Zweite Abteilung
Die Bühne stellt ein beleuchtetes Kaffeehauslokal vor, im Hintergrunde das Billard, im Vordergrunde drei Tische mit Stühlen
Erste Szene
CICHORI, MARQUEURS, MEHRERE GÄSTE, darunter HERR VON SCHARF, HERR VON BILLIG
(Wie der Vorhang aufgegangen ist, treten die sämtlichen Gäste auf.)
CHOR (zum Kaffeesieder):
Ein Schwarzen her! Ein Schwarzen her!
Wo steckt Er denn? Marqueur! Marqueur!
Wir wollen lieber wenig zahln,
Gebts nur recht gut und viel von alln.
Marqueur! Marqueur!
Ein Schwarzen her!
(Sie verteilen sich an die drei Tische und werden mit Kaffee bedient.)
CICHORI: Die Herren kommen heut spät vom Soupieren.
BILLIG: Es hat ja die Komödi so lang gedauert.
CICHORI: Wie ist s denn ausgfallen?
ERSTER GAST: Miserabel!
ZWEITER GAST: Langweilig!
SCHARF: Niederträchtig!
BILLIG: Na, gar so arg find ichs nicht.
CICHORI: Von wem ist s denn?
ERSTER GAST: Vom Herrn Leicht.
ZWEITER GAST: Es ist auch eine leichte Arbeit.
ERSTER GAST: Ich gfreu mich auf die Kritik, die wir morgen werden zu lesen kriegen.
BILLIG: Morgen schon? Wie wär denn das möglich?
SCHARF: Die Kritik war heute früh schon fertig, ich hab s gelesen.
BILLIG: Das ist aber dann in jedem Fall ungerecht.
SCHARF: Nein, über den muß man schimpfen, unter fünfmal wird man sich nicht einmal irren. Seine Sachen müssen durchfallen, dafür sorgen schon seine Feind.
BILLIG: Hat er denn die mit Recht?
SCHARF: Mit vollem Recht, denn er ist ein arroganter Mensch, ein liederlicher Mensch, ein
BILLIG: Na, na, gar so arg wirds nicht sein.
Zweite Szene
DIE VORIGEN; LEICHT
LEICHT: Einen Schwarzen!
MARQUEUR: Den Augenblick.
LEICHT (die Gesellschaft besehend): Gott sei Dank, da is niemand, der mich kennt. (Setzt sich zum Tisch rechts, der Marqueur bringt ihm Kaffee.)
ERSTER GAST (am Tische rechts sitzend): Daß das Stück mit Recht ausgepfiffen worden ist, das ist gewiß.
LEICHT (steht auf, nimmt sich seinen Kaffee mit und setzt sich an den Tisch links, für sich): Wo ich hinkomm, is von dem Höllenstuck die Red.
ZWEITER GAST (am Tisch links sitzend): Ich wenigstens muß sagen, ich hab in meinem Leben nix Dümmeres gesehen als diese Komödie.
LEICHT (steht auf und nimmt seinen Kaffee mit, für sich): Ist denn kein Tisch mehr in der Welt, bei dem ich mit Ruh sitzen kann? (Setzt sich an den Tisch in der Mitte.)
SCHARF (am Tisch in der Mitte sitzend): Alles, was dieser Leicht schreibt, ist, mit einem Wort, ein niederträchtiger Schmarn.
LEICHT (aufspringend): Da soll doch der Teufel !
CICHORI: Was is denn gschehn?
LEICHT: Der Kaffee war so heiß, ich hab mich verbrennt.
CICHORI (höflich scherzend): Da gehts Ihnen wie dem Dichter, der hat sich auch verbrennt, heut mit seinem Stuck. (Geht zum Billard.)
LEICHT: (für sich, ergrimmt) Der kommt mir auch noch! Jetzt frag ich: wo soll man da die Geduld hernehmen? (Stellt sich mit seinem Kaffee links in den Vordergrund, beinahe bis ans Portal.)
Dritte Szene
GOTTFRIEDL; DIE VORIGEN
GOTTFRIEDL (tritt ein): Herr Kaffeesieder, geben S mir a Portion Schwarzen für mein Herrn nach Haus.
CICHORI (zum Marqueur): Franz, tummel dich! (Zu Gottfriedl.) Wie kommt denn das, daß dein Herr heut so spät in der Nacht ein Kaffee trinkt?
GOTTFRIEDL: Er war in dem neuen Stuck, und das war so ein Unsinn, sagt er, daß er sich erst wieder den Magen muß einrichten drauf.
LEICHT: (grimmig für sich) Verdammt !
CICHORI (zu Gottfriedl): Warst du auch im Theater?
GOTTFRIEDL: Leider Gott! Das is ja eine Komödi unter aller Kritik.
LEICHT (mit äußerster Heftigkeit): Nein, das is zu stark! Halunk ich werd dich schimpfen lernen! (Wirft den Buben zu Boden.)
ALLE: Was is denn das?
GOTTFRIEDL: Zu Hilf! Zu Hilf!
CICHORI (Leicht mit Gewalt von Gottfriedl wegziehend): Erlauben Sie mir, solche Auftritt leid ich nicht in meinem Kaffeehaus.
LEICHT: Der Bub hat gschimpft über mein Stuck.
ALLE: O je, das is der Verfasser!
LEICHT: Ja, der bin ich, und wems nicht recht is, der soll mir in die Näh kommen, wenn er Courage hat!
SCHARF: Da sind Sie was Rechts!
LEICHT: Sie haben sich früher schon herauslassen gegen mich, Ihnen will ich s Maul stopfen, daß S an mich denken sollen. (Packt Scharf.)
SCHARF: Ob S mich auslassen werden!
ALLE: Hinaus mit dem Grobian! Hinaus! (Reißen ihn von Scharf los und wollen ihn hinauswerfen.)
SCHARF: Nichts da, fort darf er nit! Marqueur, um die Wacht fort! (Marqueur ab.)
LEICHT (wütend): Ich will euch zeigen, was das is, wenn man mich rabiat macht.
