Die beiden Nachtwandler, II / 1020 |
Verwandlung |
(Saal im Schlosse mit Bogen) |
|
Zehnte Szene |
(Mehrere Bediente, Georg, Anton, dann Herr von Brauchengeld, Mathilde, Emilie, Theres, Wathfield, Howart, Faden) |
ANTON (aus der Seite rechts) Sie kommen schon! Sie sind schon da! |
GEORG (zu den übrigen) Nur tiefe Komplimente geschnitten! |
(Die Bedienten stellen sich alle an der Türe auf und verneigen sich.) |
FADEN Nun, wie sind Sie zufrieden, schöne Braut? |
EMILIE O, außerordentlich! Ich bin entzückt! |
MATHILDE (für sich) Ein herrliches Schloß! Wie meine Schwester zu so einem Glück kommt ich wollt nichts sagen, wenn ich es wär! |
HERR VON BRAUCHENGELD Thildi, sei bescheiden, verleg du dich auf die romantische Lieb, dann bist du mit einer Hütten zufrieden! |
FADEN Wenn Sie die geringste Ausstellung haben, nur sagen, jedes Zimmer, was Ihnen nicht recht is, werf ich bei der Tür hinaus. |
EMILIE Sie sind zu gütig. Welchen Flügel des Schlosses werden Sie mir einräumen, den rechten oder den linken? |
FADEN Nehmen Sie meinetwegen alle zwei Flügeln, ich bin mit einem Biegel zufrieden. Und was befehlen Sie in Rücksicht Ihrer Equipage? Haben Sie lieber Schimmeln oder Pferd? |
EMILIE O, das is ein Wunsch von mir, an dem mein ganzes Glück hängt. |
FADEN (zärtlich) Ihr Glück ist das meinige, befehlen Sie! |
EMILIE Apfelschimmeln hätt ich gar so gern. |
FADEN Apfelschimmeln? Sollen Sie haben von der besten Gattung! (Zu Wathfield.) Zwei Maschanskerschimmeln für meine Braut! Sie werden einsehen, es is notwendig, der Besitzerin eines solchen Schlosses kann man einen Lieblingswunsch nicht versagen. |
WATHFIELD Gut! |
EMILIE Jetzt will ich die übrigen Gemächer in Augenschein nehmen. Auf baldiges Wiedersehen! (Mit Mathilde, Theres und Herrn von Brauchengeld ab zur Seite rechts.) |
FADEN Adieu! (Sieht ihr nach.) Ein Zimmer weit muß ich sie doch begleiten. (Folgt ihr.) |
Elfte Szene |
(Howart, Wathfield) |
HOWART Wenn ich dem Menschen noch durch acht Tage das Notwendige geben soll, so kann ich anfangen, meine Besitzungen in England zu verkaufen. |
WATHFIELD Sehen Sie nun Ihre Unbesonnenheit ein, als Sie sagten, es wäre Ihnen ein Leichtes, diesen Menschen vollkommen glücklich zu machen? |
HOWART Ja freilich, aber was soll ich jetzt tun? |
WATHFIELD (kalt die Achsel zuckend) Abwarten, bis er das überflüssige verlangt. |
HOWART Auf das warte ich mit Ungeduld. Wie er sich unterfängt, etwas überflüssiges zu verlangen, so habe ich schon veranstaltet, daß zwei Raketen als Blitze durch dieses Zimmer fahren, Trompeten und Trommeln ertönen und alle meine Bedienten, als Furien verkleidet, erscheinen, um ihn recht in Angst zu jagen doch was nützt das alles, wenn Sie alle seine Wünsche für notwendig erklären? |
WATHFIELD Bis jetzt hat er nur begehrt, was in seinen Verhältnissen zu seinem Glücke nötig war |
Zwölfte Szene |
(Faden, dann Georg; die Vorigen) |
FADEN (von rechts zurückkommend, zu Wathfield) Unter andern, Geist, grad sagt mir die Emilie, wir müssen große Tafel haben, der Schwiegervater hat die Gäst eingladen, ich kann da nicht ausweichen. |
WATHFIELD Das seh ich ein; dein Wunsch wird erfüllt. |
GEORG (von links auftretend, zu Faden) Es verlangt jemand, mit Euer Gnaden zu sprechen. |
FADEN Wer? |
GEORG Ein gemeiner Mensch mit seiner Schwester. |
FADEN Ist sie auch gemein? Tut nichts, man lasse die beiden Gemeinen herein! (Georg geht nach dem Bogen links und läßt Pumpf und Hannerl eintreten.) |
