gegen die rechte Seite. Lincks ein Ofenschirm. Seitenthüre rechts und links, zu beyden Seiten Tisch und Stuhl.)
1ste Scene
(Zangler, August Sonders.)
Zangler. Ich hab Ihnen jetzt ein für allemahl gesagt –
Sonders. Und ich Ihnen ein für allemahl erklärt [–]
Zangler. Daß Sie meine Nichte und Mündl nicht kriegen.
Sonders. Daß Marie die Meine werden muß.
Zangler. Das werd ich zu verhindern wissen.
Sonders. Schwerlich so sicher als ich es durchzusetzen weiß.
Zangler. Kecker Jüngling[.]
Sonders. Hartherziger Mann. Was haben Sie gegen mich? Meine Tante in Brüssel ist reich.
Zangler. Gratulire.
Sonders. Ich werde sie beerben.
Zangler. Aber wann[?]
Sonders. Sonderbare Frage. Nach ihrem Tode.
Zangler. Und bis wann wird sie sterbn? Aha, da stockt die Antwort. So eine Tant in Brüssel kann lebn so lang sie will.
Sonders. Das wünsch ich ihr von Herzen, denn ich weiß daß sie auch bey Lebzeiten reichlich zu meinem Glücke beytragen wird.
Zangler. Reichlich beytragen – wie viel is das in Brüssel? reichlich beytragen ist hir das unbestimmteste Zahlwort was es giebt, und in unbestimmten Zahlen schließ ich kein Geschäft. Und kurz und gut, ins Ausland laß ich meine Mündl schon durchaus nicht heurathen.
Sonders. So heurathe ich sie und bleibe hir.
Zangler. Und derweil schnappt dort ein Andrer die Erbschaft weg, das wär erst gar das Wahre. Mit einen Wort G’horsamer Diener. Plagen Sie sich nicht so sehr mit unnöthigen Herumspeculiren um mein Haus. Meine Nichte is heut fruh an den Ort ihrer Bestimmung abgereist.
Sonders. Wie[,] Marie fort –?!
Zangler. Ja, nach Dingsda, ·logiert· in der ungenannten Gassen ·No· so und so viel im beliebigen Stock rechts bey der zugsperrten Thür, Da können S’ anläuten, so oft S’ wollen, hineinlassen wer’n s’ Ihnen aber nicht.
2te Scene
(Gertrud, die Vorigen.)
Gertrud (zur Mitte ein). Das geht gut, der neue Hausknecht ist noch nicht da und der alte sagt er will nichts mehr thun.
Zangler. Was ist’s denn?
Gertrud. Die Koffer müssen ja vom Boden herunter getragen werden, wenn die Mamsell Marie schon übermorgen in die Stadt zur Frl. Blumenblatt soll.
Zangler (verlegen und ärgerlich). Es ist – Sie hat – geh Sie zum Teufel.
Sonders. Also übermorgen erst? in die Stadt zu Frl. Blumenblatt[?] Gehorsamer Diener. (Geht zur Mittelthüre.)
Zangler. He, mein Herr! das wird Ihnen nichts nutzen, daß, – der Aufenthalt meiner – mit einem Wort –
Sonders (an der Thüre). Gehorsamer Diener. (Geht ab.)
3te Scene
(Zangler, Gertrud.)
Zangler (sehr ärgerlich). Da habn wier’s – jetzt weiß er, daß sie noch da is und wo sie hinkommt, ich wollt die Frau Gertrud wär –
Gertrud. Was hab ich denn gethan –?
Zangler. Gar nix hat Sie gethan, g’redt hat Sie, das is das was die Weiber immer thun und nie thuen sollten, zur Unzeit hat Sie g’redt, man sollt gar nicht glauben, daß so eine überreife Person so unzeitig reden könnt.
Gertrud. Ich hab ja nicht gewußt –
Zangler. Daß das der Liebhaber von meiner Mündel is? Aber jetzt weiß Sie’s, weiß, daß ich morgen in aller Fruh in die Stadt fahr, weiß daß Sie jetzt mit Hundertfacher Vorsicht über die Närrinn wachen muß, weiß daß ich Sie zermalme, wenn während meiner Abwesenheit die zwey Leut nur mit einem Aug sich sehn. Wo is die Marie.
Gertrud. Im Garten bey den Bienen.
Zangler. Da halt’t sie sich immer auf, ich glaub bloß deßwegen, weil die Bienen schwärmen; soll sich ein Beyspiel nehmen, das sind nur Thiere, und schwärmen auf eine so nützliche Weise, und Frauenzimmer, die sich einbilden halbete Engeln zu seyn, haben eine so hirnlose Schwärmerey in sich. Sie soll heraufgehen, es fangt an dunkel zu werden. Und der Herr Weinberl und der Christoph sollen auch heraufkommen wenn sie ’s Gwölb zugesperrt haben. Und meine Schützen[-]Uniform bring Sie mir herein, der Kasten wird offen seyn.
Gertrud. Gleich Herr Zangler gleich. (Geht Mitte ab.)
4te Scene
(Zangler, dann Kraps.)
Zangler (allein). ’s is zum Todärgern. Heut großes Quartal[-]Suppé der Schützengesellschaft, und der Schneider laßt mich sitzen. Ich als dießjähriger Schützenkönig muß in der alten Uniform erscheinen. Schneider, Schneider! wann werdts ihr in eurer Sphäre bleiben, und euch bloß aufs Kleidermachen und nicht auch aufs Maulmachen verlegen! Drey mahl hab ich schon gschickt und –
Kraps (zur Mitte eintretend. Bringt einen dreyeckigen bordirten Hut und Hirschfänger mit Gehänge). Es war wieder umsonst. Da is der neue Hut, und der neue Hirschfänger, aber der Schützenfrack wird nit fertig[,] hat noch keine Knöpf und kein Futter; wenn S’ ihn so anlegen wollen [–]
Zangler. Ich glaub der Schneider is ein Narr, ich werd doch kein Rock ohne Futter anlegen.
Kraps (für sich indem er Hut und Hirschfänger links ablegt). Ich glaub wenn er den Rock zu der Fresserey anlegt, wurd Futter gnug hineinkommen. (Laut.) Jetzt bitt ich um meinen Lohn und um ein Trinkgeld.]
Zangler. Was Trinkgeld –?
Kraps. Ich hab heut vor 14 Tagen aufgsagt, aber um 8 Uhr in der Fruh[.] Sie haben mich also jetzt schon 11 Stunden über die Zeit mißbraucht.
Zangler (giebt ihm Geld). Da hat Er. Übrigens irr Er sich nicht, ich hab Ihm aufgsagt, nicht Er mir.
Kraps. Ich weiß nicht. Ich hab zuerst durch Nachlässigkeit und Unwillen zu erkennen gegeben daß mir der Dienst nicht mehr g’fallt, daß Sie dann gsagt haben ich kann mich in 14 Tagen zum Teufel scheeren, das war nur eine natürliche Folge davon.
Zangler. Pack Er sich, ich bin froh daß ich Ihn los hab, ich hab Ihn nur kurze Zeit gehabt, aber ich will nicht sagen was ich mir denk; aber –
Kraps. Na seyn S’ so gut.
Zangler. Er ist ein unverläßlicher Mensch, und –
Kraps. O sehr verläßlich, ich verlaß alle 3 Wochen ein Dienst; das kann ich durch viele Zeugnisse beweisen. Empfehl mich gehorsamst. Ich bleib nicht gern lang an ein Ort. (Mitte ab).
Zangler. Der wird schon noch an ein’n Ort kommen, wo er lang bleiben muß, das prophezey ich ihm.
5te Scene
(Zangler, Gertrud.)
Gertrud [(zur Mitte eintretend)]. Da is das Schützenkönig-Gwand. (Legt einen grünen bordirten Rock[,] einen Hut und Hirschfänger auf den Tisch rechts.)
Zangler. Auf meine Mündel soll Sie Obacht geben, hab ich gsagt.
Gertrud. No ja Sie habn ja aber auch befohln [–]
Zangler. Daß Sie der Marie nicht ein’n Schritt von der Seite geht. Hirschfänger und Hut war unnöthig, ich hab ein Neuen.
Gertrud. Na so will ich den wieder – (Will zum Tisch um Hirschfänger und Hut wi[e]der fortzutragen.)
Zangler (heftig). Zu der Marie soll Sie schaun, hab ich gsagt.’
Gertrud (erschrocken zurückweichend). Nein man weiß wirklich nicht wo einem der Kopf steht. (Im Abgehn.) Jetzt hätt ich bald vergessen – der neue Hausknecht is da.
Zangler. Soll herein kommen.
(Gertrud Mitte ab.)
Zangler. Nichts als ·Odiosa·, Geschäfte, Unwesen im Hauswesen[,] umgeben von albernen Wesen, langweiligen Wesen, schlechten Wesen. Ich bin wirklich ein geplagtes Wesen. (Es wird an der Thüre geklopft). Herein?
6te Scene
(Zangler, Melchior.)
Melchior (schüchtern eintretend). Ich bitt, seyn Euer Gnaden der Gwürzkrammer.
Zangler. Eins zu wenig, ’s andre zu viel. Ich bin nicht Euer Gnaden sondern nur Herr Zangler, bin aber kein Kramer sondern vermischter Waarenhändler.
Melchior. Ich hab g’hört daß der Herr vermischte Waarenhändler ein Hausknecht g’habt haben der ein reiner Lump war.
Zangler. Ich hab ihn fortgejagt.
Melchior. Und da hab ich g’hört sind Sie in ·Desperation· daß Sie kein Hausknecht haben.
Zangler. In ·Desperation·? das is gar eine dumme Red, ich glaub an solchen Schlingeln is keine Noth.
Melchior. Das is wahr[,] eher wird an ·Prinzipal· eine Noth seyn. Ein Hausknecht halt lang, aber ·Principal· geht alle Augenblick einer z’ Grund.
Zangler. Er is etwas vorlaut, scheint mir –
Melchior. Nein, das war nur so eine merkantilische Bemerkung.
Zangler. Wo hat Er Sein Dienstzeugniß?
Melchior. In Sack.
Zangler. So geb Er’s her.
Melchior (gibt ihm das Zeugniß, ein ganz zusammengeknittertes Papier). Es is etwas verkriebelt, ich trag’s schon 4 Wochen herum.
Zangler. Hat Er Kenntnisse von der vermischten Waarenhandlung? (Durchsieht das Zeugniß.)
Melchior. O, sehr viel, wier haben zwar da wo ich war nur Einen Artikel gehabt, aber der war ungeheuer vermischt, ich bin aus einer Weinhandlung.
Zangler. Hm, Sein Zeugniß lautet ja ganz vorzüglich gut.
Melchior. Ja meine Aufführung war ·classisch·.
Zangler (in dem Zeugniß lesend). Treu, redlich, fleißig, willig, wachsam aufs Haus, [(Zu Melchior)] Er ist aufgenommen.
Melchior. Ich küß die Hand.
Zangler. 6 ·fl· Monathlohn, Kost, Quartir, Wäsch.
Melchior. Na jetzt Wäsch und Quartir das is das Geringste, aber die Kost, die war halt dort, wo ich war, ·classisch·.
Zangler. Bey mir leydet auch Niemand Hunger. Suppen, Rindfleisch, Zuspeiß und was drauf.
Melchior. Aber nur viel drauf. Aber wegen Fruhstuck, dort hab ich halt immer ein Kaffee g’habt.
Zangler. Das war bey mir nicht der Brauch, daß der Hausknecht Kaffee –
Melchior. Schaun S’[,] Sie habn gwiß auch ein Rosoli unter Ihren vermischten Sachen.
Zangler. O ja, aber –
Melchior. Na da sehn Sie, dann is es ja unser beyderseitiger Vortheil, wann S’ mir ein Kaffee geben, denn Sie verleiteten mich ja sonst mit Gwalt zu die geistigen Getränck.
Zangler. Na da gäbet’s schon noch Mittel – übrigens wenn Er brav is –
Melchior. ·Classisch·.
Zangler. So soll Er ein Kaffee habn.
Melchior. Versteht sich süß, und ein Kipfl. O, an den Ort wo ich war, das war ein ·classischer· Kaffee.
Zangler. Was hat Er denn immer mit dem dummen Wort ·classisch·.
Melchior. Ah das Wort is nicht dumm, es wird nur oft dumm angewendt.
Zangler. Ja das höre ich. Das muß Er ablegen, ich begreiff nicht, wie man in 2 Minuten 50 Mahl das selbe Wort ·repetieren· kann.
Melchior. Ja, das is ·classisch·. Und dann bitt ich mir zu sagen, was ich alles zu thun hab.
Zangler. Was wird Er zu thun haben? was halt einem Hausknecht zukommt.
Melchior. Kisten und Fässer ausn Magazin hohlen, [–]
Zangler. Bothengänge machen, das Gwölb rein halten, und im Haus [–]
Melchior. Wenn’s in der Kuchel was giebt, kleins Holz machen, allenfalls Bodenreibn, [–]
Zangler. Und meine Person bedienen.
Melchior. Na ja, halt alles, was zur groben Arbeit gehört. Na ich hoff wier wer’n kein Streit habn.
Zangler. Das hoff ich auch.
Melchior. Ich war immer sehr gut mit meine Herrn, also werd ich bey Ihnen keine Ausnahm – und nicht wahr, wenn ich was aus Privatfleiß thu, zum Beyspiel der Köchinn Wasser tragen, dem Herrn ·Commis· die Stiefel putzen, da krieg ich ·extra· ein Honorar?
Zangler. Das mach Er mit dem ·Commis· und mit der Köchinn aus. Jetzt hilf Er mir anziehen, den Schneider soll der Teufel hohlen.
7te Scene
(Hupfer, die Vorigen.)
Hupfer. Da bin ich, das Meister[-]Werk is vollendet.
Zangler. Also doch fertig? Aber Sie habn mich warten lassen, lieber Herr Hupfer.
Melchior. Is das der den der Teufel hohln soll?
Hupfer. Wie? Was?
Zangler (zu Melchior). Halt Er ’s Maul. (Zu Hupfer.) Das is nur so eine Redensart ungeduldiger Erwartung.
Melchior. Freylich nur Redensart, und das weiß auch der Teufel recht gut; wenn er gleich jeden Schneider hohlet, wie man’s sagt, da möcht der Teufel Schneider seyn.
Hupfer (indem er [die] Schützen-Uniform [auspackt] und das Umschlagpapir von den Knöpfen und Borten löst). Mit Hilfe zweyer plötzlicher unverhoffter Schneidergsellen hab ich das Unmögliche möglich gemacht.
Melchior. Sind s’ heut erst ankommen?
Hupfer. Ja.
Melchior. Einer is krump, der andere hat ein schwarzes und ein blaues Aug, das schwarze Natur, das blaue gschlagn?
Hupfer. Kann schon seyn.
Melchior. Die kenn ich, sie habn gefochten unterwegs.
Hupfer. Das ist so der Brauch.
Melchior. Ich hab ihnen ein Silberzehner geben und gsagt daß s’ mir 6 Groschen heraus gebn solln, das habn s’ aber in der Hitze des Gefechts überhört, und sind weiter; wollten Sie ihnen nicht sagen –
Hupfer (ohne auf Melchior zu hören[,] zu Zangler). Jetzt bitt ich nur gefälligst anzuprobieren.
Zangler (hat seinen Überrock abgelegt und schlüpft mit Hupfers Hilfe in den Schützenfrack. Zu Melchior). Merck Er auf, damit Er lernt, wie man eine Uniform – (Zu Hupfer.) etwas eng scheint mir.
Melchior. Das is fesch.
Hupfer. Freylich.
Zangler. Untern Arm schneidt das Ding ein, das thut weh.
Melchior. Macht sich aber fesch.
Zangler. Und hinten gehn die Schößeln zu weit auseinand.
Melchior. Das is gar fesch.
Zangler. Wie gesagt zu eng. Bey der Tafel werden mir alle Knöpf aufspringen.
Hupfer. Ich begreiff nicht –
Zangler. Sie haben mir doch die Maß genommen.
Melchior. Mein Gott, das Maß nehmen is eine alte Gewohnheit, die die Schneider doch nicht hindert jedes neue Gwand zu verpfuschen.
Zangler (zu Melchior). Na, wie schau ich aus?
Melchior. Ich derf’s nicht sagen.
Zangler. Wenn ich Ihm’s befehl, wie schau ich aus?
Melchior. Klassisch.
Hupfer. Am Himmel habn s’ ein Sternbield das heißt der Schütz, das is aber bey weiten nicht so geschmackvoll, wie dieser Schütz.
Melchior. Das is classisch.
Zangler. Fur heut thut’s es, aber Morgen müssen Sie mir den Rock weiter machen.
Hupfer. Warum nicht gar[,] Uniform muß eng seyn.
Zangler. Aber ich erstick ja.
Hupfer. Macht nichts. Sie haben einmahl von der Natur eine Art ·Taille· erhalten, und es ist die Pflicht der Kunst dieses Geschenck der Natur in das günstigste Licht zu stellen. Recommandir mich bestens. (Geht Mitte ab.)
8te Scene
(Die Vorigen ohne Hupfer.)
Melchior. Er hat halt allweil recht und gibt nicht nach, man glaubet’s nicht, wie so ein Schneider bockbeinig is.
Zangler. Jetzt mein lieber – wie heißt Er?
Melchior. Melchior.
Zangler. Mein lieber Melchior, fahrt Er gleich wieder z’ruck in die Stadt.
Melchior. Was ich hab glaubt Sie haben mich aufgnommen?
Zangler. Freylich. Aber ich fahr morgen in aller Fruh auch in die Stadt. Da steigt Er gleich bey der Linie im Gasthaus bey der Sonn ab, sagt nur meinen Nahmen, daß das gewöhnliche Zimmer für mich herg’richt wird, und erwartet mich. Da hat Er Geld, (Giebt ihm.) Mach Er aber gschwind[,] in einer Viertelstund geht der Stellwagen.
Melchior. Gut. Aber könnt ich nicht vorher noch meinen übrigen Vorgesetzten, dem Kommis und dem Lehrbubn, die Aufwartung machen.
Zangler. Nichts, Er versäumt sonst den Wagen.
Melchior. Na, so geh ich halt. Sie sind bey einer Tafel eing’laden Herr von Zangler, geben S’ Acht aufn neuen Rock daß [S’] Ihnen nicht antrenzen.
Zangler. Was redt Er denn für dummes Zeug –
Melchior. Schön [’s] Serviet vornehmen, und auseinand breiten, die Bratlfetten geht hart heraus.
Zangler. Glaubt Er denn ich bin ein Kind? Er is wirklich zu dumm.
Melchior. Aber meine Aufführung die is halt ·clas· –
Zangler. Mach Er jetzt weiter.
Melchior. Das hat mein vor’ger Herr auch immer gsagt, dumm aber ·classisch·. (Geht Mitte ab.)
Zangler (allein, den neuen Hirschfänger umschnallend). Schon wieder, nein was ich die Sprichwörter nit ausstehn kann! Mich hat einmahl ein Sprichwort abscheulich angsetzt, nehmlich das „jung gefreyt hat Niemand bereut“. Das wird schier, wenn man alle Sprichwörter in der Eseley ·examinieret·[,] ’s erste ·Premium· kriegn. Und dem Sprichwort zum Trotz, geh ich jetzt als so alter wieder auf Freyers Füßen, und ich werd’s gwiß nicht bereun, wart nur Sprichwort, ich bring dich noch ganz um den ·Credit·. (Ab.)
9te Scene
(Gertrud allein, kommt mit Lichtern aus der Mitte.)
[Gertrud]. Kaum Viertel auf Achte und schon völlig Nacht; (Stellt ein Licht auf den Tisch links.) ’s fangt auf einmahl zum Herbsteln an. (Geht mit dem andern Licht in die Seitenthüre links ab.)
Zangler (nach einer kleinen Pause von Innen). Auf meine Mündl soll Sie schaun hab ich Ihr gschafft.
Gertrud (von Innen). Das thu ich ja so. (Noch unter der Thüre hineinsprechend.) Wie kann ich denn schaun auf sie, wenn ich kein Licht anzünd, (Kommt heraus.) So ein großes Mädl könnt, glaub ich[,] schon selbst auf sich schaun. Sie geht mir nicht herauf ausn Garten, und da soll ich ihre Schmiseln begeln; ja überall z’gleich kann ich nicht seyn. (Geht in die Seitenthüre rechts ab.)
10te Scene
(Weinberl tritt während dem ·Ritornell· des folgenden Liedes zur Mitte ein. Er ist dunkelgrau gekleidet mit einer Grünen Schürze.)
·Lied·
1.
Es sind gewiß in unsrer Zeit
Die meisten Menschen Handelsleut,
Und wer das Ding so observiert
Muß sagn der Handelsstand floriert.
’s versetzt ein Vater sein Kaput,
Und führt Drey Töchter auf d’Redut
Damit er s’ vorteilhaft bringt an[,]
Na, das is doch ein Handelsmann.
„Sie krieg’n mein Tochter, wenn [S’] vor Alln,
Den Vatern seine Schulden zahln“ –
„Das kann ich nicht“ – „Dann sag ich nein“ –
Das wird doch ferm gehandelt seyn.
„Ich hab dich gwiß“ – sagt eine Braut,
Indem sie so au’m Bräutigam schaut, –
„In 20 Jahrn wie heut so gern“,
Da wird wohl auch was g’handelt wer’n.
2.
’s Weib sagt zum Mann, „Du gehst jetzt aus,
Und kommst vor Neune nit nach Haus.“
„Ja“, sagt er, „wennst mir ein Zwanz’ger giebst.“
So a Handel is ja allerliebst.
A alte Schachtel hat viel Geld,
’s heuratht s’ ein junger Guckind’welt,
Verkauft sein Freyheit und sein Ruh,
Der Handel kommt gar häufig vur.