GOTTFRIEDL (hat mittlerweile von einem Marqueur eine Portion Kaffee bekommen): Der Dichter is ja wini! (Geht ab.)
Vierte Szene
DIE VORIGEN ohne GOTTFRIEDL; später DRUCK
ERSTER GAST: Glauben Sie, wir fürchten uns vor Ihnen?
ALLE: Da hats Zeit!
DRUCK: Was ist denn das für ein Lärm herin?
LEICHT (zu Druck): Ah, Sie kommen mir just recht, Sie sauberer Buchhandler, Sie! Mir hats ein Bekannter gsagt, Sie haben gschimpft in Gasthaus und haben gsagt, Sie drucken mein Stück nicht, und wenn ich Ihnen noch zahl.
DRUCK: Ja, das hab ich gsagt, weils nix nutz ist.
LEICHT: Sie werdens aber drucken, Sie müssens drucken und mir ein Honorar zahlen, denn ich brauch ein Geld.
DRUCK: Mir scheint, bei Ihnen ists nicht richtig in oberen Stock.
LEICHT (packt Druck): Werden Sies drucken oder nicht?
DRUCK: Was? Mich anpacken!? Herr Kaffeesieder!
ALLE: Das is zu arg! Wo is denn die Wacht!?
Fünfte Szene
MEHRERE WÄCHTER; DIE VORIGEN
(Musik fällt ein.)
WÄCHTER:
Spektakel und kein End!
Wo ist der Delinquent?
CHOR (auf Leicht zeigend):
Der is es, der da hier!
WÄCHTER (zu Leicht):
Sie gehen jetzt mit mir!
(Er nimmt mit Hilfe der übrigen Wächter Leicht fest und führt ihn ab.)
CHOR (indem Leicht fortgeführt wird):
Herr Dichter, gute Nacht,
Heut schlaft Er auf der Wacht.
Verwandlung
Es ist Morgen. Zimmer bei Grundl
Sechste Szene
BLASIUS, dann GRUNDL
BLASIUS (allein, aus der Seitentüre rechts auftretend): Heut is mein Hochzeitstag. Wenn ich nur wem wußt, der mir mein Traum ausleget; mir hat die ganze Nacht von Hirschen traumt. Ich möcht wissen, ob das wohl einen glücklichen Ehstand bedeutt. Vor allem will ich aber jetzt ein Freundschaftsstuck ausüben. (Ruft gegen die Seitentüre links.) Papa! Papa!
GRUNDL (aus seinem Zimmer kommend, im Schlafrock): Was willst denn, Sohn, was willst denn?
BLASIUS: A Bitt hätt i, Papa.
GRUNDL: Na so red, du Bräutigam, du!
BLASIUS: Jetzt werd ich gleich rot werden.
GRUNDL: Na, nur gscheit!
BLASIUS: Die Bitt betrifft mein dalketen Freund. Er hat nicht die Gabe für ein Dichter
GRUNDL: Das hab ich gestern in Theater gemerkt. Das war ja das nämliche Stuck, was er vorigs Jahr bei uns vorgelesen hat?
BLASIUS: Möglich, ich hab damals gschlafen dabei und gestern auch.
GRUNDL: Der Mensch is so heruntergekommen. Seitdem er Strohwitiber is, hat er nicht einmal ein guten Rock mehr an.
BLASIUS: Eben deßtwegen. Gebn S ihm a Anstellung bei Ihrem Gschäft.
GRUNDL: Aber Sohn, bedenk doch, was kann ein Mensch, der nicht einmal zu einem Dichter gscheit genug is, was kann der bei der Seifensiederei leisten?
BLASIUS: Freilich, da ghört sich gar viel Geist dazu. Aber mir zlieb; stellen Sie n als Ihren Buchhalter an.
GRUNDL: Aber, Sohn, was fallt dir denn ein? Ein Seifensieder wird einen Buchhalter aufnehmen!
BLASIUS: s gibt doch so viele Schneider mit Buchhalter; warum soll denn just a Seifensieder kein haben?
GRUNDL: Na meintwegen. (Man hört Lärm von außen.)
BLASIUS: Was is denn das?
Siebente Szene
LEICHT, WÄCHTER, GOTTFRIEDL; DIE VORIGEN
(Leicht wird hereingeführt, Gottfriedl folgt.)
GRUNDL: Herr Leicht, wie kommen Sie denn ?
LEICHT: Ich bin gestern eingführt worden, ich hab Händl ghabt in Kaffeehaus, weil a paar über mein Stuck
WÄCHTER: Nur wenn der Herr von Grundl gutstehn wollen für ihn, wie er gsagt hat, so lassen wir n frei.
GRUNDL: Gut, wenn er Straf zahlen muß, ich bin Mann dafür.
GOTTFRIEDL: Ich verlang aber auch Satisfaktion. Mich hat er bei der Ehre gepackt.
LEICHT: Das ist nicht wahr. Beim Schopf hab ich dich packt.
GRUNDL (zu Gottfriedl): Her da! Da hast zwei Zwanzger und jetzt geh. (Gibt ihm Geld.)
GOTTFRIEDL (zu Grundl): Aus Achtung für Ihnen will ich den Vorfall vergessen. (Zu Leicht.) Und wann Sie wieder ein Stuck schreiben, so verfeinden S Ihnen ja mit die Lehrbubn nit; die letzte Galerie gibt nicht selten den Ausschlag, und da gebn wir den Ton an. (Geht ab.)
GRUNDL (zum Wächter): Da hat der Herr auch was für seine Müh. (Gibt ihm.)
WÄCHTER: Empfehl mich ganz ghorsamst. (Ab.)
Achte Szene
GRUNDL, LEICHT, BLASIUS
GRUNDL: Herr Leicht, Sie haben kein Glück bei der Dichterei.
LEICHT (seufzend): Das ist wahr.
BLASIUS: Du bist zu dumm dazu.
LEICHT (auffahrend): Das ist nicht wahr!
GRUNDL: Sie müssens aufgebn. Werden Sie Buchhalter bei mir.