Dreizehnte Szene |
(Pumpf, Hannerl; die Vorigen) |
PUMPF Grüß dich Gott, Bruder Faden. (Zu Hannerl.) Komm nur, komm nur und sei nit so scheuch! (Zu Faden.) Eine Pracht hats bei dir, s Madel ist orndlich geblendet. |
FADEN (zu Hannerl) Nicht wahr, es ist nicht übel, das Quartier? |
HANNERL (verlegen) Außerordentlich nicht übel! |
PUMPF Bruder, ich komm in einer Angelegenheit |
FADEN Na, sag nur: wo fehlts? |
PUMPF Mir fehlt gar nichts, aber der Seilerer Radl |
FADEN Der mich am Sonntag auf d Nacht im Wirtshause so prügelt hat? |
PUMPF Der nämliche. |
FADEN Dem kann nix fehlen, denn nach die Schläg zu urteilen, ist der Mann in seiner besten Kraft. |
PUMPF Ja, gsund is er wohl, aber er is gut gstanden für sein Schwagern mit fünfhundert Gulden. Jetzt muß er zahlen, hat nix und soll halt eingsperrt werden. |
FADEN Ah, da werden wir gleich (zu Wathfield und Howart), ich weiß nit, ob das in Ihrem Geisterland auch so is, aber ich bin ein geborner Wiener, uns ist das notwendig zum Glücke, daß wir einem armen Teufel was Guts tun. Nur gschwind ausgruckt! (Howart nimmt das Geld aus der Brieftasche.) Jetzt muß ich wieder zu ihr; bhüt di Gott, Pumpf, such mich bald wieder ham, und der Radl soll mir nur alleweil fleißig schreiben, wie der unblachte Spagat im Preis is, das interessiert mich ungeheuer. (Zur Seite rechts ab.) |
HOWART (zu Wathfield) Sein gutes Herz söhnt mich wieder aus mit seiner Ungenügsamkeit. (Zu Pumpf.)Hier, mein Freund! (Gibt ihm das Geld und geht mit Wathfield im Hintergrunde ab.) |
Vierzehnte Szene |
(Pumpf, Hannerl) |
PUMPF Das ist der Kassierer von ihm! Siehst du, das ist der Unterschied zwischen reiche und arme Leut, reiche Leut haben einen schwarzen Kassier, arme Leut haben eine schwarze Kasse; aber ein guter Kerl ist er, der Faden! Wenn er mir nur nicht eingstiegen wär, das kann ich ihm noch nicht |
HANNERL O, ich bin so unglücklich durch den Zufall. |
PUMPF Ach was, Zufall! jetzt werden wir halt schaun, daß wir den Strick finden und daß wir n wieder gut machen. Da kommt er! Wie schaut denn der aus? |
Fünfzehnte Szene |
(Strick [von links, in einer Karikaturgalalivree mit gepudertem Haar]; die Vorigen) |
STRICK Man hat mir eine Besuchvisite gemeldet. |
PUMPF Lieber Strick, wie gehts Ihm denn? |
STRICK Ah, sieh da, das ist ja, wenn ich nicht irre, der Bänderverkäufer Pumpf? |
PUMPF Na, uns wird Er doch kennen! |
STRICK Ich erinnere mich im dunkeln. |
HANNERL Fabian, willst mich denn nicht mehr kennen? |
STRICK (pikant) An Sie erinnere ich mich auch im dunkeln. Ist Sie nicht die, zu der einer einstieg, den man am Morgen fand, wie er im Lehnstuhl schlief, und ihn zur Türe hinauswarf? |
HANNERL Fabian, ich leg dir hundert Schwüre ab |
STRICK Wozu diese Schwierigkeiten! Mit jedem Wort häufen sich deine Vergehungen. |
PUMPF Sei der Mussi Strick nit so hartherzig! Ich werd Ihm was sagen, dann wird Er nit so unversöhnlich sein. Wir haben von unserm Vettern in Oberöstreich a paar tausend Gulden geerbt, also gscheit, heirats euch und seids glücklich! |
STRICK Man will mich durch ihren Mammon blenden, aber er blendet mich nicht, der Mammon! Ich kann den Flecken nicht dulden auf meiner Ehre, meine Kameraden würden nicht mehr dienen mit mir. |
PUMPF Larifari! Ich war eigentlich der Dummkopf, daß ich einen solchen Lärm gschlagen hab. Ja, jetzt redts euch aus miteinand, Liebesleut muß man unter vier Augen lassen, wenn sie sich ausgleichen sollen. Ich geh. (Im Abgehen.) Bandel Zwirn kaufts! (Faßt sich.) O, verdammt, ich mach da ein Gschrei im Haus, ich bin halt in Gedanken alleweil bei mein Gschäft. (Geht links ab.) |
