Johann Nestroy
Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab

Parodierende Posse in 3 Acten

Erste Abteilung
Zweite Abteilung
Dritte Abteilung

     

Erste Abteilung

Eleganter Saal im Hause des Fabrikanten Steinrötl

Erste Szene

GRUNDL, STEINRÖTL, AGNES, BLASIUS, ÜBERALL, THEATERDIREKTOR, LEICHT, FRÄULEIN PUTZ, FRÄULEIN MIGRÄNE, HERREN, FRAUEN

(Die ganze Gesellschaft sitzt im Halbkreise herum, die Herren stehen hinter den Frauen, links im Vordergrunde sitzt Leicht an einem besonderen Tische und ist eben begriffen, die letzten Worte eines Stückes vorzulesen.)

LEICHT: (vorlesend aus einem Manuskript) Juchhe! Jetzt sind wir alle glücklich! (Die Anmerkung lesend.) Er umarmt seine Geliebte, alle übrigen im Stück, die einen geliebten Gegenstand aufzuweisen haben, umarmen denselben ebenfalls, der Zauberer tritt segnend vor, von allen Seiten kommen Wolken, griechisches Feuer, der Vorhang fällt. (Macht das Manuskript zu.)

EINIGE STIMMEN: Schön – recht scharmant –

STEINRÖTL (laut gähnend): Recht brav!

ÜBERALL: Es gehört sich aber eine Geduld dazu, so ein ganzes Stück vorlesen zu hören.

FRÄULEIN PUTZ: Jawohl!

FRÄULEIN MIGRÄNE (zu Leicht): Wenigstens haben Sie gezeigt, daß Sie im Besitz einer Lunge sind, wie wenig Dichter sie aufzuweisen haben.

ÜBERALL: Jawohl, eine enorme Lungel.

STEINRÖTL: Gehn wir jetzt lieber zum Essen, das is g’scheiter.

ÜBERALL: Ich glaub’s, daß das g’scheiter is als so ein Stuck –

STEINRÖTL (zu Grundl): Herr von Grundl, zum Souper! – Was is denn das? – Der Herr von Grundl is eing’schlafen – Herr von Grundl! Der Mann is gar nicht zum Erwecken.

MEHRERE (schreien tüchtig zu ihm): Herr von Grundl!

GRUNDL (sich die Augen reibend und erwachend): Bravo – recht scharmant! (Er applaudiert noch halb im Schlaf.)

LEICHT (beiseite): Der tut mir eigentlich die allergrößte Sottise an.

ÜBERALL (zu Leicht): Sagen Sie mir: G’fallt Ihnen Ihr Stuck?

LEICHT: Ja.

ÜBERALL: Mir nit! (Mischt sich wieder unter die Gesellschaft.)

GRUNDL (zum Direktor): Der Herr Theaterdirektor werden doch das Stuck aufführen lassen? Wie g’fallt’s denn Ihnen?

DIREKTOR: Ja, sehen Sie – ich werde – wenn auch – Sie wissen – die Umstände – in Berücksichtigung dessen – und folglich –

LEICHT (beiseite): Der fällt ein klares Urteil über meine Dichtung. (Zum Direktor.) Im Ernst, Herr Direktor, Sie müssen mir das Stuck abkaufen.

DIREKTOR (verlegen): O, ich bitte – Sie können ja – und wenn dann –

LEICHT (laut): Spaß apart, ich brauch’ grad ein Geld, ich gib Ihnen’s billig.

DIREKTOR: Aber die Gesellschaft hier –

LEICHT (wie oben): Das kann die ganze Gesellschaft wissen, daß ich kein Geld hab’, sie weiß’s auch, ohne daß ich’s sag’. Also machen S’ keine Umständ’, zahlen S’ ein Honorar.

DIREKTOR: Ich kann mich zu gar nichts herbeilassen.

LEICHT: Was? Gar nix wollen S’ mir zahl’n? Und das Stuck hat doch reellen Wert, fünfzehn Groschen hat mir der Kasstecher drum geben wollen. Um fünf Gulden werden Sie’s doch nehmen?

DIREKTOR (die Achsel zuckend): Die gegenwärtigen Verhältnisse –

LEICHT: Wissen S’ was, da hab’ ich noch ein Stuck. (Zieht noch ein Manuskript hervor.) Jetzt nehmen Sie s’ alle zwei, ich gib Ihnen ’s Paar um sieben Gulden, billiger kann ich’s nicht tun.

DIREKTOR: Nun, wenn’s durchaus sein muß. (Gibt ihm das Geld und legt dann das Stück auf den Tisch.)

STEINRÖTL: Aber gehn wir doch zum Essen!

ÜBERALL: Freilich, die beständigen Dummheiten mit die Stuck, mit die faden.

LEICHT (aufgebracht): Hör’n Sie, Sie fangen mir an, gar z’ grob zu werden.

ÜBERALL: Das müssen Sie mir nicht übelnehmen; das ist so eine ungezwungene Manier, die ich mir auf meinen Reisen angewöhnt hab’.

GRUNDL: Sie reisen doch ununterbrochen.

ÜBERALL: Immer! Von Wien nach Fischament, und dann wieder von Fischament nach Wien.

GRUNDL: Warum denn immer gerade diese Tour?

ÜBERALL: Ich hab’ schon über zweihundertmal diese Reise gemacht, weil ich mich an der herrlichen Gegend zwischen Simmering und Schwechat nicht satt sehen kann; und die Abenteuer, die einem da aufstoßen! – Ich hab’ zum Beispiel in Fischament einmal geglaubt, ich hab’ mein’ Tobaksbeutel verloren, dann hat sich aber das Ganze aufgeklärt, ich hab’n in der Wagentaschen stecken lassen. Es ist wirklich interessant. Na, beim Souper will ich Ihnen einiges erzählen.

STEINRÖTL: Zum Souper, sonst wird der Champagner kalt.

ALLE: Zum Souper!

(Alle ab, bis auf Agnes, Blasius und Leicht.)

 
Zweite Szene

AGNES, BLASIUS, LEICHT

LEICHT: Das ist niederträchtig!

BLASIUS: Was? Dein Stuck?

LEICHT: Nein, die Behandlung hier im Haus.

BLASIUS: Mein Gott, es is halt ein bürgerlicher Kreis, lauter aufrichtige Leut’. Die heißen dich einen Esel ins G’sicht, aber bloß aus Biedersinn und Gutherzigkeit.

LEICHT: Mein Stuck is nicht schlecht, es hat gute Gedanken und Spaß genug.

BLASIUS: Aber es hat witzige Gedanken.

LEICHT: Und is das etwan nicht recht?

BLASIUS: Freilich nicht. Ein G’spaß soll niemals witzig sein, sondern so gewiß sentimental gutmütig, daß man mit ’n halbeten G’sicht lachen und mit der andern Hälfte weinen kann. Wir sind biedersinnige, gemütliche Menschen, wir wollen überall Rührung und was fürs Herz.

LEICHT: Ihr seid’s dumme Menschen in höchstem Grad!

BLASIUS: Du, red’ nicht so laut, wenn das einer hört von die gutmütigen, biedersinnigen Leut’, so tragt er dir’s nach in zehn Jahren. Du hast dir heut’ ohnedem durch dein frivoles Benehmen viele Feinde hier gemacht. Du wirst sehn, wie dein Stuck aufg’führt wird, die gehn alle hinein und pfeifen dir’s aus, aber bloß aus Biedersinn und Gutherzigkeit.

LEICHT: Ich geh’ fort, in dem Haus leid’t’s mich nicht länger. (Will fort.)

AGNES: O, bleiben Sie, lieber Dichter!

LEICHT (für sich): „Lieber Dichter" hat sie g’sagt?

AGNES: Ich weiß zwar nicht, ob Ihnen was gelegen ist an meinen Urteil –

LEICHT: Hat’s Ihnen gefallen? Nur das sagen Sie mir.

AGNES: Es hat mich außerordentlich unterhalten, ich hab’ so gelacht –

BLASIUS: Ich hab’ auch g’lacht, weil mich zwei gute Freund’ kitzelt haben.

LEICHT: Sie, Fräul’n, wenn Ihnen Ihr Bräutigam lieb ist, so schaffen S’ ihn fort, denn der kann noch solche Schläg’ kriegen von mir –

AGNES: Gehn Sie voraus zur Tafel, Herr Grundl!

BLASIUS: Und was macht denn die Fräul’n Braut indessen?

AGNES: Eine kleine Rezension über das Stück von Ihrem guten Freund.

BLASIUS: Sie müssen ihn aber nicht beleidigen; wenn Sie schon schimpfen wollen, so sagen S’ ihm’s wenigstens verblümt als wie ich. (Zu Leicht.) Du, Leicht, dein Stuck is zwar unter aller Kritik, aber meine Braut will es doch ein wenig kritisieren; sollte sie dich beleidigen – denn ich weiß, du bist ein dummer, eingebildeter Kerl –, so verzeih ihr, ich werde es durch meine Höflichkeit wieder gut zu machen suchen. (Will ab, kehrt aber einen Schritt zurück.) Daß sie aber so mit ihm allein – ah, ich hab’ nichts zu riskieren, sie hat mir ja ewige Liebe geschworen, mein Vertrauen ist unerschütterlich! (Geht im Hintergrunde ab.)

 
Dritte Szene

AGNES, LEICHT

LEICHT: Aber Fräul’n, is es denn möglich? Wie haben Sie sich in diesen Grießstrudl von einem Menschen verlieben können?

AGNES: Wer sagt Ihnen denn, daß ich verliebt bin in ihn? Er ist ja nur mein Bräutigam, von der Lieb’ weiß ich noch nicht viel zu sagen.

LEICHT: O, hören Sie auf!

AGNES: Sie als Dichter müssen schon mehr wissen von der Lieb’!

LEICHT: Allerdings sind mir in diesem Punkte einige Kenntnisse nicht abzusprechen.

AGNES: Die Lieb’ ist selten Wahrheit, bei die Männer gar, da ist sie fast immer ein Gedicht. Unter welche Gattung der Dichtungen gehört denn also eigentlich die Lieb’?

LEICHT: Es ist eine dramatische Idylle in einem Aufzug.

AGNES: So kurz?

LEICHT: Kurz, aber wunderschön! Und weil es zu kurz ist, deswegen wird halt das Stück so oft wiederholt; und es laßt sich leicht wiederholen, es macht keine Kosten; nur zwei Personen, man braucht keine Statisten, keine zahlreiche Umgebung dabei, schwache Beleuchtung, höchstens ein bissel Mondschein.

AGNES: Sie sagen, die Lieb’ kostet nichts. Kost’t sie denn nicht das Herz, was man dabei verschenkt?

LEICHT: Am Herzen ist eigentlich nicht viel G’schenkt’s dran. Es ist ein’ eigener Zauber dabei, man verschenkt’s hundertmal, und es kommt immer wieder zurück; man glaubt oft, es ist noch fest bei der oder jener, auf einmal sieht man in ein Paar schöne Augen – bum, bum, bum, bum, bum! fangt’s zum Klopfen an, da ist’s schon wieder!

AGNES: Also so verhalt’t sich das mit der Lieb’? Und wie ist es denn mit der Ehe?

LEICHT: Die Eh’ ist auf jeden Fall ein Trauerspiel, weil der Held oder die Heldin sterben muß, sonst wird’s nicht aus. Übrigens hat die Eh’ sehr viel von einem Spektakelstuck, denn Spektakeln ereignen sich in diesem Stand, gar nicht zum glauben. Auch Tableaus kommen drin vor, der Mann kniet hintern Ofen, die Frau schmacht’t übers Fenster auf einen hinunter, das is ein scharmantes Tableau; dann Gruppierungen, die Frau steht so (macht pantomimisch, wie die Frau dem Mann eine Ohrfeige geben will), und der Mann steht so (macht eine Stellung, wie der Mann sich furchtsam bückt). Das ist eine herrliche Gruppierung. Dann gibt’s auch sehr häufig Gefechte im Eh’stand. Einzüge: wie der Mann ins Wirtshaus geht, hält der Liebhaber seinen Einzug ins Haus; Krönungen etc., alles mögliche, was zu einem guten Spektakelstück gehört.

 
Vierte Szene

DIE VORIGEN; BLASIUS

BLASIUS (mit umgebundener Serviette): Aber so kommt’s doch zum Essen, es sekkieren mich schon alle wegen meiner Braut und wegen ’n Freund.

AGNES: Die Kritik ist noch nicht aus.

BLASIUS: Sei’n Sie nachsichtig, Fräul’n Agnes. (Zu Leicht.) Wenn sie grob is, so verzeihe ihr. (Will fort, bleibt aber stehen, für sich.) Daß sie aber so lang an der Rezension – ah, nein, sie hat mir ewige Liebe geschworen, mein Vertrauen ist unerschütterlich! (Geht ab, wie früher.)

 
Fünfte Szene

AGNES, LEICHT

LEICHT: Ihr Bräutigam hat viel Vertrauen zu Ihnen.

AGNES: Hab’ ich ihm denn schon eine Ursach’ zum Mißtrauen gegeben?

LEICHT: Gesetzt, es käm’ einer und sähet Sie so zärtlich an? (Tut es.)

AGNES: Da mach’ ich ein trotziges G’sicht und schau’ weg. (Tut es nicht, sondern sieht mit einem schmachtenden Blick auf ihn.)

