Johann Nestroy
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Erster AktDie Bühne stellt eine Waldpartie am Ufer eines Flusses vor, nur zwei Kulissen tief, links am Ufer ist eine Rasenbank, weiter vorne links ein Gebüsch; es ist Abend mit Vollmondbeleuchtung. Erste SzeneFräulein Ottilie, dann Puffmann. Ottilie (rechts auftretend). Nun wird es Zeit sein alle Vorkehrungen sind getroffen. (Sich nochmals vorsichtig umsehend.) Ich gebe ihm das Zeichen. (Klatscht dreimal in die Hände.) Puffmann (kommt aus dem Gebüsche links). Da bin ich, darf mein Schützling Ottilie (mit Beklommenheit). Sogleich Puffmann (hervoreilend). Ist Ihnen etwas, meine Gnädige? Ottilie. Ich fühle eine Bangigkeit Puffmann. Warum? Ihnen betrifft es ja nicht. Ottilie. Und doch klopft mir das Herz, als ob ich selbst entführt würde. Puffmann. Das sind übertriebene Phantasiebilder, die man mit Brausepulver und Krebsaugen Ottilie. Bringen Sie ihn! (Geht Seite rechts ab.)
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1. |
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Wann i als Zimmermann arbeit' hoch ob'n auf 'n Dach, |
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Doch wann so vom Dach sich mein Kopf herabbeugt, |
Das Schönste an ein' Zimmermann is, daß er kein Zimmermann is, daß er nicht im Zimmer arbeitet, sondern draußen auf 'm freien Platz, drum hat unsereins auch ganz ein' andern Geist als so viele andre Professionisten, für die die frische Luft nur ein Sonntagsschmaus is, für die es gar keine freie Natur gäbet, wenn einmal den Kalenderdruckern die rote Farb' ausging'. Standeswahl bei einem Sprößling unterer Stände heißt wohl nichts anderes als: »Jetzt entschließ dich, ob du als Lehrjung' von dieser oder jener Zunft gebeutelt und malträtiert werden willst!« Diese Eröffnung is so reizend, daß: »Es is mir alles eins!« die gewöhnliche Antwort drauf is. Ich hab' aber auch damals schon mehr als andere drüber nachdenkt.
Ich hätt' sollen ein Schneider werden, da hab' ich mir aber denkt: Zugrund'gehn kann wohl jeder Mensch, gerade durch die zugrundegehn, die man kleidet, deren Blöße man bedeckt, dieser Undank muß zu schmerzlich sein, und ist doch das allgemeine Schneiderlos.
Ich hätt' sollen ein Schlosser werden, aber wer Sinn fürs Freie hat, hab' ich mir denkt, der kann kein Talent zu Schloß und Riegel haben.
Ich hätt' sollen ein Bäck werden, aber so ein schlaftrunkenes Mehlgespenst hat immer etwas Mitleiderregendes und Unheimliches für mich gehabt, denn wenn ein Bäck auch keinen Geist hat, so hat er doch viel von einem Geist: er is weiß, geht um bei der Nacht und sehnt sich nach Ruhe, die ihm nimmer wird das sind offenbar die Haupteigenschaften von einem Geist. Ich war als Bub sehr gern auf der Welt und hab' mich fleißig mit Hund', Tauben, Katzen und Kinigelhasen g'spielt, und da wir dem Altmeister unserer Zunft, dem Archenzimmerer Noah, unser Dasein verdanken sowie auch das Glück, daß wir von Viechern umgeben sind, so hat mich eine Art Dankgefühl zum Zimmermannhandwerk getrieben. Ich hab's aber auch in späterer Zeit nie bereut. Der Ursprung des Zimmermanns hat schon das vor viele andere Ursprünge voraus, daß er nur halben Teil gemein is, die andere Hälfte is erhaben und folglich das Ganze das, was die noblen Leut' eine Messalliance nennen. Der Holzhacker hat die Geometrie umarmt, und so is der Zimmermann entstanden. Unser Handwerkszeug bestätigt diese Abkunft. Die Hacken is unser simples väterliches Erbteil, wir haben aber auch Zollstab, Zirkel, Winkelmaß als Vermächtnis von unserer tiefsinnigen Mama, und das sind Gegenstände, die man nicht leicht, ohne zu denken, in die Hand nehmen kann. Der Zollstab gibt uns die wahrste Ansicht von Länge und Breite, von Größe überhaupt, und wann man die einmal hat, da fallen einem dann allerhand Mißverhältnisse auf wie so mancher so groß herauskommt, und wenn man ihn genau abmeßt, so klein is, daß man ihm gern noch was aufmesset. Wie mancher ein Langes und Breites zusammenschreibt und nur eine schmale Kost damit erwirbt, wie oft kleinwinzige Frauen mit langmächtige Männer gar so kurz angebunden sind. Kurzum, der Zollstab hat nur drei Schuh Länge, kann aber die Ideen sehr ins Weite führen. So ist es auch beim Winkelmaß; man denkt dabei unwillkürlich an die vielen menschlichen Winkelzüge, die offenbar unter die Gattung der spitzigen Winkel gehören, an die Aufenthaltsorte des Unglücks und der Armut, die unter die stumpfen Winkel gehören. Die schwierige Genauigkeit, die der rechte Winkel erfordert, mahnt uns daran, daß das Rechte überhaupt nicht leicht in Winkeln zu finden, eine Behauptung, die sich auch bis auf Winkelagenten, Winkelsensalen, Winkelschreiber etc. etc. ausdehnen ließ'. Ein noch weiteres Gedankenfeld liegt im Zirkel. Zirkel is die vollkommenste Rundung, drum fallt es auch in die Zirkel am meisten auf, wenn sich einer eckig benimmt. Der gesellschaftliche Zirkel unterscheidet sich vom mathematischen wesentlich dadurch, daß der mathematische einen einzigen Mittelpunkt hat, der akkurat mitten im Zirkel liegt der gesellschaftliche Zirkel jedoch hat in der Mitte nur den scheinbaren Mittelpunkt, den Kaffeetisch, währenddem der eigentliche Mittelpunkt, um den sich die Peripherie der Unterhaltung dreht, meistens außerhalb des Zirkels liegt, weil gewöhnlich nur die Abwesenden ausgericht't werden. Aber halt! Bis hieher und nicht weiter! Die Zirkelbetrachtungen führen einem zu leicht vom Runden auf das, was zu rund is, und in das mag ich jetzt nicht eingehen, ich geh' lieber in was Viereckiges ein, in meine Haustüre, und kugl' mich in mein längliches Bett.
Thomas; Voriger.
Thomas (von links auftretend und Peter erblickend). Peter !
Peter. Oho! So spät noch?
Thomas. Weißt, ich möcht' deiner Schwester gern eine Überraschung machen, das heißt, morgen kauf' ich ihr eine prächtige Überraschung, und das hätt' ich ihr heut' gern g'sagt.
Peter. Um die Zeit? Nein, das is kein G'schick!
Thomas. Hör' auf, sie is ja mein' künftige Schwiegertochter!
Peter. Eben deswegen! A künftige Schwiegertochter is gegenwärtig noch gar keine, und die Nachbarschaft sieht nur, daß in der Dunkelheit ein Mann aus und ein geht.
Thomas. So dunkel is gar keine Nacht, daß ich gefährlich ausschaun könnt'; und ein Madl, wo in vierzehn Täg'n d' Hochzeit is
Peter. Und wenn's in vierzehn Minuten wär', so wär's a g'wagte Sach'. Das Licht hat die größte Geschwindigkeit in der ganzen Natur, drum hat auch das üble Licht, was auf ein Wesen fallt, so eine schnelle Verbreitung. Übrigens hab' ich dir schon g'sagt, wegen Brautgeschenk', du hast kein Geld zu verschwenden, du mußt auch an deine Zukunft denken.
Thomas. Oh, das tu' ich so dann und wann.
Peter. Dann und wann is z' wenig! Ich hab' einmal einen alten Isabellenschimmel an ein' Ziegelwagen g'sehn, seitdem bring' ich die Zukunft gar nicht mehr aus 'n Sinn.
Thomas. So was is wohl traurig; bei ein' Schimmel is noch das Gute, daß er gar nicht denkt
Peter. Und beim Menschen is das Üble, daß er erst zum Denken anfängt, wenn er ein Schimmel wird.
Thomas. Du weißt ja noch gar nicht, ich hab' jetzt einen reichen Freund! Wenn mein Sohn ankommt, so führ' ich ihn bei ihm als Bräutigam auf, daß er auch
Peter. No, sei so gut, fang so was an!
Thomas. Warum? Sich Freunde sammeln und gar reiche Freunde, das is ja
Peter. Das Dümmste, was ein Bräutigam tun kann. Ich hab' eine Antipathie gegen die Freunde, die so gern Hochzeiten aushalten, Wirtschaftsbeiträge liefern, erste Bub'n aus der Tauf' heben, und ich weiß schon, warum.
Thomas. Jetzt mag der keine Freund'!
Peter. Oh, ich hab' zwei, die ich schon mag, bewährte tüchtige Kerln, die plagen sich für mich, die Freund', daß mir nix abgeht, sind den ganzen Tag bei der Hand, für mich zu arbeiten, nehmen sich auch an um mich, schlagen den nieder, der mir was tun will
Thomas. Und die zwei Freund', sind das keine Reichen?
Peter. Nein, Arme sind's (seine Arme weisend) die zwei. Mit denen hab' ich mich und mein' Schwester erhalten, mit denen hab' ich das, was ihr der Vater hinterlassen hat, vermehrt, daß sie ein anständiges Heiratsgut hat.
Thomas (freudig gerührt). Mit dem sie meinen Sohn vom Militär loskauft.
Peter. Es ist eigentlich nur eine Transferierung, von seinem Regiment kommt er unter ihres.
Thomas. Dort nehmen s' einen Ersatzmann an.
Peter. Ihr aber wär' kein Mann Ersatz, da muß es akkurat dein Josef sein.
Thomas. Mein Sohn kann von Glück reden, so einen Schwagern z' krieg'n und so a Braut.
Peter. 's letzte lass' ich gelten.
Thomas. Geh, sollst auch heiraten, vielleicht machst auch so a Glück.
Peter. Hm, das wird's nicht tun; mir haben die Lehrer in der Schul' schon 's Glück abg'sprochen. »Das is a g'scheiter Bub!« haben s' gesagt, und da is 's schon vorbei. Schau s' nur an beim Gipsmann, so a Fortuna; die hohle Kugel, über der sie schwebt, is das Sinnbild von ihre Favoritköpf'.
Thomas. Und wenn's auch just nicht ein Engel wie die Klara is; denn die is eigentlich zu gut, zu edel für unsereinen
Peter. Das is a dalkete Red'! Das wär' sehr traurig, wenn der Unbedeutende nicht auch Anspruch auf ein braves Mädl hätt'; und bei diesem Anspruch bescheiden sein, wär' eher eine Niederträchtigkeit als eine Tugend. In gar vielem kann und soll sich der Mensch behelfen, sich mit dem Minderen begnügen, wenn er 's Bessere nicht haben kann. Wer's auf kein' Paperl bringt, der spendiert sich zwei Laubfrösch' vors Fenster wer kein'n Kammerdiener hat, kauft sich ein' Stiefelknecht um sechs Groschen wer nicht als nobler Kridatar auf seine neugekaufte Villa in d' Schweiz kann fahren, der geht dem Schuster mit a paar Juchtene durch wer eine Neapelreis' z'kostspielig find't, um den feuerspeienden Vesuv zu sehen, der schaut sich um a zornige Kräutlerin um kurz, für alles hat der Geringere ein Surrogat und kann das Echte dem Höhern überlassen; aber was den Punkt der Familienehre betrifft, da steht der Unbedeutende dem Größten gleich und hat ebensogut das Recht, das Makelloseste zu begehren. Jetzt komm auf a Glas Wein. (Beide gehen ins Wirtshaus ab.)
Frau Hußbergerin, Hansi.
Frau Hußbergerin (mit einer leeren Flasche in der Hand, aus dem Haustore im Prospekt kommend, zu Hansi, welcher sich an ihrer Schürze festhält). Der Bub kann nimmer schaun vor Schlaf und rennt mir bis auf d' Gassen nach.
Hansi. Weil ich mich vor die G'spenster fürcht'.
Frau Hußbergerin. Du sollst schon lang im Bett liegen.
Hansi. Wie ich im Bett lieg', kommen die G'spenster.
Frau Hußbergerin. Wennst mit 'n Fürchten nicht aufhörst, so schick' ich den Schwarzen über dich mit 'n großen Sack, da steckt er dich hinein und tragt dich in 'n Wald hinaus.
Hansi (halb weinend). Uh mein!
Frau Hußbergerin. Begreif' nicht, wie der Bub so furchtsam worden is. Da bleibst, bis ich herauskomm'! (Geht in das Gasthaus.)
Hansi, dann Puffmann.
Hansi. Wenn's nur keine Finsternis gäbet, da müßten s' alle hin werd'n, die G'spenster (sich auf den Eckstein neben dem Gasthaus setzend), denn die G'spenster leben von der Finsternis. (Gähnt.) D' Augen recht zudrucken, das is das beste da da verschwinden s' alle nacheinand' (Schläft ein.)
Puffmann (von Seite rechts auftretend in großer Aufregung). Ich find' nix, ich weiß nix, und es fallt mir nix ein! Der ganze Plebs schlaft schon und denkt nicht, daß er mir eine Ausred' liefern soll ! (Nach dem erleuchteten Fenster links im Prospekt im ersten Stockwerke sehend.) Da is noch ein Licht wahrscheinlich die Kreuzerkerzen eines alten Flickschneiders. (Es zeigt sich der Schatten eines Frauenzimmers am Vorhang des Fensters.) Halt der Schatten diese Umrisse bei keiner Beleuchtung kann ein Flickschneider so einen Schatten werfen. Da wohnt ein Geschöpf (von einer Idee ergriffen) ha ich hab's! Das Geschöpf mit die Umrisse reißt mich heraus! (Ein paar Schritte auf und nieder gehend und so Hansi bemerkend.) Was is denn das? Da schlaft ein kleiner Bub. Kolossale Idee! Der is mein Zeuge! (Auf das Fenster zeigend.) Dort die Ausrede, (auf Hansi zeigend) hier der Beweis! (Rüttelt Hansi am Arm.) He Bursch! Was machst du da?!
Hansi (aufwachend und erschreckend). Auweh! Der Schwarze!!
Puffmann. Wirst still sein!
Hansi (weinend). Nur nicht in 'n Sack stecken und in 'n Wald hinaustragen.
Puffmann. Du unterstehst dich, mir aufzupassen?
Hansi (ängstlich). Ich hab' geschlafen.
Puffmann. Nicht wahr is's! Du willst sehn, wer da oben (ihn scharf anfahrend) wer logiert da oben? (Auf das erleuchtete Fenster zeigend.)
