Die beiden Nachtwandler, II / 1–9 

 
1. Akt: Szene 01–12: Wirtshaus
1. Akt: Szene 13–21: Marktflecken
1. Akt: Szene 22–34: Park
 
2. Akt: Szene 01–09: Zimmer
2. Akt: Szene 10–20: Saal im Schloss
2. Akt: Szene 21–28: Marktflecken

Zweiter Akt
 

(Die Bühne stellt ein einfaches, aber nettes Zimmer vor mit zwei Seitentüren, im Hintergrunde eine verborgene Tapetentür, seitwärts im Hintergrunde ein großes Fenster, durch welches man die Aussicht auf einen prächtigen Palast hat.)

 

Erste Szene

(Inspektor Rasch, mehrere Bediente, darunter Anton und Georg)

abstand

CHOR
Der gnäd’ge Herr kann sich verlassen
Auf unsre Pfiffigkeit,
Wir alle sind pflichtschuld’germaßen
Auf seinen Wink bereit,
Auch plaudert keiner etwas aus,
Man bringt aus uns kein Wort heraus

abstand

(Nach der Musik.)

RASCH Ihr wißt also alles, was ihr zu tun habt?

ANTON Akkurat, der Herr Inspektor können ohne Sorgen sein.

RASCH Die Hauptsache ist, daß ihr euch so betragt, daß er euch für keine menschlichen Bedienten, sondern für dienstbare Geister hält.

GEORG Das treffen wir schon.

RASCH Und über die Ankunft des gnädigen Herrn –

ANTON Strengste Verschwiegenheit.

(Die Tapetentür im Hintergrunde öffnete sich, Wathfield und Howart treten ein, man sieht durch die Tapetentür in ein kleines, rotbehangenes, abenteuerlich geschmücktes Kabinett, in welchem sich ein Tischchen und ein Stuhl befindet. Die Bedienten entfernen sich, als Wathfield und Howart eingetreten sind, durch die Tapetentür.)

 

Zweite Szene

(Howart, Wathfield, Rasch)

HOWART (zu Rasch) Ich bin mit Ihren Anordnungen sehr wohl zufrieden, Inspektor. Die Verbindung dieses Hauses mit einem Gartenhaus meines Parkes macht es mir leicht, den närrischen Meister Faden bei dem Glauben an eine zauberhafte Erscheinung zu erhalten.

WATHFIELD Halten Sie nur immer viel Geld in Bereitschaft, es wird von Nöten sein.

HOWART Ach, es wird nicht so arg werden, der Mensch ist genügsam, die Liebe hat ihn zu einer etwas großen Forderung getrieben, nun aber, hoffe ich, wird er zufrieden sein.

WATHFIELD Wir wollen sehen, ich nehme Sie fest beim Wort: was zu seinem Glücke notwendig ist, dürfen Sie ihm nicht verweigern.

RASCH (hat durchs Fenster gesehen) Da kommt er eben!

HOWART Dann entfernen wir uns, Inspektor!

(Howart und Rasch in die Tapetentür ab, welche sich wieder schließt.)

 

Dritte Szene

(Wathfield; Faden [tritt mit Strick zur Türe links ein; man hört ihn früher aufsperren])

FADEN Sie werden gleich da sein!

STRICK Ich g’freu’ mich schon aufs Stubenmädl.

FADEN (Wathfield erblickend) Has, was is das? Wie is denn das möglich? Sie sein da herein und ich hab’ zugesperrt, wie ich fort’gangen bin?

WATHFIELD Hast du vergessen, daß ich ein überirdisches Wesen bin? Versperrte Türen hindern mich nicht.

STRICK So ein Geist hätt’s kommod, wenn er ein Dieb wurd’.

FADEN Is recht g’scheit, daß Sie da sein, ich hab’ ein Anliegen. Sie werden einsehen, (auf seinen Anzug deutend) mit dem G’wand tut’s es nicht als Bräutigam, ich brauchet halt –

WATHFIELD Ja, ja, das ist notwendig.

STRICK (zu Faden) Sie, wegen mir sagen S’ auch was, mein Rock ist das Muster der Schleußigkeit.

FADEN (zu Wathfield) ja, der muß doch auch als was erscheinen.

STRICK G’sell’ kann ich nicht mehr sein, denn gearbeitet wird doch nix mehr werden unter solchen Verhältnissen.

