Die beiden Nachtwandler, I / 22–34 

 
1. Akt: Szene 01–12: Wirtshaus
1. Akt: Szene 13–21: Marktflecken
1. Akt: Szene 22–34: Park
 
2. Akt: Szene 01–09: Zimmer
2. Akt: Szene 10–20: Saal im Schloss
2. Akt: Szene 21–28: Marktflecken

Verwandlung
 

(Die Bühne stellt einen Teil des herrschaftlichen Parkes vor, rechts im Vordergrunde eine Rasenbank.)

 

Zweiundzwanzigste Szene

(Herr von Brauchengeld, Mathilde, Emilie, Theres [treten promenierend auf])

HERR VON BRAUCHENGELD Recht schön is es da. Hierher wird jetzt täglich viermal spazieren gegangen. Der Lord, der das Gut gekauft hat, kommt übermorgen an, es muß sich also bald ein Haushofmeister, ein Sekretär oder so was zeigen, der sich in euch verliebt. Ich hab’ so ein gewisses Vorgefühl, daß ich euch auf meiner dasmaligen Spekulationsreis’ ausheirat’.

MATHILDE Und ich habe das Vorgefühl, daß wir wieder so ledig nach Haus kommen, als wir her’kommen sind.

EMILIE Es is gar nicht möglich, daß sich ein Bräutigam find’t, der so viel zahlt, als ihm der Papa aufbürden will.

MATHILDE Ein Mädel muß heutzutag froh sein, wenn sie, ohne daß solche Lasten auf ihr haften, einen Mann kriegt, aber wir sind ja gar übel dran.

HERR VON BRAUCHENGELD Ob du still bist!

EMILIE Nein, die Schwester hat recht.

HERR VON BRAUCHENGELD Was? Auch du red’st so? Du, der ich diese besonders schöne Gestalt verliehn? Is das mein Dank? Hast du denn gar keinen Sinn für das Edle, für das Erhabne? Du bist ausersehen, deinen Vater schuldenfrei zu machen! Is das nicht eine herrliche Bestimmung? Ich bin so viel als versetzt; wer mich mit zehntausend Gulden auslöst, der wird dein Gemahl.

THERES (zu Emilien) Das ist doch äußerst schmeichelhaft, daß der Papa einen so hohen Wert auf Ihnen setzt. (Zu Herrn von Brauchengeld.) Ich aber für mein’ Teil bin doch froh, daß ich eine Realität bin, auf der nichts haftet, daß ich meinem Freier meine Hand aus freier Hand vergeben kann.

HERR VON BRAUCHENGELD Red’t Sie auch schon wieder drein? Überhaupt, ich weiß nicht, was Sie alleweil mitzugehen hat mit meine Fräulein Töchter?

EMILIE Wir hab’n s’ aber gern, die Theres.

MATHILDE Wir woll’n sie bei uns.

HERR VON BRAUCHENGELD Und ich geb’ sie euch zum Trotz aus ’n Dienst.

THERES In diesem Fall müßt’ ich das zarte Stillschweigen brechen, was ich bisher über den rückständigen Lohn beobachtet habe; Euer Gnaden werden nicht leicht ein zweites Stubenmädchen finden, die so wie ich über ein halbes Jahr bloß der Ehre wegen dient.

HERR VON BRAUCHENGELD Ich leid’ halt einmal das beständige Mitgehen nicht. (Für sich.) Im Anzug ist ohnedem kein Unterschied zwischen einem Stubenmädl und einer Fräule, die Gusto sind verschieden, wie leicht is es geschehn, daß ein’ so eine Person eine Tochter verdunkelt. Ich begreif’ überhaupt nicht, warum man nicht schon lang Stubenmädllivreen erfunden hat; so ein Stubenmädl mit Borten und Achselschnür’, rote Aufschläg’ – müßt’ gar nicht schlecht stehn.

EMILIE (zu Herrn von Brauchengeld) Da kommt der reiche Amtmann, der seine Augen auf mich geworfen hat.

HERR VON BRAUCHENGELD Richtig, der Geizhals! Stell’ dir vor, der will was herunterhandeln, ich lass’ aber nix nach bei dir. Setzt euch dort auf die Bank und tut, als ob ihr ihn gar nicht bemerktet’s. (Sie setzen sich.)