LEICHT: Was? Ich soll Kerzen und Seif berechnen? Das wird nicht gehn. Geben Sie acht, ich schreib Ihnen nix als Feenschlösser, Genien und Wassergeister ins Hauptbuch.
BLASIUS: Das wird sich geben, du wirst mit der Zeit Geschmack bekommen an der Seifensiederei, und wenn man das Geschäft einmal in Griff hat, so gehts als wie gschmiert.
LEICHT: Jawohl, gschmiert!
BLASIUS: Du stichelst auf meine Profession. Es is wahr, mit n Inslicht is es eine Schmiererei; was aber so ein Dichter zusammschreibt, is auch oft eine Schmiererei; siehst, irzt stichel ich auf deine Profession.
GRUNDL: Es bleibt einmal dabei, Sie schreiben in Zukunft Ziffer statt Vers. Aber halt! Heut heißts nochmal heraus mit n Pegasus. Sie müssen ein Hochzeitsgedicht machen, denn mein Sohn heiratt heut.
LEICHT (zu Blasius, heftig): Du heiratst!?
BLASIUS: Freilich! Ich bin ja schon Jahr und Tag Bräutigam mit der Steinrötlischen Agnes.
LEICHT (noch heftiger): Die heiratst du? Die? Und heut schon?
BLASIUS: Na ja, soll ich etwan noch ein Jahr warten? Ich bin ja schon groß genug zum Heiraten.
LEICHT: Und ich soll das Hochzeitsgedicht machen? Hahahaha!! (Für sich.) Doch halt! Ja, ich machs. Ich hab einen Gedanken
BLASIUS (zu Grundl): Wegen was schreit er denn so?
GRUNDL: Das is so ein Raptus, wie n die meisten Dichter haben.
Neunte Szene
KLOPFER; DIE VORIGEN
KLOPFER: Sie verzeihn allerseits, ich such den Herrn Leicht.
GRUNDL: Da is er.
KLOPFER: Herr Leicht, ich bring Ihnen eine unangenehme Nachricht. Ihre Frau is davongfahren und hat einen Zettel zurucklassen, daß s nimmer kommt. Ihren klein Sohn hat s zu meiner Gvattrin gschickt.
LEICHT (ohne viel auf die Nachricht zu achten): Gut, gut, alles gut.
KLOPFER: Nein, das is nicht gut, wir wissen nicht, was mit n Kind gschehn soll. Mein Gvattrin kann nit Ihren Bubn erhalten.
LEICHT (geht, ohne zu antworten, unruhig auf und ab, man sieht, daß er über etwas brütet).
GRUNDL (zu Leicht): Ihr Kind soll Ihnen doch das erste sein.
LEICHT: (auffahrend) Das Hochzeitsgedicht is mir das erste. Nur gschwind Tinten und Feder zum Hochzeitsgedicht. (Geht mit großer Heftigkeit in die Seitentüre links ab.)
KLOPFER: Ja jetzt, was soll denn meine Gvattrin ?
GRUNDL: Geh der Herr nur derweil, ich schick ihn gleich zu Ihnen.
KLOPFER: Ja, aber nur bald, bitt ich. Mein Kompliment! (Geht zur Mitte ab.)
GRUNDL: Ein kurioser Mensch, der Leicht fangt mir an gar nicht zu gfallen.
BLASIUS: Ich heb keine Ehr auf mit mein Freund.
GRUNDL: Du mußt ganz anders wern als er, nacher wirst grad recht sein.
BLASIUS: Hab ich nicht alle Anlagen, ein braver, guter, sanfter Ehmann zu werden?
GRUNDL: Das hoff ich. Ich will dir einige gute Lehren geben, die dein zartes Gemüt stärken sollen, mein Sohnerl, daß du nicht untern Pantoffel kommst. Die Hauptsach im Ehstand ist, den Hausfrieden erhalten, aber deßtwegen doch kein Simandl sein.
Duett
1.
GRUNDL:
Wenn s Weib dir was schafft, was willst machen, so tus,
Aber zeig ihr, daß alles nach dein Kopf gehn muß.
BLASIUS:
Die Lehr tut mi stärken,
Das will ich mir merken.
GRUNDL:
Wenn s Weib sagt: Trag s Kind um! Hörst nit? s Kleine schreit!"
Sagst: Den Aumbli! Das is ja für mich eine Freud!"
BLASIUS:
Die Lehr tut mi stärken,
Das will ich mir merken.
GRUNDL:
Wenn s Weib sagt: Jetzt führst mir die Hund auf d Bastein",
Sagst: Gleich, ich könnt ohne die Hund gar nit sein."
BLASIUS:
Die Lehr tut mi stärken,
Das will ich mir merken.
GRUNDL:
Auf die Art tust ihrn Wunsch du erfülln,
Aber handelst halt doch nach dein Willn!
BLASIUS (zugleich mit Grundl):
Die Lehr tut mi stärken,
O jegerl, o mein,
Die will ich mir merken,
Grad so will ich sein!
GRUNDL (zugleich mit Blasius):
Die Lehr soll dich stärken,
Courage, Sohnerl mein,
Nur das mußt dir merken:
Kein Simandl sein!
2.
GRUNDL:
Macht s Weib große Konto, sei ja nicht verdutzt,
Sondern sag: s is mein Willn, daß du dich so stark putzt."
BLASIUS:
Die Lehr tut mi stärken,
Das will ich mir merken.
GRUNDL:
Sagt s Weib: Du mußt z Haus bleibn heut! Mordsapperlot",
Sagst du: Das is gscheit, s Ausgehn is eh mein Tod."
BLASIUS:
Die Lehr tut mi stärken,
Das will ich mir merken.
GRUNDL:
Sagt s Weib: Heut erlaub ich es dir, du gehst aus",
Nimmst n Hut und sagst: Um kein Preis bleibet ich z Haus."
BLASIUS:
Die Lehr tut mi stärken,
Das will ich mir merken.
GRUNDL:
Auf die Art tust ihrn Wunsch du erfülln,
Aber handelst doch auch nach dein Willn.