’s sagt eine: „I bin zwanz’g Jahr“ – „Oha,
Ich hab ja Ihren Taufschein da.“
„So“ – sagt s’, und gsteht ein Vierz’ger ein[.]
Das wird doch tüchtig g’handelt seyn.
Es prahlet ein[e] Schwärmrinn sich,
„Wenn ich nicht liebe könnten mich
Zehn Millionen nicht bethörn“,
Da wurd wohl auch was g’handelt wer’n.
Vor dem Handelsstand kriegt man erst den wahren Respect, wenn man zwischen Handelsstand und Menschheit überhaupt eine Bilanz zieht. Schaun wier aufn Handelsstand, wie viel giebt’s da Großhandlungen, und schaun wier auf die Menschheit, wie wenig große Handlungen kommen da vor; schaun wier aufn Handelsstand vorzüglich in der Stadt, diese Menge wunderschöne Handlungen, und schaun wier auf d’Menschheit[,] wie wenig wahrhaft schöne Handlungen giebt’s da; – schaun wier au’m Handelsstand, diese vielen Galanterie-Handlungen, und schaun wir auf d’Menschheit[,] wie handeln s’ da oft ohne alle Galanterie, wie wird nahmentlich der zarte, gefühlvolle, auf Galanterie Anspruch machende Theil, von dem gebildetseynsollenden, spornbegabten, cigarrosuzelnden, roßstreichelnden, jagdhund·cagiolierenden· Theil so ganz ohne Galanterie behandelt. Jetzt wenn man erst die Handlungen der Menschheit mit Gas beleuchten wollt, ich frag, wie viel menschliche Handlungen halten denn eine Beleuchtung als wie eine Handlung au’m Stockimeisenplatz aus? – Kurzum, man mag Vergleiche anstellen, wie man will, der Handelsstand is was Erhabenes, wier haben einen hohen Standpunct, wier von der Handlung, und ich glaub bloß wegen dieser schwindelnden Höhe fallen so viel von der Handlung[.] – Der Christopherl tandelt wieder mitn Gwölb zusperren.
11te Scene
(Christopherl, der Vorige.)
Christoph (zur Mitte hereinlaufend). Mussi Weinberl, der Gwölbschlüssel war voll Wachs grad als wie wenn ein Bandit einen Abdruck hätt machen wollen.
Weinberl. Dummer Pursch, du hast halt den Schlüssel wieder wohin gworffen, ohne zu schauen ob’s sauber is. Von Rechtswegen unterliegest jetzt einer Straf.
Christoph. O, ein Lehrjung unterliegt nicht so gschwind; durch Gwohnheit ertragt man viel.
Weinberl. Die Verhältnisse haben indeß eine andere Gestalt gewonnen; der deutsche Handelsstand wird bald um einen Lehrjung weniger habn.
Christoph. Na seyn S’ so gut, bringen S’ mich um.
Weinberl. Im Gegentheil ich werde Sie bey einem freundschaftlichen Glas Wein leben lassen.
Christoph (erstaunt). Wie gschi[e]ht Ihnen denn Mussi Weinberl?
Weinberl. Nennen Sie mich in Zukunft Herr Weinberl, ich habe Hoffnung zum Buchhalter zu ·avancier[en]·, und Sie selbst werden von heut an ·per· Mussi tituliert.
Christoph. Warum sagen denn Sie, Sie zu mir?
Weinberl. Ahnen Sie nichts, glücklicher ·Commerz·-Zögling? Mit dem heutigen Schopfbeutler hab ich auf ewige Zeiten Abschied genommen von Ihrem Kakadu.
Christoph. Drum war Ihre Hand so heftig bewegt, als wann sie sich gar nit trennen könnt.
Weinberl. Sie sind unter meiner fünfjährigen Leitung gewaltig ausgebildet worden, haben das ·Commerz· von seinen verschiednen Seiten kennen gelernt und haben kritische Perioden mitgemacht. Wenn die Geschäfte stocken, ’s Gwölb leer is, und der Hand[e]l[-] und Wandlbeflissene bloß dasteht, a Paar Stanitzln macht, und gedankenlos auf die Gassen hinausschaut, da is es leicht, aber plötzlich tritt neues Leben ins Merkantilische, in 5 Minuten steht ’s ganze Gwölb voll Leut, da will eins Anderthalb Loth Kaffee, da eins um 2 Groschen Gabri, der ein frischen Aal, die ein gfaulten Lemoni, da kommt ein zartes Wesen um ein Bernzucker, da ein Kuchelbär um ein Rosenöhl, da lispelt ein brustdefecter Jüngling „Ein Zuckerkandl“, da schreyt ein kräftiger Alter „A Flaschel Slibowitz“, da will ein üppiges Wesen a Halstüchel, da eine Zaundürre Fischbeiner zu ein ausgschnittnen Leibel habn, da geht a Alte aufn Kas los und schreyt, „mir ein halbn Vierting Schweizer!“[,] da kommt ein gemeiner Dienstboth ein Haring austauschen, den ihr ihre noble Frau ins Gsicht gworffen hat, weil’s kein Milchner war – in solchen Momenten muß der ·Commis· zeigen was ein ·Commis· is, d’Leut z’sammschreyn lassen wie s’ wollen, und mit einer ruhigen ans Unerträgliche grenzenden Gelassenheit eins nach’n andern bedienen.
Christoph. Jetzt weiß ich aber noch allweil nit, was is’s denn eigentlich mit mir?
Weinberl. Ruhig, der Prinzipal wird es Ihnen ·notificiren·.
12te Scene
(Zangler, die Vorigen.)
Zangler (aus der Seitenthüre links kommend). Ah sind Sie schon da!
Weinberl. Der Herr Prinzipal haben befohlen[.]
Christoph. Befohlen[.]
Weinberl. Wier sind daher ·in corpore· erschienen[.]
Christoph (leise zu Weinberl). In was sind wier erschienen?
Weinberl (zu Christoph). Halten Sie ’s Maul, ·in corpore·.
Zangler. Ich muß Sie von einer Veränderung mein Haus betreffend in Kenntniß setzen. Sie haben bis jetzt nur einen Herrn gehabt, bald werden Sie auch eine Frau bekommen.
Christoph. Eine Frau, ich bin ja noch viel zu jung.
Weinberl (zu Christoph). Reden Sie nicht so albern, der Herr ·Principal· wird sich verehlichen, und seine Frau wird auch die unsere seyn, unsere ·Principalinn·, unsere Gebietherinn.
Zangler. Ganz recht.
Christoph. Ah so is das.
Zangler. Dieses wichtige Ereigniß, will ich nun auch durch Beförderungen in meinem Personale verherrlichen. Sie Mussi Christoph –
Christoph (für sich). Der sagt auch Sie, und Mussi –
Zangler. Sie habn aufs Gwand gelernt, müßten daher eigentlich noch ein Jahr Lehrjung bleiben; dieses Jahr schenck ich Ihnen, und ernenn Sie zum ·Commis·.
Weinberl. So eine Auszeichnung wird wenigen zu Theil, (Zu Christoph.) bedanken Sie sich doch.
Christoph (küßt Zangler die Hand). Die Gunst des Prinzipals zu bestreben, ferneres Benehmen, würdig zu seyn, Fleiß und Ausdauer zu erringen.
Zangler. Schon gut, ich wünsch, daß das nicht bloß schöne Worte sind –
Weinberl. Nein das sind sie gewiß nicht, ich glaube mit Grund, daß er sowohl Ihnen Herr ·Prinzipal· und mir seinem unmittelbaren Vorgesetzten, wie auch dem ·Continental·Handel überhaupt Ehre machen wird.
Zangler (zu Christoph). Sie waren immer fleißig.
Weinberl. Passabel.
Zangler. Ehrlich, das is die Hauptsach.
Weinberl. Das is wahr, er hat in der Lehrzeit manche Watschen kriegt, aber keine auf Veranlassung einer Watschen die er der Pudel gegeben hätt.
Zangler. Es fehlt Ihnen nichts als daß Sie sich mehr Manier gegen die Kundschaften aneignen.
Weinberl. Darüber hab ich Ihnen oft Lehren gegeben.
Christoph (sich mit der Hand durch den ·Cacadu· fahrend). Ja sehr oft.
Weinberl. Hübsch mit „Euer Gnaden“ und „gnädige Frau“ herumwerfen, die Waar mit Anstand überreichen, zu jeden Rammel „Schatz“ sagen, ’s kleine Geld zierlich mit Zeigfinger und Daum herausgeben, die andern 3 Finger werden bloß auf Händedrück für Köchinnen verwendt.
Zangler. Das wird sich hoffentlich geben.
Christoph. O ja, so was begreifft ein junger ·Commis· sehr geschwind.
Zangler (zu Weinberl). Ihnen Herr Weinberl, der schon seit Jahren mein ganzes Zutraun besitzt[,] der seit Jahren das Geschäft zu meiner vollsten Zufriedenheit leitet, Ihnen ernenn ich zu meinen ·Associé·.
Weinberl (äußerst überrascht). Ah ·Associé·[!]
Zangler. Bey meiner Zuruckkunft werden wier die nöthigen ·Contracte· auf[-], und der neue[n] Firma „·e Conp[a]nie·“ beysetzen. Ich verreis nehmlich auf 3 Tag, theils meiner Heurathsangelegenheit wegen, theils anderer Angelegenheiten halber. Unter dieser Zeit übergieb ich Ihnen das ganze Geschäft, schaun Sie auf alles, daß weder Unordnungen in die Bücher noch in den Magazinen noch in der ·Correspondenz· –
Christoph. Seit 3 Wochen habn wir kein Brief kriegt, wie leicht könnt grad diese Tag –
Zangler (ohne auf Christoph zu hören, zu Weinberl). Mit einen Wort, Sie sind ein solider Mensch[,] ich weiß daß ich mich auf Ihnen verlassen kann; Jetzt muß ich zum Schützen·suppé·. (Setzt den neuen bordirten Hut auf.) Morgen fruh um 4 Uhr fahr ich fort –
Christoph. Sollten wir also nicht mehr die Ehre haben, den Herrn ·Principal· zu sehn, so wünschen wir jetzt glückliche Reis –
Weinberl (noch ganz perplex ). ·Associé· –!!
Zangler. Ja, ja, fassen Sie sich nur mein lieber Weinberl[,] Sie sind vom Tag meiner Verheurathung an mein ·Associé·. Also Adieu, nochmahls während meiner Abwesenheit, strenge Ordnung und Pünktlichkeit.
Christoph (indem er ihn [an] die Thüre begleitet). Wir machen unser ·Compliment· Herr Prinzipal.
13te Scene
(Die Vorigen ohne Zangler.)
Weinberl (wonnetrunken und stolz sich am Tische stützend). Associé –! Hast du’s gehört ·Gremium· von Europa, ich bin Associé!
Christoph. Unser Herr heurath, Sie werden Compagnon, nacher habn wier 2 Prinzipal, eine Principalin, und ich allein bin der ganze ·Personal·stand.
Weinberl. Buchhalter, das war immer der Chimborasso meiner Wünsche, und jetzt blickt der ·Associé· wie aus einem Wolkenthron mitleidig auf den Buchhalterstandpunct herab.
Christoph. Ich mach meine ·Gratulation·.
Weinberl. Und sonderbar gerade jetzt – jetzt –
Christoph. Jetzt sind Sie’s ja noch nit, erst bis der ·Prinzipal· heurath.
Weinberl. Gerade jetzt wo das Berufsglück sein ganzes Füllhorn ausschütt über mich, werden in mir Wünsche roglich wie Kisten, die auf einem Schubkarrn schlecht aufpackt sind.
Christoph. Aha, ich gspann was, der Associé wünscht –
Weinberl. Eine Associéinn, o nein, das irritirt mich nicht, so was kommt von selbst, und wenn es nicht kommt, so is es auch noch kein Unglück.
Christoph. Also das is es nicht, na nacher gib ich ’s Rathen auf; mein Kopf is von der Lehrzeit her zu sehr angegriffen als daß ich mir’n jetzt gleich zerbrechen möcht.
Weinberl. Glauben Sie mir junger Mann, der Commis hat auch Stunden, wo er sich auf ein Zuckerfaß lehnt und in süße Träumereyen versinckt; da fallt es ihm dann wie ein 25 Pfundgwicht aufs Herz, daß er von Jugend auf ans Gwölb gefesselt war wie ein Blaßl an die Hutten. Wenn man nur aus uncompletten Makulaturbüchern etwas vom Weltleben weiß, wenn [man] den Sonnenaufgang nur vom Bodenfensterl, die Abendröthe nur aus Erzählungen der Kundschaften kennt, da bleibt eine Leere im Innern die alle Öhlfässer des Südens, alle Haringfässer des Nordens, nicht ausfüllen, eine Abgeschmacktheit die alle Muska[tblüth] Indiens nicht würzen kann.
Christoph. Das wird aber jetzt ein anders Gsicht kriegn als ·Compagnon·.
Weinberl. Weiß nicht. Der Diener is Sclav des Herrn, der Herr Sclav des Geschäfts. Erhaben is die zweyte Sclaverey aber so biglem mit Genuß begabt als wie die erste. Wenn ich nur einen viffen Punct wüßt in meinem Leben, wenn ich nur von ein Paar Täg sagen könnt, da bin ich ein verfluchter Kerl gewesen, – aber nein ich war nie verfluchter Kerl. Wie schön wär das, wenn ich einmahl als alter Handelsherr mit die andern alten Handelsherrn beym jungen Wein sitz, wenn so im traulichen Gespräch das Eis aufg’hackt wird vor dem Magazin der Erinnerung, wenn da die Gwölbthür der Vorzeit wieder aufgsperrt, und die Budl der Phantasie vollang’raumt wird mit Waaren von ehmahls, wenn ich dann beym lebhaften Ausverkauf alter Gschichten sagen könnt, o ich war auch einmahl ein verfluchter Kerl, ein Teuxelsmensch ein Schwerack – ich muß – ich muß um jeden Preis dieses verfluchtekerl Bewußtseyn mir erringen.
Christoph. Von mir aus hätten Sie dieses Bewußtseyn schon lang[,] so oft Sie sich in meine Frisur verkrampelt haben, hab ich mir denckt, das is ein verfluchter Kerl den soll –
Weinberl. Was Sie denken, geht mich nix an, ich muß es dencken muß es fühlen.
Christoph. So beuteln S’ Ihnen selber den Schopf.
Weinberl (von einer Idee ergriffen). Halt, ich hab’s –!
Christoph. Na was denn?
Weinberl. Ich mach mir einen Jux!
Christoph. Ein Jux?
Weinberl. Grad jetzt auf der Gränze zwischen Knechtschaft und Herrschaft, mach ich mir einen Jux. Für die ganze Zukunft will ich mir die leeren Wände meines Herzens mit Bildern der Erinnerung schmücken, – ich mach mir einen Jux!
Christoph. Wie werdn Sie aber das anstellen?
Weinberl. Wollen Sie dabey seyn Mussi Christoph?
Christoph. Warum nit[,] ich bin heut frey gsprochen worden, kann man die Freyheit schöner als durch ein Jux celebrieren?
Weinberl. Wier sperren ’s Gwölb zu während der Principal aus is, sind Sie dabey?
Christoph. ’s Gwölbzusperren war immer meine Leidenschaft, so lang ich bey der Handlung bin.
Weinberl. Wier fahren in die Stadt und suchen fiedele Abentheuer auf. Sind Sie dabey[?]
Christoph. Freylich, ich ·riskier· nix. Sie sind ·Compagnon·, indem ich Ihnen folg, erfüll ich nur meine Pflicht, jetzt was Sie ·reskiern·, das tuschiert mich nicht. Ich bin dabey.
Weinberl. Halt Jüngling, Sie setzen mir da einen Floh ins Ohr den ich erst fangen und tödten muß. Kann es der ·Principal· erfahren? Er kommt nie mit die Nachbarsleut zusamm, er sitzt immer in der Schreibstube, ·discriert· nie mit den Kundschaften, geht an kein öffentlichen Ort, außer alle ·Quartal· zu der Schützengsellschaft. Er kann es nicht erfahren.
Christoph. Wenn uns aber zufällig der Prinzipal in der Stadt sieht.
Weinberl. Er is ein alter Herr der heurath folglich mit Blindheit gschlagn. Und wissen denn wir auch ob er in d’Stadt fahrt? und dann geht er auch Geschäften, wier bloß dem Vergnügen nach, sein Weg geht tschihi unserer dahat, wie die Seeleute sagen, sprich ich, wie die Fuhrleute sagen.
Christoph. Wenn uns aber die Fräul’n Marie verrath.
Weinberl. Die hat Liebesaffären, is folglich froh wann sie nicht verrathen wird.
Christoph. Wenn aber die alte Gertrud plauscht[?]
Weinberl. Das Hinderniß is unübersteiglich, sie is [ein] altes Weib sie muß plauschen. – Aber wenn wier – halt – so geht’s – die Alte muß gerade die Assecuranz seyn bey unserer Unternehmung. Helfen Sie mir gschwind in den Herrn seine Schützen-Uniform hinein. (Kleidet sich während dem Folgenden schnell mit Christophs Beyhilfe in die auf dem Tische liegende, alte Schützen-Uniform Zanglers, schnallt den Hirschfänger um, und setzt den Hut auf.)
Christoph. Wegen was denn [–]
Weinberl. Weil ich den Herrn Zangler vorstellen will, damit s’ die Stimm nicht kennt, stell ich mich bös, und Sie sagen ihr den Auftrag den ich als Zangler geb und den sie dann an mich ausrichten muß, wenn ich wieder Weinberl bin.
Christoph. Ich bin mir nicht gscheidt gnug.
Weinberl. Stellen Sie ’s Licht auf den Tisch hinüber[.]
Christoph. Gleich. (Nimmt eilig das Licht vom Tisch Links und stellt es auf den Tisch rechts.)
(Weinberl wirft sich in den am Tische Links stehenden Stuhl, und läutet heftig mit der Tischglocke.)
14te Scene
(Gertrud, die Vorigen.)
Gertrud (aus [der] Seitenthüre rechts kommend[,] für sich). Das is wieder eine Läuterey als ob alles taub wär. (Laut.) Was schaffen S’ Herr von Zangler? (Bey Seite.) Ich war schon froh, hab glaubt er is fort.
Christoph (welchem Weinberl leise etwas erklärt hat). D’ Frau Gertrud hat den Herrn wieder ·curios· bös gmacht.
Gertrud. Ich weiß aber nicht –
Weinberl (hustet und brummt ärgerlich einige unverständliche Worte).
Christoph. Hat’n d’Frau g’hört, er will gar nicht reden mi[t] [Ih]r, drum giebt er Ihr durch mich den Auftrag, Sie soll morgen in aller Fruh dem Herrn Weinberl sagen –
Gertrud. Der Christopherl wird doch heut noch selber den Herrn Weinberl sehen, folglich kann ihm ja der Christopherl –
Christoph. Mussi Christoph bitt ich mir aus.
Weinberl (hustet und murmelt wie oben).
(Gertrud erschrickt.)
Christoph. Hat’n d’Frau g’hört. Der Herr hat mir andere Gschäft gegeben, die meinen ganzen Hirnkasten in Bschlag nehmen, weil ich also drauf vergessen könnt, so soll durchaus die Frau Gertrud –
Weinberl (hustet und murmelt wie oben).
Christoph. Hat’n d’Frau g’hört? – Die Frau Gertrud soll also morgen in aller Fruh dem Herrn Weinberl sagen; der Herr Zangler laßt ihm strengstens anbefehlen, daß er während seiner Abwesenheit durch zwey Tag, das Gwölb ja nicht aufsperren soll. Verstanden?
Gertrud. No freylich – ’s Gwölb darf nicht aufgsperrt werden, das wird doch nicht schwer zu verstehn seyn.
Weinberl (murmelt etwas zu Christoph welcher sich seinem Stuhle genähert hat).
Christoph. D’Frau Gertrud soll schaun daß [S’] weiterkommt und soll ihm nicht mehr vor Augen –
Gertrud. Na ja –
Weinberl (hustet und murmelt noch ungestümmer als früher).
Christoph. Hat’n d’Frau g’hört.
Gertrud (erschrocken zur Seitenthüre rechts gehend). Der Mann is heut in einer Laune das is schon aus der Weis. (Ab.)
15te Scene
(Die Vorigen ohne Gertrud.)
Weinberl (lachend vom Stuhl aufstehend). Seh’n Sie[,] jetzt sind wier gedeckt, erfahrt im schlimmsten Fall der ·Prinzipal·, daß [’s] Gwölb zugsperrt war, so berufen wier uns auf seinen Befehl den wir durch die Frau Gertrud erhalten haben.
Christoph. Dann glaubt er die Alte is verruckt.
Weinberl. Das verschlagt ihr nix, denn für Gscheidt hat er s’ so nie g’halten.
Christoph. Meiner Seel pfiffig ausspeculiert. Na Sie sind ja auch einmahl Lehrjung gwest, sonst könnt das Gwixte nicht in Ihnen stecken.
Weinberl. Richten Sie sich jetzt Ihr Sonntagsgwand[,] was zur Eleganz fehlt, ·Cravattl· Chmisell Handschuh und Schnopftuchl will ich Ihnen leihn.
Christoph. Juhe! das wird a Jux wer’n morgn! (Will Mitte ab.)
(Man hört von Außen Zangler räuspern und husten.)
Christoph (erschrocken zurückprallend). O Jegerl der Alte kommt.
Weinberl (erschrocken). Der Herr Zangler – wenn er mich in dem Aufzug sieht –
Christoph. Ich reterir mich zu der Frau Gertrud hinein.
Weinberl. Aber was thu denn ich –? ich kann mich so weder vor der Frau Gertrud noch vor dem Herrn Zangler zeigen.
Christoph. Ich geh zu der Frau Gertrud, ich riskier nix, aber ich bin dabey. (Eilt [zur] Seitenthüre rechts ab.)