LEICHT: Und wenn Ihnen einer so bei der Hand nähmet?

AGNES: Da reiß’ ich s’ zurück mit Gewalt. (Läßt ihre Hand in der seinigen.) Von Drucken ist gar keine Red’. (Drückt ihm zärtlich die Hand.)

LEICHT: Und wenn er Sie an sein Herz zieht?

AGNES (leise und zärtlich): So schrei’ ich um Hilf ’, daß das ganze Haus zusamm’lauft.

LEICHT: Glücklicher Bräutigam, du hast nichts zu befürchten! Wir vergessen aber ganz auf mein Stück, was haben Sie da für Bemerkungen gemacht?

AGNES: Im ersten Akt haben Sie einmal so zufällig herübergesehn auf mich, und da hab’ ich bemerkt – schauen Sie dort hinüber – (schüchtern), da hab’ ich bemerkt, daß Sie sehr schöne Augen haben.

LEICHT: Und im zweiten Akt?

AGNES: Da haben Sie den Kopf etwas so in die Hand gestützt, und da – schau’n S’ wieder dort hinüber – da hab’ ich bemerkt, daß Sie einen recht hübschen Lockenkopf haben.

LEICHT: Und im dritten Akt – ?

AGNES: Da haben Sie einmal gelächelt über was, und – nur wieder wegschauen – da hab’ ich bemerkt, daß Ihnen das Lächeln sehr gut ansteht.

LEICHT: Aber das Stuck im ganzen?

AGNES: Ist scharmant! Aber lesen muß ich’s erst. (Läuft zum Tisch und nimmt das Manuskript.)

LEICHT (für sich): Also ihr allein hat’s g’fallen, weil s’ gar nicht aufg’merkt hat drauf.

 
Sechste Szene

BLASIUS, STEINRÖTL; DIE VORIGEN

STEINRÖTL: Aber was is denn das, Herr von Leicht? Alles fragt schon um Ihnen.

BLASIUS (ein Kapaunbiegel verzehrend, zu Agnes): Sie wissen, ich kann keinen Bissen essen, wenn Sie nicht dabei sein.

LEICHT (mit Bezug auf Steinrötl, für sich): Das is auch einer, dem mein Stuck nicht g’fallen hat, ich muß ihm eine Grobheit antun. (Laut und barsch.) Ich geh’ gar nicht zur Tafel, ich geh’ fort.

STEINRÖTL: Aber bedenken Sie, es is ja wegen der Gesellschaft – nehmen Sie doch Rücksicht –

LEICHT: Ich nehm’ gar keine Rücksicht.

STEINRÖTL: Sie stoßen mir meine Gesellschaft vor ’n Kopf.

LEICHT: Das wird bei der Gesellschaft nicht möglich sein.

STEINRÖTL: Sie, meine Gesellschaft derfen Sie mir nicht beleidigen, es sind meine Freund’.

LEICHT: Da heißt’s wohl: Gleich und gleich g’sellt sich gern.

STEINRÖTL: Sie, mich derfen Sie auch nicht beleidigen.

LEICHT: Ich beleidige die ganze Welt, weil die ganze Welt mich beleidigt.

BLASIUS (leise zu Steinrötl): Lassen Sie ’n gehn, es is nix anz’fangen mit ihm. (Laut zu Leicht.) Also b’hüt’ dich Gott, Brüderl, komm gut nach Haus und grüß’ mir deine Frau.

AGNES (aufschreiend): Ah! Was hab’ ich jetzt g’hört? Frau – !? Sie sind verheirat’t – ?

LEICHT: Einigermaßen.

AGNES (desperat): Verheirat’t? Mit dem Gesicht?

LEICHT: Nicht wahr? Ich schau’ so ledig aus.

AGNES: Das ist abscheulich von Ihnen, so ein Mensch soll gar nicht verheirat’t sein.

LEICHT: Ich kann auf Ehre nix davor!

AGNES: Fort von mir! (Zu Blasius.) Schaffen Sie ’n fort, Ihren verheirat’ten Freund!

BLASIUS (zu Leicht): Sie hat g’sagt, du sollst fortgehn.

LEICHT: ’s Maul halt! (Zu Agnes.) Schöne Agnes –

AGNES: Ich werde ohnmächtig –

BLASIUS (zu Leicht): Es wird ihr übel vor dir.

AGNES (zu Leicht): Fort – !

BLASIUS: Hast nicht g’hört? Fortgehn sollst!

LEICHT: Das brauchst mir nicht zu wiederholen, es ist schon genug, daß sie mir’s sagt. (Geht in höchstem Unmut fort.)

 
Siebente Szene

DIE VORIGEN ohne LEICHT

BLASIUS (zu Agnes): Sagen Sie mir, Fräul’n Braut, warum kränkt Ihnen denn das so, daß mein Freund verheirat’t is? (Pause, dann zu Steinrötl.) Sie gibt mir keine Antwort.

STEINRÖTL (nähertretend): Agnes – Töchterl – ! (Zu Blasius.) Sie gibt mir auch keine Antwort.

BLASIUS (zu Agnes): Braut – – (Zu Steinrötl.) Sie mag nicht.

STEINRÖTL: Tochter – – (Zu Blasius.) Sie will nicht.

AGNES (wie aus einem Traum erwachend): Hat der Papa auf mich gered’t?

STEINRÖTL: Ich hab’ dich fragen wollen, warum dir das so viel Chagrin macht, was dich das angeht, daß der Dichter verheirat’t ist?

AGNES: Nichts, lieber Papa, gar nichts.

STEINRÖTL (zu Blasius): Sie sagt, es is nix.

BLASIUS: Ja, es kann auch nix sein, sie hat mir ja, fallt mir grad ein, ewige Dings dader – ewige Liebe geschworen, mein Vertrauen ist unerschütterlich!

STEINRÖTL: Ich möcht’ nur wissen, ob alle Dichter so zuwider sind als wie der, oder ob der so z’wider is als wie alle Dichter.

BLASIUS: Seine Sachen sein eigentlich gar nit übel.

STEINRÖTL: Es is wahr, wir waren etwas gar grob mit ihm, aber das muß sich so ein Mensch g’fallen lassen, er hätt’ jetzt ein gutes Essen da kriegt, und zu Haus hat ja so ein Dichter eh nix als Kraut und Erdäpfel.

BLASIUS: Ich weiß, was ich tu’, ich werd’ ihn schon wieder gut machen, ich hab’ schon eine Idee.

AGNES (für sich): Ich hab’ ihn auch zu sehr gekränkt, den lieben Dichter, ich kann meine Gedanken gar nicht losreißen von ihm.

STEINRÖTL: Du, Agnes, weißt was – Agnes – aber Agnes!

AGNES (steht mit abgewandtem Gesicht, ganz in Gedanken verloren, ohne Steinrötl zu hören).

STEINRÖTL: Ich möcht’ nur wissen, an was denn das Madl alleweil denkt.

BLASIUS: An mich denkt sie, das is klar, denn sie hat mir ewige Liebe geschworen.

STEINRÖTL: Sie soll mir aber eine Antwort geben. Agnes – !

AGNES (bleibt wie früher):

BLASIUS (leise zu Steinrötl): Lassen Sie s’ gehn, sie wird sich auf einmal umdrehen und wird mir a Bussel geben wollen; jetzt gehn wir aber derweil in der Still’ fort; den Zorn nacher, wenn sie sich umdreht und um das Bussel kommt! Es is wirklich ein Hauptg’spaß, wenn einem eine ewige Liebe geschworen hat. (Geht leise lachend und behutsam, daß es Agnes nicht merken soll, mit Steinrötl in den Hintergrund ab.)

AGNES (allein, ohne von den Abgegangenen die geringste Notiz genommen zu haben): Ich muß ihm eine Freud’ machen, ich will ihm etwas Schmeichelhaftes überschicken – aber was? – Und wie? Etwas Charakteristisches, etwas Angenehmes – mir fallt nix ein – mein Kopf ist wie verloren. (Unruhig auf- und abgehend.) Halt! Meine Charlotte ist ein pfiffiges Mädel, die muß Rat schaffen. Ich Ungerechte! Kränk’ ich den Dichter, weil er verheirat’t ist! Was kann denn er davor? Der arme Mensch! Man sieht ihm’s nur zu deutlich an, daß er viel lieber ein lediger Dichter wär’. (Seite rechts ab.)

 

Verwandlung

Einfache, etwas ärmliche Wohnung des Dichters

 
Achte Szene

THERESE (allein, während des Ritornells des folgenden Liedes aus der Seitentüre rechts auftretend):

 
1.
A Dichtersfrau hat nur Malör,
Es is gar nit zum sag’n,
Als wie dreihundert Schnecken schwer
Liegt’s Dichten mir in Mag’n.
Kredit hab’n d’ Dichter, das is g’wiß,
Das tut sich üb’rall zeig’n,
Sag’ i, daß mein Mann a Dichter is,
Kein’ Kreuzer krieg’ i z’ leig’n.
 
2.
Neuli geh’ i mit ihm ins Gasthaus h’nein,
Man sitzt nicht stets gern z’ Haus,
Merkt der Wirt, das könnt’ a Dichter sein,
Sagt er glei: „Sie, zahl’n S’ voraus!"
Stuck schreibt der Mann, doch trag’n s’ nix ein,
Das is a z’widre G’schicht’,
Sie g’fall’n ihm selber ungemein,
Den Leuten aber nicht.

 
Mir ist das Leben einmal zu traurig, ich verdien’ eine bessere Existenz. Ich bin ein sauberes Weib, das haben mir schon zu viel Leut’ g’sagt, als daß ich dran zweifeln könnt’, und das noch dazu Leut’, die ’s verstehn. Wenn man alle Wochen zwei neue Kleider, drei Hüt’ und einen seidenen Überrock kriegt, da is es keine Kunst, schön zu sein; aber nix anzulegen muß man haben als wie ich, und doch noch die Herzen rebellisch machen, das will was gesagt haben. Ich bin keiner neidig um ihren Putz, aber z’ Tod gift’ ich mich, wenn eine andere was Schön’s anhat, das kann man mir nicht verargen, das liegt in der weiblichen Natur. Jetzt muß eben alles anders werden.

 
Neunte Szene

DIE VORIGE; LEICHT

LEICHT (tritt verstimmt ein): Guten Abend!

THERESE: Was? Du bist heut’ schon zu Haus?

LEICHT: Du weißt ja, daß ich jeden Abend zwischen neune und drei schlafen geh’.

THERESE: Hast dein Stück vorg’lesen? Wie hat’s denn den Leuten g’fallen?

LEICHT: Die Aufnahme war geteilt; ein Teil hat g’schlafen und der andere Teil hat g’schimpft.

THERESE: Schrecklich! Da wird’s also der Theaterdirektor nicht kaufen?

LEICHT: Er hat’s schon gekauft.

THERESE: Wie teuer?

LEICHT: ’s Paar um einen Siebner, das heißt sieben Gulden.

THERESE: Entsetzlich! Was fangen wir an mit sieben Gulden?

LEICHT: O, wegen die sieben Gulden sei ruhig, ich hab s’ jetzt grad auf ’n Billard verspielt.

THERESE: Mann, du treibst es zu stark! Jetzt können wir betteln gehn.

LEICHT: Sei still, mir fallt grad ein neu’s Zauberspiel ein.

THERESE: Keinen Kreuzer Geld und morgen fruh kommt der Greißler.

LEICHT (in poetischer Begeisterung, ohne auf sie zu hören): Der Zauberer erscheint.

THERESE: Der Schneider und der Schuster kommen auch herauf.

LEICHT (wie oben): Zwei Furien kommen aus der Versenkung.

THERESE: Der Hausherr wirft uns hinaus.

LEICHT (wie oben): Ein Ungeheuer naht sich.

THERESE (lamentierend): Das is ein Unglück ohne Grenzen! Seit acht Tagen kein Holz zum Einheizen, und das (auf das Licht zeigend) is die letzte Kerzen im Haus.

LEICHT (wie oben): Griechisches Feuer beleuchtet das Ganze.

THERESE: Hör’ auf mit deine verdammten Komödien und schaff ’ ein Geld her.

LEICHT: Bring’ mich nicht aus der Phantasie.

THERESE: Was wer’n wir denn morgen z’essen haben?!

LEICHT: Wie hast du können die Gattin eines Dichters werden, wenn du Anspruch auf irdische Nahrung machst?

THERESE: Ich fall’ ganz von Fleisch.

LEICHT: Das is recht. Geist hast auch nicht viel, nachher is die Proportion herg’stellt.

THERESE (weinend): Meine Mutter hat recht g’habt, die hat wollen, ich soll den Greißler heiraten, der uns morgen pfänd’t; und ich war so in der Verblendung und hab’ mich hinreißen lassen von dem seine dalketen Vers’.

LEICHT: Was? So sprichst d u, die einst beim Haubenputzen Tag und Nacht meine Lieder gesungen hat? Erinnerst du dich nicht mehr an das Lied, du hast einmal dabei ein Schmiesel mit’n Begeleisen verbrannt.

THERESE: Ich hab’ vor Hunger alle Lieder vergessen.

LEICHT: Du hast es g’sungen an dem Tag – weißt noch, du hast grad Merkgarn abg’wunden, und ich hab’ dir den Haspel g’macht. Wie war’s denn g’schwind? – Richtig, ich hab’s schon.

