Nestroy-Spiele 2022: Pressestimmen: Kurier, 3. Juli 2022
In das Abgründige menschlicher Seelen blicken

Nur Ruhe!

50 Jahre Nestroy in Schwechat: Peter Gruber verabschiedet sich als Regisseur und Intendant in der 50. Saison von den Nestroy-Spielen in Schwechat mit seiner famosen Inszenierung von „Nur Ruhe!“

Nestroy spielen, das heißt, ohne Wenn und Aber in das Abgründige menschlicher Seelen blicken. Das demonstriert seit 50 Jahren der Schauspieler, Regisseur und Intendant der Nestroy-Spiele Schwechat, Peter Gruber. Nach diesem Sommer übergibt er sein Amt an Christian Graf, seit 22 Jahren Teil des Nestroy-Ensembles in der ehemaligen Lederfabrik Schloss Rothmühle. Das Archiv betreut Gruber jedoch weiter. Zuvor zeigt er das selten gespielte Stück „Nur Ruhe“!“. Treffender hätte er sein Abschiedsstück nicht wählen können. Ein Lederfabrikant will sich in den Ruhestand zurückziehen und seine Fabrik abgeben. Ungebetene Gäste aber stören den Vorgang. Gruber, wahrer Könner und Kenner der Materie, verwebt subtil aktuelle Bezüge in Nestroys Text. Lohn-Dumping, Pandemie, Querdenker, Wurmdoktor, ein fragwürdiges Gericht und sogar Metoo, nichts bleibt unerwähnt und das nicht nur in den Couplets (Musik: Otmar Binder).

Das Geschehen entwickelt in den etwas mehr als zweieinhalb kurzweiligen Stunden enorme Sogwirkung. Gruber führt sein Ensemble auf Andrea Költringers praktikabler Bühne, einem einstöckigen Haus, Teich inklusive, präzise und konzentriert seine Inszenierung auf den Text. Damit macht er Nestroys alle Schichten umfassende Gesellschaftskritik sichtbar und führt vor, wie gut sich diese auf heutige Verhältnisse umlegen lässt. Gespielt wird sehr gut. Rainer Doppler steht als sympathischer, sich nach Ruhestand sehnender Fabrikant Anton Schafgeist im Zentrum. Christian Graf zeigt die Facetten des aufstrebenden Gesellen Rochus Dickfell. Marc Illich agiert virtuos als überkorrekter Werkführer Walkauer, Rosa Wimmer macht aus der Nebenrolle Peppi eine echte Kunstfigur, um nur einige wenige aus dem famosen Ensemble zu nennen. Viel Applaus für alle Mitwirkenden und stehende Ovationen für den scheidenden Intendanten Peter Gruber.