Hansi. D' Mamsell Klara; dem Peter Span seine Schwester.
Puffmann. Aha! (Für sich.) Bravissimo! Ich hab' alles, was ich brauch'! (Zu Hansi.) Und du, neugieriger Spitzbub', paßt auf, wer bei ihr is?!
Hansi. Ich pass' auf mein' Frau Mutter.
Puffmann (in barschem Ton). Du hast es g'sehn, daß ich von der Mamsell Klara komm'!
Hansi. Ich hab' g'schlafen.
Puffmann (heftig). Du warst wach und hast mich von ihr herausgehn g'sehn gesteh's oder ich dreh' dir's G'nack um.
Hansi. Ja, ich hab's g'sehn.
Puffmann (plötzlich in freundlichem Ton).Ach, jetzt laßt sich reden mit dir. (Sehr freundlich.) Weißt was, Buberl, du mußt das nicht jedem auf die Nasen binden, daß ich bei der Mamsell Klara war! Und wenn du recht schön verschwiegen sein willst und nix sagst, daß du mich g'sehn hast von der Mamsell Klara herausgehn, so schenk' ich dir diese drei glänzenden funkelnagelneuen Silbertaler.
Hansi (voll Freude). O mein! Die gehören mein?!
Puffmann. Alle drei!
Hansi (jubelnd). Jetzt kauf' ich der Frau Mutter a Haus.
Puffmann. Aber nix sagen, woher du das Geld hast! (Für sich.) Seine Mutter kitzelt ihm's schon heraus. Der Alibi-Beweis steht juridisch fest. Triumph der praktisch-kasuistischen Genialität! (Eilt nach links ab.)
Hansi, dann Frau Hußbergerin.
Hansi (allein). Juchhe! Ich war ein armer Bub und jetzt bin ich ein reicher Mann! Und ich hab' ihn richtig da herauskommen g'sehn, ich hab's nur im ersten Schlaf nicht recht g'merkt, daß ich munter bin. (Springend.) Juchhe!
Frau Hußbergerin (aus dem Gasthause mit der gefüllten Flasche). Was treibt denn der Bub? Wirst still sein so spät auf d' Nacht! (Ihn erschrecken wollend.) Er wird gleich kommen!
Hansi. Anpumpt! Er war schon da.
Frau Hußbergerin. Wer?
Hansi. Der Schwarze! Und da schau' d' Frau Mutter her! (Ihr die Taler zeigend.) Eintausend, zweitausend, dreitausend!
Frau Hußbergerin (das Geld nehmend). Was is denn das?!
Hansi. Achtgeb'n, da gilt jedes Stückl viele tausend Dukaten.
Frau Hußbergerin. Wie kommst du denn zu dem Geld?
Hansi. Der Schwarze hat mir's geben.
Frau Hußbergerin. Bub, wennst nicht ordentlich red'st
Hansi. Wann ich aber schon sag', der Schwarze!
Frau Hußbergerin. Willst du dein' Mutter für ein' Narren halten?!
Hansi. Ich darf nix verraten!
Frau Hußbergerin. Verraten? Von wem?
Hansi. Vom Schwarzen.
Frau Hußbergerin. Na, wart', der Scheckel wird gleich alles herausbringen aus dir!
Hansi. Nein, nein, Frau Mutter, ich sag's schon so. Er is bei der Mamsell Klara g'wesen.
Frau Hußbergerin. Wer?
Hansi. Der Schwarze! Ich hab' ihn herausgehn g'sehn, und da hat er mir die Menge Geld gegeben, daß i nix verrat'.
Frau Hußbergerin (staunend). Was? Beim Span seiner Schwester?
Hansi. Still!
Frau Hußbergerin. Ah, da trifft mich der Schlag! Das wär' das Allerneueste! Ah, da muß ich gleich ! (Eilt zu einem Fenster des Hauses rechts und klopft an.) Frau Flachsin! Liegt d' Frau Flachsin schon im Bett? Komm' d' Frau Flachsin a wenig heraus! (Zu Hansi.) Geh her, Hansi! Wie hat er denn ausg'schaut?
Hansi. Schwarz!
Frau Hußbergerin. Als wie a Schlosser?
Hansi. Nein.
Frau Hußbergerin. Oder wie a Rauchfangkehrer?
Hansi. Nein, als wie a nobler Herr.
Frau Hußbergerin. Nobler Herr ?! Ah, das is zum Fraiskriegen!
Frau Flachsin; Vorige.
Frau Flachsin (eilig aus dem Hause rechts kommend). Na, was is's denn, Frau Hußbergerin?
Frau Hußbergerin. Frau Flachsin Nachbarin was glaubt die Frau Flachsin?
Frau Flachsin (neugierig). Na?
Frau Hußbergerin. A vornehmer Herr war bei der Jungfer Klara.
Frau Flachsin (die Hände zusammenschlagend). Was ?!
Frau Hußbergerin. Meinem Buben hat er drei harte Taler geschenkt, daß er nix sagen soll.
Frau Flachsin. Jetzt sixt es, da hast es! Die Klarl! Aber hab' ich's nicht allweil g'sagt ?! Na, wann das die Küblerischen hören! (Eilt zu einem Fenster im Prospekte rechts und ruft.) Küblerin! Herr Kübler! G'schwind, geschwind!! (Vorkommend zur Hußbergerin.) Sie sitzen noch beim Essen, ich hör' Teller scheppern.
Frau Hußbergerin. Die essen doch von fruh bis in die sinkende Nacht.
Frau Flachsin. Nein, wer hätt' sich das denkt! D' Mamsell Klarl!
Frau Hußbergerin. So muß man den Leuten auf d' Schlich' kommen.
Kübler und Frau Küblerin (er im Schlafrock, eilig aus dem Hause kommend); Vorige.
Kübler. Was ist's?
Frau Küblerin (zugleich). Was gibt's denn?
Frau Flachsin. Eine entlarvte Heuchlerin gibt's!
Kübler (äußerst neugierig). Wie, was, wann, wo?
Frau Hußbergerin (auf Klaras Fenster zeigend). Da droben!
Frau Flachsin. Grad is er heruntergekommen und hat den Hußbergerischen Hansi beschenkt.
Kübler und Frau Küblerin. Wer?
Frau Hußbergerin. Ein fremder Baron.
Frau Schmalzerin; Vorige.
Frau Schmalzerin (erscheint mit Nachthaube am Fenster im Hause rechts vorne an der Kulisse im ersten Stock). Küblerin, Flachsin, Hußbergerin, was habts denn da drunten?
Frau Hußbergerin. Eine Neuigkeit!
Frau Schmalzerin. Ihr sagts ein' ja gar nix.
Kübler. Bei der Mamsell Klara war ein junger Graf und hat dem Hußbergerischen Bub'n einen ganzen Hut voll Gold und Silber g'schenkt, daß er nichts verrat't.
Frau Schmalzerin. Mir verschlagt's die Red' ! (Noch am Fenster.) Ich komm' gleich! (Zieht sich zurück und ruft von innen.) He, Schmalzer! Steh auf!
Die Vorigen ohne Frau Schmalzerin.
Frau Hußbergerin. 's kommt halt doch alles auf mein' Red' heraus.
Frau Küblerin. Die stille Jungfrau Klara!
Frau Hußbergerin. »In der Still und in der G'ham« über das Sprichwort steht gar nix auf.
Kübler. Diese Augenniederschlagerinnen, diese Nichtauffünfzählenkönnerinnen, das waren von jeher die Ärgsten.
Frau Schmalzerin, Schmalzer; Vorige.
Frau Schmalzerin. Also, wie war der Hergang?
Schmalzer. Große Neuigkeiten muß man haarklein erzählen.
Frau Hußbergerin (nach der Gasthaustüre sehend). Still ich glaub', er kommt.
Alle. Wer?
Frau Hußbergerin. Der Mussi Bruder, der allweil so achtgibt auf sie!
Kübler. Daß kein Hauch der Verführung auf das Kleinod blast.
Frau Flachsin. Sehr gut gegeben!
Frau Hußbergerin. Der künftige Schwiegervater ist auch dabei.
Schmalzer. Gehn wir da ins Haus hinein, daß wir sehen
(Alle ziehen sich in das offene Haustor in der Mitte des Prospektes.)
Peter, Thomas; Vorige (im Hintergrunde).
Peter (mit Thomas aus dem Gasthause kommend). 's ist Zeit, meine Schwester wird eh' schon Ängsten haben.
Thomas. Daß du ja nicht vergißt, ich lass' ihr a gute Nacht wünschen.
Peter. Die wird sie auf alle Fäll' haben. Arbeitsam, g'sund und a guts Gewissen, wo kommt da a schlechte Nacht her?
(Alle, im Hintergrund innerhalb des Haustores, kichern und lachen.)
Thomas (sich umsehend). Wegen was lachen denn die da?
Peter. Was kümmert das uns? Unter andern, morgen holen wir dich zum Kirchtag ab.
Thomas. Nimmst deine Schwester mit?
Peter. Freilich.
Thomas. Das is g'scheit; 's arme Madl hat eh' ka Freud'.
(Alle lachen wie früher.)
Thomas (sich ärgerlich umsehend). Was s' denn nur allweil z' lachen haben?
Peter. Ist besser, sie lachen, als sie schneiden den Leuten die Ehr' ab.
Thomas. Da scheint sich aber beides zu vereinen.
Peter (das frühere Gespräch aufnehmend). Viel Unterhaltung wird's wohl für mein' Schwester nicht sein ohne dein' Sohn, ihren einzigen Tänzer, ihr'n Josef.
Thomas. A paarmal umundum riskier' ich mit ihr.
Peter. Ah, beim Schwiegervater, da wird sie a Ausnahm' machen, aber mit ein' Fremden tanzet sie um kein' Preis.
(Alle lachen wie früher, doch lauter.)
Thomas. Aber schon wiederum jetzt werd' ich bald schiech werd'n. (Fährt auf, als ob er nach dem Hintergrunde wollte.)
Peter (ihn besänftigend). Wir wissen, wir haben nichts Lächerliches an uns, also
Thomas. Schau nach, vielleicht hat mir wer einen Esel auf 'n Buckel zeichnet.
Peter. Ach, wer sollt' denn so was ?
Thomas. Ich red' aus Erfahrung, es gibt Witzköpfe
Peter. Nein, nein, 's is nix!
Thomas. Was haben s' denn nachher?
Peter. Vielleicht wird jetzt die Walpurgisnacht im September zelebriert; wer kann in diese Verhältnisse dringen?
Thomas. 's sein aber Männer auch dabei.
Peter. Um so schauerlicher, denn das is a alte Wahrheit: über ein altes Weib geht nix als ein Mann, der ein altes Weib is! Gute Nacht!
Thomas. Gehn wir nach Haus!
(Peter geht in die Haustüre links im Prospekt, Thomas rechts im Vordergrunde. Die übrigen Anwesenden kommen hervor, indem sie spöttisch auf Thomas und Peter zeigen und lachen. Die Musik fällt ein.)
Der Vorhang fällt.
Puffmanns Bureau im Schlosse; links an der zweiten Kulisse steht ein Schreibtisch. Mitteltüre und rechts und links an der ersten Kulisse Seitentüren.
Baron Massengold, Herr von Packendorf, Herr von Lockerfeld, Herr von Althof, Herr von Seewald, Puffmann.
(Massengold sitzt in einem Fauteuil, die übrigen umgeben ihn zu beiden Seiten.)
Massengold (mit trostloser Gebärde). Millionen hab' ich zehn, Braut nur eine einzige. Warum hab' ich nicht lieber eine Million verloren?
Puffmann. Weil man Bräute weit leichter wiederfindet als Millionen, das wird sich das Schicksal gedacht haben, wie es so unartig war, Euer Gnaden zu beleidigen.
Massengold. Bräute genug, aber keine Hermine!
Puffmann. Der arme Baron hat schon ganz eine abgehärmte Miene vor lauter Hermine.
Packendorf (scharf zu Puffmann). An seiner Traurigkeit über die in Brüche gegangene Trauung liegt wenig, es handelt sich auch nicht darum, mit wem er sich trauen lassen, sondern (scharf betonend) wem er trauen soll, verstanden, Herr Sekretär?
Puffmann. Nein, nicht verstanden! (Zu Massengold.) Euer Gnaden, (im Tone des Verletztseins) der Herr von Packendorf will mich kränken.
Packendorf. Hm, das zeigt, daß Sie mich doch verstanden haben.
Puffmann. Kränkung leid' ich nur von meinem gnädigen Herrn Baron, aber von Herrn von Packendorf
Packendorf. Müssen Sie's leiden, wenn er den Verdacht ausspricht, den die Umstände auf Sie werfen, den wir alle teilen.
Althof. Wir haben ihn eigentlich jeder ganz.
Puffmann (im Tone gekränkter Unschuld zu Massengold). Auch mein Baron und Gebieter?
Massengold. Nein, aber eben weil die andern und in einem fort und immer gegen Sie
Lockerfeld (zu Puffmann). Man hat Sie zu verschiedenen Malen in Eschenau und den vom Baron abgewiesenen Gröning bei Ihnen gesehen.
Puffmann. Hab' ich ihn hinauswerfen können?
Massengold. Oh, hätten Sie's getan! Dieser Gröning, dieser Satan, dieser Basilisk
Althof. Ist offenbar der Entführer.
Packendorf. Ein junger Mann, dem ich das Mädchen von Herzen gönne; dem Sie aber (zu Puffmann) keinen Vorschub zu leisten hatten.
Puffmann (mit Selbstgefühl). Wer kann mir beweisen ?
Seewald. Eigentlich niemand.
Lockerfeld. Es sind nur Vermutungen
Packendorf (zu Puffmann). Die Ihre gestrige rätselhafte Abwesenheit und Ihre jetzige Weigerung, zu sagen, wo Sie waren, zum begründeten Verdacht erheben.
Massengold. Puffmann, durch eine Erklärung können Sie sie alle schlagen.
Puffmann. Wenn mein Baron und Gebieter es durchaus wünscht
Massengold. Ja, Puffmann, schlagen Sie sie
Puffmann (mit affektierter Verschämtheit). Nun denn es war ein Liebesabenteuer, eigentlich nur Liebelei, Passeletang, und ich muß einigermaßen erröten, wegen dem Rangabstand ihrerseits und der Herablassung meinerseits.
Packendorf. Ohne Ziererei: Wohnort, Name?
Puffmann (wie oben). Klara Span, Handnähterin, in der Kleingasse, Eckhaus in die Krummgasse.
Massengold (triumphierend zu seinen Freunden). Also gerechtfertigt!
Packendorf. Hm, so etwas ist bald gesagt.
Puffmann. Die Sache dürfte Aufsehen erregt haben, man hat mich gesehen!
Lockerfeld. Mich treibt doppelte Neugierde; überlaßt es mir, Freunde, seine Aussage aufs juridischste zu ergründen. (Eilt zur Mitte ab.)