BLASIUS (zugleich mit Grundl):
Die Lehr tut mi stärken,
O jegerl, o mein,
Die will ich mir merken,
Grad so will ich sein! zugleich
GRUNDL (zugleich mit Blasius):
Die Lehr soll dich stärken,
Courage, Sohnerl mein,
Nur das mußt dir merken:
Kein Simandl sein!
(Zur Seite ab.)
Verwandlung
Saal in Steinrötls Wohnung
Zehnte Szene
ÜBERALL, dann AGNES
ÜBERALL (allein): Warten laßt sie mich lang genug. Jetzt steh ich schon drei Viertelstund lang in der Antichambre, na, freilich, ich muß halt auch bedenken, es is eine Fabrikantenstochter, bei der ich mich hab melden lassen. Übrigens, wenn sie nicht bald kommt, so weiß ich, was ich tu; da wart ich noch länger. Ah, da is sie schon.
AGNES (mit weißem Kranz, als Braut frisiert, übrigens noch im Negligé, aus der Seitentüre links): Sein Sie nicht bös, Herr von Überall, aber bis eine Braut von der Toilette wegkommt, das geht nicht so leicht.
ÜBERALL: Der Gegenstand ist dieses Opfers wert.
AGNES: Sie machen mich neugierig.
ÜBERALL: Ahnen Sie gar nichts?
AGNES: Nicht das Geringste.
ÜBERALL: Träumt Ihnen nie von Fischament?
AGNES: Nein.
ÜBERALL: Auch nicht von Simmering?
AGNES: Nein.
ÜBERALL (für sich): Wohl ihr, ihre Ruhe wird durch mein Geständnis nicht gefährdet. (Laut.) Es wird jetzt eine Leidenschaft aufkommen, eine Leidenschaft, die keinem Menschen in Schlaf eingefallen wär.
AGNES: O reden Sie!
ÜBERALL: Blick mir ins Auge!
AGNES: Zu was denn? Reden S!
ÜBERALL: Da haben Sies schriftlich! (Gibt ihr ein Stammbuch.)
AGNES (das Buch nehmend): Mein Stammbuch?
ÜBERALL: Lesen S den Vers, den ich Ihnen hineingschriebn hab.
AGNES (liest): Es lie liebt ei (zu Überall) erlauben Sie, d i e Schrift bring ich nicht zusamm.
ÜBERALL: Die Hand zitterte, die es schrieb. Ich werd Ihnen s vorlesen. (Er liest.)
Es liebt ein Jüngling hoffnungslos,
Nach Fischament ziehn ihn die Ross,
Nichts Reizenders als dich der Jüngling kennt,
Das Höchste bist du ihm nächst Fischament."
AGNES: Ah, das is das erste, was ich hör! Sie sein verliebt in mich?
ÜBERALL: Unsinnig! Ich habe gekämpft, ich habe diese Leidenschaft so unterdruckt!
AGNES: Wirklich, man hat gar nichts bemerkt.
ÜBERALL: Nicht wahr? Nicht einmal s Drucken hat man mir angesehen, und doch war es so, ich hab gedruckt. So oft ich fortreis von Wien, so verfolgt mich Ihr Bild bis zum Simmeringer Bräuhaus, und erst in der Schwechat komm ich wieder auf andere Gedanken. Wenn ich zuruckreis nach Wien, und mein Geist is noch ganz in Fischament, s nutzt nix, bei der Linie falln Sie mir wieder ein. Erst neulich hab ich zwei Pfund Ungarischen bei mir ghabt, und der Mautaufseher fragt mich, ob ich ein Tabak hab. Ich, anstatt Nein" zu sagen, seh in meiner Schwärmerei den Mautaufseher für Ihnen an, stürz ihm um n Hals und sag: Geliebte, nimm alles, was ich habe!" Und der dawischt richtig die zwei Pfund Tabak.
AGNES: Bei so bewandten Umständen, Herr von Überall, wird es das beste sein, wenn Sie meiner Hochzeit nicht beiwohnen, denn aussehn werd ich, aussehn, eher zum Verlieben als zum Vergessen.
ÜBERALL: Der Anblick der Kupolation wird alle Empfindungen aufriegeln in mir; na, aber bei der Tafel werd ich schon schaun, daß ich beizeiten besoffen bin. Eine Bitt hab ich noch: Geben Sie mir eine Locke. (Zieht eine große Schere hervor und geht auf sie los.)
AGNES (zurückweichend): Nein, um keine Welt!
ÜBERALL: Ich schneid Ihnen nur auf der rechten Seiten alle weg.
AGNES: Ich bedank mich, ich brauch meine Locken alle selbst.
ÜBERALL: Na, es is auch recht. Es is ohnedem nur eine Dummheit mit diese Haar zum Angedenken, man verliert das Zeug in die ersten acht Tag.
AGNES: So? Da muß die Lieb gar nicht groß sein.
ÜBERALL: O, bei mir furchtbar! Aber morgen fahr ich nach Fischament, dort bleib ich drei Stund und komm abends wieder nach Wien zuruck. Bis dahin hoff ich, Sie gänzlich vergessen zu haben, denn Zeit und Entfernung heilen jede Wunde, und im Grund, gar viel liegt mir ja doch nicht dran an Ihnen.
AGNES: Na, desto besser, dann gibt sich ja die Sache recht bald.
ÜBERALL: Ja, ja, es wird sich geben, ohne Anstand.
AGNES: Auf Wiedersehen also, leidenschaftlicher Jüngling! (Im Abgehen.) Mit Ihnen haben mir kein Spektakel à la Werther zu befürchten. (Seitentüre links ab.)