Lied (ohne Akkompagnement)
 
1.
Geh her, sauber’s Madl, i lern’ dir a Lied,
Und kannst es nit bald, so gib acht, was passiert,
Kriegst acht Täg’ kein Bussel, du, das is nix Klein’s,
Doch wennst es gut lernst, so kriegst zehne für eins.
Da lernt ’s Mädl fleißig, singt allweil das Lied,
Doch wie sie mir’s vorsingt, da war s’ ganz verwirrt,
Sie hat von dem Lied nicht ein’ Buchstab’n sich g’mirkt,
Die Busserln, die hat s’ aber dennoch gekriegt.

(Therese, welche mit steigender Aufmerksamkeit zugehört, singt den Refrain mit Leicht a duo ganz im Harfenistenton.)

LEICHT: (entzückt) Siehst, du kannst ’s Lied noch! Jetzt lieb’ ich dich wieder auf einige Zeit. Probier’n wir ’s zweite G’setzl.

 
2.
Geh her, du mein’ Alte, i lern’ dir a Lied,
Und wennst es kannst, so kriegst ein Bussel spendiert.
Da lernt sie sehr fleißig, singt allweil und singt,
Damit sie’s nur ja zu dem Bussel bald bringt.
I denk’ mir, die merkt sich das Lied g’wiß nit mehr,
Auf einmal singt sie’s ohne Fehler daher.
Wie ich das vernimm, fahr’ ich ab unbemirkt,
Bis dato hat sie noch das Bussel nit kriegt.

(Therese wiederholt wie oben den Refrain mit Leicht a duo.)

(Man hört klopfen.)

LEICHT: Es klopft wer.

THERESE: Um zehn Uhr auf die Nacht? Das kann unmöglich eine Pfändung sein.

LEICHT: Herein!

 
Zehnte Szene

DIE VORIGEN; BLASIUS, ÜBERALL, MEHRERE HERRN

BLASIUS: Grüß’ dich Gott, Brüderl!

LEICHT: Guten Abend allerseits! Wie komm’ ich so spät zu dieser Ehre?

ÜBERALL: So spät war’s neulich auch in Fischament –

THERESE: Herr von Überall, es g’freut uns unendlich –

BLASIUS (zu Leicht): Du bist verdrießlich fortgegangen aus der G’sellschaft, deswegen sind wir jetzt da; Lemoni, Zucker und a etliche Flaschen Rum haben wir mit’bracht, jetzt trinken wir ein’ Punsch. (Stellt alles auf den Tisch.)

ÜBERALL: Und vergessen ganz auf Ihre fade Komödie.

LEICHT (erbost): Sie – ich sag’ Ihnen’s zum letztenmal –

ÜBERALL (zu Therese): Madame Leicht, haben Sie die Güte und schau’n S’, daß S’ wo a warm’s Wasser krieg’n.

THERESE: Gleich, mein lieber Herr von Überall! (Sieht ihn kokett an.)

ÜBERALL: Wegen was schauen S’ mich denn so dalket an?

THERESE: Der versteht auch nichts von der Augensprach’. (Ab.)

ÜBERALL: Mussi Leicht, die Ihnrige schaut mich immer an, ich kann das nicht ausstehn.

LEICHT: Was schad’t Ihnen denn das?

ÜBERALL: Ich mag so was nicht. In Fischament ist auch eine, die ein’ immer anschaut.

BLASIUS: Ich kann diese Verführungskünste nicht leiden. Ich will meiner Braut treu sein, sie hat auch keinen andern Gedanken als mich.

ÜBERALL: In Fischament ist der nämliche Fall –

THERESE (tritt ein, einen Topf mit heißem Wasser bringend): Da, meine Herrn. (Stellt ihn auf den Tisch.) Soll ich vielleicht den Punsch machen?

ÜBERALL: Nein, lassen Sie’s gut sein, das können wir besser als Sie. (Fängt an, Punsch zu machen.)

LEICHT: Ich für meinen Gusto, ich trink’ den Rum lieber pur.

ÜBERALL: In Fischament ist auch einer, der Rum trinkt.

THERESE (zu Überall): Kann ich Ihnen vielleicht helfen?

ÜBERALL: Lassen S’ mich gehn. Mussi Leicht, die Frau gibt mir kein’ Ruh’.

LEICHT: Hat s’ Ihnen schon wieder was getan?

ÜBERALL: Aber grad der nämliche Fall wie in Fischament, da ist auch eine, die keine Ruh’ gibt.

LEICHT (zu Theresen): Was hast denn alleweil?

ÜBERALL (zu Theresen): Ich nimm gleich den Lemonidrucker und zwick’ Ihnen.

LEICHT: Nein, wenn ich noch an den letzten Punschrausch denk’, den ich g’habt hab’, das war ein Hauptschub. Da hab’ ich eine Wett’ g’wonnen, ich hab’ mit einem Kaffeesieder pariert, wer dümmer is, ich oder er, der Dümmere zahlt zwanzig Glas Punsch, eine Affäre von zwanzig Gulden Schein.

ÜBERALL: Und wer war der Dümmere?

LEICHT: Na, der Kaffeesieder, denn er hat g’wußt, daß ich ein Dichter bin, und hat glaubt, ich hab’ zwanzig Gulden in Sack, also –

ÜBERALL (zu Theresen): Jetzt hören S’ einmal auf mit die Sachen. (Zu Leicht.) Sie, Ihre Frau tritt mich immer heimlich auf ’n Fuß.

LEICHT: Ah, warum nit gar!

ÜBERALL (zu Theresen): Ich weiß überhaupt nit, was Sie da herumzulaund’ln hab’n. Wenn die Männer zum Punschtrinken anfangen, g’hört die Frau ins Bett.

THERESE (unwillig aufstehend): Den Rat werd’ ich befolgen, aus einer solchen Gesellschaft skisiert man sich leicht. (Im Abgehen für sich.) Diese Dummheit ist mir noch nicht untergekommen; ärgert der sich über die Avancen, die ihm eine hübsche Frau macht. So einen Menschen soll man grad nehmen und soll’n hinauswerfen aus’n neunzehnten Jahrhundert. (Ab in die Seitentüre.)

 
Elfte Szene

DIE VORIGEN ohne THERESE

LEICHT (zu Überall): Sie werden aber doch ein schöner Grobian sein!

ÜBERALL: O, in Fischament ist auch ein bedeutender Grobian! Übrigens merk’ ich, Sie haben noch einen Groll auf mich, weil ich Ihre Komödi nicht g’lobt hab’. (Das Glas nehmend.) Stoßen S’ an! Das wär’ der Müh’ wert, daß zwei Leut’ wie wir sich zertrageten wegen so einem einfältigen Stuck.

LEICHT (gereizt): Sie beleidigen mich schon wieder?

ÜBERALL: Machen S’ mich nicht giftig, sonst steck’ ich mein’ Punsch in Sack und gib ihn ein’ Armen auf der Gassen. Singen S’ lieber ein Punschlied, ein wiffes, is g’scheiter!

LEICHT: Meinetwegen, beim Punsch kann ich nicht lang bös sein. Also eing’schenkt, die Gläser voll, und g’sungen, daß die Fenster klirren!

Lied mit Chor

LEICHT:
’s Bier is schlecht, d’r Wein is schlecht,
Gar kein’ Trunk kriegt man echt;
In Wein tun s’ Schwefel ’nein,
Ins Bier a Kräuterbrüh’,
Jedes Getränk wird von d’ Wirt
Häufig sehr stark malträtiert.
Den Punsch macht man selber z’ Haus,
Druckt die Lemoni aus,
Schütt’t sich sein’ Rum dazur,
Zuckert so lang, bis gnur,
Drum ein Getränk nach mein’ Wunsch
Bleibt ewig nur ein Glas Punsch.

CHOR:
Drum ein Getränk nach mein’ Wunsch
Bleibt ewig nur ein Glas Punsch.

LEICHT:
Mit’n Bierrausch ist’s gute Nacht,
Weil’r melancholisch macht,
Vom Wein, da tut man gern
In Rausch cholerisch wer’n,
Und bei die zwei Temp’rament’
Hat gleich ’s Vergnüg’n a End’.
Ein’ Rausch, der sanguinisch is,
Kriegt man vom Punsch nur g’wiß,
Außer in Kaffeehaus
Fallt er phlegmatisch aus.
Drum ein Getränk nach mein’ Wunsch
Is nur ein z’ Haus g’machter Punsch.

CHOR:
Drum ein Getränk nach mein’ Wunsch
Is nur ein z’ Haus g’machter Punsch.

BLASIUS (nach dem Gesang): Leicht, du bist ein fideler Kerl! Sagen wir du zueinand. –

LEICHT: Mir scheint, bei dir macht schon der Punsch seine Wirkung. (Es wird geklopft.)

ÜBERALL: Ich hab’ ein’ Klopfer g’hört. –

LEICHT: Das is eine späte Visit’! Herein!

 
Zwölfte Szene

DIE VORIGEN; CHARLOTTE

CHARLOTTE (tritt ein, mit einem Brief in der Hand, und trägt zugleich etwas mit einem Tuch Bedecktes): Ich bitt’, ich weiß nicht, ob ich recht geh’. Logiert hier der komisch-dramatische Dichtungsfabrikant?

LEICHT: Der bin ich.

CHARLOTTE: Ich hab’ da einen Brief an Ihnen.

LEICHT: Von wem?

CHARLOTTE: Das steht in Brief.

LEICHT: Und was bringst du da?

CHARLOTTE: Das steht auf ’n Tisch. (Stellt das Mitgebrachte auf den Tisch, nimmt das Tuch, womit es verhüllt ist, weg und man erblickt auf einem zierlichen Piedestal einen Jokusstab mit dem Momuskopfe und der Schellenkappe.)

ALLE (lachen): Was ist das!?

BLASIUS: A Hanswurstelkopf! Das ist von meiner Braut, ich kenn’s am Stubenmadl. Sei nicht bös, Bruder Leicht, das is eine abscheuliche Grobheit von ihr; schickt sie dir einen Hanswurstelkopf!

LEICHT: Einfältiger Mensch! Das ist ja der Jokusstab! Sie zeigt dadurch an, daß sie mich für fähig hält, als Dichter diesen Zauberstab zu schwingen, darin liegt die höchste Schmeichelei für mich.

ÜBERALL: Sie hätt’ Ihnen aber doch lieber einen Lorbeerbaum schicken sollen.

LEICHT: Wollen Sie mich foppen? Oder halten Sie mich wirklich für so dumm? Bis zum Lorbeer versteig’ ich mich nicht. G’fallen sollen meine Sachen, unterhalten, lachen sollen d’ Leut, und mir soll die G’schicht’ a Geld tragen, daß ich auch lach’, das is der ganze Zweck. G’spaßige Sachen schreiben und damit nach dem Lorbeer trachten wollen, das is eine Mischung von Dummheit und Arroganz, das is grad so, als wie wenn einer Zwetschgenkrampus macht und gibt sich für einen Rivalen von ’n Canova aus.

BLASIUS (hat den Momuskopf näher untersucht): O je, jetzt merk’ ich was! Die ganze Mützen is mit Dukaten g’füllt.

LEICHT: Herrliches Geschöpf! (Er erbricht und liest mit Entzücken den Brief.)

BLASIUS (für sich): Das find’ ich aber doch etwas stark von meiner Braut. Schickt die dem da bei der Nacht einen Brief und a Geld! Ah, da muß ich ihr meine Meinung tüchtig sagen lassen. Charlott’!

CHARLOTTE: Was befehlen der Herr von Grundl?

BLASIUS: Sag’ Sie meiner Braut –

CHARLOTTE: Was denn?

BLASIUS (stockt ein wenig): Ich – lass’ ihr vielmals die Hand küssen.

CHARLOTTE: Ich werd’s ausrichten. (Will fort.)

LEICHT: Du gehst schon fort, holdes Kind – ?

CHARLOTTE: Versteht sich. Ich werd’ doch nicht etwan auf ein Trinkgeld warten? Ich weiß recht gut, ich bin bei einem Dichter, und bei die Leut’ schaut nix dergleichen heraus.

LEICHT: Sag’ dem Fräulein, ich bin ganz – ich weiß nicht – ich möchte – ich –

ÜBERALL: Besoffen sein Sie, soviel ich merk’; macht nix, die Tag’ ist in Fischament auch einer besoffen g’west.

CHARLOTTE: Ich werd’ ihr’s ausrichten. Dergleichen abgebroch’ne Redensarten weiß ein vernünftiges Stubenmädl schon zu ergänzen. (Geht ab.)

 
Dreizehnte Szene

DIE VORIGEN ohne CHARLOTTE

BLASIUS (zu Leicht): Unter andern, was schreibt sie dir denn?

LEICHT: Das geht dich gar nix an.

BLASIUS: Das ist höchst verdächtig – indessen sie hat mir ewige Liebe geschworen, mein Vertrauen ist unerschütterlich!

ÜBERALL: In Fischament ist auch einer mit einem unerschütterlichen Vertrauen.

BLASIUS: Du, Bruder Leicht –! (Leicht steht unbeweglich und blickt mit Entzücken in den Brief.) Mit dem is heut’ nix mehr anzufangen – (zu den andern) gehn wir nach Haus.

ALLE: Ja, ja, es is schon Zeit.