Vorige ohne Lockerfeld.
Massengold. Ich habe schon alles ergründet, mein Puffmann ist einmal mein braver Sekretär Puffmann, und über den lass' ich nichts kommen.
Puffmann (demütig, mit affektierter Schüchternheit). Und verzeiht mir mein gnädiger Baron die momentane Michhinwegwerfung an eine unbedeutende Person?
Massengold. Oh, Spaß! Schäkerei! Aber meine Sache ist ernst ! Wie kann ich meine Hermine zum Altar und ihren Holländer ins Gefängnis schleppen? Das sind Lebensfragen, Preisaufgaben!
Puffmann (mit großem Eifer). Ja, da heißt's, die Klepper aus den Ställen! Späher in alle Weltgegenden, alles aufsitzen lassen, vom höchsten Baron bis zum untersten Stallknecht!
Packendorf (mit Beziehung zu Puffmann). Auf das scheinen Sie's oft anzulegen.
Massengold (zu Puffmann). Nein, das ist nichts, ich will alles gerichtlich, ich will sogleich meine Familienpapiere durchsuchen und sende dann die Dokumente an die Behörde.
Puffmann (etwas betroffen). Was für Dokumente?
Massengold. Mein Vormundschaftsdekret, Herminens Geburtsschein.
Puffmann (mit aufkeimender Angst). Oh, ich glaube, das ist unnötig.
Packendorf (dem Puffmanns Befremdetsein auffällt). Nein, sehr nötig, Herr Sekretär! (Zu Massengold.) Komm, wir wollen dir helfen, dein Archiv durchstöbern.
Massengold (indem er mit seinen Freunden abgeht). Ich war Bräutigam und dringe gerichtlich auf Wiedereinsetzung in 'n vorigen Stand.
(Alle bis auf Puffmann Seitentüre rechts ab.)
Puffmann.
Puffmann (allein). Welcher Höllenkobold hat ihm die Geburtsscheinidee ins Hirn gehext!? Ah, ich hab' wirklich viel von einem gehetzten Eber an mir; immer der ganze Rudel über mich her, der Packendorf als Brakierhund voran, 's Schicksal im roten Frack als Parforcejäger hintendrein. Die Geburtsscheinradierung kommt jetzt ans Licht aber der Täter bleibt ja doch im Dunkeln. Courage! Kann man mir beweisen kann wer auftreten gegen mich ?
Thomas; der Vorige.
Thomas (zur Mitte eintretend). Lieber Herr, ich bin da.
Puffmann (erschreckend, mit einem unterdrückten Schrei). Ah (für sich) jetzt is es mir eiskalt durch alle Glieder gefahren.
Thomas (pfiffig lächelnd). Sehn S', ich triff Ihnen halt doch z' Haus.
Puffmann. Glaubt Er denn aber, ich bin nur für Ihn auf der Welt? Ich hab' Geschäfte.
Thomas. Die hab' ich auch.
Puffmann. So geh' Er Seinen Geschäften nach!
Thomas. Das tu' ich so, deßtwegen bin ich ja da. Sehn S', mein Sohn hat eine Braut.
Puffmann. Gratuliere, kann aber nicht zur Hochzeit kommen, bin schon auf vier Monate eingeladen, alle Tage.
Thomas. Nein, es is ein anderer Umstand. Er soll mit ihrem Heiratsgut, was die Braut ihm zubringt, los'kauft werden vom Militär, der Ersatzmann kost't fünfhundert Gulden.
Puffmann. Dann dank' Er Gott, daß Sein Sohn so eine Verschwenderin gefunden hat, und betreib' Er die Sach', eh' sie's reut.
Thomas. Es is edel von ihr, ich will aber auch edel sein. Ich nehm's nicht von ihr, mir is's lieber, Sie kaufen mein' Sohn los.
Puffmann (aufgebracht). Wa was sagt Er da?! Impertinenter Mensch, hinaus!
Thomas (gutmütig). Oho, ich bin ja Ihr verschwiegener Freund; so bös anschrein könnten S' mich, wenn ich was ausplauschen tät', wenn ich saget, der Mann
Puffmann (ihm den Mund zuhaltend). Still' Unglückseliger!
Thomas. Ich bin auf kein' Fall unglückselig, aber Sie wären's, wenn ich nicht
Puffmann. Um 's Himmels willen, still! (Für sich.) Was tu' ich? Mir bleibt nichts übrig (Geh zu seinem Pult.)
Thomas. Ah, wegen die fünfhundert Gulden bleibt Ihnen noch genug übrig. Meinetwegen b'halten S' die fünfhundert Gulden
Puffmann (freudig überrascht). Ja, sieht Er ein, daß es zu unverschämt
Thomas (in seiner Rede fortfahrend). Und geben S' mir das, was Ihnen übrigbleibt.
Puffmann (grimmig). Oh, du höhnischer Satan!
Thomas. Hören S' auf! Is das a Red' für so ein' guten Herrn? Mich werden jetzt gleich die ganzen fünfhundert Gulden nicht g'freun. (Treuherzig.) Schaun S', ich bin ja nicht indiskret', keinem Menschen sag' ich, daß ich ein Geld und wie und warum ich's kriegt hab'. Selbst der Braut wird nur g'sagt, sie haben mein' Sohn nicht mehr braucht bei d' Soldaten, weil der Frieden so stark überhandnimmt.
Puffmann (indem er Thomas das Geld gibt). Da hat Er aber das sag' ich Ihm, das is zum letztenmal
Thomas. Ein Wort ein Mann! Das is das letzte Geschenk! (Nimmt das Geld.)
Puffmann. Und jetzt geh' Er!
Thomas. Bedank' mich vielmals, mir is nur leid
Puffmann (nach der Seitentüre rechts horchend). Der gnädige Herr kommt
Thomas. Der kennt mich nicht. Schad'! Wenn er fragen sollt', wer da war, so sag'n S' halt, der Thomas legt sich ihm unbekannterweis' zu Füßen. (Geht zur Mitteltüre ab.)
Puffmann (mit unterdrückter Wut gegen die Türe, wo Thomas abgegangen ist). Nicht ihm, mir leg' dich lieber zu Füßen, daß ich die Wonne deiner Zertretung genießen kann!
Herr von Packendorf, Herr von Althof, Herr von Seewald; der Vorige.
Packendorf (mit Althof und Seewald aus der Seitentüre rechts kommend, zu Puffmann). Herr, die Sache wird immer kritischer. Herminens Geburtsschein ist durch eine verdächtige Kalligraphie um drei Jahre zurückradiert.
Althof. Federmesser
Seewald. Sandrack
Packendorf. Schwärzere Tinte alles unverkennbar
Puffmann (mit verstellter Verwunderung). Was Sie sagen ?
Packendorf. Was wir sagen, das werden Sie gleich hören. Der Baron ist außer sich, das hat eigentlich nichts zu sagen. Wir aber sagen, die Hand, die Gröning bei Herminens Entführung behilflich war, hat auch den Geburtsschein verfälscht.
Seewald. Und wer das eine nicht getan
Althof. Der ist auch an dem andern unschuldig.
Puffmann (sich in die Brust werfend). Meine Herren, ich will nicht hoffen
Packendorf. Wozu viele Worte, Herr Sekretär? Wie wir über Sie zu denken haben, hängt schlechterdings davon ab, ob Ihr gestriges Abhandensein sich durch Bewährung des angeblich gestern, als am siebenten September abends, stattgehabten Liebesabenteuers rechtfertiget. Dixi!
Herr von Lockerfeld; Vorige.
Lockerfeld (zur Mitteltüre hereineilend). 's hat alles seine Richtigkeit! Herr Puffmann, Sie sind ein Teufelskerl!
Packendorf, Althof, Seewald. Also wirklich?
Lockerfeld. Die ganze Nachbarschaft der Klein- und Krummgasse, und wie sie alle heißen, ist voll davon, daß gestern abends ein eleganter Herr bei Mamsell Klara war. Das Mädchen selbst konnte ich leider nicht zu Gesicht bekommen, aber ich werde Ihr Nebenbuhler, lieber Puffmann! Darauf machen Sie sich gefaßt.
Puffmann (jovial). Eifersucht ist meine Sache nicht.
Packendorf (zu Puffmann). Herr Sekretär, hadern Sie mit den Umständen, nicht mit uns! Aber Ehrenerklärung, Abbitte, freundschaftliche Genugtuung, das alles drücke sich in diesem Händedruck aus! (Reicht Puffmann die Hand.)
Seewald, Althof, Lockerfeld (Puffmann die Hand schüttelnd). Es tut uns leid
Puffmann. Dieser rührende Moment entschädigt mich reichlich.
(Man hört läuten.)
Lockerfeld. Die Frühstücksglocke! Beim heutigen Frühstück soll's heiß hergehen! Puffmanns verkannte Unschuld müssen wir leben lassen.
Packendorf. Und Freund Massengolds Gram in Champagner töten.
Lockerfeld. Wir müssen also im strengsten Sinne des Wortes trinken auf Leben und Tod.
Packendorf, Althof, Seewald (lachend). Auf Leben und Tod!
Lockerfeld (indem er mit Packendorf, Althof und Seewald abgeht, zu Puffmann). Kommen Sie, Puffmann! (Rechts ab.)
Puffmann. Sogleich! (Schließt sein Pult zu.) Ich feiere jetzt den Triumph verkannter Tugend aber ich kann wohl sagen (sich die Stirne trocknend) ich habe mir meine Unschuld im Schweiße meines Angesichts erworben. (Folgt den übrigen, indem er sich mit dem Schnupftuch Kühlung zufächelt.)
Freier, von Bäumen umgebener Platz vor einem Gasthause außer der Stadt, alles zum Kirchweihfest dekoriert. Im Vordergrunde der Bühne stehen mehrere Tische. Von der dritten Kulisse an über die ganze Breite der Bühne ein um zwei Stufen erhöhter Tanzboden, vom Vorderraume durch Reisiggeländer und papierumwickelte Säulen geschieden; in der Mitte der Aufgang. Rechts auf dem Tanzboden das Orchester. Im Hintergrunde das Gasthaus mit festlich dekoriertem Eingang.
Kübler, Frau Küblerin, Susi, Flachs, Frau Flachsin, Klopf, Frau Klopfin, Netti, Schmalzer, Frau Schmalzerin, Spring, Biegel, Leicht, mehrere Handwerker mit Frauen und Mädchen, Kellner, Musikanten.
(Alles ist im Sonntagsstaat. Auf dem erhöhten Tanzboden tanzt der jüngere Teil der Anwesenden, darunter Netti, Susi, Spring, Leicht, Biegel. Am Tische vorn rechts sitzen Kübler, Frau Küblerin, Flachs, Frau Flachsin; der Tisch links vorne ist leer. Am nächsten Tische links etwas weiter zurück sitzen Klopf, Frau Klopfin, Schmalzer, Frau Schmalzerin. An den übrigen Tischen sitzen ebenfalls Gäste, sämtliche Tische sind mit Speisen und Wein bedeckt. Auf dem erhöhten Tanzplatze wird eben der letzte Teil einer Walzertour gespielt, wonach eine Pause eintritt. Die Tanzenden promenieren auf dem Tanzboden; an den Tischen unten wird das eifrig geführte Gespräch fortgesetzt.)
Flachs. Und wer weiß, wie oft der vornehme Herr schon bei ihr war!
Kübler. Das sag' ich ja, der erste, der attrappiert wird, is immer der, der nach dem letzten von allen denen kommt, die nicht attrappiert worden sind.
Klopf (zu Netti, welche eben vom Tanzboden herabkommt). Aber du mußt wieder getanzt haben!
Frau Klopfin. Da setz' dich her und kühl' dich ab!
(Netti setzt sich zu ihren Eltern.)
Kübler (zu den am nächsten Tische Sitzenden). Was, Sie wissen die G'schicht' in unserer Gassen noch nicht? Ah, das muß ich Ihnen erzählen!
Frau Flachsin (zur Frau Küblerin). 's liegt alles an der Erziehung.
Frau Küblerin. Hübsch achtgeben, nie ein Mädel außer Augen lassen!
Susi (mit Spring, Leicht und Biegel vom Tanzplatz herabkommend, zu ihren Begleitern). Ich kann mich doch nicht zerteilen! (Zu Frau Küblerin.) Frau Mutter, die Herren streiten, wer die nächste Tour mit mir tanzt.
Frau Küblerin (geschmeichelt zu den drei Begleitern). Oh, ich bitte
Spring. Wenigstens lass' ich mir das Recht nicht nehmen, jetzt mit der Fräul'n zu promenieren. (Gibt Susi den Arm.)
Biegel und Leicht. Wir auch nicht! (Nähern sich mit Galanterie Susi von der andern Seite und gehen mit ihr und Spring links im Vordergrund ab.)
Frau Küblerin (wie oben). Oh, ich bitte! (Zu Frau Flachsin.) Wie's um meine Susi zugeht!
Klopf. Den Brudern, den rechtschaffenen Span, bedauere ich wirklich von Herzen.
Kübler (steht auf, nimmt sein Bierglas und gebt zu Klopfs Tisch). Der Bruder lieber Himmel dieser Bruder man hat ja mehr so Beispiele; ich sag', wenn er nicht einverstanden wär' mit der ganzen G'schicht'
Klopf (entrüstet). Einverstanden?! Wer kann dem braven Span so was nachsagen, Herr? (Sich erhebend.) So eine Schwester zu haben is ein Unglück, und wer einen Unglücklichen noch schlecht machen will, der verdient (Macht Miene, Kübler zu packen.)
Kübler. Sie haben eine kuriose Ansicht über die G'schicht' in unserer Gassen. (Geht wieder zu seinem Tisch zurück und setzt sich.)
Schmalzer. Recht hat er, der Herr Klopf.
Frau Schmalzerin (zu Schmalzer). Still sei, dich geht's gar nix an.
Peter, Klara, Thomas; die Vorigen; dann ein Kellner.
Thomas (mit Peter und Klara von rechts aus dem Vordergrunde). Aber wie's da voll is! Die ganze schöne Welt
Klara (entzückt, ohne auf die Leute zu sehen). Der Himmel so blau und die Erde so grün.
Peter. Und doch habens' Blau und Grün zur Narrenfarb' gemacht, das kecke Menschengeschlecht!
Thomas (zu den Anwesenden). Gehorsamer Diener allerseits!
Peter (die Anwesenden grüßend). Servus!
Klopf (zu Peter). Guten Tag!
Peter (ohne zu bemerken, daß nur Klopf seinen Gruß erwidert). Da is noch ein leerer Tisch, da kann man völlig von Glück reden.
Thomas (gutmütig schmollend, zu Klara). Aber Mamsell Klara, Sie schauen immer, was fliegt, aber unserein' schauen S' gar nicht an!