Elfte Szene
ÜBERALL
ÜBERALL: Sie macht eine Anspielung aufs Erschießen? Nein, da hats Zeit! In Fischament is auch einer, der sich wegen keiner erschießen tut. Ein Mensch, der ans Reisen gewöhnt ist, macht nicht leicht aus Liebe einen dummen Streich. Ich werd schier einer der stärksten Reisenden sein, die es jemals gegeben hat. Da machen die Leut so viele Gschichten mit dem Weltumsegler Cook. Was hat er denn getan? Um die Erden is er zwei- oder dreimal herum, das is das Ganze. Ich aber, ich reis alle Jahr wenigstens zweihundertmal nach Fischament und wieder zuruck, hin zwei Posten, her zwei Posten, macht jedesmal acht Meilen, folglich reis ich in einem Jahr 1600 Meilen. Wenn ich das durch zwanzig Jahr so fortmach, so macht das 32.000 Meilen, die Erden hat 4500 Meilen in Umkreis, folglich is es so viel, als ob ich siebenmal um die ganze Erden herum wär. Diese weiten Reisen sind ja gar nicht notwendig, zu was denn? Und was man alles aussteht dabei! Da müßt mein Herz a Narr sein.
1.
Viele fahren über Hütteldorf bis nach Paris,
Dort verspieln s ihr ganz Geld, o, da machen s a Gfries.
Viele fahren nach London, so bloß zum Vergnügn,
Dort boxen s dann, bis s a paar Rippenstöß kriegn;
Von dort über Petersburg gschwind hin nach Mainz,
Dann machen s ein Abstecher übri in die Schweinz,
Da steign s auf die Gletscher, tun Wegweiser zahln
Und kraxeln so lang, bis auf d Nasen herfalln.
So was ging mir ab vor mein End,
Nein, ich reis nur nach Fischament.
2.
Eine Reise nach Asien, so was is brav,
Da nehmen s ein gfangen, dann is man ein Sklav;
In Amerika d Wilden, na, da iss erst schön,
Die bratn ein lebendig, hernach kann man gehn.
Vor Afrika warnt ein ein jeder, ders kennt,
Fallet ich so einem Negerhändler dort in die Händ,
Der malt mich mit Kienruß, wer schützt mich davor?
Mischt mich unter d andern, verkauft mich als Mohr!
So was ging mir ab vor mein End,
Nein, ich reis nur nach Fischament.
3. (Repetitionsstrophe)
Das Weltteilentdecken, was hat man davon?
s is a Sach, die man nit mit nach Haus nehmen kann.
Drei Weltteil habn s eh ghabt durch viel tausend Jahr,
Und s sein nit zweni gwest, irzt haben s fünfe sogar,
s wär Luxus, wenn i n sechsten entdecket dazur,
Fünf Weltteil, das is ja in d Haut eini gnur!
Was brauch ich dem Kapitän Roß seine Ehrn?
Wegen n Nordpol mag ich mir nit d Nasen erfrörn.
So was ging mir ab vor mein End,
Nein, ich reis nur nach Fischament.
(Zur Mitte ab.)
Zwölfte Szene
AGNES, STEINRÖTL (durch rechts)
AGNES (in vollständigem Brautanzuge): Charlott! Charlott!
STEINRÖTL (ihr folgend): Aber, Töchterl, du laufst mir alleweil davon, und ich hab dir noch eine Menge gute Lehren z geben.
AGNES: Gleich, Papa, ich muß nur die Charlott fragen Charlott!
Dreizehnte Szene
DIE VORIGEN; CHARLOTTE
CHARLOTTE (aus dem Hintergrunde eintretend): Befehlen?
AGNES: Was sagt der Schneider? Warst dort?
CHARLOTTE: Sie dürfen drauf rechnen, Fräuln.
STEINRÖTL: Die erste Tugend einer Frau
CHARLOTTE: Da ist die Theater-Zeitung", ist erst gekommen.
AGNES: Da wird gewiß schon vom Leicht drin stehn, ich mags gar nicht lesen. (Charlotte legt das Zeitungsblatt auf einen Tisch links im Vordergrunde.)
STEINRÖTL: Die erste Tugend einer Frau ist Häuslichkeit.
AGNES: Ja, Papa. (Zu Charlotten gewendet.) Wie ich mich auf n Ball heut freu, das kann ich gar nicht beschreiben.
STEINRÖTL: Der Putz muß ihr nur Nebensache sein.
AGNES: Ja, Papa. (Zu Charlotten gewendet.) Zur Kupolation ist das Kleid scharmant, wenn ichs aber auf n Ball auch anhaben müßt, da wär ich unglücklich damit.
CHARLOTTE: Sein Sie ruhig, der Schneider hats versprochen, und wenn ein Schneider was verspricht
STEINRÖTL: Der Frauen schönster Schmuck ist Einfachheit.
AGNES: Ja, Papa. (Zu Charlotten gewendet.) Und recht eine auffallende Frisur muß ich kriegen. Hast den Friseur ?
CHARLOTTE: Schon bestellt.
STEINRÖTL: Eine Frau muß nur suchen, ihrem Mann zu gefallen, die andern Männer sind gar nicht auf der Welt für sie.
AGNES: Ja, Papa. (Zu Charlotten.) Wie die Herrn alle schaun werden, wenn ich den Brautanzug mit n Ballkleid werd verwechselt haben. Einer wird sagen: Jetzt ist sie schöner!" Der andere wieder: Nein, mit n weißen Kranz hat sie mir besser gefallen!" O, das wird eine Seligkeit sein!
STEINRÖTL: Sag mir nur, Töchterl, beherzigst denn auch alles, was ich dir sag?
CHARLOTTE (hat nach dem Hintergrund gesehen): Der Herr Bräutigam und der Herr von Überall. (Geht nach der Meldung ab.)
Vierzehnte Szene
BLASIUS (im Bräutigamskostüm), ÜBERALL, GRUNDL; DIE VORIGEN ohne CHARLOTTEN
BLASIUS (zuerst eintretend): Fräuln Braut, ich komm auf den Flügeln der Liebe nein, wie Sie ausschauen! Wenn Sie Ihnen bis zu der silbernen Hochzeit so konservieren, nacher darf ich schon zufrieden sein.
AGNES: O, Sie kleiner Schmeichler!
BLASIUS: Wirklich, das muß die ganze Welt sagen, wir sind ein schönes Paar.
GRUNDL (mit Überall eintretend): Na, da sind wir also. (Begrüßt Steinrötl.)
STEINRÖTL: Höchste Zeit, in einer Viertelstund gehts los.