BLASIUS (betrachtet Leicht, welcher noch immer unbeweglich in den Brief sieht, und schüttelt mit bedenklicher Miene den Kopf): Hm, hm, hm, hm – ich glaub’ immer, ich werd’ nit gut schlafen auf den Punsch. (Geht ab.)

ÜBERALL (geheimnisvoll und wichtig zu Leicht): Das ist wirklich sonderbar; in Fischament hat auch einer einen Brief gekriegt.

ALLE: Gute Nacht, Freund Leicht, gute Nacht! Trinken wir noch eins! (Treten zum Tisch und trinken. Leicht hat davon gar keine Notiz genommen.)

(Wie alle abgehen, beginnt das Ritornell des folgenden Finales.)

Finale

LEICHT:
Sie schreibt mir a Brieferl auf g’farbtem Papier,
Die Freud’ macht noch grad, daß ich wahnsinnig wir’.
Dukaten schickt s’ mir, macht mich zum reichen Herrn,
Für mich darf in Narrnturm bald ’s Zimmer g’richt’t wer’n.
 
O, Agnes, Sie Schatz!
In mein’ Herz wär’ Ihr Platz,
O, dann wär’ mein Leb’n,
Süß wie a Zibeb’n.
Welch unverhofft’s Glück,
Ich glaub’ fast, ich erstick’,
Von ihr kommt die Freud’,
Das is schön, das is g’scheit!
Ich steh’ in Gold bis an Hals,
Und von ihr kommt das all’s!
O, Agnes, Sie Schatz,
Bei mir is ’s Gold an sein’ Platz!
 
Man hat mir a Menge Dukaten geschickt,
Auf d i e Art wird selten ein Dichter beglückt,
Der Tisch voller Flaschen, der Tag is nit trüab,
Die Mützen voll Gold dort, die Freud’, na, ich stirb!
Solang ich ein Dichter jetzt bin auf der Welt,
Leg’ ich heut’ zum erstenmal mich nieder mit Geld.
Doch ich geh’ nicht ins Bett, bei dem Tisch schlaf’ ich heut’,
Die ganze Nacht träumt mir von Glück und von Freud’.

(Er setzt sich auf den Stuhl und lehnt den Kopf nach dem Tisch zurück.)

Überschütt’t mit Gold, bedeckt mit Rum,

(Er legt sich zwei volle Rumflaschen ans Herz und hält sie mit dem linken Arm.)

Ja, so ein Schlaf, der is nicht dumm.

(Er zieht mit der rechten Hand an der Schleife, welche den Spitz der Mütze am Jokusstabe zusammenhält, die Dukaten fallen über ihn herab, er schlummert ein.)

Der Vorhang fällt.

Erste Abteilung
Zweite Abteilung
Dritte Abteilung

  

Zweite Abteilung

Die Bühne stellt ein beleuchtetes Kaffeehauslokal vor, im Hintergrunde das Billard, im Vordergrunde drei Tische mit Stühlen

Erste Szene

CICHORI, MARQUEURS, MEHRERE GÄSTE, darunter HERR VON SCHARF, HERR VON BILLIG

(Wie der Vorhang aufgegangen ist, treten die sämtlichen Gäste auf.)

CHOR (zum Kaffeesieder):
Ein’ Schwarzen her! Ein’ Schwarzen her!
Wo steckt Er denn? Marqueur! Marqueur!
Wir wollen lieber wenig zahl’n,
Gebt’s nur recht gut und viel von all’n.
Marqueur! Marqueur!
Ein’ Schwarzen her!

(Sie verteilen sich an die drei Tische und werden mit Kaffee bedient.)

CICHORI: Die Herren kommen heut’ spät vom Soupieren.

BILLIG: Es hat ja die Komödi so lang’ gedauert.

CICHORI: Wie ist s’ denn ausg’fallen?

ERSTER GAST: Miserabel!

ZWEITER GAST: Langweilig!

SCHARF: Niederträchtig!

BILLIG: Na, gar so arg find’ ich’s nicht.

CICHORI: Von wem ist s’ denn?

ERSTER GAST: Vom Herrn Leicht.

ZWEITER GAST: Es ist auch eine leichte Arbeit.

ERSTER GAST: Ich g’freu’ mich auf die Kritik, die wir morgen werden zu lesen kriegen.

BILLIG: Morgen schon? Wie wär’ denn das möglich?

SCHARF: Die Kritik war heute früh schon fertig, ich hab’ s’ gelesen.

BILLIG: Das ist aber dann in jedem Fall ungerecht.

SCHARF: Nein, über den muß man schimpfen, unter fünfmal wird man sich nicht einmal irren. Seine Sachen müssen durchfallen, dafür sorgen schon seine Feind’.

BILLIG: Hat er denn die mit Recht?

SCHARF: Mit vollem Recht, denn er ist ein arroganter Mensch, ein liederlicher Mensch, ein –

BILLIG: Na, na, gar so arg wird’s nicht sein.

 
Zweite Szene

DIE VORIGEN; LEICHT

LEICHT: Einen Schwarzen!

MARQUEUR: Den Augenblick.

LEICHT (die Gesellschaft besehend): Gott sei Dank, da is niemand, der mich kennt. (Setzt sich zum Tisch rechts, der Marqueur bringt ihm Kaffee.)

ERSTER GAST (am Tische rechts sitzend): Daß das Stück mit Recht ausgepfiffen worden ist, das ist gewiß.

LEICHT (steht auf, nimmt sich seinen Kaffee mit und setzt sich an den Tisch links, für sich): Wo ich hinkomm’, is von dem Höllenstuck die Red’.

ZWEITER GAST (am Tisch links sitzend): Ich wenigstens muß sagen, ich hab’ in meinem Leben nix Dümmeres gesehen als diese Komödie.

LEICHT (steht auf und nimmt seinen Kaffee mit, für sich): Ist denn kein Tisch mehr in der Welt, bei dem ich mit Ruh’ sitzen kann? (Setzt sich an den Tisch in der Mitte.)

SCHARF (am Tisch in der Mitte sitzend): Alles, was dieser Leicht schreibt, ist, mit einem Wort, ein niederträchtiger Schmarn.

LEICHT (aufspringend): Da soll doch der Teufel –!

CICHORI: Was is denn g’schehn?

LEICHT: Der Kaffee war so heiß, ich hab’ mich verbrennt.

CICHORI (höflich scherzend): Da geht’s Ihnen wie dem Dichter, der hat sich auch verbrennt, heut’ mit seinem Stuck. (Geht zum Billard.)

LEICHT: (für sich, ergrimmt) Der kommt mir auch noch! Jetzt frag’ ich: wo soll man da die Geduld hernehmen? (Stellt sich mit seinem Kaffee links in den Vordergrund, beinahe bis ans Portal.)

 
Dritte Szene

GOTTFRIEDL; DIE VORIGEN

GOTTFRIEDL (tritt ein): Herr Kaffeesieder, geben S’ mir a Portion Schwarzen für mein’ Herrn nach Haus.

CICHORI (zum Marqueur): Franz, tummel dich! (Zu Gottfriedl.) Wie kommt denn das, daß dein Herr heut’ so spät in der Nacht ein’ Kaffee trinkt?

GOTTFRIEDL: Er war in dem neuen Stuck, und das war so ein Unsinn, sagt er, daß er sich erst wieder den Magen muß einrichten drauf.

LEICHT: (grimmig für sich) Verdammt – !

CICHORI (zu Gottfriedl): Warst du auch im Theater?

GOTTFRIEDL: Leider Gott! Das is ja eine Komödi unter aller Kritik.

LEICHT (mit äußerster Heftigkeit): Nein, das is zu stark! Halunk’ ich werd’ dich schimpfen lernen! (Wirft den Buben zu Boden.)

ALLE: Was is denn das?

GOTTFRIEDL: Zu Hilf’! Zu Hilf’!

CICHORI (Leicht mit Gewalt von Gottfriedl wegziehend): Erlauben Sie mir, solche Auftritt’ leid’ ich nicht in meinem Kaffeehaus.

LEICHT: Der Bub hat g’schimpft über mein Stuck.

ALLE: O je, das is der Verfasser!

LEICHT: Ja, der bin ich, und wem’s nicht recht is, der soll mir in die Näh’ kommen, wenn er Courage hat! –

SCHARF: Da sind Sie was Rechts!

LEICHT: Sie haben sich früher schon herauslassen gegen mich, Ihnen will ich ’s Maul stopfen, daß S’ an mich denken sollen. (Packt Scharf.)

SCHARF: Ob S’ mich auslassen werden!

ALLE: Hinaus mit dem Grobian! Hinaus! (Reißen ihn von Scharf los und wollen ihn hinauswerfen.)

SCHARF: Nichts da, fort darf er nit! Marqueur, um die Wacht fort! (Marqueur ab.)

LEICHT (wütend): Ich will euch zeigen, was das is, wenn man mich rabiat macht.

GOTTFRIEDL (hat mittlerweile von einem Marqueur eine Portion Kaffee bekommen): Der Dichter is ja wini! (Geht ab.)

 
Vierte Szene

DIE VORIGEN ohne GOTTFRIEDL; später DRUCK

ERSTER GAST: Glauben Sie, wir fürchten uns vor Ihnen?

ALLE: Da hat’s Zeit!

DRUCK: Was ist denn das für ein Lärm herin?

LEICHT (zu Druck): Ah, Sie kommen mir just recht, Sie sauberer Buchhandler, Sie! Mir hat’s ein Bekannter g’sagt, Sie haben g’schimpft in Gasthaus und haben g’sagt, Sie drucken mein Stück nicht, und wenn ich Ihnen noch zahl’.

DRUCK: Ja, das hab’ ich g’sagt, weil’s nix nutz ist.

LEICHT: Sie werden’s aber drucken, Sie müssen’s drucken und mir ein Honorar zahlen, denn ich brauch’ ein Geld.

DRUCK: Mir scheint, bei Ihnen ist’s nicht richtig in oberen Stock.

LEICHT (packt Druck): Werden Sie’s drucken oder nicht?

DRUCK: Was? Mich anpacken!? Herr Kaffeesieder!

ALLE: Das is zu arg! Wo is denn die Wacht!?

 
Fünfte Szene

MEHRERE WÄCHTER; DIE VORIGEN

(Musik fällt ein.)

WÄCHTER:
Spektakel und kein End’!
Wo ist der Delinquent?

CHOR (auf Leicht zeigend):
Der is es, der da hier!

WÄCHTER (zu Leicht):
Sie gehen jetzt mit mir!

(Er nimmt mit Hilfe der übrigen Wächter Leicht fest und führt ihn ab.)

CHOR (indem Leicht fortgeführt wird):
Herr Dichter, gute Nacht,
Heut’ schlaft Er auf der Wacht.

 

Verwandlung

Es ist Morgen. Zimmer bei Grundl

 
Sechste Szene

BLASIUS, dann GRUNDL

BLASIUS (allein, aus der Seitentüre rechts auftretend): Heut’ is mein Hochzeitstag. Wenn ich nur wem wußt’, der mir mein’ Traum ausleget; mir hat die ganze Nacht von Hirschen traumt. Ich möcht’ wissen, ob das wohl einen glücklichen Eh’stand bedeut’t. – Vor allem will ich aber jetzt ein Freundschaftsstuck ausüben. (Ruft gegen die Seitentüre links.) Papa! Papa!

GRUNDL (aus seinem Zimmer kommend, im Schlafrock): Was willst denn, Sohn, was willst denn?

BLASIUS: A Bitt’ hätt’ i, Papa.

GRUNDL: Na so red’, du Bräutigam, du!

BLASIUS: Jetzt werd’ ich gleich rot werden.

GRUNDL: Na, nur g’scheit!

BLASIUS: Die Bitt’ betrifft mein’ dalketen Freund. Er hat nicht die Gabe für ein’ Dichter –

GRUNDL: Das hab’ ich gestern in Theater gemerkt. Das war ja das nämliche Stuck, was er vorig’s Jahr bei uns vorgelesen hat?

BLASIUS: Möglich, ich hab’ damals g’schlafen dabei und gestern auch.

GRUNDL: Der Mensch is so heruntergekommen. Seitdem er Strohwitiber is, hat er nicht einmal ein’ guten Rock mehr an.

BLASIUS: Eben deßtwegen. Geb’n S’ ihm a Anstellung bei Ihrem G’schäft.

GRUNDL: Aber Sohn, bedenk’ doch, was kann ein Mensch, der nicht einmal zu einem Dichter g’scheit genug is, was kann der bei der Seifensiederei leisten?

BLASIUS: Freilich, da g’hört sich gar viel Geist dazu. – Aber mir z’lieb; stellen Sie ’n als Ihren Buchhalter an.

GRUNDL: Aber, Sohn, was fallt dir denn ein? Ein Seifensieder wird einen Buchhalter aufnehmen!

BLASIUS: ’s gibt doch so viele Schneider mit Buchhalter; warum soll denn just a Seifensieder kein’ haben?

GRUNDL: Na mein’twegen. (Man hört Lärm von außen.)

BLASIUS: Was is denn das?

 
Siebente Szene

LEICHT, WÄCHTER, GOTTFRIEDL; DIE VORIGEN

(Leicht wird hereingeführt, Gottfriedl folgt.)

GRUNDL: Herr Leicht, wie kommen Sie denn – ?