Weinberl. Mir bleibt nix übrig – (Löscht schnell das Licht am Tisch rechts aus und eilt hinter den Ofenschirm links im Hintergrunde.)
16te Scene
(Zangler, Weinberl hinter [dem] Schirm.)
Zangler (zur Mitte eintretend). Ich hab mir das Ding anders überlegt, zur Schützentafel komm ich später auch noch zurecht, wie leicht könnt der saubere Herr Sonders diesen Abend zu einem ·Rendez vous· benutzen wollen. Ich werd an meinem Fenster ein wenig aufpassen, wier haben Vollmond da seh ich’s prächtig wenn er allenfalls ins Haus hereinschleichen wollt. Der saubere Herr Sonders der. (Geht in die Seitenthüre links ab.)
17te Scene
(Weinberl, dann Marie und Sonders.)
Weinberl (kommt hinter dem Schirm hervor). Er is drinn, jetzt kann ich mich ausgschirren.
Sonders (von Außen). Nein, nein, Marie so geh ich nicht von dir.
Weinberl (erschrekend). Verdammt da kommt wieder wer – ich komm als ·Associé· in die Soß – ich muß abermahl – (Läuft wieder hinter den Schirm.)
Marie [(mit Sonders zur Mitte eintretend)]. Aber August –
Sonders. Versprich mir in meinen Plan zu willigen.
Marie. Ich soll dem Vormund durchgehn –
Sonders. Fliehn sollst du mit mir.
Marie. Das schickt sich nicht.
Sonders. Marie –!
Marie. Fliehn, durchgehn und auf und davonlaufen is eins, und das schickt sich nicht.
Sonders. Du hir bleiben, mir entrissen werden, und ich mir eine Kugel vor den Kopf brennen ist auch eins, und das schickt sich so gewiß, wenn du nicht Muth hast –
Marie. August, du bist ein fürchterlicher Mensch.
Sonders. Des Alten Eigensinn laßt uns nichts anders übrig.
Marie. Wenn ich dir aber sage, es schickt sich nicht. Du sollst eigentlich schon lang fort seyn, ich hab dir nur erlaubt bis es Abend wird, und hir is nicht einmahl ein Licht.
Sonders. Haben Liebende je eines andern Lichtes bedurft als des des Mondes der eben freundlich durch die Fensterscheiben blickt.
Marie. Der Mondschein schickt sich nicht. Du gehst entweder sogleich fort, oder gehst mit mir zur Frau Gertrud hinein, die hat Licht.
[Sonders]. Die darf ja nicht erfahren –
Marie. Warum nicht? machen wier sie zur Vertrauten unsrer Liebe.
[Sonders]. Ich trau alten Weibern nie. (Nach der Thüre rechts horchend.) Da höre ich Jemand an der Thür.
Marie. Am End gar der neugierige Christoph[.]
[Sonders]. Laß einen Augenblick uns hir verbergen. (Nimmt Marien bey der Hand, und geht mit ihr von der [rechten] Seite hinter den Schirm.)
Marie (indem [Sonders] sie nach sich zieht). Ach Gott das schickt sich nicht.
(Weinberl, der hinter dem Schirm steht[,] drückt sich soviel als möglich gegen die linke Seite, ohne sich zu getrauen, seinen Versteck zu verlassen.)
18te Scene
(Gertrud, die Vorigen hinter dem Schirm.)
Gertrud (aus [der] Seitenthüre rechts kommend). Was is das? kein Licht da? ah das wird der Herr ausg’löscht haben wie er fort ist. Ich muß schaun, daß ich den Mussi Weinberl heut noch den Befehl ausrichten kann daß ’s Gwölb zugsperrt bleibt, bis morgen könnt ich vergessen drauf; da wär’s wieder ein Lärm! o der Alte – Das is ein – (Geht zur Mittelthüre ab.)
19te Scene
(Weinberl, Sonders, Marie.)
Sonders (Weinberl hervorziehend). Da hat uns einer belauscht, nur hervor[.]
Marie (ebenfalls vorkommend, erschrickt, indem sie Weinberl der Schützenuniform wegen in der Dunkelheit für Zangler hält). Himmel der Vormund –
Sonders (betroffen). Herr Zangler –
Marie (Weinberl zu Füßen fallend). Lieber Herr Onkel Vormund, seyn Sie nicht bös[,] ich kann nichts davor, ich weiß daß es sich nicht schickt, aber –
Sonders. Ich habe Marien gegen ihren Willen bis in die Stube verfolgt, zürnen Sie daher mir doppelt, und dreyfach wenn Sie wollen, doch Marien dürfen Sie keine Schuld zumessen.
Marie. Nein gar nichts zumessen – Verzeihung lieber Herr Onkel und Vormund – Sie schweigen? diese schauerliche Stille verkündet einen furchtbaren Sturm –
(Weinberl[,] welcher in größter Verlegenheit dagestanden, indem er jeden Augenblick fürchtet trotz der Dunkelheit erkannt zu werden, weiß sich nicht anders zu helfen, nimmt zuerst Mariens dann Sonders’ Hand, und fügt ihre beyden Hände seegnend ineinander.)
Sonders (aufs Höchste erstaunt, freudig überrascht). Ist’s möglich –! diese Sinnesänderung –? Sie segnen unsern Bund –?
Marie. Ach lieber göttlicher Herr Onkel und Vormund!
(Weinberl hebt die noch immer kniende Marie empor, und legt sie in Sonders’ Arme.)
Marie (zugleich). August!
Sonders (zugleich). Marie!
(Weinberl benützt den Moment, während die Liebenden sich in den Armen halten, und eilt leise und mit großen Schritten zur Mittelthüre hinaus.)
20ste Scene
(Die Vorigen ohne Weinberl.)
Sonders. Jetzt bist du meine Braut –
Marie (sich aus Sonders’ Armen erhebend). Wie soll ich Ihnen danken, Herr Onkel –
Sonders. Vortrefflicher herrlicher Mann – (Beyde bemerken daß Niemand mehr da ist.)
Marie (erstaunt). Was is denn das[?]
Sonders (erstaunt). Er ist fort.
Marie. Wo ist er denn hin[?]
Sonders. Ohne Zweifel auf sein Zimmer, der gute Mann will das erste Entzücken beglückter Liebe nicht stören. Marie, komm in meine Arme.
Marie. Von Herzen gern, jetzt schickt es sich ja.
Sonders (sie umarmend). Liebes theures Mädchen!
21ste Scene
(Zangler, die Vorigen, dann Weinberl und Christoph.)
Zangler (kommt mit Licht aus der Seitenthüre links). Was giebt’s denn da –? Ich glaub gar – Himmel Mord Tausend Element –! Herr Sie unterstehn sich!
Marie (wie aus den Wolcken gefallen). Aber lieber Herr Onkel – Sie haben ja selbst [–]
Zangler. Entartetes Madl[,] (Sie zur Seitenthüre links schleudernd.) Da hinein!
Sonders. Haben Sie nicht erst in diesem Augenblick [–]
Zangler (wüthend). Verwegner Landstreicher, (Zur Mittelthüre zeigend.) da hinaus!
(Weinberl tritt bereits wieder umgekleidet zur Mitte ein, und sieht im Hintergrunde rechts stehend der Scene zu, ebenso Christoph welcher auf den Lärm neugierig aus der Seitenthüre links tritt, Beyde stehen so daß Sonders ihnen das Gesicht nicht zuwendet.)
Marie. Das kann Ihr Ernst nicht seyn[.]
Zangler (immer wütender). Hinein!
Sonders. Entweder Sie halten uns jetzt zum Besten oder haben früher –
Zangler (wie oben). Hinaus!
Marie (weinend in die Seitenthüre links abgehend). Der Vormund is verhext.
Zangler. Hinein!
Sonders. Sie sind verrückt Herr, aber Geduld, ich werde –
Zangler (mit den Füßen stampfend). Hinaus!
Sonders. Das ist zu arg. (Geht in großer Aufregung zur Mitte ab.)
Zangler (indem er in die Seitenthüre links abgeht). Wart Ungerathenes Geschöpf, dich wird meine Schwägerinn ·coramisieren·! (Ab.)
Weinberl (vortretend). Das is eine Historie –!
Christoph (in ausgelassener Freude springend). Ich vergönn ihr’s, warum heißt s’ mich immer ein dalketen Bubn.
Weinberl. Mir scheint ich fang schon an verfluchter Kerl zu seyn, das is der Vorgeschmak von Jux!
(Im Orchester beginnt heitere Musick. Der Vorhang fällt.)
(·Ende des 1sten Actes·.)
II[.] Act
(Straßen·decoration· nur Zwey Koulissen tief. Der Prospect stellt die gerade über die Bühne laufende Häuserreihe einer Gasse vor, ohne allem Perspectiv. An dem mitten im ·Prospect· sich befindlichen Hause ist das Thor offen so daß man innen eine practicable Stiege sieht, und in der Einfahrt rechts eine Thüre die zur Hausmeister[-]Wohnung führt. Ober dem Hausthore ist eine Tafel mit großer Aufschrift[:] Anna Knorr’s ModeWaren Verlag.)
1ste Scene
(Weinberl, Christoph. Christoph in seinem Sonntags[-]Anzuge von grauem Tuche, mit rother ·Cravatte· und blauem Shawl geschmaklos geputzt. Weinberl in blauem Frack[,] weißer Pantalon, eben in geschmackloser Galla, treten von Links auf.)
Christoph. Das wären Abentheuer? ich dank!
Weinberl. Ja, lieber Freund ich kann Ihnen die Abentheuer nicht dederln. Glauben Sie[,] mir is das angnehm, da herumz’gehn wie a Waserl, mir, dem obendrein noch jedes offne Gwürzgwölb einen heimlichen Gewissensbiß macht?
Christoph. Den ganzen Vormittag is uns nix untergekommen, nix aufgstoßen.
Weinberl. Wier wollen die Hoffnung nicht sincken lassen[,] vielleicht stoßt uns jetzt Nachmittag was auf. Arg wär das, wenn wier 5 Stund weit herfahreten, einen ganzen Tag in der Residenz zubrächten, ohne einen Jux ’s Geld verjuxt –
Christoph. Das wär a Jux! Vor allen andern müssen wier doch wieder unter die Leut gehn; in den öden Gaßl da wer’n wier nix erlebn.
Weinberl. O Freund in die öden Gasseln, erlebt man allerhand[,] das is ja grad das Abentheuerliche. Wie oft hab ich gelesen in die Bücher, „er befand sich ohne zu wissen wie in einem engen abgelegenen Gäßchen, plötzlich gewahrt er an der Ecke einen Mann in einen Mantel, ihm war’s als ob er ihm gewunken, an der andern Eck sieht er auch einen Mann, ihm däucht, als hätt er ihm gewinkt, unentschlossen steht er da, er weiß nicht soll er dem folgen der ihm gewinkt, oder dem der ihm gewunken, da öffnet sich plötzlich ein Fenster [–]“
(·A tempo· öffnet Philippine das Fenster im Hause bey Mad. Knorr im Prospect.)
Weinberl (fährt fort ohne es zu bemerken). „und eine zarte weibliche Hand –“
(Philippine hat eilig am Fenster ein Glas mit Wasser ausgespült, und schüttet es ohne herabzusehen auf die Straße und schlägt sogleich wieder das Fenster zu.)
Weinberl (den es beynahe getroffen, erschrocken bey Seite springend). Na seyn S’ so gut [–]
Christoph. Das gieng uns grad noch ab.
Weinberl. Wann ich jetzt einen halben Schritt weiter links gstanden wär, so könnt ich sagen, daß ich in der Residenz überschüttet worden bin, mit was das braucht kein Mensch z’wissen[.]
Christoph. Was ·logiert· denn für ein Völkel da drobn[?]
Weinberl (liest den Schild). „Mad. Knorrs Modewaaren Verlag“.
Christoph. Das is a schöne Mode daß man d’Leut anschütt.
Weinberl (nach rechts in die Scene sehend). Sie, dort steht ein Mann.
Christoph. Winkt uns aber nicht.
Weinberl. Er kommt näher, er bleibt wieder stehn, das is ja –
Christoph. Meiner Seel –
Weinberl. Das is der Herr von Brunninger.
Christoph. Der öfters zu unserm ·Prinzipal· kommt.
Weinberl. Der kennet uns gleich.
Christoph. Fahrn wier ab. –
(Beyde wollen links ab.)
Weinberl. Halt! – (Bleibt wie vom Donner gerührt stehn.) Das is Blendwerk, das kann nicht seyn – (Zeigt erstarrt mit der Hand nach links.)
Christoph (erschrocken). Der Herr Zangler[!]
Weinberl. Der Prinzipal –
Christoph. Gschwind da ins Haus herein!
Weinberl. Dem Abentheuer weichen wir aus.
(Beyde eilen in das offne Hausthor Mitten im Prospekt, und bleiben unter der Einfahrt[,] sich Links drückend[,] stehen.)
Christoph. Er wird gleich vorbey seyn.
Weinberl. Nur ruhig.
2te Scene
(Hausmeister, die Vorigen.)
Hausmeister (aus der Thüre rechts unter dem Thorweg tretend). Was giebt’s da?
Christoph. Nix, gar nix.
Weinberl. Wier wollen –
Christoph. Nix[,] gar nix.
Hausmeister. Wieder passen auf d’Weibsbilder? Weiter um a Haus.
Christoph. Nit um a Gschloß[!]
Weinberl. Wier müssen da hinauf[.]
Hausmeister. Zu wem?
Weinberl. Zu – zu, – na was da draußt auf der Tafel steht –
Christoph. Madam Knorr, Modewaaren Verlagsniederlagverschleißhändlerinn.
Hausmeister. Die ·logiert· im 1sten Stock und nit unter der Einfahrt.
Christoph. Ebendeßtwegen gehn wier ja hinauf.
Weinberl. Ja habn Sie glaubt, daß wier nit hinaufgehn?
Hausmeister. Ersten Stock rechts die Thür.
Weinberl. Dank Ihnen. (Geht zögernd die Stiege hinauf.)
Christoph. Also gehn wier. (Indem er Weinberln folgt.) Wier können nit fehlen, rechts die Thür.
(Man sieht Beyde die Stiege hinaufgehen.)
Hausmeister (nach einer kleinen Pause). Denen geh i nach, i muß sehn, ob s’ mi nit ang’logen habn. (Geht ebenfalls die Stiege hinauf.)
3te Scene
(Zangler, dann Brunninger.)
Zangler (von links kommend). Das wär gethan, – das auch, – zur Schwägerinn hab ich hingschickt, also – (Geht in das Haus wo Christoph und Weinberl hineingegangen sind.)
Brunninger (eilig von rechts kommend). Herr von Zangler! Herr von Zangler!!
Zangler (bereits unter dem Thorweg, sich wieder umwendend). Wer ruft denn? –
Brunninger (auf ihn zu eilend). So hab ich halt doch recht gsehn.
Zangler. Herr von Brunninger!? freut mich.
Brunninger. Seit wann in der Stadt? kommen wie gerufen, müssen gleich jetzt mit mir zum Advokaten, es is wegen der Kriglischen Sache.
Zangler. Freund das lassen wier bis später, jetzt muß ich –
Brunninger. Nein Freund, ich laß Ihnen nicht aus, die Kriglische Sache –
Zangler. Liegt mir bey weiten nicht so am Herzen, als wie –
Brunninger. Hat sich aufs vortheilhafteste gestaltet, wier kommen allezwey zu unserm Geld.
Zangler. Ich weiß –
Brunninger. Die Kriglische Sache –
Zangler. Muß jetzt, aufrichtig gsagt[,] einer Herzenssache nachstehn.
Brunninger. Was?
Zangler. Ich heurath.
Brunninger. Wem?
Zangler. Noch weiß es kein Mensch, und doch steht’s mit großmächtigen Buchstaben angschrieben auf der Gassen.
Brunninger. Wo?
Zangler (auf die Tafel ober dem Hausthore deutend). Da. Madam Knorr.
Brunninger. Is [das die] erwählte? gratulir, aber –
Zangler (eilig). Ich muß jetzt zu ihr –
Brunninger. Da vergessen S’ mir ganz auf die Kriglische Sache – nix da[,] ich lass’ Ihnen nicht aus, –
Zangler. Aber Freund –
Brunninger. In 10 Minuten is es abgethan.
Zangler. Aber gwiß nit länger[?]
Brunninger (ihn unter dem Arme nehmend). Nein, sag ich, kommen S’ nur gschwind.
Zangler. Meinetwegen, aber –
Brunninger (mit Zangler rechts abgehend). Sie werden sich wundern Freund, ich sag Ihnen[,] die Kriglische Sache –
Zangler. Länger als 10 Minuten kann ich nicht. [(Beyde ab.)]
Verwandlung
(Zimmer bey Mad. Knorr mit Mittel- und Seitenthüre.)
4te Scene
(Philippine, Weinberl, Christoph.)
Philippine. Wollen die Herrn da herein spazieren. Ich werd’s gleich der ·Madam· sagen. (Geht in die Seitenthüre rechts ab.)
Weinberl. Da wärn wier. Sehn Sie das sieht schon ein Abentheuer gleich.
Christoph. Was sagen wier denn aber wenn die ·Madam· kommt.
Weinberl. Was uns einfallt.
Christoph. Wenn uns aber nix Gscheidts einfallt?
Weinberl. So sagn wier was Dumms. Unsere Lag erfordert mehr Hardieß als Gscheidtheit.
Christoph. Freylich, ein Gscheidter Mensch laßt sich auf so Sachen gar nicht ein.
Weinberl. Sie kommt.
5te Scene
(Madam Knorr, Philippine, die Vorigen.)
Philippine (mit Mad. Knorr aus [der] Seitenthüre rechts kommend). Das sind die Herrn[.] (Geht Mitte ab.)
(Weinberl und Christoph machen Mad. Knorr stumme ·Complimente·.)
Christoph (leise zu Weinberl). Wann Sie nit zum Reden anfangen, ich fang nit an.
Weinberl. Nur Geduld[.]
Mad. Knorr. Was steht zu Diensten, meine Herrn?
Weinberl. Habe ich die Ehre Madame Knorr –?
Mad. Knorr. O ich bitt[,] die Ehr ist meinerseits[.]
Christoph (bei Seite). Der Anfang is sehr ehrenvoll.
Mad. Knorr. Wünschen die Herren vielleicht in meinem Waarenlager eine kleine Auswahl zu treffen.
Christoph (leise zu Weinberl). Sie, das thut’s nit, ’s könnt uns ’s Geld z’wenig wer’n.
Weinberl. Wir kommen eigentlich weniger um zu kaufen [–]
Christoph. Noch eigentlicher um gar nix zu kaufen.
Weinberl. Sondern vielmehr gekaufte Sachen zu bezahlen.
Mad. Knorr (sehr freundlich). O, ich bitte[.]
Christoph. Das heißt eigentlich nicht zu bezahlen.
Weinberl. Sondern eigentlich nur um uns über eine Rechnung zu ·informieren·, wie viel sie betragt, und dieser Tage dann zu bezahlen.
Mad. Knorr. Wie es gefällig ist; aber was für eine Rechnung meinen Sie denn eigentlich?
Weinberl. Die Rechnung von – (Bei Seite zu Christoph.) sie wird doch eine Kundschaft haben die Schmidt heißt. (Laut.) Die Rechnung nehmlich von der Frau von Schmidt.
Mad. Knorr. Das muß ein Irrthum seyn[,] ich habe keine Kundschaft die Frau von Schmidt heißt.
Weinberl (für sich). Jetzt ist’s recht. (Laut.) Ich hab mich nur versprochen; Frau von Miller hab ich sagen wollen; (Bei Seite.) da wird s’ doch eine haben.
Mad. Knorr. Verzeihn Sie, ich habe auch keine Frau von Miller zu bedienen.
Weinberl (bei Seite). Da soll doch der Teufel – (Laut.) Ich bin aber heut so zerstreut, Frau von Fischer heißt diejenige [–]
Mad. Knorr. Ah, Frau von Fischer ja das ist was anders, ja die Frau von Fischer meinen Sie?
Weinberl (leise zu Christoph). Sehn S’ jetzt hab ich’s halt doch troffen.
Christoph (leise zu Weinberl). Es is aber unbegreiflich, wie man nicht gleich Frau von Fischer sagen kann; das gibt doch die Vernunft.
Mad. Knorr. Aber wie kommt das, Frau von Fischer ist mehr meine Freundinn, als bloß Kundschaft –
Weinberl. Bitte, wenn die Freundinn was kauft is sie Kundschaft und muß zahlen, wenn das nicht wäre, so hätten ja die Kaufleut lauter Freund und gar keine Kundschaften.
Mad. Knorr. Aber es pressiert ja nicht, Frau von Fischer verrechnet sich alle Jahr mit mir, und jetzt muß ich mir schon die Freyheit nehmen zu fragen, wer Dieselben sind, und wie Sie dazu kommen für die Frau von Fischer bezahlen zu wollen.
Weinberl. Sie ist also Ihre Freundinn.
Mad. Knorr. Das glaub ich, noch wie ihr seeliger Mann gelebt [hat], und gar jetzt die 3 Jahr als sie Wittwe ist –
Weinberl (leise zu Christoph). Jetzt gebn Sie Acht, was ich der Sach für eine Wendung geb. (Laut.) Drey Jahr war sie Wittwe[,] ganz recht, aber seit 3 Täg ist sie’s nicht mehr.
Mad. Knorr (erstaunt). Wie so?
Weinberl. Ich bin ihr Gemahl.
Mad. Knorr (aufs Äußerste überrascht). Was!?
Christoph (für sich). Ah das is ein kecker Ding.
Mad. Knorr. Wär’s möglich! vor drey Tagn hat meine Freundinn Fischer g’heurath?–!
Weinberl. Ich bin der Glückliche von 3 Täg. (Leise zu Christoph triumphirend.) Sehn Sie, das heißt halt Geist.