 

Dreiundzwanzigste Szene

(Geyer; die Vorigen)

GEYER Na, wie steht’s, Schwiegerpapa?

HERR VON BRAUCHENGELD Oho! So weit sind wir noch nicht.

GEYER Wir werden, lassen Sie nur ein gescheites Wort reden mit sich!

HERR VON BRAUCHENGELD Ich weiß, was Sie wollen, aber –

GEYER Aber, lieber Mann, Sie verlangen ja gar zu viel.

HERR VON BRAUCHENGELD Zu viel? Ein Spottgeld für so a Mädl.

GEYER Verzeihen Sie, man muß die Saiten nicht zu hoch spannen, am allerwenigsten, wenn man, wie Sie, lieber Mann, drei Töchter anzubringen hat.

HERR VON BRAUCHENGELD Drei Töchter? Sie irren sich, die mit ’n Hut g’hört noch mein, das andere aber is keine Tochter, sondern nur eine weibliche Bedienung. (Zum Stubenmädl.) Theres, schickt sich denn das, daß man sich zu die Fräulen setzt?

THERES (aufstehend) Die Fräulen hab’n ’s g’schafft

 

Vierundzwanzigste Szene

(Faden [erscheint äußerst fröhlich im Hintergrunde]; die Vorigen)

FADEN Jetzt hab’ ich mein Häusel g’sehn, das is a Pracht, ich bin so glücklich, so glücklich –

EMILIE (ohne Faden bemerkt zu haben) Ich weiß nicht, was der Papa mit der Theres immer zu kommandieren hat, wir hab’n s’ einmal so gern, als ob sie unsere Schwester wär’ –

HERR VON BRAUCHENGELD Ich leid’s aber nicht!

FADEN (Emilien bemerkend, für sich) Ha, was ist das für ein Geschöpf! (Ist von Emiliens Anblick ganz betroffen, und man sieht es ihm während des Folgenden an, daß er von der Liebe ergriffen wird.)

GEYER (zu Herrn von Brauchengeld) Ereifern Sie sich nicht, lieber Mann –

FADEN (immer unbemerkt im Hintergrunde) Das is eine Schönheit!

GEYER (zu Herrn von Brauchengeld) Und lassen Sie uns wieder auf unsere Angelegenheit kommen!

FADEN (wie oben) Das is das höchste, was die Natur erzeugt hat.

HERR VON BRAUCHENGELD (zu Geyer) Ich hab’ ausgeredet. Entschließen Sie sich, eh’ ein anderer kommt.

FADEN (wie früher) Es geht in das Unaussprechliche!

GEYER (ärgerlich zu Herrn von Brauchengeld) Nun, wenn Sie keinen billigen Vorschlag hören wollen – es muß ja nicht sein.

FADEN (wie oben) Diese Schönheit is zu arg!

HERR VON BRAUCHENGELD (zu Geyer) Wie es gefällig is!

GEYER (höhnisch zu Herrn von Brauchengeld) Wenn Sie die Fräulein Tochter noch ein paar Jahre herumführen, werden schon die Aktien fallen. Adieu, lieber Mann! (Links ab.)

FADEN (geht sinnend, die Hand vor die Stirne haltend, im Hintergrunde rasch auf und ab)

 

Fünfundzwanzigste Szene

(die Vorigen ohne Geyer)

EMILIE (aufstehend) Da haben wir’s! Er geht! Jetzt hat mich der Papa wieder um eine reiche Partie gebracht.

HERR VON BRAUCHENGELD O, um dich is mir nicht bang, Töchterl

EMILIE Aber mir wird bang. Ich zähl’ jetzt schon verschiedene Sommer, auf einmal wird ein Herbst kommen, mit welchem zugleich mein eigener Herbst beginnt.

MATHILDE Wenn’s der Vater so macht, müssen wir verblühn und wissen nicht, warum.

THERES (zu Herrn von Brauchengeld) Und ich wär’ auch schon lieber bei einer Frau im Dienst als bei zwei Fräul’n. Das sollte doch auch berücksichtigt werden.

FADEN Sie ist zu göttlich! Ich muß eine Annäherung riskieren. (Vortretend.) Gnädiges Fräulein, ich bitte -

EMILIE Theres, hat Sie kein’ Groschen für den Bettelmann?

FADEN Bettelmann? - Doch ja, ich bin es, ich bettle um Ihre Gunst.

EMILIE (erstaunt) Was?