LEICHT: Ich bin gestern eing’führt worden, ich hab’ Händl g’habt in Kaffeehaus, weil a paar über mein Stuck –

WÄCHTER: Nur wenn der Herr von Grundl gutstehn wollen für ihn, wie er g’sagt hat, so lassen wir ’n frei.

GRUNDL: Gut, wenn er Straf ’ zahlen muß, ich bin Mann dafür.

GOTTFRIEDL: Ich verlang’ aber auch Satisfaktion. Mich hat er bei der Ehre gepackt.

LEICHT: Das ist nicht wahr. Beim Schopf hab’ ich dich packt.

GRUNDL (zu Gottfriedl): Her da! Da hast zwei Zwanz’ger und jetzt geh. (Gibt ihm Geld.)

GOTTFRIEDL (zu Grundl): Aus Achtung für Ihnen will ich den Vorfall vergessen. (Zu Leicht.) Und wann Sie wieder ein Stuck schreiben, so verfeinden S’ Ihnen ja mit die Lehrbub’n nit; die letzte Galerie gibt nicht selten den Ausschlag, und da geb’n wir den Ton an. (Geht ab.)

GRUNDL (zum Wächter): Da hat der Herr auch was für seine Müh’. (Gibt ihm.)

WÄCHTER: Empfehl’ mich ganz g’horsamst. (Ab.)

 
Achte Szene

GRUNDL, LEICHT, BLASIUS

GRUNDL: Herr Leicht, Sie haben kein Glück bei der Dichterei.

LEICHT (seufzend): Das ist wahr.

BLASIUS: Du bist zu dumm dazu.

LEICHT (auffahrend): Das ist nicht wahr!

GRUNDL: Sie müssen’s aufgeb’n. Werden Sie Buchhalter bei mir.

LEICHT: Was? Ich soll Kerzen und Seif ’ berechnen? Das wird nicht gehn. Geben Sie acht, ich schreib’ Ihnen nix als Feenschlösser, Genien und Wassergeister ins Hauptbuch.

BLASIUS: Das wird sich geben, du wirst mit der Zeit Geschmack bekommen an der Seifensiederei, und wenn man das Geschäft einmal in Griff hat, so geht’s als wie g’schmiert.

LEICHT: Jawohl, g’schmiert!

BLASIUS: Du stichelst auf meine Profession. Es is wahr, mit ’n Inslicht is es eine Schmiererei; was aber so ein Dichter zusamm’schreibt, is auch oft eine Schmiererei; siehst, irzt stichel ich auf deine Profession.

GRUNDL: Es bleibt einmal dabei, Sie schreiben in Zukunft Ziffer statt Vers’. Aber halt! Heut’ heißt’s nochmal heraus mit ’n Pegasus. Sie müssen ein Hochzeitsgedicht machen, denn mein Sohn heirat’t heut’.

LEICHT (zu Blasius, heftig): Du heiratst!?

BLASIUS: Freilich! Ich bin ja schon Jahr und Tag Bräutigam mit der Steinrötlischen Agnes.

LEICHT (noch heftiger): Die heiratst du? Die? Und heut’ schon?

BLASIUS: Na ja, soll ich etwan noch ein Jahr warten? Ich bin ja schon groß genug zum Heiraten.

LEICHT: Und ich soll das Hochzeitsgedicht machen? Hahahaha!! – – (Für sich.) Doch halt! Ja, ich mach’s. Ich hab’ einen Gedanken –

BLASIUS (zu Grundl): Wegen was schreit er denn so?

GRUNDL: Das is so ein Raptus, wie ’n die meisten Dichter haben.

 
Neunte Szene

KLOPFER; DIE VORIGEN

KLOPFER: Sie verzeihn allerseits, ich such’ den Herrn Leicht.

GRUNDL: Da is er.

KLOPFER: Herr Leicht, ich bring’ Ihnen eine unangenehme Nachricht. Ihre Frau is davong’fahren und hat einen Zettel zurucklassen, daß s’ nimmer kommt. Ihren klein’ Sohn hat s’ zu meiner G’vatt’rin g’schickt.

LEICHT (ohne viel auf die Nachricht zu achten): Gut, gut, alles gut.

KLOPFER: Nein, das is nicht gut, wir wissen nicht, was mit ’n Kind g’schehn soll. Mein’ G’vatt’rin kann nit Ihren Bub’n erhalten.

LEICHT (geht, ohne zu antworten, unruhig auf und ab, man sieht, daß er über etwas brütet).

GRUNDL (zu Leicht): Ihr Kind soll Ihnen doch das erste sein.

LEICHT: (auffahrend) Das Hochzeitsgedicht is mir das erste. Nur g’schwind Tinten und Feder zum Hochzeitsgedicht. (Geht mit großer Heftigkeit in die Seitentüre links ab.)

KLOPFER: Ja jetzt, was soll denn meine G’vatt’rin – ?

GRUNDL: Geh’ der Herr nur derweil, ich schick’ ihn gleich zu Ihnen.

KLOPFER: Ja, aber nur bald, bitt’ ich. Mein Kompliment! (Geht zur Mitte ab.)

GRUNDL: Ein kurioser Mensch, der Leicht – fangt mir an gar nicht zu g’fallen.

BLASIUS: Ich heb’ keine Ehr’ auf mit mein’ Freund.

GRUNDL: Du mußt ganz anders wer’n als er, nacher wirst grad recht sein.

BLASIUS: Hab’ ich nicht alle Anlagen, ein braver, guter, sanfter Eh’mann zu werden?

GRUNDL: Das hoff ’ ich. Ich will dir einige gute Lehren geben, die dein zartes Gemüt stärken sollen, mein Sohnerl, daß du nicht untern Pantoffel kommst. Die Hauptsach’ im Eh’stand ist, den Hausfrieden erhalten, aber deßtwegen doch kein Simandl sein.

Duett

1.

GRUNDL:
Wenn ’s Weib dir was schafft, was willst machen, so tu’s,
Aber zeig’ ihr, daß alles nach dein’ Kopf gehn muß.

BLASIUS:
Die Lehr’ tut mi stärken,
Das will ich mir merken.

GRUNDL:
Wenn ’s Weib sagt: „Trag’ ’s Kind um! Hörst nit? ’s Kleine schreit!"
Sagst: „Den Au’mbli! Das is ja für mich eine Freud’!"

BLASIUS:
Die Lehr’ tut mi stärken,
Das will ich mir merken.

GRUNDL:
Wenn ’s Weib sagt: „Jetzt führst mir die Hund’ auf d’ Bastei’n",
Sagst: „Gleich, ich könnt’ ohne die Hund’ gar nit sein."

BLASIUS:
Die Lehr’ tut mi stärken,
Das will ich mir merken.

GRUNDL:
Auf die Art tust ihr’n Wunsch du erfüll’n,
Aber handelst halt doch nach dein’ Will’n!

BLASIUS (zugleich mit Grundl):
Die Lehr’ tut mi stärken,
O jegerl, o mein,
Die will ich mir merken,
Grad so will ich sein!

GRUNDL (zugleich mit Blasius):
Die Lehr’ soll dich stärken,
Courage, Sohnerl mein,
Nur das mußt dir merken:
Kein Simandl sein!

2.

GRUNDL:
Macht ’s Weib große Konto, sei ja nicht verdutzt,
Sondern sag’: „’s is mein Will’n, daß du dich so stark putzt."

BLASIUS:
Die Lehr’ tut mi stärken,
Das will ich mir merken.

GRUNDL:
Sagt ’s Weib: „Du mußt z’ Haus bleib’n heut’! Mordsapperlot",
Sagst du: „Das is g’scheit, ’s Ausgehn is eh mein Tod."

BLASIUS:
Die Lehr’ tut mi stärken,
Das will ich mir merken.

GRUNDL:
Sagt ’s Weib: „Heut’ erlaub’ ich es dir, du gehst aus",
Nimmst ’n Hut und sagst: „Um kein’ Preis bleibet ich z’ Haus."

BLASIUS:
Die Lehr’ tut mi stärken,
Das will ich mir merken.

GRUNDL:
Auf die Art tust ihr’n Wunsch du erfüll’n,
Aber handelst doch auch nach dein’ Will’n.

BLASIUS (zugleich mit Grundl):
Die Lehr’ tut mi stärken,
O jegerl, o mein,
Die will ich mir merken,
Grad so will ich sein! zugleich

GRUNDL (zugleich mit Blasius):
Die Lehr’ soll dich stärken,
Courage, Sohnerl mein,
Nur das mußt dir merken:
Kein Simandl sein!

(Zur Seite ab.)

 

Verwandlung

Saal in Steinrötls Wohnung

 
Zehnte Szene

ÜBERALL, dann AGNES

ÜBERALL (allein): Warten laßt sie mich lang genug. Jetzt steh’ ich schon drei Viertelstund’ lang in der Antichambre, na, freilich, ich muß halt auch bedenken, es is eine Fabrikantenstochter, bei der ich mich hab’ melden lassen. – Übrigens, wenn sie nicht bald kommt, so weiß ich, was ich tu’; da wart’ ich noch länger. – Ah, da is sie schon.

AGNES (mit weißem Kranz, als Braut frisiert, übrigens noch im Negligé, aus der Seitentüre links): Sein Sie nicht bös, Herr von Überall, aber bis eine Braut von der Toilette wegkommt, das geht nicht so leicht.

ÜBERALL: Der Gegenstand ist dieses Opfers wert.

AGNES: Sie machen mich neugierig.

ÜBERALL: Ahnen Sie gar nichts?

AGNES: Nicht das Geringste.

ÜBERALL: Träumt Ihnen nie von Fischament?

AGNES: Nein.

ÜBERALL: Auch nicht von Simmering?

AGNES: Nein.

ÜBERALL (für sich): Wohl ihr, ihre Ruhe wird durch mein Geständnis nicht gefährdet. (Laut.) Es wird jetzt eine Leidenschaft aufkommen, eine Leidenschaft, die keinem Menschen in Schlaf eingefallen wär’.

AGNES: O reden Sie!

ÜBERALL: Blick’ mir ins Auge!

AGNES: Zu was denn? Reden S’!

ÜBERALL: Da haben Sie’s schriftlich! (Gibt ihr ein Stammbuch.)

AGNES (das Buch nehmend): Mein Stammbuch?

ÜBERALL: Lesen S’ den Vers, den ich Ihnen hineing’schrieb’n hab’.

AGNES (liest): Es lie – liebt – ei – (zu Überall) erlauben Sie, d i e Schrift bring’ ich nicht zusamm’.

ÜBERALL: Die Hand zitterte, die es schrieb. Ich werd’ Ihnen ’s vorlesen. (Er liest.)
„Es liebt ein Jüngling hoffnungslos,
Nach Fischament ziehn ihn die Ross’,
Nichts Reizenders als dich der Jüngling kennt,
Das Höchste bist du ihm nächst Fischament."

AGNES: Ah, das is das erste, was ich hör’! Sie sein verliebt in mich?

ÜBERALL: Unsinnig! Ich habe gekämpft, ich habe diese Leidenschaft so unterdruckt!

AGNES: Wirklich, man hat gar nichts bemerkt.

ÜBERALL: Nicht wahr? Nicht einmal ’s Drucken hat man mir angesehen, und doch war es so, ich hab’ gedruckt. So oft ich fortreis’ von Wien, so verfolgt mich Ihr Bild bis zum Simmeringer Bräuhaus, und erst in der Schwechat komm’ ich wieder auf andere Gedanken. Wenn ich zuruckreis’ nach Wien, und mein Geist is noch ganz in Fischament, ’s nutzt nix, bei der Linie fall’n Sie mir wieder ein. Erst neulich hab’ ich zwei Pfund Ungarischen bei mir g’habt, und der Mautaufseher fragt mich, ob ich ein’ Tabak hab’. Ich, anstatt „Nein" zu sagen, seh’ in meiner Schwärmerei den Mautaufseher für Ihnen an, stürz’ ihm um ’n Hals und sag’: „Geliebte, nimm alles, was ich habe!" Und der dawischt richtig die zwei Pfund Tabak.

AGNES: Bei so bewandten Umständen, Herr von Überall, wird es das beste sein, wenn Sie meiner Hochzeit nicht beiwohnen, denn aussehn werd’ ich, aussehn, eher zum Verlieben als zum Vergessen.

ÜBERALL: Der Anblick der Kupolation wird alle Empfindungen aufriegeln in mir; na, aber bei der Tafel werd’ ich schon schaun, daß ich beizeiten besoffen bin. Eine Bitt’ hab’ ich noch: Geben Sie mir eine Locke. (Zieht eine große Schere hervor und geht auf sie los.)

AGNES (zurückweichend): Nein, um keine Welt!

ÜBERALL: Ich schneid’ Ihnen nur auf der rechten Seiten alle weg.

AGNES: Ich bedank’ mich, ich brauch’ meine Locken alle selbst.

ÜBERALL: Na, es is auch recht. Es is ohnedem nur eine Dummheit mit diese Haar zum Angedenken, man verliert das Zeug in die ersten acht Tag’.

AGNES: So? Da muß die Lieb’ gar nicht groß sein.

ÜBERALL: O, bei mir furchtbar! Aber morgen fahr’ ich nach Fischament, dort bleib’ ich drei Stund’ und komm’ abends wieder nach Wien zuruck. Bis dahin hoff ’ ich, Sie gänzlich vergessen zu haben, denn Zeit und Entfernung heilen jede Wunde, und im Grund, gar viel liegt mir ja doch nicht dran an Ihnen.