Mad. Knorr (hat etwas von diesen Worten gehört). Wer heißt Geist?
Weinberl. Geist? Ich heiße Geist. (Für sich.) ’s is alls eins[,] ich kann heißen wie ich will.
Mad. Knorr. Ich bin so überrascht Herr von Geist[.]
Christoph (für sich). Man sähet ihm’s nicht an.
Mad. Knorr. Und dieser junge Herr. [(Auf Christoph zeigend.)]
Weinberl. Ein meiniger Verwandter.
Mad. Knorr. Aber warum hat man so eine wichtige Sach vor einer ·intimen· Freundinn verheimlicht?
Weinberl. Sie solln alls erfahren. Wollen Sie jetzt nur wegen der Rechnung nachschauen.
Mad. Knorr. Gleich, gleich[.] (Will [zur] Seitenthüre rechts ab, aber zögert.)
Weinberl (leise zu Christoph). Derweil fahrn wir ab.
Christoph (leise zu Weinberl). Recht, den Alten begegnen wir jetzt nicht mehr.
Mad. Knorr. Nein ich kann mich noch gar nicht erhohlen von dem Erstaunen[,] von der Überraschung.
6te Scene
(Philippine, die Vorigen.)
Philippine (zur Mitte eintretend). Madam, die Frau von Fischer is da, sie will aber nicht herein, weil Herrn da sind.
Christoph. Jetzt geht’s recht[.]
Weinberl (verblüfft). Wer is da –?
Mad. Knorr. Ihre liebe Frau, (Zu Philippine.) sie soll nur hereinkommen, es is ja ihr Gemahl –
Weinberl (verlegen). Nein, sagen Sie ihr –
Mad. Knorr. Zu was diese Sachen, (Zu Philippine.) sie soll kommen[,] ihr Gemahl, ihr lieber Geist is da.
(Philippine Mitte ab.)
Weinberl (in großer Verlegenheit für sich). Ich wollt ich wär ein Geist, daß ich verschwinden könnt.
Mad. Knorr. Ich begreiff nicht, – wozu diese Zurückhaltung, dieses geheimnißvolle Wesen –
Weinberl. Meine Frau hat das, Sie werden sehn, sie wird jetzt noch thun, als ob ich ihr ein fremder Mensch wär.
Christoph [(für sich)]. Ja sie wird so dergleichen thun.
Mad. Knorr.Am End is sie obstinat, und bleibt draußen.
Christoph (für sich). Das wär a Glück[.]
Mad. Knorr. Da muß ich gleich, – wär nicht übel – (Geht zur Mittelthüre.)
Weinberl (zu Christoph). Ich bin sehr gespannt auf meine Frau.
Mad. Knorr. (Frau von Fischer unter der Thüre empfangend). Nur her da, komm in meine offnen Arme[,] du Verschloßne –
7te Scene
(Frau v. Fischer, die Vorigen.)
(Frau v. Fischer tritt befremdet zur Mitte ein.)
Philippine (zu Frau v. Fischer). Jetzt sehn Sie, daß ich kein Spaß hab gmacht.
Mad. Knorr. Nein es is Ernst, da steht er dein Gemahl der Herr von Geist.
Frau v. Fischer. Mein Gemahl –? und er hat dir selbst gesagt –?
Mad. Knorr. Daß du seit 3 Tägen die Seinige bist, jetzt nutzt keine Verstellung mehr. [(Zu Philippine.)] Philippin’! lassen Sie gschwind Kaffee machen, und dann soll – (Gibt ihr leise mehrere Aufträge.)
(Frau v. Fischer betrachtet Weinberl scharf.)
(Weinberl zieht sich verlegen immer mehr an die Seite Links.)
Frau v. Fischer (nach einer Pause vortretend, für sich). Das ist entweder eine ·excentrische· Art den Anbether machen zu wollen, oder der Mensch erlaubt sich einen Scherz mit mir; im ersten Fall verdient die Sache nähere Erwägung, im zweyten Fall verdient die Kekheit Strafe; In jedem Fall aber muß ich ins Klare kommen, und das kann ich am besten, wenn ich in seine Idee einzugehen scheine, vor meiner Freundinn seine Frau spiele, und Gelegenheit abwarte ihn in die Enge zu treiben.
Philippine [(zu Mad. Knorr)]. Schon recht[,] Madam. (Geht Mitte ab.)
Mad. Knorr (zu Frau v. Fischer). Und jetzt zu dir du garstige Freundinn –
Weinberl (leise zu Christoph). Die garstige Freundinn is eigentlich sehr sauber.
Christoph (leise zu Weinberl). Was nutzt das, wir kommen doch in eine wilde Gschicht.
Mad. Knorr (zu Frau v. Fischer). Wie hast du das übers Herz bringen können, zu heurathen ohne daß ich was weiß?
Frau v. Fischer. Es war ein Grund – den dir mein lieber Mann sagen wird.
Weinberl (verblüfft für sich). Sie sagt lieber Mann – sie thut richtig so –
Mad. Knorr. Nun Herr von Geist –?
Weinberl (verlegen). O, den Grund, den kann Ihnen meine liebe Frau ebenso gut sagen.
Frau v. Fischer. Nein lieber Mann, sag du es nur.
Weinberl (wie oben). Ah geh liebe Frau, sag du’s.
Frau v. Fischer. Es war eine Laune von meinem lieben Mann.
Weinberl (sich mehr und mehr fassend). Und zugleich auch eine Laune von meiner lieben Frau –
Mad. Knorr. Es is aber unerklärbar –
Weinberl. Daß zwey Leut, wir wier[,] bey Laune sind, das is gar nicht unerklärbar.
Mad. Knorr. Die Bekanntschaft muß aber doch schon [viel] länger [–]
Frau v. Fischer. Ach das nicht, wir kennen uns erst sehr kurze Zeit.
Weinberl. Unglaublich kurz. Die Gschicht war so über Hals und Kopf.
Christoph (leise zu Weinberl). Ja wohl is[’s] uns übern Hals kommen, jetzt heißt’s aber den Kopf aus der Schlingen ziehn.
Mad. Knorr. Da kann man sehn, die Ehen werden im Himmel geschlossen.
Weinberl. Richtig bemerckt[,] im Himmel werden s’ geschlossen, drum erfordert dieser Stand auch meistens eine überirrdische Geduld.
Frau v. Fischer. Sehr unrichtig bemerkt, denn du hast dich hoffentlich nicht über mich zu beklagen?
Weinberl. O nein.
Frau v. Fischer. Hab ich dir schon ein einziges Mahl wiedersprochen?
Weinberl. Nein, das is wahr.
Frau v. Fischer. Suche ich nicht in deine Ideen einzugehen, selbst wenn ich keinen vernünftigen Grund herausfinde?
Weinberl. Das is auch wahr.
Christoph (leise zu Weinberl). Das is a feine Kundschaft[,] fahrn wier ab.
Weinberl (zu Frau v. Fischer). Weil du mir nie wiedersprichst, so wirst du auch nix dagegen haben, wenn ich dich jetzt bey deiner Freundinn laß, und meinen Geschäften nachgeh.
Frau v. Fischer. O da würde ich sehr viel dagegen haben. Du hast für heute kein Geschäft mehr, als für unser Vergnügen zu sorgen. Zum erstenmahl muß es jetzt nach meinem Willen gehn.
Weinberl. Ja aber ich muß –
Frau v. Fischer (imponierend). Für dießmal unbedingt den Befehlen der Frau gehorchen.
Weinberl (verblüfft). Ja, ja, gehorchen, sag nur was du eigentlich schaffst.
Christoph (leise zu Weinberl). Aber was treiben S’ denn[?]
Weinberl (leise zu Christoph). Ich trau mich nicht zu wiedersprechen.
Christoph (wie vor). Zwey Minuten stelln S’ jetzt einen Ehmann vor und seyn schon Simandl, Sie haben eine großartige Anlag.
Mad. Knorr (welche unterdessen leise mit Frau v. Fischer gesprochen). ·Charmant·, dort fahren wier hin, der Garten ist prächtig, die Bedienung ist einzig –
Frau v. Fischer (ohne daß Weinberl darauf Acht hat). Mein Mann soll uns dort tractieren.
Mad. Knorr. Da hinaus eine Parthie zu machen, das is eine Idee von dir, die wirklich ein Kuß verdient, den dir dein Mann auch sogleich –
Weinberl (zu Mad. Knorr). Glauben Sie? ja ich bin der Mann, der Niemanden sein Verdienst abstreiten will, wenn Sie also der Meinung sind, daß sie ein Kuß verdient –
Mad. Knorr. Ohne weiters. (Zu Frau v. Fischer.) Nur keine Umständ gmacht vor einer Freundinn.
Weinberl. So geh[,] Gemahlinn[!] (Küßt Frau v. Fischer, welche verlegen zögert.)
Mad. Knorr. So seh ich’s gern von junge Ehleut.
Weinberl (für sich). Das is ein Götterweib. (Zu Frau v. Fischer.) Gemahlinn, wenn du nicht recht bald wieder eine Idee hast, die einen Kuß verdient, so geb ich dir a Paar ·a conto· auf deine nächsten Ideeen.
[Mad. Knorr. Eine Tasse Kaffee müssen wir aber noch trinken, eh wir ausfahren, der Herr ·Cousin· kann gleich um einen Wagen gehn, und Sie (Zu Weinberl.) spazieren indessen (Nach rechts zeigend.) in mein Zimmer hinein, ich muß Ihrer Frau im Atelier draußen eine neue Form von Hauberln zeign, von Hauberln –! wir werden Ihnen nicht zu lang warten lassen, Sie verliebter Gemahl Sie. (Geht mit Frau v. Fischer und Christoph zur Mitte ab.)
[8te Scene]
(Weinberl, allein.)
[Weinberl.] Ich muß sagen, ich und die Meinige wir leben sehr gut miteinand. Es rentirt sich kurios, wenn man a verfluchter Kerl is. – Den Wagen wird wohl die Madam Knorr zahlen – ah freilich, sie hat ja drum gschickt. Übrigens, daß ich jetzt da so aus dem Stegreif einen Gemahl vorstell, das is a verruckte Idee. – Macht nix, ich bin ja nicht der Einzige, es gibt mehr Leut, die verruckte Ideen haben.
Lied
1.
A Mann führt sein Frau ’s ganze Jahr nirgends hin,
Unterhalt sich auf andre Art, ganz nach sein Sinn,
Prätendirt aber, wenn er geht, soll s’ freundlich sein,
Weil s’ ihm sonst den Humor verdirbt in Vorhinein –
Wenn er heimkommt, soll s’ lächeln recht heiter und mild,
Er wird Flegel, sobald sie sich unglücklich fühlt,
Sie soll höchst zufrieden sein in dieser Eh –
Das is a verruckte Idee! –
2.
A eitle Mama hat a Tochter wie a Perl,
Der Tochter ihr Amant is a pfiffiger Kerl,
So wie ’n Haushund der Dieb mit Savlati besticht,
Wer’n von ihm an d’Mama a Paar Flatusen gericht, –
Und d’Alte is selig, die Augn thun ihr funkeln,
„Ach Gott,“ denkt s’, „ich thu meine Tochter verdunkeln,
Für mich thut sein Herz nur schlagen unterm ·Gilee·“ [–]
Das is a verruckte Idee! –
3.
„Den Herrn seh ich täglich zu Ihrer Frau gehn“ –
Ja wissen S’ das macht nix, es is ihr ·Cousin· –
„In der Dämmerung da sieht man s’ oft bei einand stehn“ –
Was schadt denn die Dämmerung, ’s is ja ihr ·Cousin· –
„Sie thut ihm die Hand drucken und thut ihm schön“ –
Warum soll s’ ihn nit drucken, ’s is ja ihr ·Cousin· –
Wär er nit ihr Cousin, ließ i ihr’n gwiß nit in d’Näh –
Das is a verruckte Idee! –
4.
’s is jetzt fast Auszeichnung, wenn man sagen kann, dahier,
Mein Sohn is zwölf Jahr und spielt gar nicht Clavier;
Wer nicht ferm Doktorfauststückeln jetzt machen kann,
Sondern nur Virtuos is, den hört man kaum an –
Und doch liest man Clavierkonzert fast alle Tag
An allen Ecken, aber im Preis geben s’ dem Lißt nicht viel nach –
Drei Gulden Münz für ein Sperrsitz, vier Zwanziger ·Entree· [–]
Das is a verruckte Idee! –
5.
’s hat Einer ein kleinen Gehalt, kommt nicht draus,
Verliebt sich romantisch und rechnet sich’s aus:
Als so led’ger kommt mich ’s Kaffeehaus so hoch,
Da kommt mich ja d’Frau etwas billiger noch –
Dann ’s Kinder ernähren meint er wird sich schon finden,
Das Rechnungs-Exempel is schön gfehlt vorn und hinten,
A Familie und Sechshundert Gulden W. W.
Das is a verruckte Idee! –
(In die Seitenthüre rechts ab.)]
Verwandlung
(Eleganter Garten[-]Salon, in einem Gasthaus-·Etablissement· außer der Stadt, Im Prospect ist rechts ein großes Fenster, Links eine große Glasthüre, beyde nehmen beynahe den ganzen Prospect ein so daß man durch selbe die Aussicht in den Garten hat, wo man an mehreren Tischen Gäste sitzen sieht. Von außen[,] ganz nahe an dem Fenster im Prospect sieht man einen geschlossenen Wagen stehen, dessen Pferde in der Koulisse angenommen werden. Im Gartensalon rechts und links Tisch und Stühle.)
9te Scene
(Zangler, Melchior.)
Zangler (erzürnt in den Salon mit Melchior eintretend). Das also hir is der Ort?
Melchior. Wenn Euer Gnaden recht verstanden haben, was der Herr dem Kutscher zug’ruft hat –
Zangler. Ob ich’n verstanden hab! Es war grad in dem Moment, wie er ’s Wagenthürl zugschlagen hat, ich schrey[:] halt! –
Melchior. Aber man war nicht so dumm Ihnen zu gehorchen.
Zangler. Ich stürz in mein Gasthaus –
Melchior. Ich stürz Ihnen entgegen, und nach kurzer Erklärung stürzen wier allzwey fort, stürzen in ein Wagen, und wenn der Wagen auch gstürzt wäre, wären wir noch nicht da. Jetzt denken Euer Gnaden wenn Sie mich nicht hätten.
Zangler. So wäre ein Anderer mit mir heraus.
Melchior. Es ist ein wahres Glück, daß Euer Gnaden mich haben.
Zangler. Das Frauenzimmer war offenbar sie.
Melchior. Und der Mann war offenbar er.
Zangler. Durchgehn –!
Melchior. Das is ·classisch·!
Zangler. Schändlich is es[,] aber ich will ihr zeigen.
Melchior. Wenn eine Mündl so den Mündlgehorsam verletzt[,] wenn eine Nichte so die Nichtigen Pflichten vergißt, da muß man –
Zangler. Da muß man nicht viel reden, sondern schaun daß man sie kriegt.
Melchior. Nur kein Aufsehn! Es is ein wahres Glück daß Euer Gnaden mich haben.
Zangler. Meine Mündl will ich haben, Tölpel!
Melchior. Gut, aber was thäten Euer Gnaden, wenn Euer Gnaden mich nicht hätten?
Zangler. Einen Gscheidtern thät ich schicken, daß er augenblicklich jeden Saal, jedes Salettel[,] jeden Salon, jeden Salatrain durchsucht, und mir die Überzeugung bringt, daß sie da sind.
Melchior. Aber nur kein Aufsehn! wir müssen zuerst –
Zangler (den Wagen vor dem Salonfenster erblickend). Ha, das is der Wagen – jetzt habn wier s’, sie sind da!
Melchior. Das is ·classisch·[!] Das is ein wahres Glück daß Euer Gnaden mich haben.
Zangler (ruft). He Kutscher! He! (Will ab.)
Melchior (ihn zurückhaltend). Schreyen Sie nicht so, bleiben Sie.
Zangler. Laß Er mich oder ich schlag mein spanisches Rohr an Ihm ab.
Melchior. Vermeiden Sie das Aufsehn. Sie entkommen uns ja nicht, die Pferd nehmen hir Erfrischungen zu sich, das dauert a Weil.
Zangler (ruft noch lauter). He Kutscher! He!
Kutscher (von innen). Was schaffen S’?
Melchior. Na sehn S’, er kommt schon, es [is] ein wahres Glück, daß Euer Gnaden mich –
Zangler (grimmig). Halt Er ’s Maul oder –
Melchior. Kein Aufsehn.
10te Scene
(Kutscher, die Vorigen.)
Kutscher (tritt ein). Euer Gnaden.
Zangler. Geh Er her.
Kutscher. Ich hab schon a Fuhr.
Zangler. Eben deine Fuhr will ich[.]
Kutscher. Seyn denn Euer Gnaden ein Kutscher[?]
Zangler. Er versteht mich nicht.
Melchior (zu Zangler). So reden S’ ordentlich mit ihm; ich seh schon, da habn Euer Gnaden kein Begriff.
Zangler. Du hast einen Herrn und ein Frauenzimmer gführt?
Kutscher. Ja, sie sitzen im Garten.
Zangler. Und weißt du auch in welcher Absicht dieser Herr und dieses –?
Kutscher. Was geht denn das mi an.
Melchior. Wenn ein Kutscher in das eingehen wollt, na, na, da haben Euer Gnaden kein Begriff.
Zangler (zum Kutscher). Weißt du, Helfershelfer[,] daß du criminalisch bist?
Kutscher. Lassen S’ Ihnen nit auslachen.
Melchior (zu Zangler). Sehn S’, jetzt lacht er Ihnen aus; Euer Gnadn haben kein Begriff –
Zangler (zu[m] Kutscher). Hir hat Er Zehn Gulden.
Melchior. Der Kutscher wird jetzt gleich ein Begriff kriegn.
Kutscher. Euer Exlenz[!]
Zangler (zu[m] Kutscher). Er führt die zwey Leut wenn sie wieder einsteigen, nicht wohin sie wollen, sondern wohin ich Ihm sagen werd.
Kutscher. Wenn s’ mich aber nacher verklagen?
Zangler (ihm einen Zettel gebend). Da is die Adresse von meiner Schwägerinn, da führst du s’ hin, und um dir zu zeigen, daß die Sache im Wege Rechtens vor sich geht, geh ich jetzt zum Wachter, der muß hint aufstehn, und Gewalt brauchen, wenn sie nicht gutwillig in das Haus wollen, wo ich sie hinbringen laß. Dem Wachter werd ich schon erklären –
Melchior [(mit Beziehung auf das Trinkgeld)]. O, der Wachter begreifft eben so wie der Kutscher.
Zangler (zu[m] Kutscher). Bleib Er jetzt beym Wagen, Er muß jeden Augenblick in Bereitschaft seyn.
Kutscher. Euer Gnaden können sich verlassen. (Ab.)
Zangler (grimmig). Ich fahr dann nach, und hab ich den kecken Purschen im Haus meiner Schwägerinn, dann kann ich durch einen Herrn ·Comissarius· ohne Aufsehn –
Melchior. Das is ja das, was ich immer sag[,] ohne Aufsehn, sehn Euer Gnaden jetzt ein, was das für ein Glück is, daß Sie mich –?
Zangler (grimmig). Unerträglicher Kerl, ich zerreiß Ihn.
Melchior. Gehn S’[,] Sie machen schon wieder ein Aufsehn.
Zangler. Schad daß ich mich ärgre, denn Er is so dumm, so –
Melchior. Da habn Sie gar kein Begriff, wenn Sie sagen –
Zangler. Daß Er ein Stockfisch ist, den ich zu[m] Teufel jag, wie wir nach Haus kommen, das sag ich. (Geht grimmig ab.)
11te Scene
(Melchior, dann Sonders und Marie.)
Melchior (allein). Der wird es nie einsehn, mit dem Mann plag ich mich umsonst. Er halt mich ·partout· für ein Stockfisch, und man glaubt gar nicht, was das is, wenn man einmahl auf ein Menschen ein Verdacht hat. Ich könnt mich aber doch durch was in Respect setzen bey ihm, wenn ich die Liebenden, die ich in meinem Leben nicht gsehn hab[,] entdecket, ihre Gespräche und Pläne belauschet, und so – da kommen zwey – [(In den Garten hinaussehend.)] er redt in sie hinein, sie seufzt aus sich selbst heraus – das sind Liebende, jetzt fragt’s sich nur ob es die Unsrigen sind, ob’s die sind, die wier suchen. (Zieht sich gegen das Fenster zurück.)
Sonders (mit Marien zur Glasthüre eintretend). Sey doch nicht so ängstlich, liebe Marie.
Marie [(trägt einen Burnus und Hut mit Schleier)]. Ach Gott, die vielen Leut.
Sonders. Kennen uns nicht. Wier sind hier Beyde fremd –
Marie. Ich glaub jeder Mensch sieht mir’s im Gsicht an.
Melchior (für sich). Das is ·classisch·.
Marie. Und bey jedem Schritt glaub ich der Vormund steht vor mir.
Melchior (für sich). Sie hat ein Vormund, die sind’s schon. –
Sonders. Hir ist der Sammelplatz der eleganten Welt, hir sind wier sicher so einem Spießbürger wie er ist nicht zu begegnen.
Marie. Ach August, wozu hast du mich verleitet, und ich hab dir immer gesagt es schickt sich nicht.
Melchior [(für sich)]. Das is ·classisch·.
Sonders. Mache dir deshalb keine Vorwürfe; dein Vormund ist ein Tyrann.
Melchior (wie oben). Was? auf die Art sind die’s doch nicht. Unserer ihr Vormund is a Gwürzkrammer, und der ihrer is ein Tyrann, das sind Liebende, die uns gar nix angehn.
Sonders. Er selbst hat uns gezwungen zu diesen Schritt.
