Der Talisman, III/12–21

    

 

I/01–15: Dorfplatz
I/16–23: Wohnung der Gärtnerin

II/01–05: Schlossgarten
II/06–27: Saal im Schlosse

III/01–11: Schlossgarten
III/12–21: Gartensaal

Verwandlung

Gartensaal im Schlosse mit Bogen und Glastüren im Hintergrunde, welche die Aussicht auf eine Terrasse und den mondbeleuchteten Garten eröffnen, rechts und links eine Seitentür. Lichter auf den Tischen zu beiden Seiten

Zwölfte Szene

Constantia (allein, aus der Seitentüre rechts)

Constantia Wer hätte dem Friseur das zugetraut! Mit einem stolz hingeworfenen: »Adieu, Madame!« hat er sich für immer losgesagt von mir! Eine gewöhnliche Witwe könnte das außer Fassung bringen, mich, Gott sei Dank, kostet es nur einen Blick, und ein anderer Bräutigam, Monsieur Titus, liegt zu meinen Füßen. Wenn nur die gnädige Frau, die sich so gütig der Sache annimmt, den alten Spießbürger schon herumgekriegt hätte, daß er Titus als seinen Erben erklärt!

 
Dreizehnte Szene

Constantia, Frau von Cypressenburg

Frau von Cypressenburg (aus der Seitentüre links kommend) Constanze –

Constantia (ihr entgegeneilend) Euer Gnaden!

Frau von Cypressenburg Es geht nicht!

Constantia Wär's möglich?

Frau von Cypressenburg Ich habe mich eine halbe Stunde abgequält mit dem Manne, aber seine lederne, wasserdichte Seele ist undurchdringlich für den Tau der Beredsamkeit. Er will ihn etablieren, weiter nichts, auf Erbschaft hat er keine Hoffnung.

Constantia Hm! Sehr fatal! Ich glaubte, es würde so leicht gehen, habe schon den Notarius Falk, der heraußen seine Sommerwohnung hat, rufen lassen – versuchen wir es nochmal, gnädige Frau, setzen wir ihm beide zu!

Frau von Cypressenburg Wenn du glaubst! Ich habe dich heute aus Übereilung sehr ungerecht behandelt und will das durch wahre mütterliche Sorgfalt wieder gutmachen.

Constantia (ihr die Hand küssend) Sie sind so überaus gnädig –

Frau von Cypressenburg (indem sie, von Constantia begleitet, in die Seitentüre links abgeht) Ich habe aber wenig Hoffnung. Es müßte nur sein, daß das Wiedersehn seines Neffen –

Constantia Der muß jeden Augenblick hier sein. (Beide in die Seitentür links ab.)

 
Vierzehnte Szene

Konrad (führt Titus, welcher die graue Perücke aufhat, durch die Glastür von der Terrasse in den Saal)

Titus (im Eintreten) Aber, so sag' Er mir nur –

Konrad Ich darf nix sag'n! (Ihn erstaunt anglotzend.) Aber was is denn das? Sie haben ja eine graue Perücken auf.

Titus Geht Ihn das was an? Ich bin herb'stellt, meld' Er mich, und damit Punktum!

Konrad Na, gleich, gleich! (Geht in die Seitentüre links ab.)

 
Fünfzehnte Szene

Titus (allein), später Konrad (zurück)

Titus (allein, aufs Herz deutend) Es wird mir a bißl an Stich da geben, wenn ich die Constantia sehe. Ach, nur dran denken, wie sie g'sagt hat: »Ach, wie abscheulich sieht er aus!« So eine Erinnerung is ein Universalmittel gegen alte Bremsler. Sie soll Kammerfrau bleiben, wo sie will, meine Herzenskammern, die bezieht sie nicht mehr, die verlass' ich an einen ledigen Jungg'sellen, und der heißt: »Weiberhaß!«

Konrad (tritt ein)

Titus (zu ihm) Hat Er mich angemeldet?

Konrad Nein, die gnädige Frau diskutiert, und da darf man sie nicht unterbrechen.

Titus Aber ich bin ja –

Konrad Keine Ungeduld! Wart' der Herr da, oder – (nach rechts deutend) in dem Zimmer drin. In einiger Zeit werd' ich sehn, ob es Zeit sein wird, Ihn zu melden. (Rechts ab.)