ÜBERALL (für sich): Furchtbarer Moment! Sei stark, mein Herz.
BLASIUS: Mich gfreuts nur, daß wir so ein schön Tag heut haben, das bedeutt ein günstiges Ehstandswetter.
ÜBERALL: Kalt wars, mich hat auf der Reise sehr gefroren; ich habe die Bemerkung gemacht: bei Schwechat fängt ganz ein anderes Klima an.
Fünfzehnte Szene
CHARLOTTE; DIE VORIGEN
CHARLOTTE: Gnädige Fräuln, das ist eine rührende Geschicht!
ALLE: Was denn? Was?
CHARLOTTE: Ich bin ein erwachsnes Stubenmädl und möcht weinen wie ein kleins Kind.
AGNES: So red doch!
CHARLOTTE: Dem Dichter Leicht seine Frau ist durchgegangen, das wissen Sie. Was wird jetzt aus sein Kind werden? Ich hör gerad, es lauft den ganzen Tag herum in der Nachbarschaft, und er kommt oft die ganze Wochen nicht nach Haus. Wer solls erziehen, daß es nicht dem Vatern nachgeratt?
STEINRÖTL: Ja, das ist eine schwere Sach.
GRUNDL: Was kann man da tun?
CHARLOTTE (zu Agnes): Nehmen S das Kind an!
AGNES: Ja, das will ich!
BLASIUS: Warum nicht gar!
AGNES (zu Blasius): Was ist das für eine Red?
ÜBERALL: Wenn ich den unwiderstehlichen Drang zum Reisen nicht in mir hätte, so nehmet ich den Buben an; ich hätt zwar noch in Fischament eine weitschichtige Mahm, aber die hat selber drei Buben, der eine is ein Maderl von fünf Jahr, der andere a Maderl von acht Jahr und der älteste heißt Nannerl und ist ein Zwilling von drei Jahr.
STEINRÖTL: Aber, Herr von Überall, was reden Sie denn da zusamm?
ÜBERALL: Verzeihen Sie, es war nur Scherz. (Für sich.) Es ist Verwirrung der Liebe.
BLASIUS: Ich kann das Kind in keinem Fall brauchen.
CHARLOTTE (bittend): Fräulein Agnes !
AGNES (zu Blasius): Wenn ich es aber wünsche
BLASIUS: Gott sei Dank, ich hab nicht nötig, Kinder anzunehmen.
AGNES: Wenn ich Ihnen drum bitt
BLASIUS: Nein, so ein Pamperletsch könnt mir grad gstohln wern.
AGNES (in gebieterischem Ton): Das Kind wird angenommen, ich will es (ihm scharf entgegentretend) oder
BLASIUS (verblüfft): Ja, hab denn ich was dagegen gesagt?
AGNES: Freilich, Sie weigern sich ja, Sie Hartherziger!
BLASIUS: Ich? Im Gegenteil! (In bramarbasierendem Ton.) Das Kind muß angenommen werden, ich befehl es.
AGNES: Geh, Charlotte, und laß das Kind gleich herbringen. (Charlotte ab.)
BLASIUS (befehlend): Augenblicklich! (Selbstwohlgefällig für sich.) So muß man zeigen, daß man Herr im Haus is, es schadt nix, wenn man als Bräutigam schon ein wenig imponiert.
STEINRÖTL: Und jetzt, meine Herren, bitt ich, ein paar Gläser Likör, und dann fahren wir gleich zur Kupolation.
ÜBERALL (mit Grundl und Steinrötl links abgehend): In Fischament war auch eine Kupolation.
BLASIUS (nachfolgend): Ich werd um ein Glasel ein Bittern ersuchen, denn zu dem Stand, in den ich jetzt trete, braucht man ein guten Magn. (Ab Seite links.)
Sechzehnte Szene
AGNES
AGNES: Ich möcht doch gern die Theater-Zeitung" lesen, was übern Leicht drin steht. (Will das Blatt nehmen, besinnt sich aber anders.) Ah nein! Mir is leid um ihm, ich könnt mich nur ärgern, und ich will nicht mit einem verdrießlichen Gsicht bei der Hochzeit sein. Was braucht denn mirs die ganze Welt anzusehn, daß ich mich im stillen drüber ärger, daß ich keinen schönern Bräutigam hab? Ich bin ein reiches Mädl, bin ein hübsches Mädl, und den Bräutigam! Es ist völlig a Schand! Die Cour gemacht haben mir schon freilich hundert Schönere, aber heiraten hat mich halt doch keiner wollen als der. O Männer! Männer! Was wird denn das werden! Der Ehstand kommt noch ganz ab.
1.
DMänner schmachten und seufzen und schauen uns nach,
Sie gehn unterm Fenster vorbei Tag für Tag,
In kurzer Zeit kommen zehn Brieferln ins Haus,
Welch empfindsames Herz hält wohl dieses lang aus?
Verzweiflungsvoll flehn sie um ein Rendezvous,
Das Herz ist verloren schon, gibt man das zu;
So wie die Banditen sagn: s Geld oder s Lebn",
So sagn die: Willst du Tod oder Liebe mir gebn?"
In einer Stund schwörn hundertmal sie uns Treu,
Und wer kann ergründen, was sie denken dabei?
Man sagt, daß s uns foppen nur, das glaub i nit,
Eine kurze Zeit foppen sie sich selber mit;
Und sinds auch nur Lügn, wodurch s Herz sie uns raubn,
So lügn s anfangs so, daß sies selber noch glaubn.
2.
Doch dauerts nicht lang, sind s auch wirklich verliebt,
Man glaubt nicht, wie schnell sich bei d meisten das gibt;
Sie werden so einsilbig, zwider so gwiß,
Und fragt man dann, wies mit der Heirat denn is,
Bringt man das Gespräch drauf, so fein man nur kann,
Da schaun s mit großmächtigen Augen ein an.
Da suchen s Entschuldigung, der wegn Vermögn,
Beim andern, da sind seine Eltern dagegn,
Der eine hat a Tant, die die Erbschaft ihm nimmt,
Der andre, der ist für a andre bestimmt;
Die bessern, die ziehn sich dann gänzlich zurück,
Sie weichen eim aus, man sieht s nicht mit ein Blick,
Doch viele, die denken: Für was die Keirei?"