Klara. Sein S' nicht bös
Peter. Sie is halt überrascht, wie schön der blaue Musterstreif Himmel, der in unser Gassel eingezwickt ist, sich im ganzen Stuck ausnimmt.
(Sie setzen sich an den Tisch links vorne.)
Frau Küblerin (zu Kübler, Flachs und Frau Flachsin). Ich begreif' nicht, wie solche Leut' noch wo hingehen können.
Kübler. Frechheit, reine Frechheit!
Peter (zu Klara). Wenn dir das Heraußtsitzen nur nicht schad't, Klara! Die Septemberluft
Klara. Will ich eben genießen.
Thomas. Und dauert eh' nur bis ersten Oktober.
Frau Flachsin (zu Flachs, Kübler und Frau Küblerin). Setzen wir uns da hinauf! (Nach dem erhöhten Tanzplatz zeigend.)
Flachs, Kübler und Frau Küblerin. Ja, das tun wir. (Stehen auf.)
Kübler (zu den am nächsten Tische Sitzenden). Kommen Sie mit uns, das (auf Peter, Klara und Thomas zeigend) ist keine Gesellschaft.
(Gehen nach dem erhöhten Platze.)
Thomas. Kellner!
Kellner (aus dem Hintergrunde zu Thomas). Sie schaffen?
Frau Schmalzerin (zu Schmalzer). Unser Tisch wär' gar schön in der Nachbarschaft! Komm! (Steht auf und geht mit Schmalzer nach dem erhöhten Platze.)
Kellner (zu Thomas und Peter). Sehr wohl. (Entfernt sich.)
Peter (zu Klara). Weil's dir gar so g'fallt, so wollen wir da deinen Ehrentag feiern.
Klara (freudig). Wirklich?
Peter. Da dein Josef ohne Loskaufung militärfrei geworden is, dürfen wir schon anderseits etwas weniger ökonomisch sein.
Frau Klopfin (zu Klopf). Du hast recht! (Im Hintergrunde hört man die Instrumente stimmen.)
Klopf. Es tut einem weh gehn wir! (Geht mit Frau Klopfin und Netti nach dem erhöhten Tanzplatz, die am nächsten Tische Sitzenden folgen ihnen.)
Thomas (dies bemerkend). Regnet's denn, daß alles geht?
Klara. Wir sitzen auf einmal ganz allein.
Peter. Hörst denn nicht? Die Musikanten stimmen, das zieht alles hinauf.
(Kellner kommt mit Gläsern und Wein, Thomas und Peter schaffen während der nächstfolgenden Reden an.)
Netti (kommt vom Tanzplatze zurück und geht zu dem Tische, wo sie früher gesessen). D' Frau Mutter muß doch immer was vergessen. (Nimmt einen Beutel vom Stuhl und will wieder zurückeilen.)
Klara. Grüß' dich Gott, Netti! (Nimmt sie bei der Hand.)
Netti (sich losreißend). Laß mich gehn! (Läuft nach dem Tanzplatze.)
Klara (befremdet, für sich). Warum is denn die so unfreundlich? Ich hab' ihr doch nix getan.
Spring (mit Susi von Seite rechts herbeieilend). Meine Tänzerin sind Sie, reizende Susette, und kein anderer soll
Biegel und Leicht (nacheilend, zu Spring). Du hast es mit uns zu tun.
Klara (freundlich). Susi!
Susi (zurückweichend). Geh, die Mutter hat mir's verboten!
Klara. Was?
Susi. Ich darf nit reden mit dir, ich könnt' verdorben werden. (Geht mit Spring nach dem Tanzplatz, Biegel und Leicht folgen.)
Klara (äußerst befremdet). Was? Ich kann unmöglich recht verstanden haben. Sie will einen Spaß machen, aber (Musik im Hintergrunde spielt einen Walzer.)
Kellner (zu Thomas und Peter). Sehr wohl. (Entfernt sich nach dem Hintergrunde.)
Thomas. Mamsell Klara, verschmähen Sie mich als Kirchtagsupplenten meines Sohnes?
Klara. O nein!
Thomas. Wenn Sie den Willen fürs Werk nehmen, werden Sie an mir recht ein' guten Tänzer finden.
(Thomas, Klara, Peter gehen auf den erhöhten Tanzplatz. Thomas beginnt mit Klara zu tanzen, allsogleich hören die andern Paare zu tanzen auf; Thomas und Klara tanzen jedoch fort, ohne es zu bemerken. Frau Schmalzerin geht mit Schmalzer, Klopf, Frau Klopfin, Netti und noch einigen Personen vom Tanzplatze herab.)
Schmalzer. Solchen Leuten muß man's fühlen lassen.
Klopf (zu den Seinigen). Die Netti soll ihr Tuch nehmen, wir gehen nach Haus.
Frau Küblerin (mit Kübler, Flachs, Frau Flachsin, Susi, Spring, Biegel, Leicht und noch einigen Personen vom Tanzplatz herabkommend, zu Susi). Mich g'freut's nur, daß du s' so ab'trumpft hast, die Person.
Kübler. Wenn sie's jetzt noch nicht merken, müssen s' Tippelbäum' im Kopf haben.
Peter (noch oben auf dem Tanzplatz, staunend und aufgebracht, für sich). Was soll denn das bedeuten? (Zu Thomas und Klara.) Hörts auf! Ihr tanzts ja ganz allein?!
Thomas und Klara (zu tanzen aufhörend). Was is denn g'schehn?
Peter. Das werden wir gleich hören. (Zum Tanzorchester.) Still, Musikanten! Zu dem Tanz spiel' ich mir selber auf! (Die Tanzmusik schweigt, zu Thomas und Klara.) Kommts! (Nimmt beide bei der Hand und führt sie vom Tanzboden herab in den Vordergrund.)
Kübler (zu den Seinigen). Für mich is so was ein Genuß!
Peter (zu allen Anwesenden). Jetzt bitt' ich mir Red' und Antwort aus! Das Aufstehn früher, wie wir uns niederg'setzt haben, das Aufhören jetzt, wie meine Schwester mit ihrem künftigen Schwiegervater zu tanzen hat ang'fangt war das zufällig oder is es auf uns gemünzt?
Mehrere Anwesende. Ja, wie man's nimmt jetzt, das heißt (Ziehen sich zurück.)
Flachs. Es kann eigentlich jeder tun, was er will.
Peter (ihm drohend). Das wär' ein Unglück für 'n Herrn, wenn ich jetzt seiner Meinung wär'!
Kübler (spitzig zu Peter). Ohne Ursach' is wohl nix auf der Welt.
Schmalzer. Die Nachbarschaft hat Augen im Kopf.
Kübler. Und dann hat jede Nachbarschaft wieder eine Nachbarschaft, die auch nicht blind is.
Flachs. Und 's Reden laßt sich schon gar keine Nachbarschaft verbieten.
Frau Küblerin, Frau Flachsin, Frau Schmalzerin. Das ging' uns ab!
Peter. Oh, jetzt is G'legenheit, jetzt muß g'red't werd'n, und zwar ins G'sicht, das is ganz was Neues für euch, die ihr nur g'wohnt seids, hinter'm Rücken zu reden. Heraus mit der Sprach'!
Klopf. Herr Span ich bin überzeugt, daß der Herr Span keinen Teil hat an der gegebenen Ärgernis
Peter (frappiert). Ärgernis ?!
Spring (zu Peter). Wenn Sie Fasson hätten, würden Sie uns nähere Erklärungen ersparen und mit den Ihrigen das Weite suchen.
Peter (Spring mit Geringschätzung messend). Lauf auf d' Herberg', Jüngling, und hol' dir elf Kameraden, über ein' Schneider geh' ich nicht!
Klopf (zu Peter). Es is traurig, wenn ein rechtschaffener Bruder so eine Schwester hat.
Peter. Was ?!
Thomas. Mein' Sohn seine Klara!?
Peter (mit Entrüstung). Wer kann gegen das Mädel, gegen das Muster von Eingezogenheit und Sitten
Kübler. Hier is nicht die Red' von die Sitten, die sie hat, sondern von die Visiten, die sie kriegt.
Flachs. Alle Abende eine andere.
Kübler. Gestern Abend gar a noble, während Bruder und Schwiegervater im Wirtshaus waren.
Peter (wütend zu Kübler). Mensch, das war dein letztes Wort, nicht einmal zum Widerruf sollst du mehr ein' Atem kriegen. (Will ihn packen.)
Klopf (Peter zurückhaltend). Halt er hat leider nicht gelogen.
Peter (entrüstet zu Klopf). Herr Klopf, Ihnen erwürg' ich mit schwerem Herzen wann's aber sein muß
Klopf. Ruhig, Freund ohne Beweis, ohne Gewißheit traueten wir uns keiner, so was zu sagen.
Peter (seiner Sinne kaum mächtig). Beweis? Gewißheit? Leut', ihr müßt seit gestern trinken, euer Rausch ist zu enorm für einen Tag, selbst wenn's ein Kirchtag is. (Zu Klara sich wendend.) Klara! jetzt is es an dir. Ich hab' nur Fäust' für solche Menschen, du wirst Worte haben für sie. Ich kann nur ihre Leiber blau färben, und das sehr fleckig, du aber kannst ihre ganzen Seelen blutrot machen vor Schand', wenn du ihnen sagst, wie namenlos sie sich an dir versündigt hab'n. Red'!
Thomas. Ja, Klara, reden S'!
(Klara, die bisher, vor Staunen halb besinnungslos, die Anwesenden anstarrte, bedeckt mit beiden Händen das Gesicht und weint.)
Frau Küblerin (nach einer Pause). Sie weint!
Frau Flachsin. Das können wir auch.
Mehrere Frauen. Jawohl!
Peter (zu Klara). Red' so red' doch es is unmöglich, daß du schuldig bist! (Pause.)
Kübler (zu Flachs). Wie g'fallt dem G'vattern die Rechtfertigung?
Peter (zu den Anwesenden). Wo sind die Zeugen einer solchen Beschuldigung?
Mehrere. Die werden wir stellen.
Kübler und einige Männer. O ja, das können wir auch.
Peter (sich dringend zu Klara wendend). Klara, ich bitt' dich um alles in der Welt red'!
Thomas (bittend zu Klara). Sie blamieren durch Ihr Stillschweigen zwei Häuser.
Kübler. Wenn sie uns Lugen strafen könnt', tät' sie's schon.
Flachs (zu Thomas). Die Hußbergerin sitzt drin.
Schmalzer (Thomas unter den Arm nehmend). Da kann sich der Herr Thomas am besten überzeugen.
Thomas (mit Staunen und erwachendem Argwohn).Was? Ah, also ah?! (Wird von Flachs und Schmalzer über den erhöhten Tanzplatz nach der Wirtsstube geführt.)
Peter (heftig zu Klara). Red', du unglückseliges Geschöpf!
(Klara ringt die Hände, will sprechen, aber das Schluchzen raubt ihr die Stimme, sie bricht noch heftiger in Tränen aus und schweigt, ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckend.)
Frau Küblerin (zu Kübler, indem sie höhnisch auf Klara zeigt). Verstehst du die Sprach'?
Kübler. Nein.
Frau Schmalzerin. Sie weiß halt nix.
Frau Küblerin. Welche von uns is denn still, wenn sie was weiß?
Kübler. Recht hat s', die Meinige. Gehn wir jetzt wieder zu unserer Unterhaltung und melieren wir uns nicht weiter.
Alle (außer Peter, Klara und Klopf). Freilich, was geht's uns weiter an?! (Gehen alle, außer Peter und Klara, auf den Tanzplatz ab.)
Peter, Klara.
Peter (im Tone des bittern Vorwurfs). Sie gehn alle und du laßt das auf dir und
Klara (plötzlich wie aus einer Betäubung erwachend). Er auch? (Sich umsehend.) Der Vater Thomas!
Peter. Der, scheint mir, war einer von die ersten, die sich empfohlen haben.
Klara. Er zweifelt an mir?
Peter (etwas schroff und böse gegen Klara). Man kann ihm's im Grunde nicht verargen.
Klara. Er zweifelt an mir und du gibst ihm recht? Das ist dein Ernst nicht, Bruder, mein Herz war ja immer offen, wo hätt' ich da so viel Laster und Betrug versteckt vor dir? Nein, du zweifelst nicht an deiner armen, schuldlos gekränkten Schwester!
Peter (gerührt, staunend). Jetzt red't s' auf einmal und früher war s' still.
Klara. Ich hab' nicht können, solang' die abscheulichen Leut' da waren ich hab's anfangs nicht recht verstanden, was s' wollen, wie ich aber auf einmal g'sehen hab', was ihre Absicht is, daß sie wirklich da hab' ich weinen können, aber mit 'n Reden war's vorbei, ich hab' g'schnappt nach Luft, aber sie war so von Verleumdung verpest't, daß die Sprach' der Wahrheit hat müssen ersticken drin.
Peter (sie gerührt ans Herz drückend). Gott, wenn das Mädel vor d' Leut' so red'n könnt'! Mir is alles klar, Klara, ich versteh' dich; andere Leute sagen viel und 's heißt nix, bei dir aber heißt grad das sehr viel, daß du nix hast g'sagt. »Eure Anklage is meiner Verteidigung nicht wert. Worte der Unschuld sind zu gut, um an euren verdorbenen Trommelfellen abzuprallen, eine Taube wird sich nicht vor den Richterstuhl giftschlammiger Kroten stellen; ihr seid nicht wert, daß ich, daß ich « mit einem Wort, das alles hast du mit dem Nixsagen g'sagt; ich begreif's akkurat, aber die haben's nicht begriffen. Das Volk muß physisch beim G'nack gepackt und moralisch mit der Nasen drauf g'stoßen werd'n.
Klara. Wenn das mein Josef hört!
Thomas; Vorige.
Thomas (ganz desperat aus dem Hintergrunde kommend). Mamsell Klara, das schreib' ich mein' Sohn. So hätten Sie nicht handeln soll'n, für so haben wir Ihnen nicht g'halten, denn so
Klara. Also können Sie wirklich glauben?
Thomas. Was ich glaub', das schreib' ich mein' Sohn. Er darf nicht mehr daher. (Seine Rührung bekämpfen wollend.) Er soll sich einen Ort suchen, wo er ohne Glück, aber auch ohne Schand' leben kann. (Mit vor Tränen erstickter Stimme.) Das schreib' ich meinem Sohn.
Peter (scharf zu Thomas). Hörst du, Thomas, so red't man nicht wegen einem bloßen Verdacht.
Thomas. Nein, so red't man nur, wenn man Beweise hat. Bei die Beweis' wär's nicht mehr möglich, ungläubiger Thomas zu bleiben. Ich hab' das Geld in der Hand g'halten, was der vornehme Herr der Hußbergerin ihrem Buben fürs Maulhalten g'schenkt hat; alle Leut' haben's gesehn, er erzählt's öffentlich. Alles drängt sich um ihn, der Hußbergerbub ist der Mann des Tages geworden.