 
Sechzehnte Szene

Titus (allein)

Titus Fahr ab, du bordierte Befehlerfüllungsmaschine! Das is auch einer aus der g'wissen Sammlung – das Leben hat eine Sammlung von Erscheinungen, die wahrscheinlich von sehr hohem Wert sind, weil sie den Ungenügsamsten zu der genügsamen Äußerung hinreißen: »Da hab' ich schon g'nur!«

Lied

1.
          's kommt ein' einer ins Zimmer, man fragt, was er will?
»Ich bitt' um Unterstützung, hab' Unglück g'habt viel;
Such' Beschäftigung, doch 's is alles b'setzt überall,
Ich bin kränklich, war jetzt erst zehn Woch'n im Spital!«
Dabei riecht er von Branntwein in aller Fruh'–
Na, da hab' ich schon g'nur, na, da hab' ich schon g'nur!
2.
»Die G'schicht' wird mir z' auffallend schon!« schreit der Mann.
»Ich weiß nicht, was d' hast«, lispelt d' Frau, »hör' nur an,
Daß der Mensch mir so viel zarte Achtung erweist,
Das g'schieht aus Bewunderung nur für mein' Geist,
Das, was du für Liebe hältst, ist Freundschaft nur!«
Na, da hab' ich schon g'nur, na, da hab' ich schon g'nur!
3.
A Madl hat ein' Burnus mit kirschrote Quasten;
Ich parier', sie hat battistene Wäsch' in ihr'm Kasten,
's Kleid is von Asphalt, nach dem neuesten Schnitt;
Drauf kommt s' zu ein' Lackerl, drüber macht s' einen Schritt,
Bei der G'leg'nheit geht ihr der Rock etwas vur –
Na, da hab' ich schon g'nur, na, da hab' ich schon g'nur!
4.
Ich vergaff' mi in a Madl, ganz einfach gekleid't,
Ich begehr's von die Eltern, war'n recht rare Leut';
Sie sag'n gleich: »Da hab'n Sie's, 's kann Hochzeit sein morgen,
Nur müssen Sie uns auch als d' Eltern versorgen,
Die elf G'schwistert, die brauchen S' ins Haus z'nehmen nur!«
Na, da hab' ich schon g'nur, na, da hab' ich schon g'nur!
5.
Vor mir red'n zwei Fräul'n, war a g'spaßigs Gewäsch,
Ich hör': »Oui« und »Peut-être« – 's war richtig Französch:
»Allez vous aujourd'hui au théâtre, Marie?«
»Nous allons«, sagt die andre, »au quatrième Galerie,
J'ai allée avec Mama au théâtre toujours«
Na, da hab' ich schon g'nur, na, da hab' ich schon g'nur!
6.
»Ich geh' zum Theater!« hat mir einer g'sagt.
»Als was woll'n S' denn 's erstemal spiel'n?« hab' i g'fragt.
»Ich spiel' gleich den Hamlet, denn ich bin ein Genie.
Gib dann den Don Carlos als zweites Debut.
So wie ich hab'n sie kein' in der Burg, gar ka Spur!«
Na, da hab' ich schon g'nur, na, da hab' ich schon g'nur!

(Durch die Seitentür links ab.)

Siebzehnte Szene

Frau von Cypressenburg, Constantia, dann Titus

Frau von Cypressenburg Wo er nur so lange bleibt?

Constantia Georg sagte mir doch –

Titus (aus der Seitentür rechts) Meinen Euer Gnaden mich?

Frau von Cypressenburg Ah, da sind Sie ja – Sie werden staunen!

Constantia (mit Verwunderung Titus' graue Perücke bemerkend und Frau von Cypressenburg darauf aufmerksam machend) Gnädige Frau! Sehen Sie doch –

Frau von Cypressenburg Was ist denn das?

Titus (auf seine Perücke deutend) Diese alte Katherl war die einzige, deren ich mich bemächtigen konnte. Ich benütze sie, um die Ihre Nervensystem verletzende Couleur zu verdecken.

Frau von Cypressenburg Hm, so arg ist es nicht, ich bin nur manchmal so kindisch.

Titus Kindisch? Diese Eigenschaft sieht Ihnen der schärfste Menschenkenner nicht an.

Constantia Rote Haare stehen im Grunde so übel nicht!

Titus (erstaunt) Das sagen Sie, die noch –?