Melchior (wie oben). Die sind dazu gezwungen worden, und die unsrigen seyn freywillig fort, ja das sind ja ganz andere Verhältnisse.
Marie. Du wirst sehn August, mir geht es im Geist vor –
Sonders. Beruhige dich, liebes Mädchen, wir haben nichts zu befürchten.
Melchior (wie oben). Die haben nichts zu befürchten, und die unsrigen haben sehr viel zu befürchten, wie gesagt das sind hir ganz andere Verhältnisse.
Marie. Daß ich aber mit dir in der Welt herumlauf, das schickt sich nicht.
Melchior (wie oben). Das is ·classisch·.
Sonders. Dafür ist gesorgt, ich erwarte hir nur die Antwort von einem Freunde, dessen Schloß zwey Stunden von hir gelegen; bei seiner Gattin findest du ein freundliches Asyl bis ich nach Beseitigung aller Hindernisse, dich als Gattin in die Arme meiner Tante führe.
Melchior (wie oben). Die gehn zu einer Tant, und die unsrigen kommen von ein Onkel – na ja[,] das sind ja ganz andre Verhältnisse.
Sonders (Melchior bemerkend). Wer spricht hir?
Melchior. Nein, nein, sind Sie ruhig – Ihnen thun wier nix.
Sonders. Er hat uns behorcht.
Melchior. Kein Gedanken, bey Ihnen sind ja ganz andere Verhältnisse.
Sonders. Was will Er also hir?
Melchior. Sie müssen wissen[,] sowohl Sie als die Fräulein müssen wissen, ich bin da mit mein Herrn.
Sonders. Was geht das uns an?
Melchior. Na ja, wenn Sie die wären, die – dann ging’s Ihnen wohl sehr viel an, aber, wie gesagt, bey Ihnen sind es ganz andere Verhältnisse.
Sonders. Ich glaub Er ist betrunken –
12te Scene
(Ein Kellner, die Vorigen.)
Kellner. Die ·Chocolade· ist serviert.
Sonders. Wo hast du uns gedeckt?
Kellner. Wo Euer Gnaden früher gesessen sind, in der Laube.
Sonders. Komm liebe Marie.
Marie. Ach August es schickt sich nicht.
(Beyde ab, der Kellner folgt.)
13te Scene
(Melchior allein.)
[Melchior.] Die sagt immer: es schickt sich nicht, geht aber doch wieder in die Laube, das is ·classisch·. (Ab.)
14te Scene
(Mad. Knorr, Frau v. Fischer, Weinberl, Christoph. Frau v. Fischer trägt Hut und ·Burnus· von derselben Farbe wie Marie hatte.)
(Frau v. Fischer von Weinberl[,] Mad. Knorr von Christoph geführt treten ein.)
Frau v. Fischer (zu Weinberl). Ich begreiffe nicht mein Lieber, was dir eingefallen ist[,] daß du den Wagen fortfahren ließest.
Mad. Knorr. Hier bekommen wier ja Wägen so viel wier wollen.
Christoph. O ja, wenn man kein Geld anschaut.
Weinberl (leise zu Christoph). Ich werd sehr bald kein Geld anschaun, denn ich werd gleich keins mehr haben. (Laut zu Frau v. Fischer.) Weißt du Liebe ich hab geglaubt es is angenehmer, wenn wier zu Fuß nach Haus gehen.
Frau v. Fischer. Zu Fuß?
Mad. Knorr. Aha im Mondschein mit dir dahinschlendern und schwärmen hat er wollen.
Weinberl. Ja, schlendern und schwärmen.
Christoph (zu Mad. Knorr). Und wier hätten auch das unsrige geschwärmt.
Mad. Knorr. O Sie schlimmer ·Cousin·[!]
Weinberl. Ja, ja gehn wier zu Fuß, das is so schwärmerisch und so, – (Bei Seite.) so billig.
Frau v. Fischer. Warum nicht gar. Der Abend ist so kühl, willst du mich morgen krank wissen.
Mad. Knorr. In der Hinsicht soll man wohl nicht sparen. Eine Krankheit kommt höher als Zehn Fiaker.
Weinberl (für sich). Mich kommt wieder ein Fiaker höher als wenn s’ morgen Zehn Krankheiten kriegt.
Frau v. Fischer (zu Weinberl). Ohne Wiederrede, wier fahren.
Mad. Knorr [(zu Frau v. Fischer)]. War das aber ein guter Rath von mir, daß ich gsagt hab, um den Mantel nach Haus schicken.
Frau v. Fischer. Ja wohl, aber hir will ich doch ablegen.
(Geht zu einem am Fenster stehenden Stuhl und legt den Burnus ab[,] wobey ihr Mad. Knorr behilflich ist.)
Weinberl (im Vordergrunde zu Christoph). Christoph, Sie haben doch etwas Geld bey sich?
Christoph. Nein[,] gar keins.
Weinberl. Sie sind ein – auf Ehr, wenn Sie nicht schon ·Commis· wären, jetzt beutlet ich Ihnen, daß –
Christoph. Und wenn S’ mich noch so beuteln, so fallt kein Kreutzer heraus[,] ich hab mich auf Ihnen verlassen. Wie viel haben S’ denn?
Weinberl. Ich hab mir von z’Haus zehn Gulden mitgenommen.
Christoph. Und mit 10 ·fl· haben Sie wollen ein verfluchter Kerl seyn.
Weinberl. Hab ich das ahnen können, wie ich in der Fruh so ledig ausgangen bin, daß ich gegen Abend a Frau hab? Sonst sagt man ’s Unglück kommt über Nacht, mir is es über Mittag kommen. Und daß ich alles zahlen muß, hab ich mir auch nit denckt. Jetzt hab ich grad noch 2 ·fl·.
Christoph. Und jetzt brauchen wir a Jausen auf 4 Person, Wagen nach Haus, und unser Rückreis[.]
Weinberl. Da schaut offenbar a Krida heraus.
Frau v. Fischer (mit Mad. Knorr vorkommend). Nun lieber Mann du vergißt ja den Kellner zu rufen.
Weinberl. Nein ich hab grad drauf denckt. – (Zögernd.) Du glaubst also wirklich daß wir hir jausnen sollen.
Frau v. Fischer. Was sonst?
Weinberl (verlegen). Nein nein, sonst nix – (Bei Seite.) mir is das z’viel.
Frau v. Fischer. So rufe doch –
Weinberl (mit unsichrer Stimme). He Kellner!
[Frau v. Fischer]. So wird dich Niemand hören.
Weinberl. Ich hab so was Erschöpftes in mir – gar nicht das rechte Organ ein Kellner zu rufen. (Ruft wie früher.) He Kellner!
Christoph (laut). Kellner!
Frau v. Fischer (zu Mad. Knorr). Mein Mann macht sich öfters den Spaß[,] den Knickrigen zu spielen, die Jause soll dich vom Gegentheil überzeugen. (Für sich.) Ich glaube, der Mensch wollte mich zum Besten halten, das soll er mir büßen.
15te Scene
(Kellner, die Vorigen.)
Kellner. Was schaffen Euer Gnaden?
Weinberl. Sie sind der Kellner? – Haben Sie die Gewogenheit – nehmen Sie es nicht ungütig daß wier Sie hieherbemühen –
Kellner. Euer Gnaden scherzen –
Weinberl. O nein, warum soll ich Ihnen nicht mit Achtung behandeln –
Christoph (leise zu Weinberl). Was treiben S’ denn?
Kellner (zu Weinberl). Bitte Euer Gnaden, so zart geht kein Gast mit ein Kellner um.
Weinberl. O, ich bitte – (Leise zu Christoph.) Jetzt hab ich doch Hoffnung daß er mit mir auch zart umgehen wird, wenn’s zum Äußersten kommt.
Frau v. Fischer (welche indessen leise mit Mad. Knorr gesprochen[,] laut). Nun was ist denn angeschafft worden.
Kellner. Bis jetzt noch nichts.
Weinberl. Wier ·deliberieren· grad, ich glaub 2 Schaalen Kaffe[e].
Frau v. Fischer. Kaffee haben wier ja schon bey meiner Freundinn getrunken. Du mußt eine Jause bestellen, die gleich als ·Souper· dienen kann.
Weinberl. Aha – (Zum Kellner.) So bringen Sie uns Butter und Rettich und 3 Seitel Bier, zwey für uns, und eines für die Damen. (Für sich.) Das kommt billig.
Frau v. Fischer. Was war das? du willst uns so ordinär –
Mad. Knorr. Ich trinke nie Bier[.]
Weinberl (zum Kellner). Also nur für uns Bier[,] für die Damen Wasser[,] (Für sich.) das is noch billiger.
Frau v. Fischer. Aber Mann[.]
Mad. Knorr. Ich darf nicht kalt ·soupieren·.
Weinberl. Also was Warmes? (Zum Kellner.) haben Sie kein Beuschl?
Christoph. Oder eine halbe Gollasch[.]
Kellner. Das möcht ich nicht rathen, es ist schlecht.
Weinberl (für sich). Das wär eigentlich gut, da esseten s’ nicht viel.
Frau v. Fischer (ernst zu Weinberl). Mann, jetzt sag ich dir zum letztenmahl –
Weinberl (mit Resignation zum Kellner). Also bringen Sie zwey Schnitzel, für uns Bier, und für die Damen ein Seitel Achter, (Für sich.) Die 2 Gulden sind überschritten, die Krida geht an. –
Frau v. Fischer (zu Mad. Knorr). Heut hat mein Mann wieder seinen närrischen Tag. (Zu Weinberl.) Herr Gemahl, jetzt hab ich’s satt –
Weinberl (bei Seite). Das wär ein Glück –
Frau v. Fischer. So schafft man nicht an, wenn man Damen ausführt. Kellner, Sie bestellen uns einen Fasan.
Kellner. Den Augenblick kommt einer vom Spieß.
Frau v. Fischer. Dazu ·Compot·, dann Torte und sonstiges Desert, zuerst Rheinwein, am Schluß ·Champagner·.
Kellner. Sehr wohl Euer Gnaden. (Ruft indem er abgeht.) Anton 4 Gedeck in Salon! (Ab.)
16te Scene
(Die Vorigen ohne Kellner.)
Frau v. Fischer (zu Mad. Knorr). Nun hab ich Deinen ·Gusto· getroffen?
Mad. Knorr. ’s ist aber zu viel.
Christoph (zu Weinberl). Wie gschicht Ihnen denn?
Weinberl. Mir gschieht gar nicht mehr, ich bin stumpf[.]
Christoph. Und ich bin scharf aufs Abfahren bedacht.
Weinberl (von dieser Idee ergriffen). Abfahren? Sie haben Recht, Krida is da, also Verschwinden, das kommt im Merkantilischen häufig vor.
Christoph. Der Kellner soll sich dann mit der Zech an die Frauen halten.
Weinberl. Recht so, wier lassen alls auf die Frauen schreiben, das is wieder merkantilisch.
Christoph. Warum stürzen s’ uns so in ·Depancen· diese Weiber.
Weinberl. Das sind ja Verschwenderinnen, reine ·Gurmaninen·.
Christoph. Aber nur keine Verlegenheit gspürn lassen, und ·Cour·gmacht aus Leibskräften.
([Zweiter] Kellner kommt und deckt den Tisch rechts[,] rückt ihn aber etwas gegen die Mitte der Bühne.)
Weinberl (zu Frau v. Fischer). Du glaubst nicht, meine Liebe wie wohl mir jetzt ist[,] es ist ein Vorgefühl in mir –
Mad. Knorr. Daß Sie noch viele solche frohe Tage an der Seite Ihrer Frau – das nenn ich eine Lieb[.]
Christoph (zärtlich zu Mad. Knorr). Können Sie bey diesem Anblick gefühllos bleiben?
Mad. Knorr. Junger Mensch, ich hab Ihnen schon gesagt, daß ich eine Braut bin; ich lebe nur für diesen Einen Mann.
Christoph. Daß Sie für einen Mann leben, gibt Ihnen das das Recht einen Jüngling zu tödten?
Mad. Knorr. Hörn Sie auf, Sie sind ein schlimmer ·Cousin·.
17te Scene
(Erster Kellner, die Vorigen, dann Melchior [und zweiter Kellner].)
[Erster] Kellner (den Fasan und Rheinwein bringend). Wenn es Euer Gnaden gefällig ist. (Stellt alles auf den Tisch.)
Frau v. Fischer. O ja, [(Zu Mad. Knorr)] komm liebe Freundinn.
Weinberl (zum Kellner). Sie können auch ein wällischen Salat bringen.
Christoph. Überhaupt was gut und theuer is.
Weinberl. Uns is das ·egal· was es kost. Sie werden sehn, wier binden uns an gar keinen Preis. (Für sich.) Warts Gurmaninen!
[Erster] Kellner. Sehr wohl Euer Gnaden. (Geht ab.)
Melchior (tritt ein, ein Kellner welcher ein Gedeck trägt mit ihm). Was is denn das? ich will da für mein Herrn aufdecken lassen, und jetzt setzen sich andere herein.
Weinberl. Ich glaub an ein öffentlichen Ort hat jeder das Recht.
Melchior. Ah das is ·indiscret·.
2ter Kellner. In dem Salon haben ja Zwanzig Personen Platz.
Melchior. Mein Herr will aber allein seyn.
Christoph. Dann soll er an keinen öffentlichen Ort gehn.
Melchior. Ah das is ·indiscret·. Sie können sich ja hinaus in Garten setzen.
Frau v. Fischer. Das kann Sein Herr auch thun.
Melchior. Mein Herr muß von hir aus Jemand beobachten, und mit eim Wort mein Herr wird sich nicht wegen Ihnen Vieren ·genieren·.
Weinberl. Und wir 4 werden uns noch weniger wegen Sein Herr[n] ·genieren·.
Melchior. Ah, das is aber ·indiscret·. Da muß mein Herr sitzen wegen der Aussicht auf die Thür. (Rückt den Tisch welchen der Kellner deckte gegen die Mitte ziemlich nahe an den Tisch der Gesellschaft.)
Mad. Knorr. Das gilt uns gleich.
Melchior. Wenn der dumme Salon nur in der Mitten eine Abtheilung hätt.
Weinberl. Na ja, Sein Herr soll halt gleich eine Mauer aufführen lassen, wenn er wo einkehrt.
[Zweiter] Kellner. Man könnte allenfalls – es zieht manchmahl den Gästen zu starck, da wird dann (Auf die zwischen Fenster und Thür lehnende zusammengelegte spanische Wand zeigend.) die spanische Wand gebraucht – wenn man die in der Mitte aufstellt, so wäre ja eine Absonderung geschehn.
Frau v. Fischer. Machen Sie das wie Sie wollen. (Zu Mad. Knorr.) Legen wier unsre Hüte ab, und setzen wier uns. (Geht mit Mad. Knorr zu einem Stuhl wo sie während dem Folgenden ihre Hüte ablegen.)
Christoph [(zu Weinberl)]. Das sieht ·curios· aus[.] Das können wier uns vor den Frauen nicht anthun lassen.
Weinberl (zu Melchior welcher die spanische Wand aufstellen will). Wenn Er mit der spanischen Wand nicht weiter geht, so werff ich Ihn an die wirkliche.
Melchior. Ah das [is] ·classisch·.
Weinberl. Wier werden uns da wie die wilden Thier in einer Menagerie absperren lassen.
Melchior. Na warten S’, das sag ich meinem Herrn.
Christoph. Was kümmert uns Seyn Herr[?]
Weinberl. Er soll nur kommen, wier werden ihm zeigen –
Melchior. Da kommt er grad die Allee herauf, (Drohend.) warten S’!
Weinberl (hinsehend und erschreckend). ·Continent· thu’ dich auf[!]
Christoph (der ebenfalls hingesehen). Auweh! und verschling uns[!]
Weinberl und Christoph [(zugleich)]. Der Prinzipal.
Weinberl (zu Melchior). Lieber Freund, Sie haben erst recht mit der spanischen Wand [–]
Christoph. Ja ’s is besser[,] stellen wir s’ auf.
Weinberl. Aber nur gschwind. Kellner, helfen S’[!]
(Der Kellner und Christoph und Weinberl stellen mit einer ängstlichen Hast[,] wobey einer dem andern hinderlich ist[,] die Wand auf.)
Melchior. Jetzt sehn Sie’s ein, und eher haben S’ so Gschichten – nein wie Sie ·indiscret· seyn.
Mad. Knorr (zu Frau v. Fischer). Aber schau nur her was sie da für Umständ machen.
Weinberl (zu den Frauen). Es ist, wissen Sie – es zieht hier so starck nach der Luft –
Frau v. Fischer. Ich spüre nichts.
Mad. Knorr. Wier sind ja nicht ·rheumatisch·.
Weinberl (zu Christoph). Aber uns reißt’s ungeheuer.
Christoph. Setzen wier uns.
(Alle 4 setzen sich zu Tische, die spanische Wand ist aufgestellt und theilt die Bühne in der Mitte ab. Der Tisch der Gesellschaft und der für Zangler bestimmte Tisch sind sich ziemlich nahe und nur durch die Wand getrennt.)
18te Scene
(Zangler, die Vorigen.)
Zangler (eintretend). Alles is in Ordnung. Melchior!
Melchior. Euer Gnaden.
Zangler. Der Wachter steht schon draußten auf der Paß. Wie meine Mündl mit ihrem Entführer in Wagen steigt, steigt der Kutscher aufn Bock, und der Wachter hint auf.
Melchior. Das is ·classisch·.
Mad. Knorr. Sehr ein gutes Compot.
Weinberl (mit gedämpfter Stimme). Ich werd den Fasan tranchiren.
Christoph (ebenfalls mit gedämpfter Stimme). Und ich werd schaun ob der wällische Salat noch nicht bald kommt.
Mad. Knorr. Ach ja.
Zangler. Was is denn das mit der spanischen Wand.
Melchior. Da darneben sind indiscrete Leut, zwey Weibsbilder mit ihre Liebhaber, damit Euer Gnaden nicht ·geniert· sind.
Zangler. Gut.
(Ein Kellner bringt Wein und Aufgeschnittenes[,] stellt es auf den Tisch, Zangler setzt sich.)
Melchior. Das hab ich für Euer Gnaden angschafft.
Zangler. Gut.
Melchior. Gott, was wären Euer Gnaden ohne mich.
Zangler. Die Zeitung! (Für sich.) wer weiß wie lang das noch dauert.
(Kellner bringt Zangler die Zeitung und geht ab.)
Melchior. Ich werd ·patroullieren·. (Stellt sich vor die Thüre.)
Frau v. Fischer. Der Fasan scheint sehr gut zu seyn.
Weinberl (mit gedämpfter Stimme). Die Zähigkeit abgerechnet delicat.
Mad. Knorr. Kommt der Kellner noch nicht?
Christoph (mit gedämpfter Stimme). Nein, das ist ein langsamer Kerl.
Mad. Knorr. Warum reden denn die Herrn so still so heiser.
Weinberl (wie oben). Die Zugluft hat das gemacht.
Christoph (wie oben). Es is ein wahres Glück daß die Wand aufgstellt is.
Weinberl (wie oben). Ja, sonst hätt’s uns die Sprach gänzlich verschlagen.
Mad. Knorr. Nein wie die Herrn jetzt heiklich sind.
Melchior. Euer Gnaden! Euer Gnaden!
Zangler. Was ist’s?!
Melchior. Ich seh noch nichts[.]
Zangler. Dummkopf!
Melchior. Früher waren Zwey da herinn, das waren aber andere.
Zangler. Die ich such sitzen draußen, ich hab sie von Weiten gesehn. Geh hinaus[,] stell dich in einige Entfernung vom Wagen, und wie sie fortfahren sagst du mir’s, wier fahren dann gleich nach.
Melchior. Das wird ·classisch·. (Geht ab in den Garten.)
Christoph (hat während der letzten Reden schnell den Burnus von Frau v. Fischer umgenommen und ihren Hut aufgesetzt). So kann ich neben unserm Alten vorbeypassieren.
Frau v. Fischer (zu Weinberl). Du schenckst ja unserer Freundinn gar nichts ein[.]
Weinberl (welcher bemerkt hat wie Christoph sich ankleidete[,] zu Frau v. Fischer]). Aber Liebe, ich kann ja nicht tranchiren und einschenken zugleich.
(Christoph hat den hinteren Theil der spanischen Wand geöffnet, schlüpft so in die andere Hälfte der Bühne hinüber, wo Zangler sitzt, welcher[,] in die Zeitung vertieft, ihn nicht bemerkt.)
Zangler (in der Zeitung lesend). „Verwegner Kleiderdiebstahl durch einen jungen Purschen –“ (Spricht.) Nein, was man jetzt alles liest, die Hallunken werden immer pfiffiger.
(Christoph hat sich an der Rückwand zur Glasthüre hin[-] und in den Garten hinausgeschlichen.)
Mad. Knorr. Wo is denn der Kousin hingekommen?
Weinberl (Mad. Knorr den Fasan offerierend). Bitte sich zu bedienen. (Läßt indem er nach dem Fenster sieht eine Gabel von der Schüssel, und [Frau v.] Fischer auf das Kleid fallen.)
Frau v. Fischer. Himmel! mein neues Kleid.
Weinberl. ·Pardon·, es wird nichts machen als einen fetten Fleck.
Frau v. Fischer. Der nie mehr herausgeht.
Mad. Knorr. Nur gleich mit der Serviett reiben. (Ist Frau v. Fischer dabey behilflich.)
(Christoph steigt außerhalb dem Glasfenster in Sonders’ Wagen.)
Weinberl (dieß bemerkend steht auf und sagt für sich indem er sich dem Fenster nähert). Der steigt in den Wagen, das is a gscheidter Einfall, der Kutscher muß uns führen bis aufs Feld hinaus, dann geb ich ihm 1 ·fl·, und laß ihn umkehren. Wie komm ich aber hinaus, dort der Principal, da die Fraun – Gott sey Dank[,] der Fleck is so fett, daß die mich nicht bemercken.