Klara (vor Staunen fast verwirrt). Hör' ich recht ein Geld g'sehn, was man zur Verschwiegenheit ? Gott im Himmel! Wie kann denn ? Ich verliere den Verstand!
Thomas. Diese Wohltat wird mir leider nicht zuteil. Ich werd' mit klarem Verstand zuschauen müssen, wie mein desperater Sohn seine ganze Hoffnung auf 'n Nagel hängt und vielleicht sich selber auch dazu.
Kübler, Spring, Flachs; die Vorigen.
Kübler (mit Spring und Flachs von dem Tanzplatz herabkommend, ruft Thomas angelegentlich zu). Noch was, Mussi Pflökl! Der Bub sagt, ganz schwarz ang'legt war er, derjenige!
Thomas. Und mein Josef glaubt an ihre schneeweiße Unschuld! Armer Sohn jetzt hast du's schwarz auf weiß.
Kübler, Spring, Flachs. Komm' der Mussi Pflökl! (Nehmen Thomas unterm Arm und führen ihn wieder über den erhöhten Tanzplatz im Hintergrunde ab.)
Peter, Klara.
Klara. Er geht!
Peter. Und schreibt!
Klara. Entsetzlich!
Peter (kopfschüttelnd und einigermaßen von Zweifeln ergriffen, für sich). Hm, die G'schicht' mit dem Buben und mit 'n Geld is etwas. (Laut und sehr ernst.) Klara, auf ein Wort es is nur eine Frag'. (Verlegen, seinen Zweifel aussprechen zu können).
Klara. Oh, mein lieber Bruder, du jetzt noch mein einziges auf dieser Welt! (Sinkt weinend an seine Brust.)
Peter (mit Herzlichkeit und Vertrauen). Nein, die Frag' wär' zu dumm! Ich hab' dich fragen wollen, ob du mir ins G'sicht schauen kannst?
Klara (mit Innigkeit seine Hand fassend und zu ihm aufblickend). Peter, ich schwöre dir
Peter. Du hast nix zu schwören, Schwester, für dich hat die Natur schon 's Zeugnis abgelegt. Stirn und Aug' sind ihre Protokolle, unsere Konduitelisten, unser Steckbrief' und Belobungsdekret' sind da notiert! Und wer dir in d' Augen schaut und nicht auf 'n ersten Blick Unschuld lest, der is ein ABC-Bub, und wenn er Doktor von fünfzehn Fakultäten wär'!
Klara (mit Tränen). Und doch halten s' mich alle für schlecht!
Peter. Wird alles anders werden, wenn ich von meiner Wanderung zurückkehr'!
Klara. Du willst auch wandern?!
Peter. Ja, durch die Schluchten der Verleumdung bis an den Ursprung der Niederträchtigkeit und dann
Klara. Guter Gott, ich hab' dir ja nichts getan, warum hat denn solches Unheil kommen müssen über mich? (Die Hände ringend.) Ich kann's nicht überleben.
Peter. Oho, gar so übel steht's nicht mit dir, du hast inwendig ein reines Bewußtsein und hast auswendig einen Brudern, der sich g'waschen hat; was auf solche Weise von innen und außen g'stützt is, das fallt nicht gleich zusammen wegen ein bisserl Sturm den Trost kann ich dir als g'lernter Zimmermann geben. (Führt Klara im Vordergrunde rechts ab.)
Die Tanzmusik beginnt wieder, einige Paare tanzen. Die Spielenden kommen wieder vom Tanzplatz herab, einige rufen den Kellner und schaffen an, währenddem fällt der Vorhang.
Hofraum im Schlosse des Barons. Rückwärts über die ganze Breite der Bühne ein Trakt des Schlosses mit praktikablem Tor; rechts ein Vorbau des Schlosses mit terrassenförmigem Aufgang, welcher zur Eingangstüre führt. Links zieht sich ein Gitter mit praktikablem Gittertor, welches nach dem Vorplatz des Schlosses führt, bis nach dem Vordergrunde.
Franz, Rumpf.
Franz. Der Baron is wütend auf die alte Fräul'n.
Rumpf. Er spricht von Untersuchungsverzweigung, Mitwissenschaft, Helfershelferei. Sie hat ja deswegen von Schloß Eschenau hereinmüssen.
Franz. Wenn man da den Herrn Puffmann dreinbringen könnt', diesen ich mag gar nicht sagen, wer er ist
Rumpf. Ruhig, er ist mein Bureauchef, mir tut 's Herz weh, wenn wer über ihn schimpft, weil ich in meiner Stellung nicht nach Gusto mitschimpfen kann.
Franz. An Ihnen hat er auch schmählich gehandelt.
Rumpf (mit tiefer Kränkung). Weiß der Franz, was das heißt, dem Amtspersonale die Sporteln entziehn?
Franz. Uns Dienerschaft hat er's ebenso gemacht.
Rumpf. Wie gesagt, mir erlaubt meine ämtliche Stellung nicht
Franz. Setzen wir uns bei mir drin zusamm' zum zweiten Gabelfrühstück.
Rumpf. Das erlaubt meine ämtliche Stellung, ich lass' es mir wenigstens nicht verbieten von ihr. (Geht mit Franz links im Hintergrunde ab.)
Peter, Frau Hußbergerin, Hansi (treten durch das Gittertor links ein).
Peter (zu Frau Hußbergerin). Es is ihm gestern nix g'schehn und ebensogut garantier' ich der Frau heut' wieder Ihren ganzen, unverletzten Hansi.
Frau Hußbergerin. Im Grund kann er ja doch nix davor, der Hansi.
Peter. Das is g'wiß. Der Wind kann auch nix davor, daß er d' Regenwolken z'sammentreibt, deswegen muß er aber doch hernach die Erde trocknen, die er durch die dritte Hand naßgemacht hat; ebenso muß jetzt der Hansi helfen, das Unheil gutzumachen, was er unschuldig herbeig'führt hat.
Frau Hußbergerin. Ich fürcht' nur, daß ein gnädiger Herr dabei im Spiel is.
Peter. Das is ganz g'wiß, aber deswegen fürchten wir uns doch noch nicht. Der Beschreibung nach muß es einer von die Herren g'wesen sein, die immer beim gnädigen Herrn in Visit' sind, oder der gnädige Herr Baron selbst.
Frau Hußbergerin. Gott steh' uns bei!
Peter. Das wird er, denn 's Recht is auf unserer Seiten. Übrigens kann das Ganze nur an mir ausgehen. Die Gefahr sucht sich in der Regel Opfer, die ringen mit ihr, mit kleine Bub'n gibt sie sich nicht ab.
Frau Hußbergerin. Schick' mir 'n der Mussi Span nur bald nach Haus, 's Mutterherz is halt doch immer in Angst. (Geht durch das Gittertor links ab.)
Vorige ohne Frau Hußbergerin.
Peter. So, Hansi, jetzt werd'n wir wieder da Schildwacht stehn wie gestern.
Hansi. Nachher krieg' ich aber ein' lebzeltenen Reiter und ein' neuen Ballon.
Peter. Einen kugelrunden g'schecketen Ballon und ein' lebzeltenen Reiter, der manchen lebendigen an Haltung übertrifft. Schau die Herren nur alle recht gut an, die ich dir zeig'! (Nach dem Hintergrunde links zeigend.) Sieh, dort kommen zwei.
Packendorf, Althof; Vorige.
Packendorf (aus dem Hintergrunde links kommend und rechts nach der Terrasse gehend). Sie ist einmal seine Verwandte.
Althof. Und wenn er noch so aufgebracht ist über sie!
Packendorf. Wir tun deshalb doch, was die Höflichkeit erfordert.
Peter (der sich nach vorne rechts gezogen, leise zu Hansi). Is es der? (Auf Packendorf zeigend.)
Hansi. Nein.
Althof (mit Packendorf die Treppe hinaufgehend). Die Sache ist schnell abgetan.
Peter (wie oben, zu Hansi). Oder der andere? (Auf Althof zeigend.)
Hansi. Nein.
Packendorf. Machen wir ihr ein paar Kratzfüße in ihrem Appartement, wo er sie hin verbannt. (Geht mit Althof in die Eingangstüre oben auf der Terrasse ab.)
Peter, Hansi, dann Seewald.
Peter (zu Hansi). Also, der dir neulich auf d' Nacht das Geld gegeben hat, das war keiner von die zwei?
Hansi. Nein, die zwei waren's nicht, es is nur einer g'west.
Peter (auf Seewald zeigend, der eben aus dem Hintergrunde links tritt). Da schau den Herrn an, Hansi!
Hansi. Ich seh' ihn schon.
Seewald (für sich, ohne Peter und Hansi zu bemerken). Die andern tun's auch, warum sollt' ich nicht? (Die Terrassentreppe hinaufsteigend.) Eine Art von Respekt erfordert, daß man ihr eine Art von Artigkeit erzeigt. (Geht rechts oben ab.)
Peter, Hansi, dann Puffmann.
Peter. Also, der is's auch nicht?
Hansi. Nein, der is es gar nicht, da könnt's eher noch einer von die zwei andern sein.
Peter. Bub, mit dir hab' ich a Kreuz! Still! (Zieht ihn rechts in den Vordergrund.)
Puffmann (aus dem Hintergrunde links, ohne beide zu bemerken). Mach' ich ihr keine Visit', so erregt es Verdacht, mach' ich ihr eine, so erweckt es Argwohn, das juste milieu sagt: im Beisein der andern eine kurze Aufwartung gemacht. (Geht oben rechts ab.)
Peter, Hansi, dann Lockerfeld.
Peter. Na, hast dir 'n recht ang'schaut, den?
Hansi. Ja!
Peter. War er's?
Hansi. Nein, der mir's Geld geben hat, der war schwarz.
Peter. Du mußt denen Herren auf die G'sichter schaun und nicht auf die Frack'.
Hansi. So groß muß mein Ballon sein wie dem sein Bauch.
Peter. Da kommt wieder einer paß auf, Hansi! (Zieht ihn rechts in den Vordergrund.)
Lockerfeld (links aus dem Hintergrunde, ohne beide zu bemerken). Die Rücksichten soll der Guckguck holen! Macht man Fräulein Ottilie die Honneurs, so beleidigt's den Baron, daß man artig war gegen eine Person, auf die er zürnt; in acht Tagen verzeiht er ihr, und erfährt er dann, daß man ihr nicht die Honneurs gemacht, so beleidigt's ihn, daß man unartig war gegen eine Person, die ihm verwandt ist. (Ist während dieser Rede hinaufgegangen.) Das Schmarotzerwesen hat doch auch seine Last. (Geht oben rechts ab.)
Peter, Hansi.
Hansi. So muß er ausschauen!
Peter (hastig). Der dir 's Geld geben hat?
Hansi. Nein, der lebzeltene Reiter, den ich krieg'.
Peter (mit getäuschter Erwartung, für sich). Geduld, verlaß mich nicht!
Hansi. Der mir 's Geld geben hat, der war schwarz.
Peter. Aber alle Tag' wird er nicht schwarz sein. (Beiseite.) Wenn alle die Tagdieb', die sich mit erlogne Liebesabenteuer prahlen, immer schwarz gingen, wie brächten denn da die Tuchhändler ihre lichten Codrington und ihre quadrillierten Hosenzeug' an! (Nachsinnend). So geht's nicht, ich muß das Ding auf ein' andere Art die Gelegenheit lass' ich nicht mehr aus. Mir scheint, sie werden sich nicht lang aufhalten da oben. (Eine Idee erfassend, zu Hansi, welcher gedankenlos umhergafft.) Hansi! Hörst nicht? Da schau, der spiegelblanke Zwanz'ger g'hört dein zum Vernaschen.
Hansi. Oje!
Peter. Du mußt aber zu die Herren, wenn s' wieder kommen, sagen: »Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.«
Hansi (spricht es nach). Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.
Peter. Brav, junges Genie!
Hansi. Ah, um ein' Zwanz'ger merk' ich mir schon was, aber in der Schul' soll man umsonst alles wissen.
Seewald; die Vorigen.
Peter (zu Hansi, auf Seewald zeigend, welcher oben aus rechts heraustritt und die Treppe herabkommt). Da sag' jetzt dein' Spruch auf! (Zieht sich links nach dem Vordergrunde.)
Hansi (Seewald entgegengehend). Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.
Seewald. Was für ein Abend? Was für ein Geld? Und was für eine Mutter? (Hansi schaut ihn an, ohne etwas zu antworten.) Dummes Zeug! (Geht links im Hintergrunde ab.)
Hansi, Peter, dann Packendorf und Althof.
Peter. Bravo, Hansi, so war's schon recht. Wenn wieder einer kommt, so sagst du's wieder! (Auf die beiden Kommenden zeigend.) Siehst, kommen schon!
Hansi. Das sind aber zwei.
Peter. Macht nix, sag' nur dein' Spruch! (Zieht sich wieder zurück.)
Hansi (Packendorf und Althof entgegentretend, welche von der Treppe herabkommen). Die Mutter läßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.
Packendorf (verwundert zu Althof). Wen geht denn das an, dich oder mich?
Hansi. Alle zwei.
Althof. Das ist eine Bettelei! Hab' nichts Kleines.
Packendorf. Oder eine Fopperei, und da hätt' ich was Großes drauf. (Hansi anfahrend.) Wer hat dich angestiftet, du Bursch, du?
Hansi (erschrocken). Ich kann nix davor. (Weint.)
Althof. Laß ihn gehen!
Packendorf. Ich will wissen
Hansi (weinerlich). Werd's in mein' Leben nimmer mehr tun.
Althof. Komm, 's ist nicht der Mühe wert.
Packendorf (indem er mit Althof links im Hintergrunde abgeht). Werd' dich lernen, du Bursch! (Beide im Hintergrunde links ab.)
Peter, Hansi.
Hansi (weinend). Frau Mutter! Wo is d' Frau Mutter?
Peter (ihn besänftigend). Na, was is's denn, Hansi?
Hansi (wie oben). Zu der Frau Mutter möcht' ich, ich fürcht' mich.
Peter. Vor wem?
Hansi. Vor dem Herrn, er hat mich fressen wollen.
Peter. Die Herrn, die alles fressen wollen, sein am wenigsten zu fürchten. Und was fallt dir denn ein, er hat sich ja vor dir g'forchten!
Hansi. Wer sagt's denn? Er hat mich ang'schrien.
Peter. Aber davong'rennt is er.
Hansi (sich umsehend und Mut bekommend). Richtig er is fort.
Peter. Und du bist da, du hast das Feld behauptet.
Hansi. Weil ich Courage hab'!
Peter. 's traut sich keiner über dich!
Hansi (sich in Positur werfend). 's sollt' nur einer kommen!
Puffmann, Lockerfeld; Vorige.
Peter (auf beide zeigend, welche eben oben herabkommen). Da sind gleich zwei.