Frau von Cypressenburg Jetzt legen Sie aber schnell die Perücke ab, denn es wird jemand –

Constantia (Spund bemerkend, welcher bereits aus der Seitentür links getreten ist) Zu spät, da ist er schon!

Frau von Cypressenburg (zu Spund) Hier Ihr Neffe, Herr Spund! (Geht in die Seitentür links ab.)

Constantia (für sich) Jetzt mag er sehen, wie er mit ihm zurecht kommt! (Folgt der Frau von Cypressenburg.)

 
Achtzehnte Szene

Titus, Spund; später Konrad

Titus (erstaunt) Der Herr Vetter! Wie kommen denn Sie daher?

Spund Auf eine honnettere Art als du! Durchgehen is nicht meine Sach'!

Titus Ja, freilich, wenn man einmal Ihre Dicken hat, dann geht man nicht so leicht wo durch!

Spund Du Makel der Familie, du! (Kommt näher auf ihn zu und erblickt mit Staunen die grauen Haare.) Was is denn das!? Graue Haare?

Titus (für sich, betroffen) O je!

Spund Du bist ja rotkopfet?

Titus (sich schnell fassend) Ich war es.

Spund Und jetzt?

Titus Jetzt bin ich grau.

Spund Das is ja nicht möglich –

Titus Wirklichkeit is immer das schönste Zeugnis für die Möglichkeit.

Spund Du bist ja erst sechsundzwanzig Jahr'?

Titus Ich war es gestern noch! Aber der Kummer, die Kränkung, daß ich, verlassen von meinem einzigen leiblichen Herrn Vettern, als hilfloser Durchgänger in die Welt hab' müssen, hat mich um ein Jahrtausend älter gemacht: Ich bin über Nacht grau geworden.

Spund (verblüfft) über Nacht?

Titus Schlag sieben bin ich fort von z' Haus, dreiviertel Stund' später schau' ich mich in den Spiegel der Unglücklichen, ins Wasser hinein, da war mir, als wenn meine Haare so g'wiß g'sprenglet wären. Ich schieb' das auf die Dämmerung, wähle den Linigraben zur Untertuchet, deck' mich mit die Nachtnebel zu, schlaf' ein – Schlag Mitternacht wecken mich zwei Frösch' auf, die auf meinem Halstüchel zu disputieren anfangen, da gibt mir ein Anfall von Desperation den klugen Einfall, mir einige Hände voll Haare ausz'reißen – sie waren grau! – Ich schieb' das auf den Silbersichelreflex der Mondscheibe, schlaf' weiter. Auf einmal scheucht mich ein ungeheures Milliweiberg'schnatter auf aus dem tiefsten Linigrabenschlummer – es war heller Morgen, und neben mir macht grad ein Rastelbinder Toilette, er schaut sich in ein' Glasscherben, der vielleicht einst ein Spiegel war, ich tu' desgleichen, und ein eisgrauer Kopf, den ich nur an dem beigefügten Gesicht für den meinigen erkenne, starrt mir entgegen.

Spund Das wär' ja unerhört!

Titus O nein, die Geschichte spricht dafür. Da war zum Beispiel ein gewisser Belisar, von dem haben S' g'wiß g'hört?

Spund Belisar? War das nit ein Bierversilberer?

Titus Nein, er war römischer Feldherr. Dem hat seine Frau durch'n Senat d' Augen auskratzen lassen.

Spund Das tun sonst d' Weiber selber.

Titus Die hat aber den Kodex Justinianus z' Hilf' g'nommen. Das nimmt sich der Mann zu Herzen, und in dreimal vierundzwanzig Stund' is er grau! Jetzt denken Sie, Herr Vetter, das, wozu ein römischer Feldherr drei Täg' hat braucht, das hab' ich über Nacht geleistet, und Sie, Herr Vetter, sind der Grund dieser welthistorischen Begebenheit.

Spund (sehr ergriffen) Titus, Bub, Blutsverwandter – ich weiß gar nicht, wie mir g'schieht – ich bin der Vetter einer welthistorischen Begebenheit! (Schluchzend.) Neunzehn Jahr' hab' ich net g'weint, und jetzt kommt das Ding völlig schußweis. (Trocknet sich die Augen.)

Titus Is gut, wenn das alte Bier herauskommt!

Spund (die Arme ausbreitend) Geh her, du eisgrauer Bub! (Umarmt ihn.)