AGNES: Na, desto besser, dann gibt sich ja die Sache recht bald.

ÜBERALL: Ja, ja, es wird sich geben, ohne Anstand.

AGNES: Auf Wiedersehen also, leidenschaftlicher Jüngling! (Im Abgehen.) Mit Ihnen haben mir kein’ Spektakel à la Werther zu befürchten. (Seitentüre links ab.)

 
Elfte Szene

ÜBERALL

ÜBERALL: Sie macht eine Anspielung aufs Erschießen? Nein, da hat’s Zeit! In Fischament is auch einer, der sich wegen keiner erschießen tut. Ein Mensch, der ans Reisen gewöhnt ist, macht nicht leicht aus Liebe einen dummen Streich. Ich werd’ schier einer der stärksten Reisenden sein, die es jemals gegeben hat. Da machen die Leut’ so viele G’schichten mit dem Weltumsegler Cook. Was hat er denn getan? Um die Erden is er zwei- oder dreimal herum, das is das Ganze. Ich aber, ich reis’ alle Jahr’ wenigstens zweihundertmal nach Fischament und wieder zuruck, hin zwei Posten, her zwei Posten, macht jedesmal acht Meilen, folglich reis’ ich in einem Jahr 1600 Meilen. Wenn ich das durch zwanzig Jahr’ so fortmach’, so macht das 32.000 Meilen, die Erden hat 4500 Meilen in Umkreis, folglich is es so viel, als ob ich siebenmal um die ganze Erden herum wär’. Diese weiten Reisen sind ja gar nicht notwendig, zu was denn? Und was man alles aussteht dabei! Da müßt’ mein Herz a Narr sein.

1.
Viele fahren über Hütteldorf bis nach Paris,
Dort verspiel’n s’ ihr ganz’ Geld, o, da machen s’ a G’fries.
Viele fahren nach London, so bloß zum Vergnüg’n,
Dort boxen s’ dann, bis s’ a paar Rippenstöß’ krieg’n;
Von dort über Petersburg g’schwind hin nach Mainz,
Dann machen s’ ein’ Abstecher übri in die Schweinz,
Da steig’n s’ auf die Gletscher, tun Wegweiser zahl’n
Und kraxeln so lang, bis auf d’ Nasen herfall’n.
So was ging’ mir ab vor mein’ End’,
Nein, ich reis’ nur nach Fischament.

2.
Eine Reise nach Asien, so was is brav,
Da nehmen s’ ein’ g’fangen, dann is man ein Sklav’;
In Amerika d’ Wilden, na, da is’s erst schön,
Die brat’n ein’ lebendig, hernach kann man gehn.
Vor Afrika warnt ein’ ein jeder, der’s kennt,
Fallet ich so einem Negerhändler dort in die Händ’,
Der malt mich mit Kienruß, wer schützt mich davor?
Mischt mich unter d’ andern, verkauft mich als Mohr!
So was ging’ mir ab vor mein’ End’,
Nein, ich reis’ nur nach Fischament.

3. (Repetitionsstrophe)
Das Weltteilentdecken, was hat man davon?
’s is a Sach’, die man nit mit nach Haus nehmen kann.
Drei Weltteil’ hab’n s’ eh g’habt durch viel tausend Jahr’,
Und ’s sein nit z’weni g’west, irzt haben s’ fünfe sogar,
’s wär’ Luxus, wenn i ’n sechsten entdecket dazur,
Fünf Weltteil’, das is ja in d’ Haut eini g’nur!
Was brauch’ ich dem Kapitän Roß seine Ehr’n?
Wegen ’n Nordpol mag ich mir nit d’ Nasen erfrör’n.
So was ging’ mir ab vor mein’ End’,
Nein, ich reis’ nur nach Fischament.

(Zur Mitte ab.)

 
Zwölfte Szene

AGNES, STEINRÖTL (durch rechts)

AGNES (in vollständigem Brautanzuge): Charlott’! Charlott’!

STEINRÖTL (ihr folgend): Aber, Töchterl, du laufst mir alleweil davon, und ich hab’ dir noch eine Menge gute Lehren z’ geben.

AGNES: Gleich, Papa, ich muß nur die Charlott’ fragen – Charlott’!

 
Dreizehnte Szene

DIE VORIGEN; CHARLOTTE

CHARLOTTE (aus dem Hintergrunde eintretend): Befehlen?

AGNES: Was sagt der Schneider? Warst dort?

CHARLOTTE: Sie dürfen drauf rechnen, Fräul’n.

STEINRÖTL: Die erste Tugend einer Frau –

CHARLOTTE: Da ist die „Theater-Zeitung", ist erst gekommen.

AGNES: Da wird gewiß schon vom Leicht drin stehn, ich mag’s gar nicht lesen. (Charlotte legt das Zeitungsblatt auf einen Tisch links im Vordergrunde.)

STEINRÖTL: Die erste Tugend einer Frau ist Häuslichkeit.

AGNES: Ja, Papa. (Zu Charlotten gewendet.) Wie ich mich auf ’n Ball heut’ freu’, das kann ich gar nicht beschreiben.

STEINRÖTL: Der Putz muß ihr nur Nebensache sein.

AGNES: Ja, Papa. (Zu Charlotten gewendet.) Zur Kupolation ist das Kleid scharmant, wenn ich’s aber auf ’n Ball auch anhaben müßt’, da wär’ ich unglücklich damit.

CHARLOTTE: Sein Sie ruhig, der Schneider hat’s versprochen, und wenn ein Schneider was verspricht –

STEINRÖTL: Der Frauen schönster Schmuck ist Einfachheit.

AGNES: Ja, Papa. (Zu Charlotten gewendet.) Und recht eine auffallende Frisur muß ich kriegen. Hast den Friseur – ?

CHARLOTTE: Schon bestellt.

STEINRÖTL: Eine Frau muß nur suchen, ihrem Mann zu gefallen, die andern Männer sind gar nicht auf der Welt für sie.

AGNES: Ja, Papa. (Zu Charlotten.) Wie die Herrn alle schaun werden, wenn ich den Brautanzug mit ’n Ballkleid werd’ verwechselt haben. Einer wird sagen: „Jetzt ist sie schöner!" Der andere wieder: „Nein, mit ’n weißen Kranz hat sie mir besser gefallen!" O, das wird eine Seligkeit sein!

STEINRÖTL: Sag’ mir nur, Töchterl, beherzigst denn auch alles, was ich dir sag’?

CHARLOTTE (hat nach dem Hintergrund gesehen): Der Herr Bräutigam und der Herr von Überall. (Geht nach der Meldung ab.)

 
Vierzehnte Szene

BLASIUS (im Bräutigamskostüm), ÜBERALL, GRUNDL; DIE VORIGEN ohne CHARLOTTEN

BLASIUS (zuerst eintretend): Fräul’n Braut, ich komm’ auf den Flügeln der Liebe – nein, wie Sie ausschauen! Wenn Sie Ihnen bis zu der silbernen Hochzeit so konservieren, nacher darf ich schon zufrieden sein.

AGNES: O, Sie kleiner Schmeichler!

BLASIUS: Wirklich, das muß die ganze Welt sagen, wir sind ein schönes Paar.

GRUNDL (mit Überall eintretend): Na, da sind wir also. (Begrüßt Steinrötl.)

STEINRÖTL: Höchste Zeit, in einer Viertelstund’ geht’s los.

ÜBERALL (für sich): Furchtbarer Moment! Sei stark, mein Herz.

BLASIUS: Mich g’freut’s nur, daß wir so ein’ schön’ Tag heut’ haben, das bedeut’t ein günstiges Eh’standswetter.

ÜBERALL: Kalt war’s, mich hat auf der Reise sehr gefroren; ich habe die Bemerkung gemacht: bei Schwechat fängt ganz ein anderes Klima an.

 
Fünfzehnte Szene

CHARLOTTE; DIE VORIGEN

CHARLOTTE: Gnädige Fräul’n, das ist eine rührende Geschicht’!

ALLE: Was denn? Was?

CHARLOTTE: Ich bin ein erwachsnes Stubenmädl und möcht’ weinen wie ein kleins Kind.

AGNES: So red’ doch!

CHARLOTTE: Dem Dichter Leicht seine Frau ist durchgegangen, das wissen Sie. Was wird jetzt aus sein’ Kind werden? Ich hör’ gerad, es lauft den ganzen Tag herum in der Nachbarschaft, und er kommt oft die ganze Wochen nicht nach Haus. Wer soll’s erziehen, daß es nicht dem Vatern nachgerat’t?

STEINRÖTL: Ja, das ist eine schwere Sach’.

GRUNDL: Was kann man da tun?

CHARLOTTE (zu Agnes): Nehmen S’ das Kind an!

AGNES: Ja, das will ich!

BLASIUS: Warum nicht gar!

AGNES (zu Blasius): Was ist das für eine Red’?

ÜBERALL: Wenn ich den unwiderstehlichen Drang zum Reisen nicht in mir hätte, so nehmet ich den Buben an; ich hätt’ zwar noch in Fischament eine weitschichtige Mahm, aber die hat selber drei Buben, der eine is ein Maderl von fünf Jahr’, der andere a Maderl von acht Jahr’ und der älteste heißt Nannerl und ist ein Zwilling von drei Jahr’.

STEINRÖTL: Aber, Herr von Überall, was reden Sie denn da zusamm’?

ÜBERALL: Verzeihen Sie, es war nur Scherz. (Für sich.) Es ist Verwirrung der Liebe.

BLASIUS: Ich kann das Kind in keinem Fall brauchen.

CHARLOTTE (bittend): Fräulein Agnes – !

AGNES (zu Blasius): Wenn ich es aber wünsche –

BLASIUS: Gott sei Dank, ich hab’ nicht nötig, Kinder anzunehmen.

AGNES: Wenn ich Ihnen drum bitt’ –

BLASIUS: Nein, so ein Pamperletsch könnt’ mir grad g’stohl’n wer’n.

AGNES (in gebieterischem Ton): Das Kind wird angenommen, ich will es (ihm scharf entgegentretend) oder –

BLASIUS (verblüfft): Ja, hab’ denn ich was dagegen gesagt?

AGNES: Freilich, Sie weigern sich ja, Sie Hartherziger!

BLASIUS: Ich? Im Gegenteil! (In bramarbasierendem Ton.) Das Kind muß angenommen werden, ich befehl’ es.

AGNES: Geh, Charlotte, und laß das Kind gleich herbringen. (Charlotte ab.)

BLASIUS (befehlend): Augenblicklich! (Selbstwohlgefällig für sich.) So muß man zeigen, daß man Herr im Haus is, es schad’t nix, wenn man als Bräutigam schon ein wenig imponiert.

STEINRÖTL: Und jetzt, meine Herren, bitt’ ich, ein paar Gläser Likör, und dann fahren wir gleich zur Kupolation.

ÜBERALL (mit Grundl und Steinrötl links abgehend): In Fischament war auch eine Kupolation.

BLASIUS (nachfolgend): Ich werd’ um ein Glasel ein’ Bittern ersuchen, denn zu dem Stand, in den ich jetzt trete, braucht man ein’ guten Mag’n. (Ab Seite links.)

 
Sechzehnte Szene

AGNES

AGNES: Ich möcht’ doch gern die „Theater-Zeitung" lesen, was über’n Leicht drin steht. (Will das Blatt nehmen, besinnt sich aber anders.) Ah nein! Mir is leid um ihm, ich könnt’ mich nur ärgern, und ich will nicht mit einem verdrießlichen G’sicht bei der Hochzeit sein. Was braucht denn mir’s die ganze Welt anzusehn, daß ich mich im stillen drüber ärger’, daß ich keinen schönern Bräutigam hab’? Ich bin ein reiches Mädl, bin ein hübsches Mädl, und den Bräutigam! Es ist völlig a Schand’! Die Cour gemacht haben mir schon freilich hundert Schönere, aber heiraten hat mich halt doch keiner wollen als der. – O Männer! Männer! Was wird denn das werden! Der Eh’stand kommt noch ganz ab.

1.
D’Männer schmachten und seufzen und schauen uns nach,
Sie gehn unterm Fenster vorbei Tag für Tag,
In kurzer Zeit kommen zehn Brieferln ins Haus,
Welch empfindsames Herz hält wohl dieses lang’ aus?
Verzweiflungsvoll flehn sie um ein Rendezvous,
Das Herz ist verloren schon, gibt man das zu;
So wie die Banditen sag’n: „’s Geld oder ’s Leb’n",
So sag’n die: „Willst du Tod oder Liebe mir geb’n?"
In einer Stund’ schwör’n hundertmal sie uns Treu’,
Und wer kann ergründen, was sie denken dabei?
Man sagt, daß s’ uns foppen nur, das glaub’ i nit,
Eine kurze Zeit foppen sie sich selber mit;
Und sind’s auch nur Lüg’n, wodurch ’s Herz sie uns raub’n,
So lüg’n s’ anfangs so, daß sie’s selber noch glaub’n.