Frau v. Fischer. Das geht niemehr aus.
Weinberl (einen raschen Entschluß fassend). Aber was anders geht aus[!] (Steigt zum Fenster hinaus.)
Mad. Knorr (Weinberl bemerkend). Freundinn da schau her, was dein Mann [–]
Frau v. Fischer (betroffen). Er ist aus dem Fenster gestiegen!?
Mad. Knorr. Und steigt in den Wagen ein.
(Man sieht Weinberl in den Wagen steigen.)
Frau v. Fischer (will rufen). Mein Herr –
(Man sieht den Wachter in Uniform hinten auf den Wagen steigen –)
Mad. Knorr. Was ist das der Ortswachter –!? er stellt sich hinten auf.
Frau v. Fischer. Eine Arretierung –!
(Man hört schnalzen[,] der Wagen fährt ab.)
Mad. Knorr. Fort is er –!
(Beyde Frauen bleiben erschrocken an ihren Stühlen stehn indem sie starr dem abgefahrenen Wagen nachblicken.)
Melchior (zur Glasthüre eintretend). Das is ·classisch·[.] Wier haben s’ schon. Der Kutscher und der Wachter lassen s’ nimmer aus.
Zangler. Wir fahrn gleich nach[,] Kellner zahlen!
19te Scene
(Sonders, Marie, die Vorigen.)
Sonders (mit Marien zur Glasthüre eintretend[,] ohne Zangler zu bemerken). Kellner zahlen! Wo stecken denn die Schlingel.
Zangler (springt wüthend auf). Höllen-Element! da sind s’[!]
Marie (zugleich [mit Sonders]). Ach der Vormund! (Wankt und sinkt Sonders in den Arm.)
Sonders (zugleich [mit Marie]). Verdammt!
Mad. Knorr. (zugleich [mit Frau v. Fischer] über den neben ihnen entstandenen Lärm erschrocken). Was für eine Stimm –?
Frau v. Fischer (zugleich mit [Mad. Knorr]). Was geht da vor –?
Melchior [(zu Zangler)]. Das sind ja die andern[.]
Zangler. Meine Mündel – Der Teufel soll – (Will vorstürzen[,] schi[e]bt den Stuhl wüthend zurück, so daß die Spanische Wand umfällt, die beyden Frauen springen laut schreyend auf die Seite.)
Zangler (indem er nach den Frauen hinübersieht[,] äußerst erstaunt[,] als er Mad. Knorr erkennt). Meine Braut.
Mad. Knorr (erschrocken und verlegen). Herr von Zangler –
Melchior (verblüfft). Seine Braut – seine Mündel, – das die Mündl, das die Braut – Das is ·classisch·[.]
(2 Kellner sind hereingekommen, Allgemeine Gruppe des Erstaunens und der Verwirrung[,] im Orchester fällt passende Musik ein, der Vorhang fällt.)
·Ende des 2ten Actes·
III. Act
(Elegantes Zimmer im Hause des Fräulein Blumenblatt mit Zwey Mittelthüren[,] rechts und links eine Seitenthüre. Es ist Abend[,] Lichter stehen auf dem Tisch.)
1ste Scene
(Lisett, Sonders.)
Sonders. Es war also ein guter ·Genius· der mir den Gedanken zuflüsterte ganz unbekannter Weise das Stubenmädchen des alten Fräuleins zur Vertrauten zu wählen. Nimm einstweilen diese Börse, mehr noch wird folgen.
Lisett. Sehr verbunden, übrigens hätte ich auch aus gutem Herzen zwey Liebende in meine Protection genommen; denn wenn es herzlose Väter[,] Mütter, Tanten, sogar herzlose Liebhaber in Menge giebt, von herzlosen Stubenmädln glaub ich kommt kein Beyspiel vor.
Sonders. Wenn nur deine Gebietherinn –
Lisett. Hoffen Sie das beste, sie ist durchaus nicht das was man sich gewöhnlich unter dem Ausdruck alte Jungfer vorstellt. Wo ist aber jetzt Ihre Geliebte.
Sonders. In den Krallen ihres Vormunds, der sie mir auf eine impertinente Weise entrissen, und sie vielleicht heute noch hieherbringen wird – Doch nein, selbst bringen wird er sie kaum, der alte Narr ist[,] wie ich gesehen[,] in eine grimmige Eifersuchts[-]Geschichte mit seiner Braut verwickelt, hat geschworen ihr nie mehr von der Seite zu gehen, darum vermuth ich, er wird seine Mündel bloß in sicherer Begleitung zu euch übersenden.
Lisett. Sey dem, wie ihm wolle, entfernen Sie sich nicht weit vom Hause, und überlegen Sie, auf welche Weise Sie sich, wenn Ihre Marie einmahl hir ist, bey meiner Gebietherinn introducieren wollen.
Sonders. Ich werde mich sogleich in ein ·Hotel· in der Nähe ein·logieren·, und von dort aus die nöthigen Erkundigungen einziehn.
Lisett (nach der Thüre rechts horchend). Ich glaube – ja ja, meine Gebietherin kommt – gehen Sie jetzt –
Sonders. Auf baldiges Wiedersehen, du liebes dienstfertiges Wesen. (Zur Mitte links ab.)
2te Scene
(Lisett, Fräulein Blumenblatt.)
Fräulein Blumenblatt [(aus der Seitenthüre rechts kommend)]. Wer war denn hir Lisett?
Lisett. Niemand Euer Gnaden.
Fräulein Blumenblatt (Tabak schnupfend). Niemand? und ich hätte darauf geschworen, es war Jemand; wie doch unser ganzes Leben aus Täuschungen besteht. So glaubte ich auch nach dem vorgestrigen Briefe meines Schwagers, das Mädchen würde sicher heute ankommen[.] Ich freute mich das liebe Kind nach 10 Jahren wiederzusehen – ach Täuschung nichts als Täuschung.
Lisett. Nun es ist ja noch nicht so spät, wer weiß –
Fräulein Blumenblatt. Die Arme. Mein Schwager Zangler irrt sich, wenn er glaubt ich werde sie mit Strenge behandeln. Sie hat ja ganz mein Schicksal, ihr Herz ist schwach, ihre Liebe stark, die Hoffnung klein, die Hindernisse groß – ganz mein Schicksal. (Schnupft.)
Lisett. Bey Ihrer Liebe Euer Gnaden, war es aber doch ganz anders.
Fräulein Blumenblatt. Weßhalb schickt man sie? aus keinem andern Grunde, als daß sie ferne vom Gegenstand ihrer Neigung schmachten soll, ist das nicht ganz mein Schicksal? (Schnupft.)
Lisett. Bey Ihnen Euer Gnaden ist ja wie Sie mir erzählt der Gegenstand Ihrer Neigung vor Ihnen fort.
Fräulein Blumenblatt. Das ist wahr aber es kam doch auf Eins hinaus, wir waren getrennt, drum will ich das Mädchen sanft und mit Nachsicht behandel[n], wenn auch, wie in dem Briefe steht, ihr Liebhaber sie mit dem obstinatesten Eifer verfolgt, denn das erinnert mich ja wieder an mein Schiksal. (Schnupft.)
Lisett. Der Liebhaber von Ihnen, Euer Gnaden[,] scheint aber sehr eifrig gerade die entgegengesetzte Richtung verfolgt zu haben.
Fräulein Blumenblatt. Wenn auch, Verfolgung war es doch. – Wie gesagt, ganz mein Schicksal. (Schnupft.)
Lisett. Euer Gnaden ich glaube – ich höre Leute im Vorzimmer – am Ende bringt man sie.
Fräulein Blumenblatt. Sieh doch nach.
(Lisett will zur Mittelthüre links.)
3te Scene
(Weinberl, Christoph in ·Burnus· und Frauenzimmerhut, Kutscher, Wachter, die Vorigen.)
Wachter (von Außen). Nur keine Umständ, ich weiß schon was ich zu thun hab. (Öffnet die Thüre und läßt Weinberl und Christoph vor sich eintreten.)
Weinberl. Aber erlauben Sie [–]
Wachter. Hir hat Niemand was zu erlauben.
Fräulein Blumenblatt. Ausgenommen ich, drum frag ich was der Herr sich hir erlaubt.
Wachter. Da sind zwey Leut, die müssen da bleiben.
Kutscher. Bald hätten wier nicht hergfunden, was wier umgfahren seyn!
Fräulein Blumenblatt. Mit Wache und in männlicher Begleitung – das kann doch nicht – Freund, das ist offenbar ein Irrthum in der Wohnung.
Weinberl. Ich sag, es is auch ein Irrthum in die Personen.
Christoph. Ich will den Herrn Wachter nicht beleidigen, aber es scheint hir ein Rausch im Spiel zu seyn.
Weinberl. Gwiß gnädige Frau, man halt uns für ein Menschenpaar, welches wir nicht sind.
Wachter (zu Weinberl). Das wird sich zeigen. In dem Brief steht Alles drinn. (Gibt Fräulein Blumenblatt einen Brief.)
Fräulein Blumenblatt. Ein Brief – (Die Adresse besehend.) an mich –? (Erbricht den Brief und sieht nach der Unterschrift.) Von meinem Schwager –? (Liest still.)
Christoph. Na also, jetzt wird sich ja Alles aufklären.
Weinberl. Man wird uns freyen Abzug bewilligen.
Christoph. Auf d’letzt kriegn wier noch eine Entschädigung[,] daß wir nach Haus fahrn können.
Weinberl. Die klettenartige Anhänglichkeit der Damen, die Größe der Zech, die Nähe des Prinzipals, das waren Gefahren, das hir is eine Kinderey, das hab ich ja gleich gsagt[,] ein wachtrischer Balawatsch. (Zum Wachter). Freund, Sie habn uns mit Bedeckung hieher gebracht, und sich selbst eine bedeutende Blöße gegeben.
Kutscher (zum Wachter). Wann das nicht der rechte Ort is, wo krieg ich dann meine 5 ·fl·?
Fräulein Blumenblatt (nachdem sie gelesen). Ah jetzt bin ich im Klaren.
Weinberl. Na also –
Kutscher (zu Fräulein Blumenblatt). Euer Gnaden ich soll 5 ·fl· kriegen.
Fräulein Blumenblatt. Lisett, bezahle den Mann.
Kutscher (zum Wachter). Jetzt ist es halt doch der rechte Ort. (Mit Lisett[en] [zur Mittelthüre links] ab.)
Weinberl (zu Fräulein Blumenblatt). Nehmen’s Euer Gnaden nicht ungütig.
Christoph. Wir können nix davor. (Wollen Beyde ab.)
Wachter (ihnen entgegentretend). Halt.
Fräulein Blumenblatt (zu Christoph und Weinberl). Sie bleiben, Beyde.
Christoph und Weinberl (erstaunt). Was –?
Fräulein Blumenblatt (zu Weinberl). Sie mein Herr sind eigentlich der Schuldige, doch auch das Mädchen [(Auf Christoph zeigend.)] ist nicht minder strafbar.
Christoph (verblüfft zu Weinberl). Ich bin ein strafbares Mädchen.
Weinberl (verblüfft zu Christoph). Und ich ein schuldiger Herr.
Fräulein Blumenblatt (zum Wachter). Für das Mädchen steh ich –
Wachter. Und für den Herrn steh ich Schildwacht vor der Hausthür auf der Stiegn draußt. (Im Abgehen zu Weinberl.) Gibt sich so leicht keine Blöße der Wachter. (Mitte links ab.)
4te Scene
(Fräulein Blumenblatt, Weinberl, Christoph.)
Christoph. Euer Gnaden.
Weinberl. Wollten Sie nicht die Gewogenheit haben [–]
Christoph. Uns mitzutheilen [–]
Weinberl. Was eigentlich in den Brief steht.
Fräulein Blumenblatt. Das können Sie sich wohl dencken, was ein Onkel schreibt dem man die Nichte entführt.
Weinberl. Ja warum hat der Mann nicht besser Acht geben, aber ich seh nicht ein warum wier –
Fräulein Blumenblatt. Mein Herr, diese Reden –
Christoph. So ein alter Schibl is halt meistens sekant bis es einem Mädl z’viel wird.
Fräulein Blumenblatt. Mamsell in welchem Tone sprechen sie von Ihrem Onkel? nachdem Sie sein Haus auf eine Weise verließen, die –
Christoph. Ja so, ich bin also eine Nichte die durchgangen is?
Weinberl. Und ich bin der, der dieses Frauenzimmer auf Abwege gebracht hat?
Fräulein Blumenblatt. Wollen Sie mit diesen Fragen mich zum Besten halten?
Weinberl. Kein Gedanke, aber wier sind einmahl hir in einer Art Gefangenschaft, und da möcht man halt doch gern wissen, warum. (Leise zu Christoph.) Solln wir sagen wer wier sind?
Christoph (leise zu Weinberl). Das wär ·reskiert·, der Teufel könnt sein Spiel haben, daß der Principal durch die 3te Hand was erfahrt – (Laut zu Fräulein Blumenblatt.) Der Onkel wird wohl nicht lang ausbleiben?
Fräulein Blumenblatt. Er soll jeden Augenblik hir seyn.
Weinberl (leise zu Christoph). So lang können wier warten.
Christoph (leise zu Weinberl). Da kommt dann der Irrthum von selbst ans Licht.
Weinberl [(zu Christoph)]. Freylich[,] wie dieser Onkel uns sieht, hat die Gschicht ein End.
Fräulein v. Blumenblatt [(welche die letzten Worte gehört hat)]. Und ich sag Ihnen, Nein, sie soll kein Ende haben, ich kann ja nicht grausam seyn, wenn ich Liebende sehe[,] das Bündniß Ihrer Herzen soll nicht zerrissen werden.
Weinberl. Es kann eigentlich nicht z’rreißen, weil –
Fräulein Blumenblatt. Weil ich, obschon Ihr hartnäckiges Läugnen meine Güte nicht verdient, alles vermitteln, und den Zorn meines Schwagers besänftigen will.
Weinberl. Also haben Sie einen Schwager der zornig is?
Fräulein Blumenblatt. Wie können Sie fragen. Doch fassen Sie Muth[,] junger Mann.
Weinberl. Wenn gnädige Frau erlauben –
Fräulein Blumenblatt. Hoffen Sie liebes Mädchen.
Christoph. Was soll ich denn eigentlich hoffen.
Fräulein Blumenblatt. Das Beste. Ihr seid Flüchtlinge, euer Schiksal rührt mich, denn es ist ja ganz wie mein Schicksal[,] auch ich habe einst geliebt.
Christoph. Das kann ich mir dencken.
Fräulein Blumenblatt. Und der Mann der mich liebte –
Weinberl [(bei Seite)]. Das kann ich mir nicht denken –
Fräulein Blumenblatt. War auch für’s Entfliehen eingenommen, wie Sie, nur mit dem Unterschied daß er allein geflohen ist.
Weinberl [(für sich)]. Ah jetzt kann ich mir’s dencken.
Fräulein Blumenblatt. Flucht war es einmahl, das ist gewiß. Und wie gesagt[,] ich will nicht ruhen, bis ich so mit euch (Nimmt beyder Hände.) vor den versöhnten Oheim hintreten, eure Hände ineinander fügen (Thut es.) und ein glückliches Paar seegnen kann. (Macht eine seegnende ·Attitude·.)
Weinberl. Christopherl[!] (Christoph kichert laut.)
Fräulein Blumenblatt (zu Weinberl). Was für ein Scherz? Wie können Sie in einem so ernsten Augenblick zu Ihrer Braut Christoph[erl] sagen[?]
(Christoph platzt in lautes Gelächter aus.)
Fräulein Blumenblatt (sehr ernst zu Christoph). Lachen Sie nicht Mamsell.
5te Scene
(Lisett, Melchior, die Vorigen.)
Lisett (mit Melchior Mitte Links eintretend). Euer Gnaden, der Mensch läßt sich nicht abweisen. (Zu Melchior, auf ihre Gebietherinn zeigend.) Hier ist das gnädige Fräulein. (Geht wieder [zur] Mittelthüre links ab.)
Melchior. Das is ein Fräulein, ah [das is] ·classisch·.
Fräulein Blumenblatt. Was will Er?
Melchior. Mein Herr schickt mich her[,] ich soll der Euergnadenfräul’n sagen –
Weinberl (sich der Person Melchiors besinnend). Christoph das is ja –
Melchior [(Weinberl und Christoph betrachtend)]. Sie seyn’s, ah das is starck.
Fräulein Blumenblatt (zu Weinberl). Ist Ihnen der Mensch bekannt[,] Herr von Sonders.
Weinberl. Das heißt – ich hab ihn wohl gsehn – (Leise zu Christoph.) „Herr von Sonders“ hat s’ zu mir gsagt, wenn ich mich nicht irr – ich kenn ihn gar nicht[.]
Christoph [(leise zu Weinberl)]. Ich auch nicht.
Weinberl [(leise zu Christoph)]. Aber so heißt ja der, –
Christoph [(leise zu Weinberl)]. Der unserer Fräulein z’Haus nachsteigt –
Melchior (zu Weinberl). Schamen sie sich, das is eine Aufführung.
Fräulein Blumenblatt. Wie kommt Er dazu diesem Herrn ein ·Reprement· –
Melchior. Weil mein Herr dem Herrn seine Zech hat müssen zahlen.
Fräulein Blumenblatt. Eine Zeche?
Melchior. Ja sonst hätt der Kellner die Damen pfändt.
Fräulein Blumenblatt. Was für Damen?
Melchior. Nicht eigentliche Damen, sondern nur was man so sagt[.] Dieser Herr (Zu Weinberl.) schämen Sie sich, (Zu Fräulein Blumenblatt.) war in einem Garten mit zwey Frauenzimmern, die ich Anfangs für Weibsbilder gehalten hab, wo sich’s aber nacher gezeigt hat daß es Wittwen waren. (Zu Weinberl.) Schämen Sie sich.
Fräulein Blumenblatt. Wer soll aus diesem Gwäsch klug werden[?]
Melchior (in verächtlichem Tone zu Weinberl). Mit Damen wohin gehn und nicht zahlen, schämen Sie sich.
Fräulein Blumenblatt (zu Melchior). Werd ich jetzt erfahren –
Weinberl (ängstlich [zu Melchior]). Kommt der Herr Zangler etwan daher?
Melchior (wie oben zu Weinberl). Mit Damen, und nicht zahlen, das is ·classisch·.
Fräulein Blumenblatt (ärgerlich zu Melchior). Jetzt frag ich Ihn zum letztenmahl [–]
Melchior (wie oben zu Weinberl). Schämen Sie sich.
Fräulein Blumenblatt (wie oben). Wer ist Sein Herr?
Melchior. Der Herr von Zangler[.]
Fräulein Blumenblatt. Und kommt Sein Herr zu mir?
Melchior. Euer Gnaden Fräul’n, da hat er nix gsagt.
Weinberl [(für sich)]. Gott sey Dank.
Christoph (leise zu Weinberl). Wenn er aber doch [–]
Fräulein Blumenblatt. Was ist also eigentlich Seine Sendung?
Melchior. Der Herr von Zangler laßt Ihnen sagen, er hat Ihnen da zwey Leut gschikt [–]
Weinberl und Christoph (erschrocken). Der Prinzipal hat uns [–?]
Melchior. Er hat nehmlich den [(Auf Weinberl zeigend.)] fürn Herrn von Sonders, und diese (Auf Christoph [zeigend].) für seine durchgegangene Mündl gehalten, sie seyn’s aber nicht, drum sollen s’ die Euergnadnfräule fortlassen.
Christoph und Weinberl. Das is gscheidt!
Fräulein Blumenblatt. Wie? das ist ja ganz das Gegentheil von dem, was in dem eben erhaltenen Briefe steht. (Zu Weinberl und Christoph.) Ich lasse Sie nicht fort.
Weinberl und Christoph. Was?
Fräulein Blumenblatt. Dieser Mensch da scheint mir unter der Maske der Dummheit einen schlauen Plan zu verbergen; scheint mit Ihnen einverstanden[,] Sie von hir fortzubringen. Daraus wird aber nichts, Vermittlerinn will ich seyn, aber –
Melchior. Aber Euer Gnadenfräule, das is ja der, der sich schamen soll, weil –
Christoph. Wenn der Alte selbst sagen laßt –
Fräulein Blumenblatt (böse). Zum letztenmahle, Marie, schweigen Sie[.]
6te Scene
(Lisett, die Vorigen.)
Lisett (Mitte Links ein[tretend]). Euer Gnaden es ist ein Herr Weinberl draußen.
Weinberl. Was? draußt is ein Weinberl?
Fräulein Blumenblatt. Und was will der Mensch?
Lisett. Der Mensch kommt von Herrn von Zangler.
Melchior. Ich komm von Herrn von Zangler[,] das is ja Widerspruch.
Fräulein Blumenblatt (zu Lisett). Mein Schwager also hat mir den Menschen geschickt.
Melchior (zu Fräulein Blumenblatt). Der Schwager hat mich geschickt und die sagt, er hat einen Menschen geschickt, das is ja Widerspruch.
Lisett. Euer Gnaden möchten ihm Zutritt in Ihrem Hause gestatten, denn sein Auftrag ist, das Benehmen der Fräulein Zangler zu beobachten, und darüber Herrn Zangler zu ·rapportieren·.
Fräulein Blumenblatt. Weinberl? ah jetzt erinnere ich mich, das ist ja sein ·Commis·, den er mir so oft als ein Muster von Solidität gerühmt, auf den er sich verlassen kann wie auf sich selbst – o nur herein, er ist mir willkommen. (Lisett Mitte Links ab.)
Weinberl (zu Christoph). Jetzt kommt’s auf, wie solid als ich bin; aber auf den Weinberl bin ich begierig.
Melchior. Das sind ja aber lauter Wiedersprüche.