FADEN Nein, Arbeit verlang’ ich keine mehr, denn das wär’ überflüssig, und ich darf nur das Notwendige verlangen. (Zu Wathfield.) Den da lassen wir halt als einen honetten Bedienten erscheinen.

WATHFIELD Gut, gut, das geht in einem hin. (Schlägt an die Tapetentür, welche sich öffnet, man sieht darin Howart am Tisch sitzen.)

FADEN (erstaunt zurückprallend, zu Strick) Du, da schau’ her!

STRICK Das ist dem Geist sein Kaminett.

HOWART (überreicht Wathfield eine Börse, die Tapetentür schließt sich mit einem seltsamen Geräusch)

WATHFIELD (Faden die Börse gebend) Hier hast du, was du brauchst.

FADEN Ja, aber etwas hab’ ich noch vergessen! Es schaut so schofel aus, wenn der Mensch keine Uhr hat, das is doch notwendig.

WATHFIELD (klopft an die Tapetentür, welche sich wie früher mit Geräusch öffnet)

STRICK (zu Faden) Sehen S’, nur brav begehren, die Geister müssen schwitzen!

HOWART (überreicht Wathfield seine Uhr)

FADEN Da schau’ her, die prächtige goldene Uhr!

WATHFIELD (überreicht Faden die Uhr) Hier hast du, was du verlangt.

STRICK (zu Howart) Wenn S’ einmal a silberne haben mit einer Arbesketten, lassen S’ mich rekommandiert sein! (Die Tapetentür will sich wieder schließen.)

FADEN Erlauben Sie, lassen S’ die Tür noch ein wenig offen! (Die Tür bleibt geöffnet, zu Wathfield.) Sie werden mir da gewiß nicht unrecht geben, es muß doch in allem auf der Welt Harmonie sein, wenn der Mensch schon einmal so eine prachtvolle Uhr hat und hat kein’ Ring, das steht so wild.

STRICK So g’wiß geschleckt

FADEN Um meiner Braut mit Anstand die Hand zu reichen, muß ich notwendig einen Ring am Finger haben, und wenn’s auch nur ein brillantener wär’, ich bin sonst in einer Verlegenheit, die mich völlig unglücklich macht

WATHFIELD Wenn das ist, so will ich deinen Wunsch erfüllen. (Geht zu Howart, welcher ihm schweigend einen Brillantring überreicht.)

STRICK Ich hätt’ wieder eine Passion auf eine Busennadel, aber mir gibt er nix, der Geist!

WATHFIELD (Faden den Ring gebend) Bist du nun zufrieden?

FADEN O, ungeheuer! (Die Tür schließt sich mit Geräusch.)

STRICK (zum Fenster sehend) Die schwiegervaterische Familie kommt!

FADEN Meine Braut! Das gift’t mich, daß ich jetzt mein neues G’wand noch nicht hab’.

 

Vierte Szene

(Herr von Brauchengeld, Mathilde, Emilie, Theres; die Vorigen)

HERR VON BRAUCHENGELD (mit einem sehr kleinen Bündel unterm Arm) Da sind wir alle miteinand’.

FADEN G’freut mich unendlich! Mein Haus ist nicht groß, aber dafür is es klein und nett.

MATHILDE (etwas spöttisch) Ein äußerst bescheidenes Quartier!

EMILIE Beinah’ zu bescheiden!

HERR VON BRAUCHENGELD Wir werden uns schon zusamm’separieren, daß wir Platz haben alle.

THERES (zu Emilien) Geben Sie acht, das Quartier is Verstellung so wie sein Anzug.

FADEN (welcher Emilien zärtlich betrachtet) Ich kann’s halt noch gar nicht fassen, Sie sind mir zu schön! Mir geht’s wie einer Fledermaus, die in der Sonn’ fliegt. Wann Sie nur ein Alzel wilder wären, daß ich’s aushalten könnt’.

EMILIE Schmeichler!

STRICK Ich find’, sie is nicht übel, die Emilie, aber von zehntausend Gulden is da keine Spur.

HERR VON BRAUCHENGELD Ich hab’ unsere Wohnung im Wirtshaus aufgegeben, wir sind da und loschieren uns gleich ein bei Ihnen mit Sack und Pack.

FADEN Wo haben Sie denn Ihre Bagage?

HERR VON BRAUCHENGELD Meine Kleider und meine Wäsch’ hab’ ich alles da in dem Binkel. (Zeigt das kleine Bündel vor, das er trägt.)

FADEN Und die Garderob’ von die Fräulein Töchter?