2.
Doch dauert’s nicht lang, sind s’ auch wirklich verliebt,
Man glaubt nicht, wie schnell sich bei d’ meisten das gibt;
Sie werden so einsilbig, z’wider so g’wiß,
Und fragt man dann, wie’s mit der Heirat denn is,
Bringt man das Gespräch drauf, so fein man nur kann,
Da schaun s’ mit großmächtigen Augen ein’ an.
Da suchen s’ Entschuldigung, der weg’n Vermög’n,
Beim andern, da sind seine Eltern dageg’n,
Der eine hat a Tant’, die die Erbschaft ihm nimmt,
Der andre, der ist für a andre bestimmt;
Die bessern, die ziehn sich dann gänzlich zurück,
Sie weichen ei’m aus, man sieht s’ nicht mit ein’ Blick,
Doch viele, die denken: „Für was die Kei’rei?"
Und führ’n unscheniert ei’m a andre vorbei.

(In die Seite links ab.)

 
Siebzehnte Szene

LEICHT (allein)

LEICHT (stürzt wütend herein aus dem Hintergrunde und trägt den Jokusstab in der Hand): Wo ist das Brautpaar –? Wo sind sie? Mit dem Präsent, was sie mir einst gemacht hat, will ich den Bräutigam erschlagen. Zwar nein, das wär’ nit der Müh’ wert. Die Justiz rechnet mir den Kerl für ein’ guten an und hänget mich auf. – Untersteht sie sich und heirat’t! Weiß, daß ich verliebt in sie bin wie ein Damerl, und sie heirat’t, die Verwogene! (Reißt mit Ingrimm den Kopf von dem Jokusstab herunter und wirft ihn zur Erde.) O, ich wollt’, ich könnt’ ihr’n Kopf so herabreißen und könnt’ ihr einen andern aufsetzen, so schiech wie mein’ Nachbarn sein Pintsch, das wär’ eine Rache! Das wär’ der eitlen Kreatur zehnmal ärger als der Tod! – Ich will sie vergessen, ausstreichen aus meiner Erinnerung wie ein falschgeschriebenes Wort; meinem Gedächtnis gib ich einen Nasenstiefel, so oft es den Namen Agnes ausspricht. (Er hat im Zorn das Band, mit welchem der Stock nach Art eines Zauberstabes umwunden war, herab gerissen.) Hinauswandern will ich in die Welt, diesen Stock will ich zum ewigen Andenken tragen, und so oft mir ein Gedanken kommt an sie, hau’ ich mir damit selber ein’ Fünfundzwanz’ger herab.

 
Achtzehnte Szene

CHARLOTTE, DIENSTLEUTE BEIDERLEI GESCHLECHTS; DER VORIGE

CHARLOTTE (die Dienstleute ordnend, welche mit Blumen und Kränzen hereinkommen): So! Da stellt euch auf in zwei Reihen, die Mädeln da, die Männer hier; wenn ich das Zeichen gebe, so wird Vivat geschrien. Die Trauung muß bald vorüber sein; nur aufgepaßt, sie können alle Augenblick’ da sein.

LEICHT (Charlotten heftig an der Hand fassend): Wem gilt das Vivat?

CHARLOTTE: Wem wird’s gelten? Dem Brautpaar! Frag’n S’ nicht so dumm!

LEICHT: Kecke Personage – !

CHARLOTTE: Ei was, vor einem Menschen, der sich so betragt, als wie Sie, vor dem kann man keinen Respekt haben. Schaun Sie sich lieber um, was Ihr Kind macht, wird Ihnen g’scheiter anstehen, als daß Sie sich da herstellen als verliebter Narr.

LEICHT: Kein Wort mehr, Stubenmädl, oder –

EINIGE VON DEN DIENSTLEUTEN: Sie kommen schon!

CHARLOTTE (zu den Leuten): Achtgegeben! (Klatscht in die Hände.)

ALLE: Vivat! Vivat!

 
Neunzehnte Szene

GRUNDL, STEINRÖTL, BLASIUS, AGNES, ÜBERALL, MEHRERE GÄSTE; DIE VORIGEN

(Alle treten während den ersten Takten des folgenden Chores ein.)

CHOR:
Das Brautpaar lebe dreimal hoch,
Wie heut’ in hundert Jahren noch!

(Alle sind eingetreten, es werden den Eintretenden Blumen entgegengestreut.)

CHARLOTTE (mit einem Bukett zur Braut vortretend):
Werft auf dies Sträußchen einen Blick,
In Farben prangt es hell,
Wie diese Blumen blüh’ Euer Glück,
Doch welk’ es nicht so schnell!

CHOR:
Es bringe jeder Augenblick
Dem holden Paare neues Glück!

CHARLOTTE (sich dem Bräutigam nähernd):
Dem Bräut’gam such’ ich Blumen aus,
So zart als wie sein Sinn,
Drum reiche ich ihm einen Strauß
Von Sonnenblumen hin.

(Reicht ihm einen großen Strauß von Sonnenblumen.)

CHOR:
Das Brautpaar lebe dreimal hoch,
Wie heut’ in hundert Jahren noch!

STEINRÖTL: Recht scharmant! Das hat mich so gerührt, so überrascht – wenn’s für einen Fabrikanten nicht unschicksam wär’, ich fanget zum Weinen an.

GRUNDL (zu Leicht): Jetzt fahren Sie vor mit’n Hochzeitsgedicht.

LEICHT: Die Braut selbst muß es lesen. (Hält ihr mit unterdrücktem Grimm das Gedicht hin.)

ÜBERALL (dazwischentretend und das Gedicht nehmend): Warum nicht gar? Ich werd’ es vordeklamieren; es hat ja in Fischament auch einer deklamiert. (Liest.) „Falsche! Treulose! Zittern Sie vor meiner Rache! Ich zünd’ Ihnen das Haus über dem Kopf an – "

ALLE (erstaunt): Was is denn das?!

ÜBERALL: (sich fassend) So hat der gesagt in der Deklamation in Fischament.

ALLE: Ah so!

ÜBERALL: Das Hochzeitsgedicht aber behalt’ ich für mich. (Zerreißt es und steckt es ein.) Nach Tisch werd’ ich eines von meiner Komposition zum Besten geben. (Zu Leicht.) Rasender Mensch. Sie brächten sich ja um die Existenz. Übrigens bemerken Sie das Edle in meiner Handlungsweise? Solchen Edelmut gibt es auch in Fischament.

STEINRÖTL: Also ohne alle weiteren Zeremonien zur Tafel!

ALLE: Zur Tafel! Zur Tafel! (Zur Seite links geht alles ab, was zur Gesellschaft gehört, die Dienerschaft im Hintergrunde.)

 
Zwanzigste Szene

LEICHT

LEICHT: Wenn das Volk nur fressen kann! Wie s’ den Speisenduft wittern, da erwacht die Eßlust, und wie die erwacht, legen sich alle ihre Leidenschaften schlafen; sie haben keinen Zorn, keine Rührung, keine Wut, keinen Gram, keine Lieb’, keinen Haß, nicht einmal eine Seel’ haben s’. Nix haben s’ als ein’ Appetit. – O, ich wollt’ – ! (Das Zeitungsblatt erblickend.) Da ist ja die Zeitung. Auf d’Letzt’ is gar schon –

 
Einundzwanzigste Szene

AGNES; DER VORIGE

AGNES (eilig aus Seite links kommend): Herr Leicht, ich bitt’ Ihnen –

LEICHT: Was? Sie – Sie trauen sich mir noch in die Näh’?

AGNES: Und was wär’ denn zu fürchten dabei?

LEICHT: Was dabei zu fürchten ist, fragen Sie? Was zu fürchten ist? Nicht wahr, vor einer Hyäne laufeten S’ davon? Und was is eine Hyäne für ein sanftes gutwilliges Wesen gegen eine grimmig gereizte Leidenschaft? Davon habt ihr freilich keinen Begriff, ihr ordinären Dutzendseelen, die der liebe Herrgott packelweis erschafft, die dann die Gegenwart zu Markt bringt, eingewickelt in das schofle Umschlagpapier der Alltäglichkeit. Alles, alles is zu befürchten, denn in mir tobt’s, in mir braust’s, in mir kocht’s!

AGNES: Sie sind ein Narr!

LEICHT: Das sagen Sie mir, die mich zu einem Narren gemacht hat?

AGNES: Hab’ ich Ihnen geschafft, daß Sie sich so sterblich in mich verlieben sollen? Kann ich für meine Schönheit?

LEICHT: O, ich bitt’ S’, die Schönheit is nicht so groß, aber meine Leidenschaftlichkeit war hundertmal so groß als Ihre Schönheit, und wieder nur hundertmal so klein als Ihre Falschheit, und hundertmal so groß als Ihre Falschheit war meine Dummheit. Aus diesen Potenzen ergibt sich das Fazit von selbst.

AGNES: Was hätt’ ich denn tun soll’n?

LEICHT: Ledig bleiben, ewig ledig bleiben –

AGNES: Na ja, da wär’ ich grad aufg’legt dazu.

LEICHT: Nichts als denken an mich, keinen andern Mann anschaun.

AGNES: Und was hätt’ ich denn mit Ihnen für diese Opfer für eine Aussicht gehabt?

LEICHT: Aussicht! Seit wann fragt denn die Lieb’ nach einer Aussicht? Die wahre Lieb’ schaut nur da heraus, wo keine Aussicht is. Sie zeigen sehr wenig Einsicht in das Wesen der Lieb’, wenn Sie glauben, daß die Lieb’ eine Aussicht braucht.

AGNES: Hör’n S’ auf – und was reißen S’ denn so am Halstüchel an?

LEICHT: Das ist eine Eigentümlichkeit von mir, wie ich in Wut gerat’, so tu’ ich mich immer beim Halstüchel ziehn.

AGNES: Machen S’ kein’ Skandal, kommen S’ zur Tafel! Sie blamieren mich ja, sein Sie g’scheit.

LEICHT: Ich will nicht g’scheit sein.

AGNES (unwillig): Na, so bleiben S’ dumm! (Für sich.) Nein, wenn alle Männer auf die Art verliebt wären, da verklaget ich jeden beim Grundg’richt, der eine Neigung zu mir faßt. (Links ab.)

 
Zweiundzwanzigste Szene

LEICHT

LEICHT: Jetzt gibt sie mir die Erlaubnis, dumm zu sein; ich hab’ nicht gewartet auf diese Permission, ich war schon ohnedem so frei. – Aber mir war ja früher, als wenn ich da was gesehn hätt’. (Nimmt das Zeitungsblatt.) Richtig, die Rezension über mein gestriges Stück. (Liest murmelnd.) Niederträchtig! (Murmelt fort.) Schändlich! – Ha! Was is das? (Liest laut.) „Dem Dichter fehlt es gänzlich an Verstand" – diese Worte hat mein Freund Blasius tausendmal zu mir g’sagt! – – (Wütend.) Es ist klar – die Kritik is von ihm! Er hat’s g’macht! O, du Muster von ein’ schlechten Freund!

 
Dreiundzwanzigste Szene

DER VORIGE; BLASIUS

BLASIUS: (aus der Seite links kommend) Du, Leicht, mein Vater laßt dir sagen –

LEICHT: Daher, Pasquillant! (Packt ihn.) Du hast diese Kritik über mich g’macht!?

BLASIUS: Du bist b’soffen!

LEICHT: Der Ausdruck „ich hab’ keinen Verstand" is von dir.

BLASIUS: Nein, das sagt jeder, der dich kennt.

LEICHT: (wütend) Von dir is die Kritik! Schuft, ich beut’l dir die Seel’ aus’n Leib! (Faßt und schüttelt ihn.)

BLASIUS: Zu Hilf ’! Der Dichter hat den Paroxysmus kriegt! Zu Hilf ’!


Vierundzwanzigste Szene

GRUNDL, STEINRÖTL, AGNES, ÜBERALL, alle GÄSTE (kommen aus links), DIE VORIGEN, dann die DIENSTLEUTE

ALLE (indem sie erschrocken herbeieilen): Was is denn geschehn?

GRUNDL (Leicht von Blasius abhaltend): Ob S’ mir mein’ Sohn gehn lassen!

STEINRÖTL: Nein, jetzt wird’s mir zu viel!

LEICHT: Ich bring’ ihn um für die Rezension!

GRUNDL (zu Leicht): Halten Sie ’s Maul!

STEINRÖTL: Da wer’n wir gleich Ordnung machen. (Zu den Dienstleuten, welche mittlerweile auf den Lärm herbeigeeilt sind.) Packt’s an! Werft’s den Dichter hinaus!

CHOR:
Hinaus mit ihm! Greift an! Greift an!
Es packt ihn jeder, wie er kann;
Der Dichter gibt im Haus kein’ Fried’,
Ein’ solchen Narren leiden wir nit!
Hinaus! Hinaus!
Aus diesem Haus!

(Während des Chores sind die männlichen Dienstleute über Leicht hergefallen, haben ihn in die Höhe gehoben und tragen ihn, indem er sich wütend wehrt, in den Hintergrund ab.)

Der Vorhang fällt.

Erste Abteilung
Zweite Abteilung
Dritte Abteilung

    

Dritte Abteilung

(Spielt um 20 Jahre später.)

Wirtshausgarten in der Brühl. Rechts gegen den Hintergrund das Wirtshaus, im Vordergrund eine Laube, links ein Gartentisch und Stühle, im Hintergrund mehrere Tische

Erste Szene

WIRT, DIENSTLEUTE BEIDERLEI GESCHLECHTS

(Der Wirt ist mit Anordnungen beschäftigt, die Dienstleute decken die Tische.)