Fräulein Blumenblatt (böse zu Melchior). Kein Wort mehr. (Zu Weinberl.) Für meine Vermittlungsplane ist es mir lieber, daß Herr Weinberl kommt, als wenn mein Schwager Zangler selbst gekommen wäre.
Weinberl. Das wär auf alle Fäll das Unangenehmste gewesen.
Christoph. Ich thu Sicherheitshalber ’s Vorhangel herunter[.] (Verschleyert sich.)
7te Scene
(Sonders, Lisett, die Vorigen.)
Sonders (von Lisetten hereingeführt[,] zu Fräulein Blumenblatt). Gnädiges Fräulein –
Fräulein Blumenblatt. Ich bin sehr erfreut, Herr Weinberl, Ihre persönliche Bekanntschaft [–] (Präsentirt dem Weinberl, den sie für Sonders hält, diesen als Weinberl, und dem wirklichen Sonders, den sie für Weinberl hält, den Weinberl als Herr von Sonders.) Hir Herr Weinberl, hir Herr von Sonders – doch die Herrn kennen sich wohl.
Sonders. Ich habe nicht die Ehre, den Herrn von Sonders –
Weinberl. Und ich hab nicht die Ehre, den Herrn Weinberl zu kennen.
Melchior (Sonders betrachtend). Den soll ich – Das is ja –
Sonders (für sich). Da hat sich Einer für mich ausgegeben, wie kommt der aber dazu Begleiter meiner Marie zu seyn – [(Auf den verschleyerten Christoph hinübersehend.)] sie giebt mir kein Zeichen –
Fräulein Blumenblatt (zu Sonders). Wird mein Schwager Zangler zu mir kommen?
Sonders. Ich glaube nicht so bald. (Für sich.) Ich hoff es wenigstens.
Fräulein Blumenblatt (sich zu Weinberl wendend). Nun sehn Sie Herr von Sonders [–] (Spricht leise mit ihm weiter.)
Melchior (näher zu Sonders schleichend). Ah das wär zu keck[!]
Sonders (benützt den Augenblick wo Fräulein Blumenblatt mit Weinberl spricht, und ruft mit gedrängter Stimme auf Christoph[,] der auf der anderen Seite steht, und den er für Marien hält). Marie[!] (Gibt durch Zeichen zu verstehen, daß er nicht wisse wie sie zu dieser Begleitung gekommen.)
Christoph (verschleyert leise für sich). Ich rühr mich nicht.
Sonders (für sich). Wenn sie nur den Schleyer wegthäte, daß ich in ihren Blicken [lesen] könnte.
Melchior (Sonders packend). Das is der Eigentliche, Entlarvung, Betrug, falsche Vorspieglung!
Sonders (Melchior zurückstoßend). Was untersteht Er sich –
Fräulein Blumenblatt. Was soll das?
Melchior. Euer Gnaden. [(Auf Sonders deutend.)] Der hat mit Ihnen falsche Vorspieglung getrieben – hir ist von Weinberl keine Spur.
Sonders. Was will dieser Mensch? wer ist er?
Fräulein Blumenblatt (zu Sonders). Was? Sie kennen ihn nicht? und er hat sich für einen Diener des Herrn von Zangler ausgegeben. Da herrscht Betrug, Lisett, schicke sogleich den Wächter herein. (Lisett Mitte Links ab.)
Weinberl (zu Christoph). Da giebt’s Spectakel, wier kriegen Luft.
Melchior (zu Fräulein Blumenblatt). Euer Gnaden lassen den Wachter hohlen, ich will doch nicht hoffen –
Fräulein Blumenblatt. Seine Frechheit soll Ihm theuer zu stehen kommen.
Melchior. Wer is frech? (Auf Sonders [zeigend].) Der is frech, denn da is von Weinberl keine Spur. (Auf Weinberl [zeigend].) Der is frech[,] denn da is von Zechzahln keine Spur, aber ich [–]
8te Scene
([Der] Wachter, die Vorigen, dann Lisett.)
Wachter (tritt [zur Mittelthüre links] ein). Ich soll wem hinauswerffen.
Fräulein Blumenblatt. Bemächtige Er sich dieses Betrügers. (Auf Melchior zeigend.)
Melchior. Was?
Weinberl (leise zu Christoph). Bey der G’legenheit fahrn wier ab.
Melchior. Den Wachter schicken s’ über mich, hir wimmelt’s von Frevler und Betrüger, ich bin vielleicht der einzige Unschuldige in ganzen Zimmer, und mich führen s’ ein – ah das is ·classisch·!
Wachter. Nur nicht viel Gschichten gmacht!
Melchior (während ihn der Wachter gegen die Thüre Mitte Links führt). Wenn das mein Herr sehet! Wachter – lieber Wachter –
(Christoph und Weinberl haben sich ebenfalls, um während dem Tumult zu ·echappieren·, derselben Thüre genähert.)
Lisett (läuft zur Mitte Links herein). Der Herr von Zangler is da.
Weinberl, Christoph, Sonders (jeder erschrocken für sich). Der Zangler –!!?
(Stürzen Alle 3 ·a tempo·[,] Sonders zur Mittelthüre rechts, Weinberl [zur] Seitenthüre rechts, Christoph [zur] Seitenthüre links ab.)
Melchior. Das is gscheidt!
Lisett. Aber Fräul’n –! (Eilt Christoph nach.)
Fräulein Blumenblatt. Mein Schwager – Alles läuft davon – auch Herr Weinberl fort –?
9te Scene
(Fräulein Blumenblatt, Wachter, Melchior, dazu Zangler, Madame Knorr, Frau Von Fischer, [Marie]. Frau Von Fischer ist ohne Hut und Mantel, in Häubchen und Shawl.)
Zangler (mit beyden Frauen am Arme, Mitte Links eintretend[,] Marie folgt). Schwägerinn, da sind wier – was is das? der Wachter hat mein Melchior beym Schößel?
Fräulein Blumenblatt [(auf Melchior zeigend)]. Also wäre das –?
Melchior (zu Zangler). O, sagen S’ ihr’s, wer bin ich?
Zangler [(zu Fräulein Blumenblatt)]. Mein dummer Hausknecht.
Melchior (zu Fräulein Blumenblatt). Sehn Sie Schwägerinn meines Herrn. (Zu Zangler.) Haben Sie einen ·Commis· der Weinberl heißt?
Zangler. Ja.
Melchior. Und wo is der Weinberl[?]
Zangler. Zu Haus; beym Gschäft.
Melchior (zu Fräulein Blumenblatt). Sehn Sie Schwägerinn meines Herrn.
Zangler (zu Fräulein Blumenblatt). Aber jetzt sag mir –
Melchior (zu Zangler). Ruhig. War das nicht ein unrechtes Paar Leut, die Sie hergschickt habn[?]
Zangler. Freylich.
Melchior (zu Fräulein Blumenblatt). Sehn Sie, Schwägerinn meines Herrn.
Fräulein Blumenblatt. Ja wenn es so ist –
Zangler [(zu Fräulein Blumenblatt)]. Jetzt muß ich dir aber vor Allem hir meine Braut und hir ihre Freundinn Frau von [Fischer] vorstellen.
Fräulein Blumenblatt. Ah ·charmant·.
Frau v. Fischer und Mad. Knorr. Freut uns unendlich die Ehre zu haben.
Zangler. Morgen is Hochzeit.
Fräulein Blumenblatt. Du weißt ich geh zu keiner Hochzeit – aber wie kommt das so schnell –?
Zangler. Ja, ich geh der meinigen nicht mehr von der Seiten, es sind Gründe[.]
Mad. Knorr (leise zu Zangler). Blamiren Sie mich doch nicht.
Zangler (zu Melchior). Du fahrst jetzt gleich zu mir nach Haus, rebellst alles auf, daß gleich zu die Hochzeitsanstalten gschaut wird. Wier soupieren bey meiner Schwägerinn, und fahrn dann gleich nach, mit Tages Anbruch kommen wier an.
Melchior. Wird alles besorgt, aber [–]
Fräulein Blumenblatt (zu Melchior). He Freund, nimm Er das, weil ich Ihm Unrecht gethan. (Reicht ihm Geld.)
Melchior. Sie sehen es ein, das ist mir genug. (Nimmt das Geld. Zu Zangler.) Aber sagn Sie ihr nur das noch –
Zangler. Daß du ein Esel bist.
Melchior (will Zangler etwas sagen[,] unterdrückt es aber). Die Schwägerinn sieht es ein, das is mir genug. (Geht Mitte Links ab.)
10te Scene
(Die Vorigen ohne Melchior.)
Fräulein Blumenblatt. Aber wie ist denn das, du hast mir also nicht deine Mündl geschickt?
Zangler (auf Marien zeigend). Nein[,] hier bring ich dir selbst die Mißrathene, und übergeb sie deiner Obhut.
Marie. Gnädige Frau Tant –
Fräulein Blumenblatt [(zu Zangler)]. Was waren denn das hernach für Leute?
Zangler. Das weiß ich nicht.
Fräulein Blumenblatt. Sie sind noch hir.
Zangler. So? bey denen muß ich mich entschuldigen.
Fräulein Blumenblatt. Wie sie hörten, daß du kommst, sind sie jedes zu einer andern Thüre hinausgestürzt.
Zangler. Das is ·curios·.
11te Scene
(Lisett, die Vorigen.)
Lisett (einen Schleyer in der Hand, kommt aus [der] Seitenthüre links). Die Fräulein Zangler ist in das gelbe Cabinet gelauffen, und hat von innen verriegelt, sie macht um keinen Preis auf; der Schleyer von ihrem Hut ist an der Schnallen hängen geblieben.
Fräulein Blumenblatt (zu Zangler). Was sagen Sie dazu?
Zangler. Hm, hm –
Frau v. Fischer (den Schleyer besehend). Das ist ja der Schleyer von meinem Hut[.]
Mad. Knorr (betrachtet ebenfalls den Schleyer). Freylich, da ist der Rostfleck –
Frau v. Fischer. Hat die Person nicht auch einen Mantel, gerade so wie die Fräulein hier? (Auf Marien deutend.)
Fräulein Blumenblatt. Ja[,] braun ·quadrilliert·, ganz so.
Mad. Knorr. ’s sind beyde in meinem Magazin gekauft.
Frau v. Fischer (zu Fräulein Blumenblatt). Sie müssen wissen[,] ich bin schändlich bestohlen worden.
Zangler. Da müssen wir auf den Grund – (Zu Lisett.) Mamsell, sperrn Sie die Thür wo die Person drinn is, gschwind von auswendig zu.
Lisett. Sogleich. (Eilt [zur] Seitenthüre links ab.)
Zangler. Und dann – he Wachter!
Wachter. Befehln?
Zangler. Er hohlt ·Assistenz· und sperrt von außen die Hausthür zu.
Wachter. Sehr wohl. (Mitte Links ab.)
Fräulein Blumenblatt. Ich zittere.
Zangler. Kommen Sie meine Damen[,] hir giebt’s eine Spitzbüberey die ins ·Abnorme· geht. (Mit den Frauenzimmern [zur] Seitenthüre rechts ab.)
Verwandlung
(Garten im Hause des Fräulein Blumenblatt, im Hintergrunde zieht sich die Gartenmauer über die ganze Bühne[,] rechts nahe an der Mauer ist ein vorgebauter practicabler Theil des Hauses, 1 Stock hoch mit Glasfenstern sowohl nach vorne und gegen die Seite, sichtbar. Durch die Fenster sieht man in das früher besprochene gelbe Kabinet welches jedoch nicht erleuchtet ist, die Bühne ist ganz finster.)
12te Scene
(Weinberl allein, dann Christoph am Fenster.)
Weinberl [(aus dem Hintergrunde links auftretend)]. Es is umsonst, der Ort wo der Zimmermann ’s Loch gmacht hat is nicht zu finden. Fluch dem Schlosser der dieses Hausthor vollendet, 3 Mahl Fluch dem Maurer der diesen Garten umzäunt, und 150 Mahl Fluch denen ander[t]halb Zenten Leibsgwicht die mich hindern auf den Flügeln der Angst hinüber zu saltomortalisiren. In jedem Schatten seh ich einen Zangler[,] in jedem Geräusch hör ich einen Zangler, die Natur hat nur ein Schreckniß für mich und das heißt Zangler. Diese Mauer muß eine weitschichtige Mahm von der chinesischen seyn [–] ich muß doch nocheinmahl – (Versucht sich aufzuschwingen.) ’s is zu hoch[,] ich kann nicht hinauf.
Christoph (im Frauenzimmermantel und Hut wie früher, öffnet das Fenster im gelben Cabinet und sieht heraus). Es is zu hoch[,] ich kann nicht hinab.
Weinberl. Christoph sind Sie’s?
Christoph. Ja ich bin’s, Herr Weinberl sind Sie’s[?]
Weinberl. Ja ich bin’s.
Christoph. Helfen S’ mir, ich riskir jeden Augenblick daß man die Thür einsprengt und mich vor dem Principal schleppt.
Weinberl. Mein Risico is dasselbe.
Christoph. Wier sind also vor der Hand verloren.
Weinberl. Wenn keine Leiter vom Himmel fallt, wenn nicht durch ein Wunder sich Sprisseln in der Luft gestalten, rettungslos verloren.
Christoph (sich zum Fenster herausbeugend). Da kommt wer –
Weinberl. Der Zangler –!! (Verbirgt sich erschrocken links hinter ein Gebüsch.)
13te Scene
(Sonders, die Vorigen.)
Sonders [(kommt mit einer Leiter aus dem Vordergrunde rechts). Der Fund kam zur gelegenen Zeit, auf dieser Gartenleiter gelang ich über die Mauer, dann heißt’s wieder einen günstigen Moment, wo ich mich meiner Marie nähern kann, mit Geduld abwarten. Geduld, – verdammtes Wort, im Wörterbuch der Liebenden ist’s nicht zu finden. (Will sich der Mauer nähern.)
Weinberl (für sich). Soll ich ihn anreden –
Christoph. Pst! Pst!
Sonders. Geht das mich an –? (Sieht zum Fenster hinauf.) Ein Frauenzimmer – täuscht mich die Dunkelheit –!? nein[,] Marie, du bist[’s], meine geliebte Marie!
Christoph (mit gedämpfter verstellter Stimme). Ja ich bin es.
Weinberl. Das is auf die Art Niemand andrer als der Herr von Sonders.
Sonders. O, komm herab, die Leiter soll dich in meine Arme, und dann uns beyde ins Freye führen.
Christoph [(wie oben)]. Wohlan, Geliebter[,] ich folge dir[.]
Sonders (lehnt die Leiter an das Haus). So steige nur muthig zum Fenster heraus.
Christoph. Der Gott der Liebe wird mich schützen[.] (Steigt aus dem Fenster auf die oberste Sprosse.)
Sonders. Zittre nicht, ich werde die Leiter halten.
Christoph. Nein, das schickt sich nicht, dorthin geh.
Sonders (sich von der Leiter entfernend). Nun denn – doch säume nicht, die Augenblicke sind gezählt.
Christoph (hinabsteigend, für sich). Jetzt muß ich schaun daß ich ihn da hinaufbring.
Sonders. Bist du schon herunten?
Christoph. Ja mein Theurer[.]
Sonders (zu ihm eilend). O laß dich küssen du kühne Kletterinn[.]
Christoph. Nein[,] das schikt sich nicht.
Sonders. Du bist so heiser, hast dich erkältet liebes Mädchen.
Christoph. O noch nie! noch nie!
Sonders. Was ist dir?
Christoph. Ich hab was vergessen da droben[.]
Sonders. Was denn?
Christoph. Das wichtigste.
Sonders. Doch nicht das Paquet mit den Documenten, die wier zur Trauung brauchen[.]
Christoph. Ja, grad das hab ich vergessen in den Zimmer da droben[.]
Sonders. Wo liegt er.
Christoph. Aufn Tisch am Fenster rechterhand.
Sonders. Das muß ich hohlen, warte einen Augenblick[.] (Eilt die Leiter hinan[,] steigt rasch hinauf und zum Fenster hinein.)
Christoph. Gschwind Weinberl! die Leiter is erobert.
Weinberl (hervorkommend). Die Nächstenlieb fangt bey sich selbst an.
Christoph (indem er mit Weinberl die Leiter zur Gartenmauer trägt). Ich bring ihrn Liebhaber in die Brisil, das is ·Satisfaction· an unserer Fräulein weil s’ mich immer ein dalketen Bubn heißt. (Lehnt mit Weinberl die Leiter an die Gartenmauer.)
Weinberl. Ich steig voran.
Christoph. Nur gschwind!
Weinberl (steigt sehr schnell die Leiter hinauf, und schwingt sich von der Leiter auf die Mauer auf welcher er in reitender Stellung sitzen bleibt). Kraxeln [S’] nach, Christopherl. (Der Mond tritt aus den Wolken[,] es wird heller auf der Bühne.)
Christoph (eilig ebenfalls hinaufsteigend). Da bin ich schon. (Wie er oben auf der Leiter ist nimmt er den Frauenzimmer[-]Hut und Mantel ab und wikelt ihn zusammen.)
Weinberl. Was machen S’ denn?
Christoph. Geduld[,] jetzt kann uns nix mehr gschehn.
Sonders (ans Fenster kommend). Marie –! ich kann das Paket nicht finden.
Christoph [(in natürlicher Stimme)]. Nicht finden können Sie’s, na so nehmen S’ das derweil. (Wirft Mantel und Hut zum Fenster hinein und steigt von der Leiter auf die Mauer auf welcher er in sitzender Stellung bleibt.)
Sonders. Was seh ich[,] ein Mann –!? ich bin schmählich betrogen!
Weinberl. Jetzt ziehn wir die Leiter herauf, und lassen s’ auf der andern Seiten hinunter. (Thut es.)
Sonders. Die Leiter – wo ist die Leiter[?] (Langt zum Fenster heraus und merckt daß die Leiter fortgetragen ist.) Verdammt –! (Im Hause hört man mehre[re] Stimmen untereinander.) Man kommt –!
(Man hört im Zimmer oben die Thüre einbrechen, Zangler mit dem Wachter und noch ein Paar Leuten erscheinen mit Lichtern im Kabinet.)
Zangler. Ein Mann ist’s –
Wachter. Nur angepackt[.]
Zangler. Herr Sonders –!? Teufel jetzt wird’s mir zu arg[.]
Wachter und die Übrigen. Nur angepackt, frisch angepackt!
Christoph. Sie fangen ihn ·solo·[.]
Weinberl. Und wier sind frey.
([Weinberl und Christoph] verschwinden während dem im Kabinet statt habenden Tumulte, außerhalb der Mauer.)
Verwandlung
(Straße vor Zanglers Hause, der Mond beleuchtet die Bühne. Links im Vordergrunde ist Zanglers Haus ein Stockwerck hoch[,] das vordere Fenster praktikabel, unter dem Fenster ist die verschlossene Gewölbthüre, darüber die Tafel mit der Aufschrift: B. Zanglers vermischte Waarenhandlung, etwas weiter zurück als die Gewölbsthüre, ist das Hausthor[,] ebenfalls practikabel.)
14te Scene
(Melchior, dann Gertrud.)
Melchior (allein, tritt von Seite rechts auf). Ah – den ganzen Weg hab ich superb verschlafen – (Gähnt.) ich bin jetzt so munter als wenn’s hellichter Tag wär. Da is ja ’s Haus – richtig – ich muß anläuten. (Sucht an beyden Seiten des Hausthores.) Was is denn das –? keine Glocken – ah da hab ich Respect, hir haben s’ noch keine Hausmeister, die werden doch schön z’ruck seyn in der ·Cultur·. (Klopft ans Thor.) He aufgmacht – (Klopft stärker.) aufgmacht! ’s hört kein Mensch. – Wenn ich nur die Wirthschafterinn aufrebelln könnt, das is die einzige Person die mich kennt im Haus, auf d’Letzt lassen s’ mich gar nit hinein. – Ich werd mit ein Sandkörnl ans Fenster werfen. (Nimmt vom Boden ein Sandkorn auf und wirft an das Glasfenster vorne.) ’s hört mich Niemand – ich muß ein Steindl nehmen. (Nimmt eins vom Boden auf und wirft es ans Fenster.) ’s nutzt noch nix – ich muß mit ein größern Steindl probiern. (Nimmt einen Stein auf und wirft ihn ins Fenster[,] die Scherben fallen herab[,] man hört von Innen einen Schrey von Gertrud.) Jetzt glaub ich, hat mich wer g’hört. Frau Gertrud – Frau Gertrud[!]
Gertrud (von innen). Wo brennt’s?
Melchior. Nirgends, komm d’Frau Gertrud nur zum Fenster!
Gertrud (steckt den Kopf zum Fenster heraus). Was is’s denn? Um alles in der Welt!?
Melchior. Seyn S’ so gut[,] machen S’ mir ’s Thor auf.
Gertrud. Impertinenter Mensch wer is Er?
Melchior. Der neue Hausknecht bin ich der Melchior.
Gertrud. Den Tod könnt man haben von den Schrocken.
Melchior. Von Tod is gar ka Red, Hochzeit is[’s], vor Tages Anbruch kommt der Herr.
Gertrud. Er hat einen Rausch.
Melchior. Den müßt er sich erst trunken haben, ich hab ihn als so nüchterner verlassen. Machen S’ nur auf.
Gertrud. Mir is es in alle Glieder gfahrn, das is doch gar entsetzlich, was glaubt denn so ein Mensch. (Entfernt sich brummend vom Fenster.)
Melchior (allein). Das sind die Folgen wenn in ein Haus kein Hausmeister is. Mir is das alles eins, ich zahl die Fensterscheiben nicht. Mir scheint, ich hör s’ schon.
Gertrud (man hört [sie] von Innen das Hausthor aufsperren und dabey brummen). Das werd ich den Herrn sagn, ob das Recht is, daß man Jemanden so ausn Schlaf [–]
Melchior (von außen am Hausthor stehend). Nur gelassen Frau Gertrud.