Titus (ihn ebenfalls umarmend) Vetter Spund! (Prallt plötzlich heftig aus seinen Armen zurück.)

Spund (darüber erstaunt) Was springst denn weg als wie ein hölzerner Reif?

Titus (für sich) Bei ein' Haar hätt' er mich beim Haarzopfen erwischt. (Laut.) Sie haben mich so druckt, mit Ihrem Ring, glaub' ich.

Spund Sei nicht so heiklich! Her da an das Vetterherz! (Umarmt ihn derb.)

Titus (hält während der Umarmung mit der rechten Hand seinen Zopf in die Höhe, damit er Spund nicht in die Hände kommt)

Spund (ihn loslassend) So! – übrigens, daß ich dich nicht mehr druck' mit dem Ring – (Zieht einen dicken Siegelring etwas mühsam vom Finger.)

Titus (währenddem beiseite) Wenn der den Zopfen sieht, so is's aus; denn das glaubet er mir doch nicht, daß mir aus Kränkung ein Zopfen g'wachsen is.

Spund (ihm den Ring gebend) Da hast du ihn! Du mußt wissen, daß ich da bin, um dich als g'machten Mann in die Stadt zurückz'führen, daß ich dir eine prächtige Offizin kauf' – daß ich –

Titus (freudig) Herr Vetter!

Spund Aber wie du ausschaust, der Rock – ich muß dich der gnädigen Frau als meinigen Verwandten vorstellen, und dann is noch wer drin –

Titus (erschrocken) Etwan der Friseur? –

Spund Friseur? (Lacht mit tölpischer Schalkhaftigkeit.) Du Bub, du, stell' dich net so! Ich hab' schlechte Augen, aber der Person hab' ich's recht gut ang'sehn, auf was es abg'sehn is. Wenn nur der Rock –

Konrad (tritt aus der Seitentür rechts und will durch die Mitte ab)

Spund (zu Konrad) O Sie, sei'n S' so gut, haben S' keine Bürsten?

Konrad A Bürsten? Ich glaub'. (Sich an die Tasche fühlend.) Richtig, ich hab' s' da im Sack bei mir. (Gibt Spund die Bürste.)

Spund So, geben S' her! Können schon wieder gehn! (Konrad zur Mitte ab.)

Spund (zu Titus) Jetzt geh her, daß ich dich a bißl sauber mach' –

Titus (betroffen) Was wollen S' denn?

Spund Drah dich um –!

Titus (in großer Verlegenheit) Sie wer'n doch als Herr Vetter nicht Kleiderputzerdienst' an dem Neffen üben?

Spund Ich bedien' nicht den Neffen, ich bürst' einer Naturerscheinung den Rock aus, ich kehr' den Staub ab von einer welthistorischen Begebenheit, das entehrt selbst den Bierversilberer nit! Drah dich um!

Titus (in größter Verlegenheit, für sich) Gott, wann der den Zopfen sieht ! (Laut.) Fangen S' vorn an!

Spund Is a recht. (Bürstet an Titus' Kleidern.)

Titus (in höchster Angst, für sich) Schicksal, gib mir eine Scher', oder ich renn' mir ein Messer in den Leib!

Spund (etwas tiefer bürstend) Schrecklich, wie sich der Bub zug'richt't hat.

Titus (für sich) Is denn keine Rettung? Es muß blitzen! (Blickt nach der ihm gegenüberstehenden Seitentür links, welche sich etwas öffnet und aus welcher nur Constantias Arm mit einer Schere in der Hand sichtbar wird.) Ha! Da blitzt ein blanker Stahl in meine Augen! Die Himmlische zeigt mir eine englische Scher'! –

Spund Drah dich um, sag' ich!

Titus Da stellen wir uns herüber! (Geht, ohne seine Rückseite gegen Spund zu wenden, auf die linke Seite der Bühne, so daß er mit dem Rücken nahe an die Seitentür links zu stehen kommt.) Da is die wahre Lichten! (Langt zurück und nimmt aus Constantias Hand die Schere.)

Spund So drah dich um!

Titus Nein, jetzt werden S' vorn noch a Menge Staub bemerken. (Während Spund noch an den Vorderklappen des Rockes bürstet, schneidet er sich rasch den Zopf ab.)

Spund Nicht wahr is 's! Jetzt umdrahn amal! (Wendet ihn herum.)