Hansi (bramarbasierend). Und wann's sechse wären! (Geht beiden entgegen.)
Peter (leise zu Hansi). Bist ein Mordmann! (Zieht sich nach links im Vordergrunde.)
Hansi (zu Puffmann und Lockerfeld in keckem Tone). Die Mutter laßt sich schönstens bedanken für das Geld von neulich abends.
Puffmann (betroffen). Was?!
Hansi. Die Mutter
Lockerfeld (zu Hansi). Die Mutter soll ein andermal keinen so dummen Buben schicken, der die Leute nicht kennt. (Sich zu Puffmann wendend.) Nun ja, uns geht die Post nicht an.
Puffmann. Freilich, uns geht's nichts an, diese Post, gar eine dalkete Post! (Hat Lockerfeld bis in den Hintergrund links begleitet.) Werd' gleich nachkommen. (Während Lockerfeld abgeht, kehrt Puffmann eilig zurück.)
Vorige ohne Lockerfeld.
Puffmann. Knab' wo bist denn, lieber Knab'? Geh her, guter Knab'! (Sehr freundlich zu Hansi, ohne Peter, welcher sich links lauschend verbirgt, zu bemerken.) Hast du mir sonst noch was auszurichten?
Hansi. Die Frau Mutter laßt sich bedanken für das Geld
Puffmann. Sonst nichts?
Hansi (seine Rede ergänzend). Von neulich abends.
Puffmann (beiseite, mit Beziehung auf den eben abgegangenen Lockerfeld). Das hätt' der schon hören dürfen. (Zu Hansi.) Weißt was, sag' du deiner Mutter, sie braucht kein solches Aufhebens zu machen über die bewußte Sach'! Da schick' ich ihr drei Taler, sie soll aber nur dann reden, wenn sie befragt wird. Kannst dir das merken, Bubi? (Gibt ihm Geld.)
Hansi (ihn groß anglotzend). Ja. (Nimmt das Geld.)
Puffmann. Also jetzt geh und laß dich nicht wieder da sehen, Bubi, sonst packet dich vielleicht wer beim Schopfi oder ziehet dich tüchtig beim Ohri, daß du auf einer Seite ausschauest als wie ein Esi das merk' dir, du Bubi! (Geht im Hintergrunde links ab.)
Peter, Hansi.
Peter (frohlockend, doch mit inneren Grimm vortretend und dem abgehenden Puffmann nachblickend). Hab' ich dich!?
Hansi. Mussi Peter, das war der Mamsell Klarl ihr Schwarzer, heut' hat er sein' lichten Tag.
Peter. Geh nach Haus zu deiner Mutter!
Hansi (freudig springend). Und die Menge Geld! Juheh! Der Schwarze soll leben! (Läuft im Vordergrund links ab.)
Peter, Rumpf (kommt aus dem Hintergrunde links).
Peter (hastig zu Rumpf). Wer war der Herr? Sie müssen ihn begegnet haben.
Rumpf. No, no, is Feuer im Dach?
Peter. Nein, (für sich) mich brennt's nur unter die Sohlen.
Rumpf. Und was is denn das für eine Manier?
Peter. Ich hab' g'fehlt! So wird's vielleicht recht sein: Wollten Sie die gütigste Gewogenheit haben, mich hochgeneigt mit einer Auskunft beehren zu wollen wer war der Herr?
Rumpf. Dieser Herr war der Herr von Puffmann, Güterintendant, Generalinspektor, geheimster Sekretär, Kassendirektor und Fadteekoktum des Herrn Baron von Massengold, und ich bin vom Amt. (Geht stolz die Treppe rechts hinauf und oben ab.)
Peter (sich verneigend). Hab' keinen Augenblick daran gezweifelt.
Peter (allein).
Peter. Jetzt kenn' ich also meinen Mann, ich sage, meinen Mann er is mir verfallen, er is Eigentum meiner beleidigten Familienehre. Ja, ja, Herr Intendant, Faktotum und dirigierender Gott weiß was, wenn du noch zehn Chargen hättest und wenn du Obergroßmufti des Sultans von Babylon und Ninive wärst, für mich bist du ein Taschendieb des ehrlichen Namens, du bist versetzt im Pfandhaus meiner Rache, nur die vollste Wiederherstellung der Unbescholtenheit meiner Schwester löst dich aus! Aber halt! Ist die Zuversicht, auf der mein blinder Glaube stolziert, nicht etwa eine dünne Eisrinde, wo mir vielleicht beim nächsten Schritt Einsturz ins kalte Wasser der Beschämung droht? Ich glaub' fest an meine Schwester, das ist schön von mir aber das Schöne kann auch dumm sein, wir haben an vielen Schönen den Beweis. Wenn sie vielleicht doch wenn vielleicht verfluchtes Losungswort des Zweifels! Lächerlich! Geschmacksverirrung in diesem Grade! Klara, die Luftgestalt, und dieser von Erdengenuß ang'schoppte Wohllebensack, unmöglich! Hm welcher Entdecker hat das schon bemessen, wie weit sich die äußersten Vorgebirge der Möglichkeit ins Meer der Unmöglichkeit hinein erstrecken? »Glänzende Partie« heißt die Fee, die oft Wunder wirkt in jungfräulichen Herzen, und selbst die ordinäre Hex' »Reichliche Versorgung« hat schon in zarten Wesen riesige Selbstverleugnung erzeugt. Ich muß wissen, ob er ihr ganz fremd ist ich muß sie einander gegenüberstellen. Fallt die Überzeugung nicht so günstig aus, wie ich überzeugt bin, daß sie ausfallen muß, das wär' von so einem Mädel ganz was Neu's, und es gibt ja nix Neues unter der Sonne, man sagt wenigstens, es war alles schon da. Ich aber sag' konträr, es war eine Menge noch nicht da, und dann kann man ja das, was sich in Jahrhunderten nur einmal ereignet, doch auch unter das Neue rechnen.
1. |
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Es tut einer prassen |
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D' Frau is jung und sauber, |
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Eine Stelle is offen |
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»Heiraten S' mein Mädl, |
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Z' Georgi, z' Michäli, |
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D' Köchin rechnet alls teuer, |
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Daß Entrepreneure |
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's tut oft Mißjahre geben |
Puffmanns Bureau wie im Anfang des zweiten Aktes.
Puffmann, Thomas.
Puffmann (sehr aufgebracht aus der Seitentüre links kommend, zu Thomas, welcher ihm folgt). Und wann Er mir ein halbes Jahr lang aus ein' Zimmer ins andere nachgeht, es is umsonst. Punktum!
Thomas. Ach nein, Sie können mir nix abschlagen, lieber Herr, das weiß ich schon.
Puffmann. Zweitausend Gulden! Heillose Unverschämtheit!
Thomas. Nur zu leihen, und das nur auf unbestimmte Zeit. Ein anderer, wenn er mit Ihnen in dem Verhältnis wär', verlanget's g'schenkt, natürlich, ein unbescheidener Mensch machet sich so was zunutzen.
Puffmann (seinen Grimm kaum bemeistern könnend). Red', Vampyr!
Thomas. Ich hab' kein' Tropfen Bier trunken seit drei Täg'!
Puffmann. Bist du ein Mensch oder bist du reines Qualgespenst?
Thomas (traurig). Bei meinem Unglück wär's wirklich kein Wunder, wenn ich a bißl aufdringlich wurd'.
Puffmann. Was hat Er denn für ein Unglück, was Ihn zu solcher Brandschatzung treibt?
Thomas. Mein Sohn hat heiraten wollen.
Puffmann. Woll'n? Das is noch kein Unglück! Wenn er g'heirat't hätt', könnt' man eher so sagen.
Thomas (schmerzvoll). Wenn nur das nicht g'schehn wär'
Puffmann (mit erzwungener Treuherzigkeit). Was denn, guter Zimmermann? Teil' dich mir mit, ich werd' dir statt dem Geld einen guten Rat geben, der mehr wert is. Red'!
Thomas. A nobler Herr hat mein' Sohn seiner Braut ihren Ruf verschandelt.
Puffmann. So soll er sie sitzenlassen.
Thomas. Wär' das recht und billig?
Puffmann. Freilich, recht billig. 's Sitzenlassen is immer billiger als 's Heiraten. Wirst sehen, lieber Professionist, wir richten's ohne die zweitausend Gulden.
Thomas. Nein, 's Madel is brav; nur in Anfang das G'schrei von die Nachbarsleut' das hat mir den Kopf so voll g'macht ich bin das nicht g'wöhnt und da hab' ich in der Verwirrung aber nein, sie kann nicht schlecht sein, die Klara.
Puffmann (betroffen). Was? »Klara« sagt Er?
Thomas. So heißt sie, Nähterin ist sie, in der Kleingassen logiert sie.
Puffmann (beiseite). Verflucht! (Zu Thomas.) Und kennt Er denjenigen, der
Thomas (immer mehr in Aufwallung geratend). Haben Sie g'hört, daß seit 'n Siebenten einer zerrissen worden is? Nein, also kann ich ihn noch nicht kennen.
Puffmann (ängstlich). Und Sein Sohn?
Thomas. Mein Josef vom Militär? O je, gegen den bin ich noch ein Lamperl! Wenn der den Täter erwischt, der wirft augenblicklich sein Fleisch den Geiern vor, gibt sein Blut dem Erdboden zu trinken und laßt mit seiner Asche die Winde »Frau G'vattrin, leih mir d' Scher'!« spiel'n.
Puffmann (unwillkürlich schaudernd). Gräßlicher Kerl!
Thomas. Ein guter Kerl, so lang er's mit honette Leut' zu tun hat.
Puffmann. Und was hat Er denn mit die zweitausend Gulden vorg'habt?
Thomas. Die muß ich haben. Mit die reisen wir, ich, mein Sohn und die Klara, in die Fremd', vielleicht noch um a paar hundert Meilen weiter, und wenn wir in der Fremd' recht ein' unbekannten Ort finden, so lassen wir uns nieder. Sie hat fürs Ausland einen unbefleckten Ruf, und mein Sohn heirat't sie.
Puffmann. Wann reist ihr fort?
Thomas. Heut' noch, zuerst zu mein' Josef und dann weiter.
Puffmann (aufatmend, als er ihn für immer loszuwerden hofft). Sein Schicksal geht mir sehr nahe Er soll das Geld haben. (Geht zu seinem Pult und schließt ein Fach auf.)
Thomas (gerührt). Oh, Sie guter Herr, ich hab's ja gleich g'wußt. Sie stell'n Ihnen nur manches Mal, als ob Sie hartherzig wären, 's is aber nicht Ihr Ernst. Ich war so g'wiß, daß ich gleich den Schuldschein mitgebracht hab'. (Legt das Papier aufs Pult.) Aber Sie haben da a Menge Geld.
Puffmann. Is schon viel weniger g'worden, seit ich das Vergnügen Seiner Bekanntschaft hab'. Aber noch eins, wenn Er oder Sein Sohn in späterer Zeit jemals erfahren sollte, wer das Mädel ins G'schrei hat bracht
Thomas. Dann fallt derjenige auf eine furchtbare Art, und er kann nix G'scheiters tun, als früher schon im Grab zu liegen.
Puffmann. Nein, Freund, so böse Menschen unterstütz' ich nicht. Rachsucht is was Abscheuliches; Er kriegt das Geld nur, wenn Er mir heilig verspricht, daß Er dem Verleumder, der außerdem vielleicht ein lieber Mensch ist, verzeiht und Seinem Sohne befiehlt, dasselbe zu tun.
Thomas. Euer Gnaden nehmen sich an um den unbekannten schlechten Kerl? 's is völlig rührend, was Sie für a gutes Gemüt haben. Ihnen zulieb' wollen wir ihm verzeihn.
Puffmann. Schöne Flatusen, die Er mir sagt! (Gibt ihm das Geld.) Da nehm' Er also, reis' Er glücklich und vergess' Er nie, was Er versprochen hat.
Thomas. Oh, Sie rarer Mann!
Puffmann. Jetzt geh' Er durch das Zimmer (nach links deutend) und eil' Er über die Schneckenstiegen, daß Ihn niemand sieht.
Thomas. Weiß schon, durchs kleine Türl; oh, ich bin ja bei Ihnen schon wie zu Haus. Pfirtgott'! (Geht zur Seitentüre links ab.)
Puffmann. Geh zum Teufel!
Puffmann, dann Tupper.
Puffmann (allein). Schicksal, sag' mir nur, was du auf einmal für ein vermaledeites Schicksal wirst!?
Tupper (aus der Seitentüre rechts kommend). Herr von Puffmann!
Puffmann (erschöpft vor Ärger). Oh, mein lieber Tupper
Tupper. Die Desperation des gnädigen Herrn
Puffmann. Kommt auf keinen Fall der meinigen gleich.
Tupper. Wieso? Ihr Blutegel war doch nicht schon wieder da?
Puffmann. Nicht genug, daß er zufällig Mitwisser der Geburtsscheinverfälschung ist, er ist noch viel zufälliger der Vater vom Bräutigam des Mädels.
Friedrich; Vorige.
Friedrich (tritt meldend ein). Es sind zwei Leute draußen
Puffmann. Sollen warten!
Friedrich. Sie sagen, sie sein herb'stellt.
Puffmann. Dann soll'n s' erst recht warten.
Friedrich. Ganz wohl. (Zur Mitte ab.)
Vorige ohne Friedrich.
Puffmann (kleinlaut). Sie haben mir was sagen wollen vom
Tupper. Vom gnädigen Herrn, daß er über den Brief, den er eben von seiner entflohenen Hermine, nunmehrigen Frau von Gröning, erhalten, außer sich ist.
Puffmann. Brief von der Hermine? Das is wichtig, da wollen wir vor allem an seiner Türe Barometerbeobachtungen über den Grad und die mutmaßliche Dauer seiner Desperation anstellen. Kommen Sie, Tupper! (Beide gehen zur Seite rechts ab.)
Peter, Klara.
Klara (noch unter der Türe zu Peter, der ungeduldig eintritt). Aber, Peter, du sollst doch nicht
Peter. Der Livreeknopf hat Zeit g'habt, daß er gegangen is.
Klara. In dem Zimmer is niemand.
Peter. Macht nix, ich wart' hier leichter als im Vorzimmer. Ich bin doch Zimmermann, aber in die Vorzimmer kann ich mich nicht finden. Ein Vorzimmermann is halt eine ganz eigene Profession. Viele erheben s' zur Kunst, mancher bringt's bis zur Virtuosität darin, 's is schwer z' lernen, und doppelt schwer für den, den sein Unstern in sein' alten Tag'n erst zum Lehrbub'n im Vorzimmermannhandwerk macht.
Klara. Ich begreif' aber nicht
Peter (ohne auf sie zu hören, für sich, indem er auf seine silberne Uhr sieht). Jetzt wart' ich noch da fünf Minuten wenn der Herr Puffmann aber vielleicht glaubt, ich geh' fort aus Ungeduld, dann wart' ich erst noch den ganzen Tag.