Gertrud (wie oben). Das is keine Manier, das is keine Art, bey später Nacht, dieser Schrocken –
Melchior. Schaun S’ der Zorn schadt Ihnen.
(Die Hausthüre öffnet sich[,] Melchior geht hinein.)
Gertrud (von innen indem sie wieder zuschließt). Wer’n wier schon sehn, was der Herr dazu sagt, das laß ich nicht so hingehn.
Melchior (von innen). Ah hörn S’ auf.
(Man hört beyder Stimmen immer schwächer bis es ganz ruhig wird.)
15te Scene
(Christoph und Weinberl kommen von rechts aus dem Hintergrunde.)
Weinberl. Habn S’ g’hört Christoph? wenn sich der Hahn nicht verkräht hat um a Stund, so geht’s schon aufn Tag los.
Christoph. Macht nix, wier sind einmahl da, wier können sagen wier haben das [Ziel] erreicht.
Weinberl. Ja was denn eigentlich für a Ziel, wenn man’s recht betracht?
Christoph. Na, wir habn uns ein Jux gmacht, und kommen im Übrigen grad so gscheidt wieder z’Haus, als wier ausgangen seyn.
Weinberl. Jetzt frag ich aber zahlt sich so a Jux aus, wenn man ihn mit einer Furcht, mit 3 Schrocken, 5 Verlegenheiten und 7 Todsängsten erkauft? Is so a Gschäft nicht noch weit dümmer als wenn einer für a Loth Salami 1 ·fl·, für ein Vierting Bokshörndl ein Thaler, für a halbe Sardelln ein doppelten Dukaten zahlt? Wenn wier aber das jetzt gehörig einsehn, dann kommen wier ja erst um ein Alzel gscheider nach Haus.
Christoph. Ich bin ja noch zu jung um das richtig zu beurtheilen.
Weinberl. Ah [–] Ich bin ganz zerlext von die Gemüthsbewegungen.
Christoph. Ich auch, und für mich is das noch weit gefährlicher, weil ich so starck im Wachsen bin. Schaun wier, daß wier ins Bett kommen, soll ich anpumpern beyn Hausthor?
Weinberl. Warum nicht gar, wier schleichen uns ganz in der Still ins Gwölb und duseln a Bissel auf der Budl, bis[’s] ohnedem Zeit zum aufsperren is. Ich hab den Gwölbschlüssel bey mir. (Sucht in den Taschen.) Da – nein da – oder da Teufel hinein, ich hab den Schlüssel verloren.
Christoph. Seyn S’ so gut.
Weinberl. Wie ich den Kutscher mit meiner silbernen Uhr auszahlt hab muß er mir herausgfalln seyn.
Christoph. Na, das is ja keine 300 Schritt; warten S’ ich geh z’ruck, ich weiß ’s Platzl genau, werd ihn gleich finden. (Geht [im] Hintergrund rechts ab.)
16te Scene
(Weinberl (allein).)
[Weinberl]. Jetzt hab ich das Glück genossen ein verfluchter Kerl zu seyn, und die ganze Ausbeute von dem Glück is, daß ich um kein Preis mehr ein verfluchter Kerl seyn möcht. [Für einen ·Commis· schickt sich so was nicht. Das kommt mir vor, wie unser Fräule, die sagt auch immer „es schickt sich nicht“ und derweil – Es gschieht halt allerhand bei der Zeit, was sich nicht schickt.]
Lied
[1.
’s hat Einer a Geld herg’liehen ohne Intressen,
Der Schuldner thut aber aufs Zahln rein vergessen,
Der Gläubiger mahnt ihn stets mit Höflichkeit,
Doch der Schuldner, der findt sich beleidigt und schreit:
„Pressirn Sie mich nicht, Sie wer’n ’s Geld schon noch kriegn,
Sie Esel, ich werf Ihnen gleich über d’Stiegn.“
Man glaubt nicht wie häufig das gschicht,
Und es schickt sich doch offenbar nicht.
2.
Man muß sehn im Kaffeehaus wenn Karten gspielt wird,
Wie s’ zuschaun und drein plauschen ganz ungenirt,
Schaun Zwein in die Karten und rathen dem Dritten,
Ob er Karo oder Pick spieln soll – da muß i bitten,
Und thut sich bei ein Spieler ein ·Ultimo· zeigen,
Dem thun d’Zuschauer völlig am Buckel auffisteign;
Diese Unart fast überall gschicht,
Und es schickt sich doch offenbar nicht.
3.
A jungs und schlanks Töchterl, na der steht es gut,
Wann s’ auch wie a Bsessene umtanzen thut,
Doch was soll man sagn, wenn d’Mama mit 50 Jahrn,
Uma fludert mit frische Kamelien in Haarn. –
So a Frau wägt drei Zentner oft, Sie, das is viel,
Hupft aber noch neckisch mit in der Quadrill.
Man glaubt nicht wie häufig das gschicht,
Und es schickt sich doch offenbar nicht.
4.
’s gibt Leut, die ein gern nur was Unangnehmes sagn,
„Ach Sie schaun schlecht aus, Ihnen hat’s schön beim Kragn,
Gestern hat auf ein Andern gschmacht Ihr Herzensdam,
Wer hat Ihnen den Rock gmacht, Sie, der steht infam,
Der Wagn, den Sie kauft habn, ach, das is a Karrn,
Ihr Stück hab ich g’lesen, Sie, das is a Schmarn.“
So sagn s’ alles den Leuten ins Gsicht,
Na, das schickt sich doch offenbar nicht.
5.
Das steht so gut, wann die gebildeten Herrn,
Recht freundlich und zärtlich mit Dienstbothen wer’n,
Und ganz ·franchement· rennen beim helllichten Tag,
Wie die Windspiel ein schlampeten Kuchelbärn nach,
Und drucken ihr d’Bratzen, und lassen s’ nit aus,
„O Engel sagen S’ mir’s, sein S’ allein heut zu Haus?“
Man glaubt nicht wie häufig das gschicht,
Und es schickt sich doch offenbar nicht.
(Im Hintergrunde rechts ab.)]
17te Scene
(Rab, Kraps kommen links aus dem Hintergrund, Rab trägt eine Blendlaterne[,] Kraps hat eine schwarze Larve vor dem Gesicht [und einen] Mantel.)
Rab. Mir scheint gar Kerl du zitterst?
Kraps. Nein, ich klapper nur mit die Zähn –
Rab. Hasenfuß! da hättest du mich sehn solln bey dem Einbruch in Brunnen, bey dem Einbruch in der Stadt, bey dem Einbruch in –
Kraps. Na ja, nach einige Einbrüch bricht sich die Angst, das will ich wohl glauben, aber – du, lassen wier’s auf einandermahl.
Rab. Schämst du dich nicht, hat der Kerl den ·genialen· Einfall den Schlüssel in Wachs abzudrücken, und bey der Ausführung verliert er die ·Curage·.
Kraps. Es is nur heut, schau an andersmahl.
Rab. Nichts da –! nimm die Latern und leuchte mir.
Kraps (zitternd die Laterne nehmend). Schau Brüderl –
Rab. Frisch ans Werk. (Sperrt während dem Folgenden die Schlösser an den Gewölbstangen auf.) Siehst du Camrad, die Stunde vor Tagesanbruch ist immer die beste zum Einbruch. Denn vor Mitternacht, arbeiten noch die fleißigen Leute–
18te Scene
(Weinberl und Christoph, die Vorigen.)
(Beyde kommen rechts [aus] dem Hintergrund [und] sehen was an der Gewölbthüre vorgeht.)
Weinberl und Christoph (erschrocken und mit unterdrückter Stimme). Was is das –!?
Rab ([ohne die eben Angekommenen zu bemerken,] in seinem Geschäft und in seiner Rede fortfahrend). Nach Mitternacht gehen die liederlichen nach Haus; aber um diese Zeit liegen auch die ärgsten Lumpen schon im Bett und auch die Nachtwächter schnarchen verläßlich, wie uns ·figura· gezeigt hat. So leuchte doch daher, siehst du denn nicht –? Aber Narr – hahahaha, wozu, Strohkopf[,] nimmst du denn eine Larve.
Kraps. Wann’s schelch geht, es sähet uns wer, und wier müßten ·echeppiren·, mein Gsicht is zu bekannt in dem Haus.
Rab (der immer fortgearbeitet hat, macht einen Flügel der Gewölbthüre auf). Die Thür ist offen, jetzt hinein, und vor allen der Kassa eine Visitte gemacht. Gib mir die Laternen – die Schreibstube ist hinten links?
Kraps (ihm die Laterne gebend). Ja.
Weinberl (zugleich [mit Christoph], die anfangs wie versteinert stehen geblieben sind [,] sich aber dann rechts nach dem Vordergrund gezogen). Christoph [–]
Christoph (zugleich [mit Weinberl]). Weinberl [–]
Kraps. Aber Brüderl – lassen wir’s auf ein andersmahl.
Rab. Wäre nicht übel! umkehren auf halben Weg. Du bleibst noch ein Paar Minuten hir stehen, und siehst dich um, ob nicht etwa über unser Geräusch sich irgendwo ein Licht zeigt, dann kommst du mir nach[,] aber zittre doch [nicht,] du Hasenfuß. Klugheit im Kopf, Schnaps im Magen, und Pistolen in der Tasche, da geht alles gut. (Geht ins Gewölb ab.)
19te Scene
(Die Vorigen ohne Rab.)
Kraps. Ich hab kein Wort g’hört was er gsagt hat – die Angst – ich hab glaubt, ich hab Anlag, aber ich bin nix zu dem Gschäft – wenn er nur wenigstens – ich sag halt, es wär besser gwesen ein andersmahl –
Weinberl (ihn an der Gurgel fassend). Nein jetzt is’s am besten.
Kraps. Barmherzigkeit[!]
Christoph (hat ihn ebenfalls gepackt). Still oder –
Weinberl. Ich erdroßl dich.
Kraps. Herr Weinberl – Mussi Christoph [–]
Weinberl. Das is ja [–]
Kraps (die Larve abnehmend). Der Hausknecht, der Kraps.
Weinberl und Christoph. Spitzbub –
Kraps. Ich will ein ehrlicher Mann werden.
Weinberl. Ich seh’s.
Kraps. Das war mein erster und mein letzter Versuch – so wahr als – Barmherzigkeit –
Christoph (zu Weinberl). Lassen wier’n laufen.
Weinberl. Das müssen wir jetzt wohl, sonst kommt uns der andre aus. (Zu Kraps.) Dein Mantel[,] Hut und Larven her.
Kraps. Da, da is alles mein bester edelster großmüthigster Herr von Weinberl. (Giebt ihm was er verlangt.)
Weinberl. Jetzt fahr ab.
Kraps. O Gott – (Ihm die Hand küssend.) Sie glauben’s nicht aber ich werd jetzt schrecklich ehrlich wer’n. (Läuft im Hintergrund links ab.)
20ste Scene
(Die Vorigen ohne Kraps.)
Weinberl. Den ehrlichen Mann werden s’ schon durch die Aussagn seines Spießgselln kriegn. (Zieht den Mantel von Kraps an, und setzt dessen Hut auf.)
Christoph. Was thun S’ denn da?
Weinberl. Den andern muß ich erwischen.
Christoph. Sperren wier ’s Gwölb zu[,] so is er gfangt.
Weinberl. Daß er drin eine Thür eintritt, wem todtschießt, und doch noch am End ein Ausweg findt. Ich weiß schon was ich thu, wecken Sie nur derweil den Nachtwachter auf und machen S’ gschwind ·Arretirungs·anstalten.
Christoph. Gut. Aber is das a Glück, auf unsern Bodenkammerl hättn wier den Einbruch rein verschlafen.
Weinberl. Jetzt war der Jux doch zu was gut.
Rab (von innen sich der Thüre nähernd). Wo zu[m] Teufel bleibst du denn so lang?
Weinberl (nimmt die Larve vor, wodurch sich seine Stimme ändert). Ich komm schon, Ich komm schon[.] (Winkt Christoph zu daß er forteilen soll und geht ins Gewölb ab.)
(Christoph läuft [im] Hintergrund links ab.)
Verwandlung
(Zanglers Wohnzimmer. Rechts eine Seitenthüre, im Prospekt eine Thüre welche in das Gewölb hinabführt. Rechts vorne steht ein Silberkasten[,] ganz vorn lincks ein Fenster mit Vorhang. Es is finster. Am Prospecte rechts Zanglers Bett.)
21ste Scene
(Melchior allein.)
[Melchior] (tritt mit Licht aus der Seitenthüre rechts). Da soll man Anstalten zur Hochzeit machen, die Wirthschafterinn sperrt sich ein in ihr Zimmer[,] gibt mir gar kein G’hör, und schimpft so lang bis [s’] zum schnarchen anfangt. Die Köchinn hab ich gfunden, ah das Weibsbild hat gar ein ·classischen· Schlaf, ich muß sagen, das is mir noch nicht unterkommen. Wenn ich mein Kammerl wüßt, gieng ich auch schlafen. Ich könnt mich zwar da in Herrn sein Bett legen, aber wer weiß, wär’s ihm recht. ’s thut’s ja da in Schlafsessel auch. (Man hört [ein] Geräusch im Hintergrunde.) Was war denn das? – ah ich weiß schon; nix wird’s gwesen seyn. ’s is völlig ähntrisch allein wach seyn in so ein verschlafnen Haus. (Das Geräusch wiederhohlt sich.) Jetzt war’s aber – ja jetzt war’s was. [(Nach dem Hintergrunde zeigend.)] Von den Stiegerl wo man ins Gwölb hinuntergeht hört man’s herauf. Mensch oder Geist, was steht mir bevor? Wenn es ein Mensch ist, o da bin ich ein Kerl, der ·Courage· hat, wenn’s aber a Geist – [da] wär’s aus mit mir. – Geist is mir ein zu fremdartiges Wesen. (Ängstlich herumsehend.) Wo kann ich denn? – Aha – (Läuft zum Fenster und setzt sich, während man von außen Stimmen hört, schnell auf das Fensterbrettl, so daß ihn die herabhängenden Gardinen bedecken.)
22ste Scene
(Rab, Weinberl (mit Mantel[,] Larve[, Hut und] Blendlaterne), der Vorige.)
(Rab und Weinberl kommen leise auf den Zehen zur Mittelthüre herein.)
Melchior ([hinter den Fenster-Gardinen hervorguckend,] schaudernd für sich). Den leichten Tritt[,] man hört s’ gar nit, es sind Geister.
Rab. Wirklich Pursche, das überrascht mich an dir. ’s ist ein Wagstück bis hieher zu dringen, und du hast’s ·proponiert·.
Weinberl. ’s is wegen dem Silberkasten, dort is er.
Rab. Ich meinestheils mach [mich] immer gern gleich aus dem Staub wenn ich das Geld hab, denn nur Geld, Geld –
Melchior [(für sich)]. Sie gehn aufs Geld, es sind Menschen.
Rab. Mit Prätiosen befaß ich mich nicht gern. (Nimmt von Weinberl die Laterne, und nähert sich dem Kasten.)
Weinberl. Ah was, Silber is auch nicht zu verachten, je mehr desto besser[,] man hat nie genug.
Melchior [(für sich)]. Sie haben nie genug – es sind Menschen.
Rab. Der Schlüssel steckt, räumen wir aus. (Öffnet die Glasthüre [des Kastens].) Da hab ich aus dem Gewölb einen Sack mit heraufgenommen, da packst du alles hinein. ([Wirft ihm einen Leinwandsack zu,] nimmt während dem Folgenden aus dem Kasten Kaffeemaschine[,] Leuchter[,] Löffel ·etc·. heraus und giebt es Weinberl[,] welcher es in den Leinwandsak steckt.)
Melchior (für sich). Sie packen ein[,] es sind Menschen, aber was für eine.
Rab. Nur schnell.
Weinberl (bei Seite). Nur langsam sag ich, ich muß ihn aufhalten bis der Christopherl mit die ·Arretierer· kommt.
Rab (scherzend). Einen Kaffeelöffel sollten wier ihm zum Andenken liegen lassen.
Melchior [(für sich)]. Der hat doch noch menschliches Gefühl.
Weinberl. Ah was[,] nur alles mitgenommen, in andern Zimmer drinn war auch noch was.
Melchior [(für sich)]. Der mit der Larven ist ganz Teufel.
Rab. Nein das wäre zu ·riskiert·, mich überfallt so schon eine Unruhe, und das ist immer ein Zeichen –
Melchior [(für sich)]. Bey dem is noch Besserung möglich.
Weinberl. Die Stockuhr da drinn sollten wir nicht auslassen.
Melchior [(für sich)]. Der hat ein verhärtetes Gemüth.
Rab. Nichts da, wir müssen fort! – (Bleibt stehen.) hörst du? – (Horcht gespannt.)
Weinberl. Es is nix, es kann nix seyn.
Melchior (über Weinberl erbost die Faust ballend[, für sich]). Wenn ich nur den – (Wirft durch eine unvorsichtige Bewegung einen Blumentopf vom Fensterbrettl herab.)
Rab. Man kommt zum Fenster herein, schnell das Fersengeld. (Läuft zur Mitte ab.)
Weinberl [(für sich)]. Du darfst mir nicht auskommen. (Läßt den Sack liegen und läuft Rab nach.)
Melchior (springt aus seinem Versteck hervor, und packt Weinberl[,] als er eben die Thüre erreicht hat[,] am Genick). Hab ich dich!
Weinberl. Ah weh! was is das!?
Melchior. Weil ich nur den hab. (Zerrt ihn mehr nach vorne.)
Weinberl. Auslassen sag ich, der andere is ja –
Melchior. Ein Dieb, der zu Hoffnungen berechtigt, du aber bist [ein] Scheusal –
Weinberl. Er erwürgt mich – zu Hilf! zu Hilf!
Melchior. Mir gehn die Kräfte aus, zu Hilf! zu Hilf!
Beyde. Zu Hilf! zu Hilf!
23ste Scene
(Zangler, Mad. Knorr, Frau v. Fischer, Christoph, Sonders, [Marie,] die Vorigen ohne Rab.)
Christoph (mit einer ·Laterne·). Der Rauber is solo gfangt, die Wachter habn ihn schon. (Zündet auf dem Tische rechts Licht an.)
Zangler. Was gibt’s denn da für ein Spectakel!?
Weinberl (hat die Larve abgenommen). Herr Principal –
Zangler (Melchior welcher Weinberl noch immer festhalten will zur Seite schleudernd). Pack dich und nicht den da[.] (Zu Weinberl.) Der Christoph hat mir alles gsagt – an mein Herz edler Mann. (Umarmt Weinberl.)
Melchior. Der umarmt den entlarvten Bösewicht[,] ah das is ·classisch·!
Christoph (zu Mad. Knorr, bittend). Verschwiegenheit, Principalinn.
Mad. Knorr [(Christoph erkennend)]. Ah das is stark –!
Melchior (zu Zangler). Aber schaun S’ nur wie er Ihr Silber –
Zangler. Durch dieses Silber hat er mir das Gold seiner Treue bewährt.
Melchior. Das is zu ·classisch·[!]
Frau v. Fischer und Mad. Knorr (Weinberl erkennend). Was is denn das –!? da is ja [–]
Zangler (Mad. Knorr und Frau v. Fischer ihm vorstellend). Mein ehmaliger ·Commis·[,] gegenwärtig mein ·Associé· Herr Weinberl, der während meiner Abwesenheit mein Haus so treu bewacht.
Frau v. Fischer und Mad. Knorr (zu Zangler). Erlauben Sie, das ist –
Melchior (zu den Frauen). O, sagen Sie ihm’s, auf mein Reden gibt er nix.
Weinberl (in ängstlicher Verlegenheit leise bittend zu Frau v. Fischer und Mad. Knorr). Verschwiegenheit, meine Gnädigen –
Frau v. Fischer (böse). Was –? (Zu Zangler.) Das ist der Mensch, der es gewagt hat –
Weinberl (hat einen Entschluß gefaßt und fällt ihr in die Rede). Ja ich bin der, der es gewagt hat, wie Sie[,] Herr Zangler, mich einmahl in die Stadt gschickt haben, hab ich es gewagt mich in diese reizende Wittwe zu verlieben, und jetzt als ·Associé· wag ich es ihr Herz und Hand zu Füßen zu legen.
Frau v. Fischer. Wie –? wenn das Ihr Ernst wäre –
Weinberl. So wahr ich Weinberl bin!
Zangler. Na, das freut mich –
Melchior [(zu Zangler)]. Aber Euer Gnaden.
Zangler. Noch ein Wort und ich jag Ihn aus den Dienst.
Melchior (bemerkt in dem Augenblick als er sich wendet Sonders, welcher Marien umschlungen hält). O je, da schaun S’ her.
Zangler (auf die Liebenden deutend). Aus diesem Grund, freut’s mich doppelt Herr Weinberl, daß Sie schon eine Wahl getroffen, denn Ihnen hab ich meine Mündl zugedacht, aber ’s Mädl hat sich in den Herrn vergafft und grad, wie ich ihn als Entführer ·arretieren· lassen will, klärt sich’s durch den Herrn ·Comissarius· auf, daß seine Tant bereits gestorben und die große Erbschaft gerichtlich hir für ihn ·deponirt· is, na, da hab ich dann nicht anders können –
Weinberl. Also hat sich der Fall schon wieder ereignet? Nein, was ’s Jahr Onkeln und Tanten sterben müssen!, bloß damit alles gut ausgeht –!
Melchior. Das is ·classisch·.
Zangler (Mad. Knorr bey der Hand nehmend und auf die beyden Paare zeigend). Mit einem Wort, ’s giebt eine 3fache Hochzeit.
Weinberl. Dreyfache Hochzeit, das is der wahre Jux!
(Unter einigen Tacten fröhlicher Musik fällt der Vorhang. Ende)