Titus (zieht während dieser Wendung den abgeschnittenen Zopf mit der linken Hand vorne über den Kopf herab, so daß Spund, welcher den Rücken des Rockes ausbürstet, nichts bemerken kann. Für sich) Habe Dank, Schicksal, die Amputation is glücklich vorüber.

Spund (indem er bald aufhört zu bürsten) Schau, Titus, du bist a guter Kerl, du hast dich kränkt um einen hartherzigen Vettern! Und warum war ich hartherzig? Weil du rote Haar' hast g'habt! Die hast aber jetzt nicht mehr, es is also kein Grund mehr vorhanden, ich kann jetzt nit anders, ich muß weitherzig wer'n. Du bist mein einziger Verwandter, du bist – mit einem Wort, du bist so viel als mein Sohn, du bist mein Universalerb'!

Titus (erstaunt) Was?

 
Neunzehnte Szene

Frau von Cypressenburg, Notarius Falk, Constantia; Die Vorigen

Frau von Cypressenburg Universalerbe, das is das rechte Wort, welches wir von Ihrem Herzen erwartet haben.

Constantia Wir haben auch gar nicht daran gezweifelt, und zufällig ist der Herr Notarius da, welcher derlei Urkunden immer in Bereitschaft hat.

Spund Nur her damit!

Notarius (zieht eine Schrift hervor und detailliert Spund im stillen die Hauptpunkte derselben)

Titus (für sich, mit Beziehung auf Constantia) Das geht ja über Hals und Kopf; die betreibt ja meine Erbschaft viel eifriger als ich selber!

Frau von Cypressenburg (zu Titus) Sehen Sie, wie das gute Geschöpf (auf Constantia deutend) für Ihr Bestes sorgt? Ich weiß alles und willige gern in den Bund, den Liebe schloß und Dankbarkeit befestigen wird.

Titus (verneigt sich stumm)

Spund (zum Notarius) Schön, alles in bester Ordnung! (Man führt Spund zum Tische, worauf Schreibzeug steht, und er setzt sich zum Unterschreiben.)

Titus (für sich) Daß er mir ein' Offizin kauft, das kann ich annehmen, er is mein Blutsverwandter! Aber durch einen Betrug sein Universalerb' wer'n, das mag ich doch nicht! (Laut zu Spund, welcher eben die Urkunde unterzeichnen will.) Halt, Herr Vetter! Erlauben S'–

Spund Na? Bist etwa noch nicht z'frieden?

 
Zwanzigste Szene

Flora (zur Mitte eintretend); die Vorigen

Flora Gnädige Frau, ich komm'–

Frau von Cypressenburg Zur ungelegenen Zeit!

Flora Um Rechnung zu legen –

Frau von Cypressenburg Hab' ich Ihr nicht gesagt, daß ich Sie wieder behalte?

Flora Ja, aber – es ist zwar noch nicht gewiß, aber es könnt' vielleicht sein, daß ich in die Stadt heirat' – warum soll ich's geheim halten, der Mussi Titus –

Frau von Cypressenburg Was?

Constantia (zugleich) Impertinent!

Spund Wie vielen hast denn du 's Heiraten versprochen in der Desperation?

Titus Versprochen? Gar keiner.

Spund Übrigens, das is Nebensach'! Heirat', wen du willst, du bist Universalerb'!

 
Einundzwanzigste Szene

Salome; die Vorigen

Salome (durch die Mitte hereineilend) Mussi Titus! Mussi Titus! (Erschrickt über die Anwesenden, ohne jedoch Flora zu bemerken, und bleibt unter der Tür stehen)

Frau von Cypressenburg, Notarius und Constantia Was soll das?

Salome (schüchtern) Ich bitt' um Verzeihn –

Frau von Cypressenburg Was hat die Person hier zu suchen?

Salome Den Mussi Titus! Die Frau Gartnerin hat g'schafft –

Frau von Cypressenburg Die ist ja hier.

Salome (Flora gewahr werdend) Richtig! Na, dann kann sie's selber sagen.

Frau von Cypressenburg Was denn?

Salome Nix! Sie winkt mir ja, daß ich nix sagen soll.

Frau von Cypressenburg Heraus jetzt mit der Sprache!

Salome Nein, solang die Frau Gartnerin dort so winkt, kann ich nit reden.