HERR VON BRAUCHENGELD Was untersteht sich der Vagabund?

FADEN Aus dieser Stichelei seh’ ich, Sie stoßen sich an meinem Anzug, welcher freilich an einigen Stellen etwas a jour is. Allein, das Kleid macht nicht immer den Mann.

HERR VON BRAUCHENGELD Also wäre das etwan nur eine Verkleidung? (Sehr höflich.) Mit wem hab’ ich die Ehre?

FADEN Ich bin nicht so arm, als ich ausschau’.

HERR VON BRAUCHENGELD Wie hoch beläuft sich Dero Vermögen?

FADEN Ich hab’ halt grad das Notwendige.

HERR VON BRAUCHENGELD Und mit dem Notwendigen wagen Sie es, Ihre Augen zu meiner Tochter zu erheben?

FADEN (mit Selbstgefühl) Ich habe des Tags zwei Zwanziger zu verzehren.

HERR VON BRAUCHENGELD Und da wollen Sie –? (Bricht in ein lautes Gelächter aus.) Hahahahaha! (Faden an der Hand fassend.) Wissen Sie, wie hoch dieses Mädl kommt? Die väterliche Einwilligung zur Heirat kostet zehntausend Gulden.

FADEN (wie vom Donner gerührt) Zehntausend Gulden –!

HERR VON BRAUCHENGELD Jetzt lassen wir den Narren stehn und gehn ein wenig weiter.

MATHILDE Zahl’ uns der Papa ein Frühstück!

HERR VON BRAUCHENGELD Töchterln, recht gern, aber es is euch nicht gesund. Wann ich euch seit ein paar Jahren nicht so wenig z’essen gäbet, wo hätt’s denn die schlanken Taillen her?

FADEN (wie aus einer Betäubung erwachend, zu Herrn von Brauchengeld) Sagen Sie mir, wird denn nichts g’handelt?

HERR VON BRAUCHENGELD Kein Kreuzer!

FADEN Schaun S’, Sie haben mehr Töchter, eine in d’ andre sollten s’ doch billiger sein.

HERR VON BRAUCHENGELD (zu seinen Töchtern) Jetzt gehn wir, da scheint die Sonn’ zu stark, setzen wir uns dort (rechts in die Szene deutend) in Schatten. Wenn sich so a Madl nur ein wenig abbrennt, ’s könnt’ mir gleich a Schaden von a paar tausend Gulden sein.

FADEN (für sich) Zehntausend –! (Zu Herrn von Brauchengeld.) Schaun Sie, wenn Sie so a neuntausendachthundert und etliche siebzig nachlasseten -

HERR VON BRAUCHENGELD Er is ein Narr!

FADEN Ich sparet mir s’ von meine zwei Zwanziger ab.

HERR VON BRAUCHENGELD Such’ Er sich eine Braut unter Mädeln bei ’n Stand, aber nicht unter Mädeln von Stand. Kommt’s, Töchterln, kommt’s! (Alle rechts durch den Vordergrund ab.)

Sechsundzwanzigste Szene

(Faden)

FADEN Da geht sie hin – dieser Gang – dieser interessante Zug in der Fersen –! Nein, das is das Non-plus-ultra in der Mädlerie! Und ich kann sie nicht besitzen! Das is ein verzweifelter Zustand! Diese Quantität Lieb’ und nicht um ein’ Groschen a Hoffnung!

 

Siebenundzwanzigste Szene

(Strick [von links]; der Vorige)

STRICK Meister!

FADEN O lieber Strick!

STRICK Sie haben mein Lebensglück vernichtet, Sie haben mir den inneren Frieden ruiniert, Sie haben schmafumäßig an mir gehandelt, doch eine edle Seele nährt keinen Groll – (gerührt) hier ist die Hand zur Versöhnung.

FADEN (seine Hand nehmend, ohne viel auf das zu hören, was Strick sagte) O, Fabian, ich bin unglücklich.

STRICK Da geh’ ich wieder. Ich bin bloß deswegen gekommen, weil ich g’hört hab’, daß Sie glücklich sein.

FADEN Was du Glück nennst, das hab’ ich; ich hab’ recht gut zu leben.

STRICK Dann bleib’ ich wieder da. Ich hab’ die Not mit Ihnen geteilt, es ist jetzt meine heiligste Pflicht, auch in die guten Tag’ Sie nicht zu verlassen.