HERR VON BRAUCHENGELD Die kommt bei Gelegenheit einmal nach.

STRICK Mir scheint, die Madeln haben nix, als wie s’ gehn und stehn.

FADEN (Wathfield beiseiteziehend) Sie, Geist, für die Familie werd’ ich notwendig einiges brauchen.

WATHFIELD Ja, ja, das seh’ ich.

FADEN Mit a paar tausend Gulden sein s’ ja alle gehörig herausstaffiert.

HERR VON BRAUCHENGELD (auf Wathfield zeigend) Wer ist denn dieser Herr, wenn ich fragen darf?

FADEN Ein meiniger Spezi.

HERR VON BRAUCHENGELD Ah, freut mich!

FADEN (heimlich zu Wathfield) Bestellen wir jetzt derweil das Notwendige, das Geld holen wir nachher aus ’n Zauberkabinett, wenn wir allein sein, denn ich möcht’ nicht, daß der Schwiegervater sieht, daß ich einen Geist hab’.

WATHFIELD Gut, gehen wir!

FADEN Ich bitt’, sich indessen die Zeit nicht lang werden zu lassen, ich hab’ einiges zu besorgen. (Emilien die Hand küssend.) Schöne Braut – adieu! (Geht mit zärtlich schmachtenden Blicken mit Wathfield ab.)

 

Fünfte Szene

(Die Vorigen ohne Wathfield und Faden)

HERR VON BRAUCHENGELD Ich weiß nicht, mir kommt das alles so rätselhaft vor, als wie d’ letzten Blatteln im Krakauer Kalender.

EMILIE Wenn aber nicht bald eine Auflösung erscheint, die sich hören läßt, so lös’ ich die eingegangene Verbindung auf.

HERR VON BRAUCHENGELD Wär’ mir nicht lieb, wenn ich ’s Geld wieder hergeben müßt’, übermorgen ist Hochzeit und bleibt Hochzeit, damit Punktum. (Zu Strick.) Aber Er, Freund, Er könnt’ uns manche beruhigende Auskunft geben, wenn Er wollt’.

STRICK Ja, freilich, ich bin aber Dienstbot’ und folglich verschwiegen.

EMILIE In dem Quartier bleib’ ich auf kein’ Fall. Ich hab’ mir eingebild’t, eine vornehme Frau zu werden, ich hab’ mir Luftschlösser gebaut, so schön, als wie der Palast da drüben, und jetzt –

MATHILDE Ja, das wäre freilich was anders g’wesen. Na, vielleicht bekomm’ ich einen, der mir einige Millionen zu Füßen legt.

HERR VON BRAUCHENGELD Versteht sich, ich bin froh, wenn du einen kriegst, der mir die Kost gibt.

EMILIE Theres, wenn meine Schwester ein größeres Glück macht als ich, das wär’ mein Tod.

THERES Ruhig! Ruhig! (Zu Strick) Freund, ich seh’ Ihm’s in Gesicht an, Sein Herr hat heimliche Schätze.

STRICK Ja, wenn Sie mir’s in Gesicht ansieht, dann laßt sich nix mehr leugnen. Wir haben eine unversiegbare Goldquelle.

EMILIE (freudig überrascht) Hör’ ich recht? Ist’s wirklich so?

STRICK Bei uns darf man nur Haferl sagen.

HERR VON BRAUCHENGELD Für diese Nachricht schenk’ ich Ihm – (Strick hält die Hand auf) meine Freundschaft.

STRICK (sehr gleichgültig) Ich dank’, es muß nicht gleich sein.

EMILIE Hör’ Er mich an! Wenn sich meine Wünsche bis zu diesem Palais versteigen, würde er –?

STRICK Er liebt Sie inniglich, mit einer bedeutenden Glut.

EMILIE Das ist wahr!

STRICK Er halt’t Ihnen für die erste Schönheit der Welt, also benutzen Sie diese Verblendung!

EMILIE (ganz entzückt) Wie ich herumstolzieren werde in die Prunkgemächer, die orientalischen Teppiche – die damastnen Tapeten – haushohe Spiegel – Papa, das Palais muß ich haben! (Ihn zum Fenster führend.) Da sehen Sie das prachtvolle Gebäude!

HERR VON BRAUCHENGELD Von der awigen Seiten muß es sich noch schöner ausnehmen. Schauen wir’s von dem Zimmer aus an, und wenn’s uns g’fallt, ’s kost’t ja nur ein Wort. (Zeigt nach der Türe rechts.)