Puffmann; Vorige
Puffmann (aus der Seitentüre rechts kommend und die Anwesenden erblickend). Was is denn das für eine Art?
Peter. Euer Gnaden verzeihn
Puffmann. Hab' ich nicht gesagt, draußen warten?
Peter. Euer Gnaden haben aber nicht gesagt, wie lang; drum bin ich herein'gangen.
Klara (ängstlich, leise). Gehn wir, Bruder!
Puffmann. Was will das Frauenzimmer?
Peter. Die Tücheln hat s' bracht.
Puffmann. Was für Tücheln?
Klara (schüchtern). Die ich vom Kaufmann zum Einsaumen hab' kriegt; mein Bruder sagt, sie g'hören für Euer Gnaden, und hat g'sagt, Euer Gnaden haben befohlen, ich soll s' selbst überbringen. (Will Puffmann ein Päckchen seidne Sacktücher reichen.)
Puffmann. Ich weiß nichts von Tücheln. (Zu Peter.) Und wie kann Er ihr denn sagen, ich hab' sie bestellt, eine Person, die ich in meinem Leben nicht gesehn hab'?
Peter (welcher Klara und Puffmann mit prüfendem Blicke betrachtet). An mein Herz, du unschuldiges Wesen, ich hab's voraus g'wußt, aber nur nicht ganz g'wiß. (Umarmt sie.)
Puffmann (erstaunt). Was is denn das?! Seit wann umarmt man sich in meinem Bureau?
Peter (zu Klara). Sei nicht bös, aber ich hab' die Überzeugung zu notwendig gebraucht.
Klara (unruhig). Ich weiß nicht, Peter
Peter (auf Puffmann zeigend). Da schau dir 'n an, das is der noble Herr, der sich mit deiner gemeinen Ehre einen noblen Spaß hat g'macht.
Klara (sehr ergriffen). Was? Der is es also gibt's wirklich so einen Menschen? Himmel mir wird ganz
Peter. Nein, dir braucht gar nicht zu werden, laß mich für alles sorgen und geh.
Klara. Aber, lieber Bruder
Peter. Unten vor 'n Schloßtor wart' auf mich, meine gute, reine Klara. (Führt sie zur Mitteltüre, Klara geht ab, er kehrt um.)
Puffmann, Peter.
Puffmann (halb für sich). Hab' ich recht g'hört? Klara, hat er g'sagt?
Peter. Ja, Klara Span, g'spannen S' was?
Puffmann (verlegen und mit erzwungener Freundlichkeit). Und der Herr is der Bruder? Älterer Bruder vermutlich. Na, mich g'freut's, daß ich die ganze Familie kennenlern'.
Peter. Besteht nur aus zwei Personen, aus einer beleidigten Schwester und aus einem Rechenschaft fordernden Bruder, is ganz eine unbedeutende Familie.
Puffmann (verlegen). Es scheint bei der ganzen Sache die Obwaltung eines Irrtums stattzufinden.
Peter. Bei Ihnen kann man sich auch leicht irren. Ich, zum Beispiel, hätt' Ihnen für einen honetten Mann gehalten. Entschuldigen, das kommt von dem distinguierten Futteral, in dem Ihre verleumderische Schlechtigkeit steckt.
Puffmann (imponieren wollend). Freund, bedenk' Er, was Er spricht!
Peter. Ich sprech', wie ich denk'.
Puffmann. Denk' Er, was Er will, aber menagier' Er sich im Reden!
Peter. Ja, ja, ich red' zu viel und vergiß, daß ich (etwas die Faust ballend) handeln soll. (Ihm nähertretend.) An das haben Sie mich doch nicht erinnern woll'n?
Puffmann (sich etwas retirierend). Hat Er Beweise?
Peter. Ich war dabei, wie Ihnen der kleine Bub wiedererkannt und von Ihnen 's zweite Mal Geld kriegt hat.
Puffmann. Also Er und ein kleiner Bub? Letzterer kann keine gültige Zeugenschaft
Peter. Kinder und Narren reden die Wahrheit.
Puffmann. Dann hat's aber nur ein Kind und, salva venia, ein Narr g'sagt.
Peter (geht erzürnt auf Puffmann los). Herr, wissen Sie, daß einem Narren nicht zu trauen is?
Puffmann (retiriert sich hinter das Pult). Zurück, ich steh' unter dem Schutz mehrerer Kodexe, Paragraph
Peter. Ich brauch's Numero nicht zu wissen, genug, daß ich den Inhalt weiß. Den Geldräuber darf ich aus Notwehr niederstechen, aber wer mir Unersetzliches raubt, dem soll ich nachschauen mit trostlosen Kalbsaugen und ungeballter Faust? Wissen Sie aber auch, daß gerade dieser Paragraph am wenigsten auf wallendes Blut und zuckende Nerven berechnet is?
Puffmann (einlenkend). Zu was Zuckung, zu was Wallung? Wir richten's ungezuckt und ungewallt. Ich gesteh's, ich hab' g'fehlt, und daß ich das eing'steh', is ja schon edel, und da schau' Er her! (Ein Fach in seinem Schreibpult aufschließend.) Dieses Metall is noch edler.
Peter. Sie wollen mir Ihren Reichtum produzieren? Das is ja eine ganz verfehlte Spekulation! Wenn man die Nachsicht des gereizten Armen braucht, soll man ihn am wenigsten erinnern an die angeborne Feindschaft zwischen arm und reich.
Puffmann. Ich zeig' Ihm ja das Geld, um Ihm einen Ersatz zu leisten
Peter. Sie haben also wirklich die Keckheit, mir Geld für Ehre anzubieten? Möglich, daß Ihre Ehre fünfmal Platz hat in dem Dukatenladl, für einen rechtschaffenen Mann seine is die Schatzkammer z' klein.
Puffmann. Ah, das is stark! Ein Mensch, der kein Geld nimmt! (Außer sich vor Staunen.) Das is über ein' Starl, der kein' Mehlwurm frißt! Red', liebes Wundertier, das ich so gern befriedigen möchte! Red', was ist dein Gusto, was willst du?
Peter. Nichts als eine Erklärung!
Puffmann. Erklärung? Hm, kuriose Passion!
Peter. Eine vor Zeugen, die ich bestimmen werd', abzugebende beweiskräftige Erklärung, wo Sie waren und was Sie unternommen haben am siebenten September abends, nämlich an demselben Abend, wo Sie durch schmähliche Lügen meine Schwester um ihre Reputation gebracht.
Puffmann (betroffen). Was ich am siebenten September abends unternommen?
Peter. Müssen Sie unwiderlegbar dartun, denn die Zeugen müssen überzeugt werden, daß Sie gar nicht haben bei meiner Schwester sein können.
Puffmann (kleinlaut). Freund, das geht nicht, das kann ich nicht.
Peter (auffahrend). Was? Sie weigern sich noch?
Puffmann. Fordre, was du willst, nur den siebenten September lasse mir ungeschoren!
Peter. Das scheint ja mit dem siebenten September ein eigenes Bewandtnis zu haben?
Puffmann. Na, freilich. (Zutraulich.) Drum verlang' Geld, viel Geld und extra noch Septemberbeweise, so viel du willst, nur den siebenten b'halt' ich mir vor.
Peter (ihn verächtlich betrachtend). Wie doch der letzte gute Freund des Schlechten, das bisserl Verstand, Reißaus nimmt in der Angst! Ihr Hirn muß Staubferien haben oder es is mit dem Naturalquartier in Ihrem Kopf nicht zufrieden, daß es Ihnen feindlich den Rat gibt, mir Ihren verwundbarsten Punkt zu verraten.
Puffmann (von Angst ergriffen). Freund, Er wird doch nicht
Peter (entschlossen). Gerade jetzt mit doppelter Unerbittlichkeit auf die Erklärung dringen! Sieben is die Zahl des Bösen; mit Ihrem Leibnumero geh' ich Ihnen zu Leib. Unsere abgeschnittene Ehre kann Ihnen Ihr ganzes Ansehen kosten. Sie sollen womöglich Ihre Ehrenstelle verlieren, weil sie bei Ihnen, wie bei manchem andern, nur die Stelle der Ehre vertritt.
Puffmann. Nehm' Er Räson an, Er wird's bereuen!
Peter. Drohen Sie nicht, Sie Hochgestellter, der gerechte Zorn hat Flügel, die einen hoch über jeden Beleidiger erheben! Wart' nur, Bedeutender, du sollst die Bedeutendheit des Unbedeutenden empfinden. (Will zur Mitte ab.)
Puffmann (in der Angst einen Entschluß fassend). Halt, Freund, halt! (Für sich.) Ist denn kein Tupper in der Nähe? (Zu Peter.) Ich werd' Ihn befriedigen.
Tupper; die Vorigen.
Tupper (aus der Seitentüre rechts kommend, zu Puffmann). Der gnädige Herr hat soeben
Puffmann (zu Peter, indem er ihm andeutet, zurückzutreten). Es betrifft Amtsgeschäfte. (Tupper entgegeneilend, leise.) Du himmlischer Wolf, der du gerennt kommst, wenn man ihn nennt.
Tupper. Nun, Herr von Puffmann?
Puffmann (ihn beiseite führend, leise). Die Handnähterin war da mit ihrem handfesten Bruder dort. (Verstohlen auf Peter zeigend.) Schau' sich 'n der Tupper an, diesen grimmigen, satisfaktionlechzenden Kerl.
Tupper (leise). Verdammt!
Puffmann (wie oben). Wie werd' ich ihn los?
Tupper. Wenn man ihn nicht loslaßt.
Puffmann. Aha, Arrest!
Tupper. Im Kotter.
Puffmann. Provisorisch
Tupper. Interimistisch
Puffmann. Bis ich mit dem Baron eine Zerstreuungsreise angetreten.
Tupper. Ganz recht; und der Vorwand?
Puffmann. Unanständiges Bureaubetragen in meinem Zimmer.
Tupper. Werde sogleich das Nötige veranstalten. (Geht durch die Mitte ab.)
Vorige ohne Tupper.
Peter. Sie haben g'sagt, Sie wollen mich befriedigen.
Puffmann. Kann Er's denn gar nicht erwarten?
Peter. Nein, und wegen die Zeugen muß eine Stund' festg'setzt werd'n
Puffmann. Festg'setzt, nach Gusto!
Peter. Und zwar das heut' noch
Puffmann. In dieser Stund' noch wird festgesetzt, hab' Er nur eine kleine Geduld!
Franz; Vorige.
Franz (aus der Seitentüre rechts kommend). Der Herr Sekretär möchten geschwind zum gnädigen Herrn
Puffmann. Was is es denn?
Franz. Er kränkt sich, Sie sollen ihn g'schwind trösten, eh' er ganz außer sich kommt. (Geht wieder in die Seitentüre rechts ab.)
Puffmann (für sich). Fatal ! (Zu Peter.) Jetzt muß Er schon noch einen Augenblick Geduld haben. (Geht in die Seitentüre rechts ab.)
Peter (allein).
Peter. Meine Geduld setzt den Hut auf, und ich seh' s' völlig nach 'n Stock greifen, mir scheint, sie geht aus. Und die verdächtige Wisplerei am End' bin ich schon in eine Falle gegangen hm wenn auch ich komm' schon wieder heraus. Gott sei Dank, 's Mittelalter is beim Teufel Hungertürm', Torturvermummte, Bleidächer und Eiserne Jungfrauen hat man in unserm milden Säkulum nicht mehr.
Voriger; Tupper, Rumpf, vier Wächter.
Tupper (zu Rumpf und den Wächtern, auf Peter zeigend). Der ist's!
Peter (für sich). Jetzt gilt's.
Rumpf (zu den Wächtern, welche zur Mitteltüre eintreten). Aufgepaßt! Aufgestellt! Und auf Kommando angepackt!
Packendorf; Vorige.
Packendorf (a tempo zur Mitteltüre eintretend). Und zwar auf mein Kommando! Herr Tupper wird arretiert, ich werd' es verantworten.
Tupper. Erlauben Sie, Herr von Packendorf
Packendorf. Daß Sie bis elf Uhr nachts wieder auf Ihr Zimmer gehen, das erlaub' ich, bis dahin aber ist der Kotter Ihr Quartier.
Rumpf (zu Tupper). Mir is leid, aber meine amtliche Stellung (winkt den Wächtern.)
Packendorf. Vorwärts! (Tupper wird zur Mitteltüre abgeführt, Rumpf und Wächter folgen.)
Packendorf, Peter.
Peter (erstaunt). Ein unbekannter Retter aus Wachtershand
Packendorf (sich freundlich Peter nähernd). Ihr seid ein braver Mann, Eure Schwester schwört's mit einem Gesicht, dem man alles ungeschworen glaubt! (Reicht ihm die Hand.)
Peter (treuherzig). Mich g'freut's, denn Euer Gnaden scheinen keiner von denen zu sein, die jeden Brudern brav finden, der eine saubere Schwester hat.
Packendorf. Als sie unten zufällig den Befehl zu einer Arretierung hörte, dachte sie gleich, es gehe Euch an, und suchte in ihrer Herzensangst Hilfe bei mir, den sie irrigerweise für den Gutsherrn hielt. Ich weiß nun, wie schmählich Puffmann sich an Euch vergangen. Da es aber den siebenten September betrifft, einen Abend, für dessen Dunkelheit auch wir neuerdings Licht bedürfen, so ist unsere Sache eine gemeinsame, und ich werde Euch meinen Plan mitteilen. Kommt sogleich mit mir, denn Puffmann muß glauben, Ihr seid eingesperrt.
Peter (mit Packendorf zur Mitte abgehend). Den Gutsherrn hat meine Schwester in Euer Gnaden verfehlt, aber den guten Herrn hat s' auf alle Fäll' getroffen. (Beide zur Mitte ab.)
Dieselbe Dekoration wie am Ende des zweiten Aktes. Es ist Abend, alles mit bunten Lampen erleuchtet.
Klopf, Frau Klopfin, Netti, Schmalzer, Frau Schmalzerin, Kübler, Frau Küblerin, Susi, Spring, Biegel, Leicht, Flachs, Frau Flachsin, mehrere Bürgersleute, Wirt, Kellner.
(Die benannten Personen sitzen an den Tischen, mit Ausnahme des jüngeren Teils der Anwesenden, welche auf dem erhöhten Tanzplatze tanzen. Mit Beginn der Verwandlung ist eben die Koda einer Walzertour.)
Klopf (zum Wirt). Recht lustig geht's halt immer zu bei Ihnen, Herr Wirt.
Wirt. Die Zufriedenheit meiner werten Gäst'
Kübler (des Wirtes Rede ergänzend). »Is meines Strebens höchstes Ziel«. Die Redensart kennen wir. Glaub' aber doch nicht, daß der Nachkirtag heut' so lustig wird, als der Kirtag war.