FADEN Ganz etwas anders quält mich jetzt. Du weißt, ich hab’ die Wettel geliebt, so wie man die Tochter einer Kräutlerin lieben kann –

STRICK Nichts von jener Zeit, Sie reißen in meinem Herzen halbvernarbte Wunden wieder auf.

FADEN Aber was die wahre Liebe ist, die reine Inflammierung des Gemüts, die echte, unverfälschte, herzkonservierende Magie der Natur – ich find’ gar keine Ausdrücke, die verrückt genug wären, das zu schildern, was ich empfinde.

STRICK Wo wär’ denn der Gegenstand?

FADEN Für mich so viel als gar nicht in der Welt, denn der Vater verlangt zehntausend Gulden für die bloße Einwilligung.

STRICK Das is ung’schauter zu teuer.

FADEN Nein, sie ist Millionen wert, aber wo hernehmen? – Ich hab’ wohl so eine Art Schutzgeist, der mir versprochen hat, mich glücklich zu machen –

STRICK Im Ernst, sein Sie mit ein’ Geist in Verbindung?

FADEN Und das mit was für ein’!

STRICK Na, da is ja g’holfen, so ein Geist muß Haar’ lassen, wenn er sich mit ein’ Sterblichen abgibt.

FADEN Ja, ich darf aber nur das Notwendige von ihm verlangen.

STRICK Na, das is ja genug, ’s Madl is zu Ihrem Glück notwendig, ’s Madl kost’t zehntausend Gulden, also sind die zehntausend Gulden auch notwendig wie a Rub’n.

FADEN Fabian, du bist a gescheiter Kerl! (Im Hintergrunde erscheinen Wathfield und Howart.) Laß dich umarmen, du hast mir ein Licht aufgesteckt.

STRICK Wir wer’n denen Geistern schon zeigen, was all’s notwendig is.

FADEN (sie erblickend) Still, da sind s’ schon!

STRICK Das sein s’? Richtig, man merkt’s, die ganze Luft hat auf einmal so einen überirdischen Regionduft

 

Achtundzwanzigste Szene

(Wathfield, Howart; die Vorigen)

WATHFIELD (vortretend) Nun, wie steht’s? Du scheinst einen Wunsch auf dem Herzen zu haben?

FADEN O ja, einen unsinnigen! Ich brauch’ notwendig zehntausend Gulden, weil ich nur um diesen Preis die Geliebte zur Frau krieg’. Ich sag’ Ihnen, ohne ihr bin ich der unglücklichste Mensch auf der weiten Welt, ich müßt’ mir was antun.

WATHFIELD Es ist viel, was du verlangst.

FADEN Ich bitt’ Sie, für ein’ Geist ist das ja a Bagatell!

WATHFIELD Indessen, wenn diese Heirat zu deinem Glücke notwendig ist – (Geht zu Howart in den Hintergrund und spricht leise mit ihm.)

FADEN Wie ein Bissen Brot.

STRICK (im Vordergrund zu Faden) Warum red’t er denn jetzt mit dem andern?

FADEN Das ist der Hauptgeist.

HOWART (schüttelt den Kopf und gibt Wathfield Geld)

STRICK Er beutelt den Kopf.

FADEN Aber ausrucken tut er doch!

WATHFIELD (gibt Faden das Geld) Hier hast du, was dir zum Glücke notwendig, doch hüte dich, das Überflüssige zu verlangen! (Geht mit Howart ab.)

FADEN Ich küsse die Hand – ich bin außer mir – ich fall’ in die Frais vor Freuden.

STRICK Das sind ein paar Mordgeister

 

Neunundzwanzigste Szene

(Faden, Strick, Herr von Brauchengeld, Emilie, Mathilde, Theres)

HERR VON BRAUCHENGELD Schaun wir doch wieder a bissel daher! (Zu Emilien.) Du hast recht, der Amtmann Geyer geht mir nicht aus ’n Kopf. Vielleicht kommt er wieder zurück, und wenn ich etwas nachlasset –

FADEN (vortretend) Erzeuger meiner Angebeteten, nimm hier den pflichtschuldigen Tribut des Bräutigams (gibt ihm das von Wathfield erhaltene Geld) und erhöre seine Bitte um schleunige Verabfolgung der Liebreizenden.