Und führn unscheniert eim a andre vorbei.
(In die Seite links ab.)
Siebzehnte Szene
LEICHT (allein)
LEICHT (stürzt wütend herein aus dem Hintergrunde und trägt den Jokusstab in der Hand): Wo ist das Brautpaar ? Wo sind sie? Mit dem Präsent, was sie mir einst gemacht hat, will ich den Bräutigam erschlagen. Zwar nein, das wär nit der Müh wert. Die Justiz rechnet mir den Kerl für ein guten an und hänget mich auf. Untersteht sie sich und heiratt! Weiß, daß ich verliebt in sie bin wie ein Damerl, und sie heiratt, die Verwogene! (Reißt mit Ingrimm den Kopf von dem Jokusstab herunter und wirft ihn zur Erde.) O, ich wollt, ich könnt ihrn Kopf so herabreißen und könnt ihr einen andern aufsetzen, so schiech wie mein Nachbarn sein Pintsch, das wär eine Rache! Das wär der eitlen Kreatur zehnmal ärger als der Tod! Ich will sie vergessen, ausstreichen aus meiner Erinnerung wie ein falschgeschriebenes Wort; meinem Gedächtnis gib ich einen Nasenstiefel, so oft es den Namen Agnes ausspricht. (Er hat im Zorn das Band, mit welchem der Stock nach Art eines Zauberstabes umwunden war, herab gerissen.) Hinauswandern will ich in die Welt, diesen Stock will ich zum ewigen Andenken tragen, und so oft mir ein Gedanken kommt an sie, hau ich mir damit selber ein Fünfundzwanzger herab.
Achtzehnte Szene
CHARLOTTE, DIENSTLEUTE BEIDERLEI GESCHLECHTS; DER VORIGE
CHARLOTTE (die Dienstleute ordnend, welche mit Blumen und Kränzen hereinkommen): So! Da stellt euch auf in zwei Reihen, die Mädeln da, die Männer hier; wenn ich das Zeichen gebe, so wird Vivat geschrien. Die Trauung muß bald vorüber sein; nur aufgepaßt, sie können alle Augenblick da sein.
LEICHT (Charlotten heftig an der Hand fassend): Wem gilt das Vivat?
CHARLOTTE: Wem wirds gelten? Dem Brautpaar! Fragn S nicht so dumm!
LEICHT: Kecke Personage !
CHARLOTTE: Ei was, vor einem Menschen, der sich so betragt, als wie Sie, vor dem kann man keinen Respekt haben. Schaun Sie sich lieber um, was Ihr Kind macht, wird Ihnen gscheiter anstehen, als daß Sie sich da herstellen als verliebter Narr.
LEICHT: Kein Wort mehr, Stubenmädl, oder
EINIGE VON DEN DIENSTLEUTEN: Sie kommen schon!
CHARLOTTE (zu den Leuten): Achtgegeben! (Klatscht in die Hände.)
ALLE: Vivat! Vivat!
Neunzehnte Szene
GRUNDL, STEINRÖTL, BLASIUS, AGNES, ÜBERALL, MEHRERE GÄSTE; DIE VORIGEN
(Alle treten während den ersten Takten des folgenden Chores ein.)
CHOR:
Das Brautpaar lebe dreimal hoch,
Wie heut in hundert Jahren noch!
(Alle sind eingetreten, es werden den Eintretenden Blumen entgegengestreut.)
CHARLOTTE (mit einem Bukett zur Braut vortretend):
Werft auf dies Sträußchen einen Blick,
In Farben prangt es hell,
Wie diese Blumen blüh Euer Glück,
Doch welk es nicht so schnell!
CHOR:
Es bringe jeder Augenblick
Dem holden Paare neues Glück!
CHARLOTTE (sich dem Bräutigam nähernd):
Dem Bräutgam such ich Blumen aus,
So zart als wie sein Sinn,
Drum reiche ich ihm einen Strauß
Von Sonnenblumen hin.
(Reicht ihm einen großen Strauß von Sonnenblumen.)
CHOR:
Das Brautpaar lebe dreimal hoch,
Wie heut in hundert Jahren noch!
STEINRÖTL: Recht scharmant! Das hat mich so gerührt, so überrascht wenns für einen Fabrikanten nicht unschicksam wär, ich fanget zum Weinen an.
GRUNDL (zu Leicht): Jetzt fahren Sie vor mitn Hochzeitsgedicht.
LEICHT: Die Braut selbst muß es lesen. (Hält ihr mit unterdrücktem Grimm das Gedicht hin.)
ÜBERALL (dazwischentretend und das Gedicht nehmend): Warum nicht gar? Ich werd es vordeklamieren; es hat ja in Fischament auch einer deklamiert. (Liest.) Falsche! Treulose! Zittern Sie vor meiner Rache! Ich zünd Ihnen das Haus über dem Kopf an "
ALLE (erstaunt): Was is denn das?!
ÜBERALL: (sich fassend) So hat der gesagt in der Deklamation in Fischament.
ALLE: Ah so!
ÜBERALL: Das Hochzeitsgedicht aber behalt ich für mich. (Zerreißt es und steckt es ein.) Nach Tisch werd ich eines von meiner Komposition zum Besten geben. (Zu Leicht.) Rasender Mensch. Sie brächten sich ja um die Existenz. Übrigens bemerken Sie das Edle in meiner Handlungsweise? Solchen Edelmut gibt es auch in Fischament.
STEINRÖTL: Also ohne alle weiteren Zeremonien zur Tafel!
ALLE: Zur Tafel! Zur Tafel! (Zur Seite links geht alles ab, was zur Gesellschaft gehört, die Dienerschaft im Hintergrunde.)