EMILIE O kommen Sie, Papa!

HERR VON BRAUCHENGELD Siehst, Töchterl, wie ich für dein Glück besorgt war. (Mit Emilien und Mathilden in die Tür rechts ab.

 

Sechste Szene

(Strick, Theres)

STRICK Man laßt uns allein!

THERES Und was folgt da draus?

STRICK Daraus könnte sehr viel folgen. Dieser Moment könnte die Grundsteinlegung sein zu einem Liebestempel, welcher für die Ewigkeit gebaut wär’.

THERES Eh’ man sich auf einen solchen Riesenbau einläßt, muß man ja doch vorher das Terrain rekognoszieren.

STRICK So betrachte also vorläufig diese Umschlingung meiner liebenden Arme als die erste geometrische Ausmessung! (Will sie umarmen.)

THERES (zurückweichend) Oho, nicht so voreilig, ich werf’ mich einem Mann nicht sogleich an den Hals, dazu schätz’ ich mich zu hoch.

STRICK Na, ja, das ist – hm, schätzen kann sich ein Frauenzimmer so hoch sie will, aber es soll ja keine vergessen, daß sie drei Termine hat, den Termin der Jugend, den Termin der Hübschigkeit, welcher sich noch etwas über die Jugend hinaus terminiert, und den Termin des Altwerdens; geht sie bei die ersten zwei Termine nicht ab, so wird sie beim dritten unter dem Schätzungswerte hintangegeben.

THERES (spöttisch) Er hätt’ wirklich sollen ein Schätzmeister werden!

STRICK Dieses können wir Männer alle, wir wissen eine jede zu schätzen, nur dann erst, wenn man s’ hat, tritt der Fall ein, daß man s’ nicht zu schätzen weiß.

THERES So weit wollen wir’s also gar nicht kommen lassen.

STRICK Ich red’ ja nur von die andern Männer, ich – ich bin ja eine Ausnahme.

 

Siebente Szene

(Faden, Wathfield, dann Herr von Brauchengeld, Emilie und Mathilde; die Vorigen)

FADEN (in einem reichgestickten Kleide mit Wathfield zur Türe links zurückkommend) Sachen haben wir jetzt b’stellt, das is schon eine Pracht.

EMILIE (mit Herrn von Brauchengeld und Mathilde aus der Türe rechts kommend) Ich höre die süße Stimme meines Bräutigams!

FADEN Ich sehe die Engelsgestalt der Geliebten!

EMILIE Ich fühle den zarten Druck seiner Hand!

FADEN Ich schmecke den Vorgeschmack von himmlischer Seligkeit!

EMILIE Und wie schön Sie aussehen!

FADEN Nicht wahr? Ja, wenn ich zusamm’g’stampert bin, da gib ich eine starke Anmahnung an den verstorbenen Adonis.

EMILIE Sebastian, können Sie Ihrer Braut eine Bitt’ versagen?

FADEN Nein, Emilie! (Für sich.) Wie schön sich diese beiden Namen machen, Emilie und Sebastian!

STRICK (für sich) Paßt z’samm’ als wie Vanili und Primsenkäs.

EMILIE (zu Faden) Ich fordere einen Beweis Ihrer Liebe.

FADEN Fordere kühn, sprich ohne Scheu, wie dir der Schnabel wuchs!

EMILIE Kaufen Sie mir den Palast dort drüben!

FADEN (betroffen) Emilie, das ist stark!

EMILIE Wie? Sie weigern sich?

FADEN Es ist unmöglich, die Paläst’ sind in dieser Jahreszeit zu teuer, und meine stabilen Revenüen sind ja nur zwei Zwanziger des Tags.

EMILIE Sie wollen mich zum Besten haben – aber es wird Sie furchtbar gereuen. Der Gram wird meine Gesundheit untergraben, sie wird wanken und hinstürzen in den Abgrund des Todes. An das Fenster werd’ ich mich hinsetzen alle Tag’, mit weinenden Augen hinübersehen auf das Palais – und so sitz’ ich eine Leiche eines Morgens da, nach dem Haus drüben noch das bleiche –

FADEN Halt ein, das is zu viel! Du sollst den Palast haben.

EMILIE (freudig) Gewiß? Kann ich darauf bauen?

FADEN Drauf bauen? Nein, er ist ja ohnedem drei Stock hoch. Geh jetzt ins Freie, Emilie, du bist angegriffen, lüfte dich ein wenig aus, und wenn du nach Haus kommst, so wird der Palast schon da sein.