HERR VON BRAUCHENGELD (die Banknoten besehend) Ich erstaune! Von Ihnen hab’ ich das nicht erwartet.

THERES (zu Emilien) Greifen Sie zu, Fräulein Emilie; wer so viel dem Vater spendiert, was hat von dem erst die Geliebte, die Frau zu hoffen? Sie machen eine brillante Partie, wer weiß, was unter dem zerissenen Rock für ein heimlicher Kapitalist steckt.

HERR VON BRAUCHENGELD (führt ihm Emilie zu) Hier nehmen Sie sie hin, die teure Braut, und extra noch meinen väterlichen Segen als Zuwag’.

EMILIE (Faden ihre Hand reichend) Mein Herr, ich schätze mich glücklich –

FADEN (entzückt) Im Ernst? Ich geh’ in d’Luft vor Freuden

 

Dreißigste Szene

(Geyer [eilig auftretend]; die Vorigen)

GEYER (zu Herrn von Brauchengeld) Liebster Mann, ich habe mir die Sache reiflich überlegt, die Liebe ist ein närrisches Ding – hier ist die verlangte Summe. (Will ihm das Geld einhändigen.)

HERR VON BRAUCHENGELD (erstaunt) Ich bedaure, aber ’s Mädel ist schon vergeben. (Für sich.) Das wär’ jetzt ein Augenblick zu einer Lizitation.

GEYER (ergrimmt) Wie? Was? Wer ist mir zuvorgekommen?

HERR VON BRAUCHENGELD (auf Faden zeigend) Hier, dieser unbekannte Kavalier.

GEYER Was? Der miserable Pfuscher, der Seilerer?

HERR VON BRAUCHENGELD Er hat das Kapital mir zu Handen erlegt.

GEYER Er? Der povre Hungerleider? Der kann das Geld nur gestohlen haben, da wollen wir gleich ins klare kommen. (Zu Herrn von Brauchengeld.) Liebster Mann, Sie sollen Dinge hören, daß Ihnen die Haare zu Berge stehen. Der Mensch ist ein Lump. Ich gehe, doch bald komme ich wieder – ich bin außer mir vor Wut. (Eilt grimmig links ab.)

 

Einunddreißigste Szene

(Die Vorigen ohne Geyer)

HERR VON BRAUCHENGELD Was hat der alles g’sagt? (Zu Faden.) Er scheint kein guter Freund von Ihnen zu sein.

FADEN (verlegen) Neid, Neid, nichts als Neid!

EMILIE Ein Seilerer, hat er g’sagt, sind Sie gewesen?

FADEN Dilettantismus, nichts als Dilettantismus! Ich hab’ öfters aus Unterhaltung Spagat gemacht – aus Kurzweil – Liebe zur Kunst –

 

Zweiunddreißigste Szene

(Pumpf, Nachbarsleute; die Vorigen)

PUMPF Bruder Faden, ich sollt’ eigentlich noch bös sein auf dich, aber du hast ein unbegreifliches Glück gemacht, das freut mich in die Seele hinein, der Zorn is verschwunden, und da bin ich mit alle Nachbarsleut’, dir herzlich zu gratulieren.

DIE NACHBARSLEUTE Wir gratulieren alle miteinand’!

FADEN (verlegen) Ich danke – wirklich – ich danke vielmals.

HERR VON BRAUCHENGELD (zu seinen Töchtern) Er muß halt doch was Gemeines sein.

 

Dreiunddreißigste Szene

(Hannerl; die Vorigen; Wathfield und Howart [erscheinen im Hintergrunde])

HANNERL (eilig von links auftretend, zu Strick) Fabian! Fabian! Du verdienst es nicht, aber ich kann nicht anders, ich muß dich warnen. Dir droht Gefahr, der Amtmann red’t dort mit die Wächter, ich hab’ nichts als die Worte: »Einführen«, »Seilerer« und »Lump« verstanden, da hab’ ich mir gleich ’denkt, das geht dich an, und lauf’ daher –

STRICK O je! Das sein feuchte Masematten. Mein Meister is der Lump, von dem der Amtmann g’red’t hat, das weißt du recht gut, tust aber, als wenn du mich warnen tät’st, red’st aber hübsch laut, damit er sich auch darnach richten kann. Entflieh, Schlange!

HANNERL (weinend) Entsetzlich! Ich bin das Opfer eines Mißverständnisses.

