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Theater Gruppe 80

 

Franz Robert Ceeh, Thomas Kamper
 

Klaus Fischer, Ariane Payer
 

Elke Claudius, Thomas Kamper 

Mein Freund

Premiere am 9. November 2001 in der Gruppe 80
bis 22. Dezember 2001, Dienstag bis Samstag, Beginn 20 Uhr

"Wir gleichen einem Roman, dessen Dichter nach dem ersten Band gestorben ist". Es gibt gar keinen Ort, der so klein ist, daß er nicht eine große Welt in sich aufzuweisen hätte. In diesem „Spätwerk“ – Nestroy hat es 1851 geschrieben – treffen sich die Protagonisten in einer Leihbibliothek. Und es ist ein rechtes Gewurl an Lebensgeschichten – Lebensromanen, die in diesem Gwölb herumschwirren. Das eigene Leben scheint nur mehr als Roman, als Schwindel erträglicher und deshalb floriert die „Romanschwemme“. Dabei wäre die Liebe für alle so wichtig wie ein guter Bissen Brot. Doch Liebe und Geld sind nur Chimäre. Also bleibt nichts anderes übrig, man muß in der Einbildung leben. Sodaß in dem Gwölb immer „ein Gefühl von Schwindel“ herrscht. Aber Freund sei Dank fliegt der Schwindel auf und es gibt immer wieder ein kurzes Erwachen wie aus einem Traum. „Vielleicht lern ich, wie man sich ins Gemüt hineinlügt, daß man sich für glücklich hält“, sagt der Betrogene. Doch den einen holt ein guter Freund, den anderen ein böser Gläubiger, am End‘ holt’s alle der Teufel. (Helmut Wiesner)

Mit Franz Robert Ceeh, Elke Claudius, Klaus Fischer, Gabriela Hütter, Thomas Kamper, Alexander Lhotzky, Ariane Payer, Alfred Schedl

Inszenierung Helmut Wiesner
Bühne Carlo Tommasi
Kostüme Mimi Zuzanek
Musik Wolfgang Florey
Lichtgestaltung Robby Vamos

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Pressestimmen

Der Standard, 12. November 2001

Der Bücherei-Gehilfe Johann N.

Die Posse als Albdruck: "Mein Freund" in der Gruppe 80

Wien – Im traumverzärtelten Theater Gruppe 80 kennt man die Gosse, mit deren Schrecken der sozialen Deklassierung wie der Herzverfinsterung Johann Nestroy lustig zähnefletschend droht, vielleicht vom Hörensagen – bloß zu tun haben will man mit ihr nichts. Denn Nestroy jongliert in dem Stück Mein Freund mit den Wörtern wie mit Kanonenkugeln: Er wirft sie noch höher als sonst.

Sie schlagen beim Herunterfallen aber auch pfundschwer in das Stück ein, lauter abgrundtiefe, schwarze Sinn-Löcher hinterlassend, wo ansonsten die Figuren, mit Wörtern und Argumenten schier bis an die Zähne bewaffnet, im Modistinnen-Putz und Rüschen-Kitsch zu ebener Erde räsonierend herumstehen.

Der Gumpendorfer Prinzipal Helmut Wiesner verrückt Nestroy in eine andere, sozusagen weltläufigere Sphäre. Er hat sich von Carlo Tommasi eine deckenhohe Bibliothek in die Gruppe 80 stellen lassen, weil nichts tröstlicher raschelt im Herbst der Seelen als ein stockfleckiges Buch – seit je der treueste Freund aller durch die Verhältnisse Erniedrigten und Beleidigten.

Gewiss spielt Mein Freund auch unter dem „Deckeng’wölb’“ einer Leihbücherei. Aber Wiesner steht der Sinn nach mehr: nach Jorge Luis Borges beispielsweise, nach Aleph und Omega, weswegen die missgelaunte Nestroy-Kundschaft, mit Alexander Lhotzky als einer wahren Herr-Karl-Figur von Bücherei-Diener, plötzlich ganz papieren wird: gilbend vor Weh, gelbstichig in ihrer schlafschweren Unbehaustheit, das höhere Töchterchen (Ariane Payer) vor einer Herbstlaub-Wohnkellertapete auf ihren Lesestuhl Schiller-schmachtend hingegossen. Kinder, wie das Lesen bildet!

Es macht aber auch Flausen im Kopf. Und so fühlt man für einige, viel zu wenige Momente in dieser rechtschaffen übermüdeten Romanschrift-Stellerei mit dem gebeutelten Druckereifaktoren Schlicht (Thomas Kamper) herzlich mit. Er knüpft ganz hoch oben, dort, wo circa Johannes Mario Simmel neben Anne Golon zu stehen kommt, seinen Lebensstrick. Später noch wird Herr Johann Nestroy persönlich anrufen, als Telefongeist aus der drittobersten Bücherreihe. Es wird (zu) spät sein.

Ronald Pohl

 

 

Die Presse:

Traumtänzer in Nestroys Tollhaus
Helmut Wiesners Inszenierung wirkt insofern bahnbrechend, als er mit der braven Nacherzählerei von Nestroy-Possen in biedermeierlichem Stil Schluß macht. Er schälte die Charaktere aus ihrem historischen Kostüm heraus, häutete sie quasi - kein Akt der Grausamkeit sondern ein kühner Befreiungsschlag. ... Thomas Kamper stattet die Nestroy-Rolle mit viel gewinnender Traumtänzerei aus. Blaues Licht, Gemurmel, huschende, närrische Gestalten schaffen ein klaustrophobisches Ambiente. ....man fragt sich, ob man überhaupt noch jemals einen "gewöhnlichen" Nestroy wird sehen wollen nach diesem sublimen Glasperlenspiel.

 

Salzburger Nachrichten:

„Mein Freund“ zählt zu den schönsten, klügsten und witzigsten Inszenierungen des Nestroy-Jubeljahres. Die Aufführung wird beiden Seiten des österreichischen Klassikers gerecht: dem Lustspielautor, der uns eine Hetz machen will, und dem Philosphen, der sich die Welt anschaut und sie mit seinen ernüchternden, saturnalischen Sprüchen überzieht. Ein besonderes Sprach- und Denkkunstwerk.

 

Wiener Zeitung:

Das bewährte Nestroy-Ensemble der Gruppe 80 läßt sich, zum Teil in mehreren Rollen agierend, nicht lumpen. Alexander Lhotzky brilliert als berufsbürokratischer Bibliotheksgehilfe Schippl, der die Arbeit nicht erfunden hat.