Sechzehnte Szene |
(Strick, Hannerl) |
HANNERL Fabian, bist du denn ganz taub für meine Worte? |
STRICK Versuch es, mich zu erschüttern durch eitles Flehn! Du wirst aber sehen, ich steh da wie der Fels im Meer. |
HANNERL Solche Reden muß ich anhören! |
STRICK Das sind die Folgen einer einzigen Einsteigung! |
HANNERL Du bist ein Barbar! |
STRICK Ich selbst stehe, mehreres abgerechnet, fleckenlos da, drum hab ich auch keine Schonung für fremde Fehler. |
HANNERL Schau, wir sind in einem Orte geboren, du bist im Hause meines Vetters erzogen |
STRICK Was kümmert mich die Geburt? Und was die Erziehung anbelangt es ist mir ein Leichtes, zu beweisen, daß ich keine genossen habe. |
HANNERL Wir haben uns geliebt und jetzt diese Abneigung! |
STRICK Abneigung nennst du es nur? Es ist mehr; was ich für dich fühle, das ist schon Nationalhaß. |
HANNERL Fabian, du könntest unmöglich so sein, du hast mit einer andern eine Liebschaft angfangt! |
STRICK Was nicht is, kann noch wern! |
Siebzehnte Szene |
(Theres [kommt aus der Seite rechts]; die Vorigen) |
THERES Na, brav, Er unterhaltt sich ja da recht gut! Mir macht Er Liebesanträge und mit einer andern |
STRICK Das ist keine Geliebte, es ist eine gekränkte Wäscherin sonst nichts! |
THERES Ja, wers glaubt! |
STRICK (sie beiseite führend) Du zweifelst? Dann wirds es nicht tun mit uns; die mich liebt, die muß ein starken Glauben haben. |
![]() |
Terzett |
![]() |
(Maestoso) |
HANNERL |
THERES |
STRICK |
HANNERL, THERES |
STRICK |
(Andante) |
ALLE DREI |
(Allegro stretto) |
STRICK |
(Unisono) |
HANNERL, THERES |
ALLE DREI |
(Theres rechts, Hannerl links, Strick durch den Hintergrund ab.) |
Achtzehnte Szene |
(Georg, Anton, Bediente, dann die Gäste) |
GEORG Nur gschwind die Tafel grichtt, die Gäst sind schon alle beisamm. |
ANTON Ich werds gleich melden. (Rechts ab, während dem Ritornell des folgenden Chores wird eine elegant gedeckte Tafel vorgetragen; wenn dies geschehen, kommen die Gäste aus dem Hintergrunde.) |
CHOR DER GÄSTE |
Neunzehnte Szene |
(Die Vorigen; Faden, Herr von Brauchengeld, Emilie, Mathilde, Wathfield [treten am Schluße des Chores ein; während dem Nachspiel des Chorstückes setzen sich alle Anwesenden zur Tafel, Wathfield am Ende links, die Bedienten servieren]. Später kommt Strick.) |
HERR VON BRAUCHENGELD Das erste Glas auf das Wohlsein des Bräutigams! |
ALLE Er lebe hoch! (Tusch von innen.) |
STRICK (seitswärts vortretend) Kurios! Unsere Dienerschaft sind lauter dienstbare Geister, wenn man s aber fressen sieht im Vorzimmer, man schwört, es sein Bediente von der irdischen Rasse. Mit genauer Not hab ich ein paar Fasanbiegeln erwischt. |
FADEN (steht auf und tritt seitwärts ärgerlich gegen den Vordergrund) Es ist wirklich was Unerträgliches! (Hat immer die Blicke auf Wathfield geheftet.) |
STRICK Was denn? |
FADEN Ach, es giftt ein, so oft man hinschaut. |
STRICK ja, was denn? |
FADEN Das geht dich nix an! |
STRICK Ach, das is es? ja, das is aber auch was ärgerliches! |
FADEN (setzt sich wieder an seinen Platz) |
HERR VON BRAUCHENGELD Auf mein Töchterl aber dürfen wir nicht vergessen, die müssen wir auch leben lassen. |
ALLE Sie lebe hoch! (Leeren die Gläser, Tusch von innen.) |
HERR VON BRAUCHENGELD (zu Georg) Bedienter! Gib Er mir noch a sechs Austern herüber, aber lauter Weibeln, die Mandeln sind bei weitem nicht so fett. |