EMILIE (zärtlich) Ich werde sehen, ob du Wort hältst, geliebter Bastiano! Kommen Sie, Papa! (Zur Türe links ab.)

Mathilde Da bin ich doch neugierig. (Folgt ihrer Schwester mit Theresen.)

Herr von Brauchengeld (zu Faden) Sehen Sie, sie hat schon wieder keinen Groll mehr auf Ihnen, o, das is ein edles Herz! (Emilien nachrufend.) Lauf nicht so, Töchterl, lauf nicht so! (Folgt ihr zur Türe links nach.)

 

Achte Szene

(Faden, Strick, Wathfield, dann Howart)

FADEN (zu Strick) Mir wird angst und bang’.

STRICK Kurasch! Die Macht der Geister kennen wir, jetzt heißt’s halt probieren, was wir über die Geister für eine Macht haben. Nur keck!

WATHFIELD (zu Faden) Du hast vorschnell viel versprochen.

FADEN Reden S’ nit lang und rufen S’ Ihren Prinzipal!

WATHFIELD (schlägt an die Tapetentüre, welche sich mit Geräusch öffnet, man sieht Howart wie früher am Tisch sitzend) Dein Schützling, mächtiger Gebieter, hat einen Wunsch dir vorzutragen.

HOWART Sprich, was verlangst du?

FADEN Euer Exzellenz werden mir meine Freiheit nicht übelnehmen, weil Sie schon einmal einen Narren an mir g’fressen haben – ich brauchet halt notwendig den Palast da drüben.

HOWART (etwas unwillig aufstehend und vortretend) Wie? Was? Hast du vergessen, daß ich dir nur das zum Glücke Notwendige zugesagt?

FADEN Ich bitt’ Sie, meine Braut stirbt, wenn ich ihr den Wunsch nicht erfüll’.

STRICK Folglich ist der Palast notwendig, drum machen S’ keine langen G’schichten und fahren S’ füra damit!

HOWART Was kümmern mich die übertriebenen Wünsche deiner Braut?

FADEN Der Wunsch is nicht übertrieben, ihre Reize verdienen noch viel mehr als das. Es is noch recht schön von ihr, daß sie sich mit dem Palast behelfen will. Sie haben mir versprochen, Sie werden mich glücklich machen (halbweinerlich), und jetzt machen Sie mich erst recht unglücklich durch Ihre Schmutzigkeit.

STRICK Schamen S’ Ihnen, so G’schichten z’ machen wegen ein bisserl Palast! Sein Sie ein Geist, der eine Ehr’ im Leib hat?

HOWART (zu Wathfield) Finden Sie, daß das Begehren auch zum Notwendigen gehört?

WATHFIELD Bei seiner Liebe zur übermütigen Emilie, ja.

HOWART Ich kann aber doch nicht –

WATHFIELD Sie müssen, Sie haben Ihr Wort verpfändet, bei Malvinens Besitz haben Sie’s geschworen, ihn glücklich zu machen.

HOWART (mit unterdrücktem ärger) So sei’s denn!

FADEN Jetzt deliberieren S’ nicht lang, und sagen S’ ja; mir wär’ leid, wenn ich Ihnen da ein Reprament geben müßt’.

STRICK Wir wären auf d’ Letzt’ gezwungen, grob zu sein.

HOWART Dein Begehren ist erfüllt, ungenügsamer Mensch!

FADEN Räsonieren S’ nicht, ich sag’s Ihnen!

STRICK (beiseite) Wie er sich gift’t wegen dem G’schloß, und es nutzt ihm nix.

HOWART Du wirst das gerichtliche Instrument erhalten, worin der neue Gutsherr, Lord Howart, das Schloß dir abtritt. (Geht in sein Kabinett, die Türe schließt sich.)

FADEN (zu Wathfield) Jetzt kommen S’ nur g’schwind, sonst reut’s ihn! Bringen wir schleunigst alles in Ordnung, daß sie nit früher nach Haus kommt.

WATHFIELD Du bist ungezähmt in deinen Wünschen, hüte dich, je das überflüssige zu verlangen.

FADEN Hör’n S’ auf, das fallt mir ja so nit ein. Ich bin ja zufrieden, wenn ich nur das Notwendige hab’. (Mit Wathfield zur Türe links ab.)