Schmalzer. Warum?
Kübler. Es kommen hohe Herrschaften, und das is genant.
Wirt. Das ganze hochfreiherrliche Haus is ang'sagt.
Klopf. 's is immer schmeichelhaft und ehrenvoll für uns, diese Herablassung.
Kübler. Ah was, Herablassung! Wenn's ihn nicht g'freuet, den Baron, so tät er's nicht.
Wirt (hat vorne rechts in die Szene gesehen). Da steigen s' schon ab.
Flachs. Siebzehn Wägen.
Kübler. Ich seh' nur drei.
Massengold, Fräulein Ottilie, Packendorf, Althof, Seewald, Lockerfeld, Puffmann; Vorige.
Massengold. Da wären wir. (Grüßend zu den Anwesenden.) Laßt euch in eurer Unterhaltung nicht stören, wackre Bürger.
Kübler (mit tiefster Devotion). Dero glorreiche Gegenwart is die schönste Unterhaltung für die untertänigsten Kobelstädter.
Ottilie. Es ist dies recht ein freundlicher Ort.
Massengold (trübsinnig). Ist mir sonst auch immer so vorgekommen, aber heute
Kübler (sich mit tiefen Bücklingen Massengold nähernd). Der Wirt möcht' gern Euer Hochfreiherrlichen Gnaden die großartigen Anstalten produzieren
Massengold. Wir wollen sie in Augenschein nehmen.
(Kübler und der Wirt führen Massengold, welchen Lockerfeld begleitet, auf den erhöhten Tanzboden.)
Kübler (den Cicerone machend). Dieser Tanzboden ist von echten Brettern, die Säulen mit echtem Tannengreis umwunden, die Lampen mit echtem Inslicht gefüllt. (Die übrigen Spielenden haben sich auch zurückgezogen bis auf Puffmann und Ottilie.)
Puffmann (kopfschüttelnd, für sich). Hm, diese Spazierfahrt Packendorf hat sie über Hals und Kopf arrangiert ich wittre Unheil.
Ottilie (hat sich mittlerweile von Althof und Seewald getrennt und nähert sich Puffmann). Herr Puffmann (mit innerer Angst) sind Sie ganz sicher vor Entdeckung?
Puffmann. Ich hoffe ich habe das möglichste getan.
Ottilie (ängstlich und leise). Das ist nicht genug, um mich vor Verzweiflung zu schützen.
Puffmann. Kann ich davor, daß
Ottilie. Ja, niemand als Sie. Jetzt, wo man mir noch nichts beweisen kann als Mangel an Wachsamkeit, muß ich schon seufzen unter den Kränkungen dieses Massengolds, dessen Tyrannei mich Familienschicksal unterworfen.
Puffmann. Die meisten Familien haben ein Schicksal, aber deßtwegen
Ottilie. Wenn er nun aber erst Ihr verbrecherisches Unternehmen mit dem Geburtsschein erführe, was rettet dann mich vor dem Verdacht der Mitschuld?
Puffmann. Fräulein, machen Sie einem den Kopf nicht warm, der ohnedem
Ottilie (bemerkend, daß der Baron sich nähert). Der Baron! (Entfernt sich schnell von Puffmann.)
Puffmann (für sich). Z'widere Bisgurn, die geht mir noch ab!
Massengold (mit Kübler, Lockerfeld, Wirt und allen Spielenden vorkommend). Schön, recht schön!
Kübler. Und alles Euer Hochfreiherrlichen Gnaden zu Ehren!
Peter, Klara; Vorige.
Massengold (nach dem Vordergrunde kommend). Nun, lieber Puffmann
Puffmann (Peter und Klara von rechts kommen sehend). Ah!!
Massengold. Was ist Ihnen?
Die Anwesenden (mit Ausnahme der Gesellschaft des Barons). Der Span mit seiner Schwester? (Drücken ihr mißbilligendes Staunen aus.)
Peter (grüßend). Schön' guten Abend!
Schmalzer, Kübler, Flachs, Frau Flachsin, Frau Küblerin, Frau Schmalzerin. Das is stark!
Seewald, Althof, Lockerfeld. Wer ist der Mensch?
Massengold (frappiert). Warum macht sein Erscheinen solche Sensation? Und selbst mein Puffmann
Puffmann (für sich). Halt't ein' Puff aus, der Puffmann, aber über den Puff is er baff!
Lockerfeld (Klara ins Auge fassend). Und das Mädchen
Packendorf. Ist die, welche Puffmann sich zur schnöden Ausrede gewählt.
Massengold (stutzend). Wie? Was?!
(Packendorf spricht während dem Folgenden leise mit Massengold weiter.)
Kübler (pikiert). Der Mussi Peter will uns mit Gewalt seine Schwester
Peter (ihm scharf in die Rede fallend). Als gerechtfertigt vorstellen.
Kübler (wie oben). Dazu ist doch hier weder Zeit noch Ort.
Peter. Der beste Ort, denn hier auf 'n Kirchtag hat man sie beschimpft. Die beste Zeit, denn jetzt, auf 'n Nachkirtag, wird mit der Verleumdung der Kehraus gemacht.
Klara (tief ergriffen, an Peter sich anschmiegend). Bruder, ich kann mich kaum aufrechthalten!
Puffmann (bittend, leise zu Peter). Freund, schon' Er mich!
Peter (frostig zu Puffmann). Weil Sie statt der versprochenen Genugtuung mich haben wollen einsperren lassen
Puffmann (wie oben). Um 's Himmels willen!
Peter (wie oben). So sollen Sie nicht bitten, denn was ich um 's Himmels willen tue, das kann nie zu Ihren Gunsten ausfallen.
Lockerfeld (hat Klara lorgnettiert). Fürwahr, das Mädchen ist schön, bildschön!
Peter (zu Lockerfeld). Dero joviale Lorgnette vergrößert zu gütig wenn s' ein' Zoll Grazie find't, macht s' gleich eine Klafter Venus draus.
Massengold (in strengem Tone). Puffmann, Sie haben mich also, was das Mädchen betrifft, belogen?
Puffmann (verlegen, mit anscheinender Zerknirschung). Ich kann allerdings einerseits nicht leugnen
Peter (ihm in die Red' fallend). Und sind anderseits hierher gekommen, um öffentlich zu erklären, daß Sie sie gar nicht kennen.
Puffmann (wie oben). Daß ich sie gar nicht kenne
Peter. Und daß Sie dem Hußbergerschen Buben Geld gegeben
Puffmann (wie oben). Damit ein Gered' entsteht, welches meiner Vorspiegelung den Schein der Wirklichkeit
Peter. Red' und Antwort, wo waren Sie an dem bewußten Abend?
Packendorf. Da das vorgebliche Abenteuer Lüge war, steht der unbewiesene siebente Septemberabend wieder als Ihr frischer Ankläger da.
Massengold (streng zu Puffmann). Der siebente September ist keine Kleinigkeit.
Packendorf. Rechtfertigen Sie sich
Massengold (aufgebracht). Eh' ich Sie als Entführungsgehilfen und mutmaßlichen Dokumentradierer den Gerichten überliefere.
Puffmann (für sich, eine Idee erfassend und Hoffnung schöpfend). So putz' ich mich vielleicht nochmal heraus.
Massengold (Ungeduldig zu Puffmann). Wird's bald?
Puffmann (sich devot dem Baron nähernd). Euer Gnaden ich bitte um stilles Gehör. (Leise.) Es ist mit Händen zu greifen, folglich wird auch Dero Scharfsinn
Massengold. Ohne Umschweife!
Puffmann (leise zu Massengold, den er ganz nach dem Vordergrunde links führt). Aus übertriebener Herzensgüte hab' ich mich etwas voreilig prostituiert. Ihnen aber bin ich Wahrheit schuldig. Mit meinem Besuche bei dem Mädchen hat es seine Richtigkeit, dringen Euer Gnaden daher auf keine weitere Erklärung! (Mit Heuchelei.) Schonen Sie die Arme, wie ich sie geschont, und sagen Sie
Massengold (leise zu Puffmann). Ah, wenn es so ist gut, ich werde die Sache applanieren. (Laut zu den Anwesenden.) Meine lieben Anwesenden, ich hoffe, mein Wort wird euch genügen. Herrn Puffmanns Erklärung ist vollkommen befriedigend, läßt sich jedoch, zarter Beziehungen wegen, nicht füglich veröffentlichen.
Peter (zu Massengold). Alle Achtung vor Hochdero Wort, aber wenn die Beziehungen noch zehnmal so zart wären, für mich wird die Ehre meiner Schwester ewig das Zarteste bleiben, für laute Beschimpfung gibt's keine stille Erklärung. Sie steht erst dann gerechtfertigt da, wenn der Verleumder Puffmann öffentlich erklärt und beweist, wo er abends am siebenten September war.
Thomas; Vorige.
Thomas (ist schon früher im Hintergrunde gestanden und kommt bei den letzten Worten rasch hervor). Da brauchen wir keinen Puffmann dazu, das weiß ich am besten.
Die Bürgersleute (erstaunt). Der Thomas?
Massengold und die anderen. Was will der Mensch?
Puffmann (niedergedonnert, für sich). Der Thomas! Die letzte Hoffnung liegt im Brunn.
Thomas (zu Puffmann). Also Sie sein der schwarze Herr mit die lichten Taler? (Drohend.) Na, Sie, g'freun S' Ihnen!
Massengold (zu Thomas). Red' Er, denn die Sache
Thomas. Er hat sich am siebenten September Schlag achte ins Wasser stürzen wollen.
Alle (mit Staunen). Was?
Thomas. Bei Eschenau, keine hundert Schritt vom Brückel, ich hab' ihn beim Schössel z'ruckg'halten, wie er sich grad den Anlauf g'nommen hat. Weil er aber so, g'lästert hat über mein' Sohn seine Braut, so werf' ich ihn jetzt selber ins Wasser hinein. (Geht auf Puffmann los.)
Peter (ihn zurückhaltend). Ruhig, wir haben die Satisfaktion, die wir brauchen.
Puffmann (für sich, mit Beziehung auf Thomas). Hat der das g'sagt, um mir durchz'helfen oder (zu Thomas leise) red', du unheimliche Erscheinung, weißt du wirklich nichts von mir als den Selbstmord, den du mir aufdisputierst?
Thomas. Was soll ich denn noch wissen?
Puffmann (mit unterdrückter Wut, für sich). Ha, er weiß nichts! Der Mitwisser meiner Dokumentsradierung hat nur in meiner Einbildung existiert, und ich hab' ihm solche Opfer gebracht!
Massengold (mit Staunen und einiger Rührung). Mein Puffmann wollte sich entleiben und ein entseelter Leichnam werden!? Ja, aber warum?
Puffmann. Warum? (Verlegen und verwirrt für sich.) Bankrottes Hirn, fällt dir gar nix ein? (Zu Massengold.) Aus aus Verzweiflung!
Massengold. Wie das?
Puffmann (für sich). Wegen was bin ich denn verzweifelt?
Peter (für sich, Puffmanns Verlegenheit betrachtend). Mit dem muß es noch ein kurioses Nisi haben; denn daß der aus Liebe
Puffmann (indem er die letzten Worte, welche Peter gesprochen, gehört hat und dadurch auf eine Idee gebracht wird, beiseite). Liebe, richtig, der Zimmermann wirft mir 's Hölzel! (Laut zu Wassengold.) Unglückliche Liebe war der Grund
Massengold. Liebe? Und der Gegenstand?
Thomas (zu Massengold). Wahrscheinlich logiert wer im Schloß Eschenau, weil er grad in der Nachbarschaft so gern ertrunken wär'. Euer Gnaden nehmen's nicht übel, aber wir ordinären Professionisten treffen dann und wann den Nagel auf 'n Kopf.
Massengold. Ha, jetzt wird mit alles klar! Außer meiner entflohenen Mündel wohnte niemand dort als Cousine Ottilie!
Ottilie (auffahrend). Ich?!
Puffmann (für sich). G'horsamer Diener!
Massengold (strenge zu Ottilie). Leugnen Sie es nicht!
Puffmann (nach kurzer Überlegung, für sich). Das muß ich ergreifen, ich riskier' nix dabei. (Laut zu Massengold.) Euer Hochherrlichen Gnaden, es is so, wie Euer Gnaden zu erraten beliebten.
Peter (zu den Anwesenden, Klara bei der Hand nehmend). Zweifelt jetzt noch wer an ihr?
Alle. Niemand!!
Klopf. Sie is unschuldig!
Thomas. Klara!
Klara (entzückt). Thomas! O Gott ! (Peter mit Freudentränen um den Hals fallend.) Bruder!
Peter. Bist jetzt wieder glücklich?
Klara. Glücklich sein is viel, aber ich hör' auf, unglücklich zu sein das is noch weit mehr.
Thomas (zu Klara). Morgen kommt der Josef, das wird ein Josefi-Tag!
Peter. Im vollsten Sinn des Wortes ihr erster Frühlingstag nach einem schweren Winter.
Massengold (zu Puffmann). Aber wie konnte Sie das zum Selbstmord treiben?
Puffmann (mit Beziehung auf Ottilie). Ist diese Liebe nicht unglücklich genug?
Massengold. Sie wäre es, wenn ich nur strenger Gebieter und nicht auch milder Verwandter, wohlwollender Gönner wäre.
Puffmann (um Vorwand zu finden, sich ihr zu nähern, mit scheinbarer Zärtlichkeit). Ottilie! (Eilt zu ihr und sagt ängstlich.) Sie werden mich doch ausschlagen, hoff' ich?
Ottilie (leise zu Puffmann). Kann ich's, ohne neuerdings Verdacht zu erregen, ohne neuerdings in Todesangst
Puffmann (leise). Aber ich bitt' Ihnen
Peter. Klara, auf 'n Sonntag is dein' Hochzeit.
Massengold (zu Peter). Sie werde mit ihrem Bräutigam in meiner Schloßkapelle am selben Tage wie Cousine Ottilie und Puffmann getraut. (Zu Puffmann.) Übrigens kann ich Ihre Verbindung, die ich des Eklats wegen toleriere, doch nicht zu sehr protegieren. Ottilie hat kein Vermögen und bekommt auch nichts von mir.
Thomas. Oh, der Puffmann hat Geld genug!
Peter. Und Liebende brauchen wenig.
Puffmann. Himmel, ich krieg' die Alte!
Peter. Sehn S', die Straf' Gottes!
Puffmann (für sich). Die zwei Zimmermänner zimmern mir meinen Sarg.
Peter (zu Puffmann). Wenn Sie wieder einmal mit unbedeutende Leut' in Berührung kommen, dann vergessen Sie ja die Lektion nicht, daß auch am Unbedeutendsten die Ehre etwas sehr Bedeutendes ist.
Der Vorhang fällt.
Ende