MATHILDE Der Papa ist ein ungeheurer Austernesser. |
HERR VON BRAUCHENGELD (beiseite, zu Mathilden) Brav, Thildi, nur aufschneiden! Ich hab mir mein Lebtag können keine spendieren. |
WATHFIELD (zu Herrn von Brauchengeld) Welche Gattung Austern ziehen Sie vor? |
HERR VON BRAUCHENGELD Ja, die besten sind auf alle Fäll die gschoppten. |
FADEN (steht auf und geht wieder ärgerlich vor) Mir is s ganze Essen ruiniert dadurch! |
STRICK Aber, Meister, was iss denn? |
FADEN Halt s Maul! |
EMILIE (aufstehend und zu Faden gehend) Was fehlt Ihnen, lieber Sebastian? |
FADEN Es geniert mich etwas. Schaun S da mein schwarzen guten Freund an, in einer so noblen modernen Gesellschaft sitzt er mit einem altmodischen Haarzopfe da. |
STRICK Bis die Tafel aus is, werden alle Haarzöpf haben. |
FADEN Sei Er still! |
EMILIE (zu Faden) Sie haben recht, das ist ein fataler Anblick! |
FADEN Ach, so was Widerliches, so was ärgerliches, so was Unausstehliches! |
EMILIE Nun kommen Sie aber wieder zur Tafel, mir schmeckt nichts, wenn Sie nicht an meiner Seite sitzen. (Geht wieder zum Tisch |
FADEN Sogleich, meine Holde! (Für sich.) s ist schrecklich, was der Mensch auf dieser Welt für Unannehmlichkeiten ertragen muß! (Setzt sich wieder an seinen Platz.) |
HERR VON BRAUCHENGELD jetzt bemerk ich aber erst, daß, ich einen großmächtigen Bock geschossen hab. In drei Tagen is schon die Hochzeit, folglich hätten die Gsundheiten nicht separiert getrunken werden sollen, den Fehler müssen wir verbessern. Es lebe das Brautpaar! |
ALLE Das Brautpaar! Vivat! (Leeren die Gläser.) |
FADEN (mißlaunig) Ich dank ich dank ! (Springt unwillig auf.) Ich halts nicht länger aus, es geniert mich zu stark! |
ALLE Was ist geschehn? |
FADEN Noch nichts, aber es muß etwas geschehn! (Auf Wathfield zeigend.) Der Haarzopfen muß herunter! |
WATHFIELD Wie? Was? |
FADEN Er geniert mich ich leid ihn nicht, und wenn Sie nicht gutwillig ihn hergeben, so werden meine Bedienten mit Gewalt |
STRICK Ich nehms Transchiermesser |
WATHFIELD Was fällt Ihnen ein? |
FADEN Nichts, als was ich das Recht hab, zu verlangen: Herunter mit dem Haarzopfen, ich wills, es is notwendig! |
WATHFIELD (mit starker Stimme) Nein, Freund, das ist überflüssig! (Er winkt, ein Blitzstrahl fährt durch den Saal, es donnert, im Hintergrunde verbreitet sich ein roter Schein, und Howart tritt vor. Die ganze Gesellschaft läuft, mit einem Schrei aufspringend, erschrocken zur Seite links davon, die Bedienten ziehen sich, wie der Blitzstrahl fährt, in die Kulissen rechts.) |
Zwanzigste Szene |
(Howart, Wathfield, Faden, Strick) |
HOWART (zu Faden) übermütiger Tor, der auch den kleinsten Wunsch sich nicht versagen kann, gedenkst du meiner Worte noch? Sie sollen in Erfüllung gehen! Du hast das überflüssige verlangt, verliere nun selbst das Notwendige und kehre zur vorigen Armut wieder! |
(Winkt und geht mit Wathfield durch den Hintergrund ab. Rauschende Musik fällt ein, Bediente, als Furien verkleidet, erscheinen von beiden Seiten, ziehen dem erschrockenen Faden und Strick Schnell die eleganten Röcke aus, geben ihnen ihre ärmlichen Jacken wieder und treiben sie unter folgendem kurzen Chore, die Fackeln schwingend, zur linken Seite fort.) |
CHOR |
![]() ![]() ![]() |
1. Akt: Szene 0112: Wirtshaus 1. Akt: Szene 1321: Marktflecken 1. Akt: Szene 2234: Park 2. Akt: Szene 0109: Zimmer 2. Akt: Szene 1020: Saal im Schloss 2. Akt: Szene 2128: Marktflecken |