 

Neunte Szene

(Strick)

STRICK Mein Herr hat ein Glück g’macht, das muß man sag’n; aber es is doch noch nicht das wahre! Daß seine Wünsche so erfüllt werden, das is eine scharmante Sach’, aber daß er alles überflüssige vermeiden muß, das is doch wieder ein gewaltiges Hakerl. Es gibt halt nichts Vollkommenes unter der Sonne, überall is ein Umstand dabei.

abstand

Lied

abstand

1.
Es heiratet einer a Madl mit Geld,
Von der halben Million nit a Groschen ihr fehlt,
Ein jeder, der d’ Sach’ überhaps nur betracht’t,
Wird sag’n: der Mensch hat a unsinnig’s Glück g’macht.
Doch darf er vom Geld keinen Kreuzer anrühr’n,
Er darf ihr nur helfen, d’ Interessen verziehr’n,
Für das muß er kuschen, sie übt Tyrannei –
So is überall halt a Umstand dabei.

2.
Ein andrer hat a Frau, wie die Venus so schön,
Wenn er mit ihr spazier’n geht, so bleibt alles stehn,
Die ganze Welt schaut mit Bewundrung sie an
Und alles schreit: »Das is ein glücklicher Mann!«
Doch sie steigt stets um kokettierenden Blicks.
Der Mann sagt: »Pfui, ’s schickt sich nit!« s’nutzt aber nix,
Sie hat allweil Liebhaber zwei oder drei –
So is überall halt a Umstand dabei.

3.
Der hat a Quartier, das is völlig a Pracht,
Doch ein Eh’paar ober ihm zankt und rauft Tag und Nacht,
Der hat a brav’s Weib, der könnt’ sag’n – »Gott sei Dank!«
Doch sechs Monat’ ist s’ kränklich, a halb’s Jahr ist s’ krank.
Der hat ein’ Freund, der ist ihm all’s in der Welt,
Doch der Freund sagt in ein’ fort: »Geh, leih mir a Geld,
Wenn ich amal zum Vermögen komm’, zahl’ ich dir’s glei!« –
So is überall halt a Umstand dabei.

4.
Die hat einen Mann, wie a Lamperl so gut.
Den ganzen Tag hört man kein unfreundlich’s Wurt,
Er ist fleißig beim G’schäft, macht kein unwillig’s G’sicht
Und tut alles, was er ihr in d’ Augen ansiecht,
Doch wenn’s anfangt, Abend z’ werd’n, geht er allmal aus
Und kommt in der Nacht als a B’soffner nach Haus,
Wie sie da nur ein’ Muxer macht, prügelt er s’ glei’-
So is überall halt a Umstand dabei.

5.
D’Leut wünschen sich Kinder, erreichen das Glück,
Da preisen s’ das Schicksal mit dankbarem Blick,
Sie hab’n a paar Madln, wie d’ Engel so schön,
Und Bub’n, die so schlank wie die Kerzen dastehn,
Doch d’ Kinder werd’n groß, da hab’n d’Eltern a Not,
D’ Bub’n kommen mit dreißig Jahr’ noch zu kein’ Brot,
Mit die Mädeln ist’s wieder a andre Kei’rei –
So is überall halt a Umstand dabei.

6.
Es singt mancher au’m Theater so öfters a Lied,
Und wie er was singt, wird er stark applaudiert,
Der das hört, der sagt: »No, der Mensch kann glücklich sein,
Er hat einen Beifall, der is allgemein!«
Doch strengt man die Ohr’n mit Genauigkeit an,
Vernimmt man dazwischen manch anderen Ton,
Es zischen beständig a zwei oder drei –
So is überall halt a Umstand dabei.

7.
Jüngst steigst ein Paarl ganz nobel in Wag’n,
»In d’ Brigittenau fahrst!« zum Fiaker tun s’ sag’n.
Der Fiaker fahrt lustig und denkt in der Still’:
»Das ist mir a Herrschaft, die handeln nit viel«,
Doch draußt bei der Au schreit der Herr: »Kutscher, halt!
Wir gehn jetzt, weil’s schön ist, zu Fuß durch den Wald!«
Der Kutscher lacht heimlich und denkt: »Bei die zwei,
Da is doch gewiß auch a Umstand dabei!« (Links ab.)

abstand
abstand
abstand
1. Akt: Szene 01–12: Wirtshaus
1. Akt: Szene 13–21: Marktflecken
1. Akt: Szene 22–34: Park
 
2. Akt: Szene 01–09: Zimmer
2. Akt: Szene 10–20: Saal im Schloss
2. Akt: Szene 21–28: Marktflecken