PUMPF Ja, ein Madl soll halt alleweil Fenster und Türen hübsch zusperren.

STRICK Meister, es könnt’ halt doch Ernst werden mit ’n Einsperren, dort hinten stehn unsere zwei Geister, reden S’ ein g’scheites Wort!

FADEN Du hast recht. (Spricht mit Wathfield leise, dieser sagt dann während des Folgenden ein paar Worte zu Howart, welcher eine Schreibtafel aus der Tasche zieht und auf ein Blatt mit Bleistift schreibt.)

EMILIE (zu ihrem Vater) Ich weiß nicht, was ich aus dem Menschen machen soll.

HERR VON BRAUCHENGELD Ich auch nicht. übrigens, ’s Geld hab’ ich einmal, und folglich findet kein Rücktritt statt.

THERES (zu Strick) Was schaut mich denn der Herr gar so an?

STRICK Sie ist in Diensten meiner künftigen Gebieterin, ich bin in Diensten Ihres künftigen Gebieters, ich werfe das bloß so hin, weil sich daraus verschiedene Entspinnungen gestalten könnten.

THERES Kommt Zeit, kommt Rat!

 

Vierunddreißigste Szene

(Geyer, Wächter; die Vorigen)

GEYER (zu den Wächtern, auf Faden zeigend) Da steht der Verdächtige, der mit gestohlenen Geldern herumwirft. Aufs Amt mit ihm! (Die Wächter wollen auf Faden los.)

WATHFIELD (gibt heimlich und schnell Faden den Zettel, welchen Howart geschrieben) Gebt das dem Amtmann!

FADEN (den Zettel nehmend) Herr Amtmann, lesen Sie erst das!

GEYER (den Zettel nehmend und durchschauend) Das ist - (erstaunt) das ist die Schrift des neuen Gutsherrn, ich kenne sie von der Kaufurkunde aus. (Liest leise.) »Herr Amtmann Geyer, Meister Faden erfreut sich meiner unbegrenzten Gunst. Wenn ich ankomme und nicht höre, daß Sie ihm die größte Achtung erwiesen haben, sind Sie Ihres Dienstes entlassen. Lord Howart.« (Alle heften neugierig den Blick auf Geyer, dieser ist wie vom Donner gerührt.) Ich erstarre! Da bleibt nichts übrig als Devotion.

HERR VON BRAUCHENGELD (zu Emilien) Jetzt wird sich’s gleich zeigen.

GEYER (nähert sich Faden ehrerbietig) Mein Verehrtester – mein – ich weiß nicht, wie ich sagen soll – ich bitte um die Gunst, dero Hand – (küßt Faden die Hand.)

ALLE (im höchsten Staunen) Was ist das?

THERES (zu Emilien) Hab’ ich’s nicht g’sagt, er is ein großes Tier?

STRICK (beiseite) So ein Geist is a Passion.

FADEN (für sich) Ich weiß zwar nicht, wie ich zu solchen Ehren komm’, aber (laut), Schwiegerpapa, geliebte Braut, folgen Sie mir allerseits in mein Haus zum Verlobungsfest!

STRICK Sämtliche Völkerschaften rufen: Es lebe Bräutigam und Braut!

ALLE Es lebe Bräutigam und Braut!

abstand

Quodlibet

abstand

CHOR
Wunderbar, was hier alles vorgegangen,
Licht darüber zu verlangen
Stehn wir zu befangen,
Zu fragen keiner waget.

STRICK
Kommt man auf a Falschheit bei seiner Amour,
Da ist es das Beste, man lacht nur dazur,
Verzweiflung und Seufzer kein’ Kreuzer nit taug’n,
Es gibt ja noch Mad’ln g’nug mit schöne Aug’n;
Plantiert ein’ die Katherl, was liegt an der G’schicht’?
Die Mariandel, die hat auch a bildsaubers G’sicht,
Na, und gift’t sich die Urschel, is d’ Sopherl in Wut,
Dafür is d’Lenerl halt wiederum gut.

THERES
Ach, was kann man Schöners finden,
Als wenn Herzen sich eng verbinden,
Rosenketten sie zart umwinden,
Ach, und ich steh’ immer noch ganz allein!