Frau von Cypressenburg (zu Flora) Das werd' ich mir verbitten! (Zu Salome.) Also, was ist's?

Salome (verlegen) Die Frau Gartnerin hat dem Plutzerkern g'sagt, und der Plutzerkern hat mir den Auftrag geben –

Frau von Cypressenburg (ungeduldig) Was denn?

Salome Der Mussi Titus soll die Perücken z'ruckgeben.

Frau von Cypressenburg und Constantia (erschrecken)

Spund Was für eine Perucken?

Titus (die graue Perücke abnehmend) Diese da!

Spund (erzürnt, als er den Betrug merkt) Was wär' das? Du Bursch, du –!

Constantia (für sich) Verdammt! Jetzt ist alles verloren!

Frau von Cypressenburg (leise zu Constantia) Ruhig! (Laut zu Titus.) Sie haben sich einen etwas albernen Scherz mit Ihrem würdigen Herrn Onkel erlaubt! Sie werden aber doch nicht glauben, daß er sich wirklich äffen ließ? Er müßte der dümmste Mensch unter der Sonne sein, wenn er die plumpe Täuschung nicht augenblicklich gemerkt hätte! Aber als Mann von Geist und Verstand –

Titus Hat er gleich alles durchschaut und nur mich aufsitzen lassen.

Frau von Cypressenburg (zu Spund) Ist's nicht so?

Spund (ganz verblüfft) Ja, freilich, freilich hab' ich alles durchschaut!

Frau von Cypressenburg (zu Titus) An Ihnen ist es jetzt, seine Vergebung zu erflehen.

Constantia (zu Titus) Daß Ihnen der geistreiche Mann der Haare wegen die Erbschaft nicht entziehen wird, dürfen Sie mit Zuversicht hoffen. (Zu Spund.) Nicht wahr?

Spund (wie oben) Freilich, freilich!

Titus (zu Constantia und Flora) Daß ich aber auf die Erbschaft freiwillig Verzicht leiste, das werden Sie nicht hoffen. Mein guter Herr Vetter kauft mir ein G'schäft, mehr verlang' ich mir nicht. Dafür werd' ich ihm ewig dankbar sein! Erbschaft brauch' ich keine, denn ich wünsch', daß er noch a dreihundert Jahr' lebt.

Spund (gerührt) So alt ist noch kein Bierversilberer wor'n! Bist doch a guter Kerl, trotz die rot'n Haar'!

Titus (mit Beziehung auf Flora und Constantia) Daß ich nun ohne Erbschaft keine von denen heiraten kann, die die roten Haar' bloß an einem Universalerben verzeihlich finden, das ergibt sich von selbst. Ich heirat', die dem Titus sein' Titus nicht zum Vorwurf machen kann, die schon auf den rotkopfeten pauvre diable a bißl a Schneid g'habt, und das, glaub' ich, war bei dieser da der Fall! (Schließt die erstaunte Salome in die Arme.)

Salome Was –! Der Mussi Titus –?

Titus Wird der deinige!

Frau von Cypressenburg (welche still mit Constantia gesprochen, sagt dann laut) Adieu! (Geht unwillig in die Seitentür links ab; der Notarius folgt ihr.)

Constantia Die gnädige Frau wünscht, daß man sie hier nicht ferner störe. (Folgt ihr.)

Flora (zu Titus, boshaft) Ich gratulier' zur schönen Wahl. Da heißt's wohl: »Gleich und gleich g'sellt sich gern.« (Durch die Mitte ab.)

Spund (zu Titus) Du tust aber, als wenn ich da gar nix dreinz'reden hätt'!

Titus (mit Beziehung auf Salome) Ich weiß, Herr Vetter, die roten Haar' mißfallen Ihnen, sie mißfallen fast allgemein. Warum aber? Weil der Anblick zu ungewöhnlich is; wann's recht viel' gäbet, käm' die Sach' in Schwung, und daß wir zu dieser Vervielfältigung das unsrige beitragen werden, da kann sich der Herr Vetter verlassen drauf. (Umarmt Salome.)

(Während einiger Takte Musik fällt der Vorhang.)

 

I/01–15: Dorfplatz
I/16–23: Wohnung der Gärtnerin

II/01–05: Schlossgarten
II/06–27: Saal im Schlosse

III/01–11: Schlossgarten
III/12–21: Gartensaal