Zwanzigste Szene
LEICHT
LEICHT: Wenn das Volk nur fressen kann! Wie s den Speisenduft wittern, da erwacht die Eßlust, und wie die erwacht, legen sich alle ihre Leidenschaften schlafen; sie haben keinen Zorn, keine Rührung, keine Wut, keinen Gram, keine Lieb, keinen Haß, nicht einmal eine Seel haben s. Nix haben s als ein Appetit. O, ich wollt ! (Das Zeitungsblatt erblickend.) Da ist ja die Zeitung. Auf dLetzt is gar schon
Einundzwanzigste Szene
AGNES; DER VORIGE
AGNES (eilig aus Seite links kommend): Herr Leicht, ich bitt Ihnen
LEICHT: Was? Sie Sie trauen sich mir noch in die Näh?
AGNES: Und was wär denn zu fürchten dabei?
LEICHT: Was dabei zu fürchten ist, fragen Sie? Was zu fürchten ist? Nicht wahr, vor einer Hyäne laufeten S davon? Und was is eine Hyäne für ein sanftes gutwilliges Wesen gegen eine grimmig gereizte Leidenschaft? Davon habt ihr freilich keinen Begriff, ihr ordinären Dutzendseelen, die der liebe Herrgott packelweis erschafft, die dann die Gegenwart zu Markt bringt, eingewickelt in das schofle Umschlagpapier der Alltäglichkeit. Alles, alles is zu befürchten, denn in mir tobts, in mir brausts, in mir kochts!
AGNES: Sie sind ein Narr!
LEICHT: Das sagen Sie mir, die mich zu einem Narren gemacht hat?
AGNES: Hab ich Ihnen geschafft, daß Sie sich so sterblich in mich verlieben sollen? Kann ich für meine Schönheit?
LEICHT: O, ich bitt S, die Schönheit is nicht so groß, aber meine Leidenschaftlichkeit war hundertmal so groß als Ihre Schönheit, und wieder nur hundertmal so klein als Ihre Falschheit, und hundertmal so groß als Ihre Falschheit war meine Dummheit. Aus diesen Potenzen ergibt sich das Fazit von selbst.
AGNES: Was hätt ich denn tun solln?
LEICHT: Ledig bleiben, ewig ledig bleiben
AGNES: Na ja, da wär ich grad aufglegt dazu.
LEICHT: Nichts als denken an mich, keinen andern Mann anschaun.
AGNES: Und was hätt ich denn mit Ihnen für diese Opfer für eine Aussicht gehabt?
LEICHT: Aussicht! Seit wann fragt denn die Lieb nach einer Aussicht? Die wahre Lieb schaut nur da heraus, wo keine Aussicht is. Sie zeigen sehr wenig Einsicht in das Wesen der Lieb, wenn Sie glauben, daß die Lieb eine Aussicht braucht.
AGNES: Hörn S auf und was reißen S denn so am Halstüchel an?
LEICHT: Das ist eine Eigentümlichkeit von mir, wie ich in Wut gerat, so tu ich mich immer beim Halstüchel ziehn.
AGNES: Machen S kein Skandal, kommen S zur Tafel! Sie blamieren mich ja, sein Sie gscheit.
LEICHT: Ich will nicht gscheit sein.
AGNES (unwillig): Na, so bleiben S dumm! (Für sich.) Nein, wenn alle Männer auf die Art verliebt wären, da verklaget ich jeden beim Grundgricht, der eine Neigung zu mir faßt. (Links ab.)
Zweiundzwanzigste Szene
LEICHT
LEICHT: Jetzt gibt sie mir die Erlaubnis, dumm zu sein; ich hab nicht gewartet auf diese Permission, ich war schon ohnedem so frei. Aber mir war ja früher, als wenn ich da was gesehn hätt. (Nimmt das Zeitungsblatt.) Richtig, die Rezension über mein gestriges Stück. (Liest murmelnd.) Niederträchtig! (Murmelt fort.) Schändlich! Ha! Was is das? (Liest laut.) Dem Dichter fehlt es gänzlich an Verstand" diese Worte hat mein Freund Blasius tausendmal zu mir gsagt! (Wütend.) Es ist klar die Kritik is von ihm! Er hats gmacht! O, du Muster von ein schlechten Freund!
Dreiundzwanzigste Szene
DER VORIGE; BLASIUS
BLASIUS: (aus der Seite links kommend) Du, Leicht, mein Vater laßt dir sagen
LEICHT: Daher, Pasquillant! (Packt ihn.) Du hast diese Kritik über mich gmacht!?
BLASIUS: Du bist bsoffen!
LEICHT: Der Ausdruck ich hab keinen Verstand" is von dir.
BLASIUS: Nein, das sagt jeder, der dich kennt.
LEICHT: (wütend) Von dir is die Kritik! Schuft, ich beutl dir die Seel ausn Leib! (Faßt und schüttelt ihn.)
BLASIUS: Zu Hilf ! Der Dichter hat den Paroxysmus kriegt! Zu Hilf !
Vierundzwanzigste Szene
GRUNDL, STEINRÖTL, AGNES, ÜBERALL, alle GÄSTE (kommen aus links), DIE VORIGEN, dann die DIENSTLEUTE
ALLE (indem sie erschrocken herbeieilen): Was is denn geschehn?
GRUNDL (Leicht von Blasius abhaltend): Ob S mir mein Sohn gehn lassen!
STEINRÖTL: Nein, jetzt wirds mir zu viel!
LEICHT: Ich bring ihn um für die Rezension!
GRUNDL (zu Leicht): Halten Sie s Maul!
STEINRÖTL: Da wern wir gleich Ordnung machen. (Zu den Dienstleuten, welche mittlerweile auf den Lärm herbeigeeilt sind.) Packts an! Werfts den Dichter hinaus!
CHOR:
Hinaus mit ihm! Greift an! Greift an!
Es packt ihn jeder, wie er kann;
Der Dichter gibt im Haus kein Fried,
Ein solchen Narren leiden wir nit!
Hinaus! Hinaus!
Aus diesem Haus!
(Während des Chores sind die männlichen Dienstleute über Leicht hergefallen, haben ihn in die Höhe gehoben und tragen ihn, indem er sich wütend wehrt, in den Hintergrund ab.)
Der Vorhang fällt.
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