FADEN
Mich umgaukeln süße Träume,
Fröhlich hebt sich meine Brust,
In die schönsten Himmelsräume
Zaubert mich der Liebe Lust.
Süß sind Mand’ln und Zibeben,
Gut für ’n Magen is a Sterz,
Doch der Liebe süßes Leben
Is die Leibspeis’ für mein Herz.

HANNERL
Lalala etc.
(Jodler)

STRICK
Ich möchte ein Konsilium anstellen über mich.

FADEN
Sei Ritter ohne Furcht und Tadel und mach’ kein solches G’sicht.

STRICK
Nein, so was bringt ein Vieh um, mein Herz klopft fürchterlich!

FADEN
Ein Reitpferd ohne Sattel is d’ Lieb’, traut man sich nicht.

THERES und HANNERL
Stets trösten Männer sich gar leicht,
Alle Kenner sagen,
Die Kenner sagen:
Sie sind seicht.

HANNERL
Welch Qual, welche Leiden!
Lieb’ ihn noch, er will scheiden.

THERES (zugleich)
Leiden statt der Freuden
Man durch sie erreicht.

HANNERL (zugleich)
Er will scheiden,
Denn nichts sein Herz erweicht.

THERES
Herbe Qual nur und Leiden
Geben sie statt Freuden.

CHOR
Was sich liebt, necket sich,
Heute trifft’s dich, morgen mich,
Doch im Streit - schnell verzeiht
Man, wenn ’s Herz gebeut.

STRICK
Ich hab’ durchaus nicht den Mag’n –

HANNERL
Nein, du tust zu arg mich plag’n –

STRICK
Solche Sachen zu vertrag’n!

HANNERL
Scham dich, is das ein Betrag’n?

STRICK
Ha, ich quäle sie so, quäl’ sie so -

HANNERL
Ha, er quälet mich so, quälet mich so -

STRICK und HANNERL
In einem fort, in einem fort,
Ja, ein Hieb ist jedes Wort;
Ja, ein Hieb sei jedes Wort.

CHOR
Hochzeit gibt’s heut’, ah, das is g’scheit!
Juche, Hochzeit gibt’s heut’, ah, das is g’scheit!

THERES
Süßer Trost, belebend, entzückend, erhebend,
Kehrt ins Herz zurück.
Flieht der Sehnsucht Leiden,
Bald blühen nur Freuden
Und himmlisches Glück,
Blüht mir, Gattenglück!

STRICK und FADEN
Gar nichts gleicht dem Glück der Neuvermählten,
Wenn die bunten Kränze Amor flicht,
Wandelt man am Arme der Erwählten
Stets auf Rosen und Vergißmeinnicht.

HANNERL
Kein Gedanke hat noch entweihet
Meines Busens reine Triebe,
Grausam lohnst du meine Liebe,
Nie verletzt’ ich meine Pflicht.

STRICK
Möglich is’s wohl, aber wahrscheinlich nicht,
No, möglich is’s wohl, aber wahrscheinlich nicht.

THERES
Ha! Ha! Bei solchen Sachen
Da muß ich wirklich lachen.
Hahahahaha! -

PUMPF
Dieser Lacher is so spitzig, wie a Gabel,
Gleich der Elster in der Fabel
Wetzt sie überall den Schnabel,
Schau’ d’Mamsell doch nur auf sich!

THERES und STRICK
Ha, die Impertinenzen
Sind ja über alle Grenzen,
Die Geduld wird mir zu knapp,
Zorn erfüllt die Herzenskammer,
Dieser kecke Bandelkramer,
So was ging’ mir grad noch ab.

THERES
Doch, wozu soll ich hier streiten!

THERES und HANNERL
Wie sie zanken, wie sie streiten!
’s schickt sich ja nicht vor den Leuten,
Ziehn wir auf die guten Saiten,
Da der Hochzeitsjubel winkt.

STRICK, FADEN und PUMPF
Lassen wir das dumme Streiten,
’s schickt sich ja nicht vor den Leuten,
Ziehn wir auf die guten Saiten,
Da der Hochzeitsjubel winkt.

CHOR
Meidet jetzo alles Streiten,
Es schickt sich ja nicht vor den Leuten,
Ziehet auf die guten Saiten,
Da der Hochzeitsjubel winkt.
Lalalala etc. etc.

abstand
(Der Vorhang fällt.)

abstand
abstand
abstand
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2. Akt: Szene 10–20: Saal im Schloss
2. Akt: Szene 21–28: Marktflecken