CHOR:
Heut’ heißt’s bald her, bald heißt es hin,
Es kommen viele Gäst’ aus Wien,
An schönen Tag’n bleibt keiner z’Haus,
Da flieg’n sie alle aufs Land hinaus;
Wenn nur kein Reg’n verdirbt die Freud’,
Bloß Trinkgelder soll’s regnen heut’.

(Nach dem Chor alle ab in das Haus, bis auf den Wirt.)

WIRT (allein): Alles wär’ aufs Brillanteste herg’richt’t, und grad heut’ muß mir das Malör g’schehn, ich b’stell’ mir den famosesten Harfenisten aus Wien und der laßt mir absagen. Wo jetzt ein’ herkriegen in der G’schwindigkeit? Kirtag, so viel Leut’ aus Wien, und kein Harfenist! (Links in die Szene blickend.) Da kommt schon eine Gesellschaft daherspaziert. Wenn die bei mir speisen, die müssen a fufzig Gulden sitzen lassen ohneweiters.

 
Zweite Szene

HERR VON ÜBERALL, BLASIUS, AGNES, JOHANN, JULIE, DER WIRT

(Die fünf obengenannten Personen treten von links auf, Blasius ist mit verschiedenen Effekten seiner Frau beladen, als Tuch, Sonnenschirm usw., und trägt auf jedem Arm einen Schoßhund.)

BLASIUS (keuchend): Gott sei Dank, daß wir da sein.

AGNES: Na, schau’, daß dir der Weg zu weit ist, wenn du mit deiner Frau spazieren gehst.

BLASIUS: Der Weg is mir nicht z’weit, aber die Hund’ sein mir z’schwer.

AGNES: Warum nicht gar schwer, mein süßer Bijou und mein zarter Joli!

BLASIUS: Trag s’ nur einmal von Mödling bis in die hintere Brühl heraus, dann wirst schon g’spüren, was die Viecher für eine Schweren haben.

AGNES: Schweig!

BLASIUS: Aber –

ÜBERALL: Schweigen Sie, sonst wird die Gnädige bös, auch in Fischament hat neulich einer geschwiegen.

AGNES (zu Julie): Was machst denn du, Töchterl?

JULIE (äußerst naiv): Julie hat sich ein Blümchen gepflückt, und über das Blümchen hat Julie so eine Freude, daß sie hüpfen möchte.

JOHANN: Das is eine wohlfeile Freud’ ein ganzer Buschen davon kost’t zwei Kreuzer.

JULIE: Willst du Julien necken?

AGNES (zu Blasius): Da, nimm meine Handschuh’!

BLASIUS (zu Herrn von Überall): Da, stecken S’ mir s’ in Sack, sein S’ so gut! (Überall tut es.)

AGNES: Und da, meinen Strohhut!

BLASIUS: Weiberl, es is gar kein Platz mehr übrig an mir, du solltest mir auf ’n Buckl a Hutleisten machen lassen, als wie an einer Kaffeehauswand.

WIRT: Wollten die Herrschaften nicht gefälligst ablegen? (Ins Haus rufend.) He! Kellner!

BLASIUS: Haben S’ die Güte! (Die vier Kellner nehmen ihm die Hunde und übrigen Sachen ab und tragen sie ins Haus.) Siehst, Weiberl, was du für ein’ Mann hast an mir. Vier Kellner haben daran z’ schleppen, das hab’ ich alles allein tragen.

AGNES: Nicht mehr als deine Schuldigkeit.

BLASIUS: Ich weiß, Weiberl, ich mach’ dich nur aufmerksam drauf, daß ich brav war.

AGNES: Herr Wirt, besorgen Sie uns ein sehr gutes Mittagsmahl, kost’t es, was es will.

WIRT: Untertänigst aufzuwarten.

BLASIUS: Du, Weiberl, derf ich mir meine Leibspeis’ anfriemen?

AGNES: Du wirst essen, was auf den Tisch kommt.

WIRT: Sind Gäns’ oder Anteln gefällig?

ÜBERALL: Beides. Außerdem ermorden Sie sechs Hendeln und backen Sie dieselben gleich nach ihrem Tode.

WIRT: Sehr wohl, jetzt bitt’ ich aber, ein wenig hereinzuspazieren, die Sonne sticht heute gar stark.

AGNES: Herr von Überall, Ihren Arm.

BLASIUS (traurig für sich): Ich hätt’ so gern abg’schmalzne Zweckerln g’habt, sie erlaubt mir’s aber nit.

AGNES (im Abgehen zurücksehend): Hast du was zu brummen? (Mit Überall ab ins Haus.)

BLASIUS (demütig): Nein, Weiberl, nein! (Folgt nach.)

JOHANN: Komm, Schwester!

JULIE: Ach, Julie ist heute so heiter, wie Julie schon lange nicht war. (Hüpft mit Johann ins Haus ab, der Wirt folgt.)

 
Dritte Szene

LEICHT (tritt im abgeschabenen Anzug als Harfenist aus dem Hintergrunde während dem Ritornell des folgenden Liedes auf):

1.
Ich zieh’ als Harfenist herum
Und werd’ so leicht nit müd’,
Ich find’, das Leben is nit dumm,
Denn Geld tragt jedes Lied.
B’ständig an ein’ Ort sein, da wurd’ mir
Auf Ehre angst und bang,
Allein, da wird schon g’sorgt dafür,
D’Leut’ leid’n mich nirgends lang.

2.
Ich hab’ ein’ sehr trätablen Sinn,
Bin höflich mit die Leut’,
Nur dann, wenn ich betrunken bin,
Da krieg’ ich leicht ein’ Streit.
Mich zürnt das oft, ’s is mir fatal,
Daß man Grobian mich nennt,
Allein, das kommt nur daher, weil
Kein Mensch mich nüchtern kennt.

 
Vierte Szene

LEICHT, WIRT

WIRT (nach geendetem Liede aus dem Hause kommend): Da wär’ ja ein Harfenist.

LEICHT: Und was für einer!

WIRT: Ich hab’ mir ein’ b’stellt und der hat mich sitzen lassen.

LEICHT: Ich hab’ auch Untern Weißgerbern ’s Wort gegeben, aber i bin lieber außagangen in d’ Brühl.

WIRT: Is denn das aber recht, so die Leut’ anschmieren?

LEICHT: Das sind Launen, die haben wir Künstler alle.

WIRT: Wie heißt denn der Herr?

LEICHT: Mit’n Spitznamen der damische Hansel.

WIRT: Was gib ich dem Herrn, wenn er dableibt heut’ den ganzen Tag?

LEICHT: Bloß ’s Essen; jetzt essen tu’ ich aber etwas viel, hingegen z’trinken brauchen S’ mir nix z’geben als vier Maß Bier, fünf Halbe Heurigen und Schnaps, so viel i will. Zu zahlen brauchen S’ mir gar nix, denn ich geh’ nach jedem Stückel zweimal sammeln, und wer sagt, er hat nicht g’wechselt, mit dem bin ich impertinent.

WIRT: Na, das bittet ich mir aus! – Sieht der Herr, dort ist (zeigt rechts im Vordergrund in die Szene) die Erhöhung, auf der Er spielt, wenn der Garten voll is.

LEICHT: Gut, da setz’ ich mich gleich hin. Bringen S’ mir ’s Fruhstuck. (Will rechts ab.)

WIRT: Wo hat denn aber der Herr seine Gesellschaft?

LEICHT: Was für eine Gesellschaft?

WIRT: Sein’ Tenoristen, sein’ Komiker, seine erste Sängerin.

LEICHT: Das bin ich alles selber. Ich bin keiner von die modernen Harfenisten, ich bin noch ein Harfenist nach’n alten Schlag, wie er sein soll; ich habe mich nach dem Genre des blinden Poldl gebildet. Ich sing’ g’spaßige Lieder und sonst nix, das g’hört dem Harfenisten zu. Den Mißbrauch, daß s’ irzt in jedem Beisl Komödi spielen, den mach’ ich nicht mit.

WIRT: Man muß halt doch mit’n Zeitgeist gehen.

LEICHT: Es wird noch so weit kommen, daß jeder Harfenist große Oper und Ballett engagiert, aber ich tu’ das nit.

WIRT: Warum denn aber nit, wenn’s alle tun?

LEICHT: Weil es ein Unsinn is. Da war ich neulich auf ’n Neubau in ein’ Bierhaus, da haben sie sich auf zwei Tisch g’stellt und haben den „Wallenstein" g’spielt! Ja, das is halt zum Durchgehn. Mein Fruhstuck, Herr Wirt! (Geht rechts im Vordergrund ab.)

 
Fünfte Szene

ÜBERALL, JOHANN, JULIE (treten aus dem Hause, der Wirt verneigt sich und geht ins Haus ab)

JOHANN: Nun, was sagen Sie, Herr von Überall, ist die Gegend hier nicht wunderschön?

ÜBERALL: Hm! Ich mache zum erstenmal die Reise in die Brühl, aber bei Fischament gefällt es mir besser.

JOHANN: Nein, hören Sie, das is stark!

JULIE: Julie wird jetzt fortlaufen ins Grüne und wird einen Schmetterling haschen, o, welche Freude! Und wenn Julie zwei Schmetterlinge hascht, dann wird Julie eine doppelte Freude haben. (Hüpft links ab.)

 
Sechste Szene

JOHANN, ÜBERALL

JOHANN (ihr nachsehend): Sie ist ein liebes Mädl, meine Schwester, ich hab’ sie recht von Herzen gern, wenn sie nur nicht gar so naiv wäre!

ÜBERALL: In Fischament ist auch eine naiv, aber nicht so stark. Gut, daß sie fort ist.

JOHANN: Nein, das is nicht gut, denn ich bin sehr gern in ihrer Gesellschaft, lieber als in mancher andern. (Ein Kellner trägt aus dem Haus eine Flasche Bier und einen Teller mit Aufgeschnittenem nach rechts im Vordergrunde ab.)

ÜBERALL: Ich will den Augenblick benützen, Ihnen eine wichtige Entdeckung zu machen, welche den entschiedensten Einfluß auf Ihr ganzes künftiges Leben haben wird.

JOHANN: Hör’n S’ mir auf! Ich bin in der Brühl, um mich zu unterhalten, und nicht, um Entscheidungen über meine Zukunft anzuhören. Das entscheid’t sich mit der Zeit alles von selbst.

ÜBERALL: Ist nicht heute Ihr vierundzwanzigster Geburtstag? Haben Sie nicht vielleicht grade vor vierundzwanzig Jahren in finsterer Nacht das Licht der Welt erblickt?

JOHANN: Nein, aufs Monat werd’ ich erst dreiundzwanzig.

ÜBERALL: Ist nicht heute Ihr Namenstag?

JOHANN: Nein.

ÜBERALL: Haben Sie nicht heute Nacht ahnungsvolle Träume gehabt, daß sich an diesem Tage das Dunkel der Vergangenheit aufklären wird?

JOHANN: Lassen S’ mich aus, ich schlaf ’ die ganze Nacht wie ein Stückel Holz.

ÜBERALL: So hab’ ich also gar keinen Grund, Ihnen das Geheimnis heute zu entdecken, ich will es daher ohne Grund tun. Wissen Sie, Sie sind nicht der Sohn des Herrn Blasius Grundl. Sie sind ein Sprößling des vor zwanzig Jahren davongegangenen und darauf wahrscheinlich bald verstorbenen Dichters Leicht.

JOHANN: Was!? – Nicht möglich – ?

ÜBERALL: Es ist so, junger angenommener, in der Täuschung gelassener und für einen wirklichen ausgegebener Sohn.

JOHANN: Das ist ja eine prächtige Entdeckung. Die Julerl is also nicht meine Schwester, ich kann sie also heiraten?

ÜBERALL: Heiraten Sie sie jede Stund’ auf meine Gefahr.

JOHANN: Das ist ja herrlich!

 
Siebente Szene

JULIE; DIE VORIGEN

JULIE: Ach, Bruder, dort saß eine Spinne auf einer Blume, und vor der Spinne fürchtet sich Julie gar so sehr, bald hätte Julie geschrien.

ÜBERALL (für sich): Gehst du denn noch nicht!

JOHANN: Julerl, liebe schöne Julerl, den Augenblick hab’ ich erfahren, daß du – oder Sie gar nicht meine Schwester sein.

JULIE: Wie? Du bist nicht Juliens Bruder?

JOHANN: Ich bin ein angenommenes Kind, für Ihnen ganz ein fremder Mensch.

JULIE (weinend): Ach, ein fremder Mensch! Einen fremden Menschen darf Julie nicht mehr lieb haben. Julie weint sich zu Tod! Ach –! (Weint.)

JOHANN: Jetzt dürfen wir uns erst recht lieb haben.

 
Achte Szene

DIE VORIGEN; BLASIUS, AGNES

AGNES: Was weint denn mein Julerl?

BLASIUS: Hat dir wer was getan, Töchterl? Red’, du mein holdes Ebenbild.

JULIE: Julie weint, weil Johann nicht ihr Bruder ist.

BLASIUS: Wer hat denn das Geheimnis ausplauscht?

ÜBERALL: Ich.

AGNES: Wer hat Ihnen denn das erlaubt?

ÜBERALL: Niemand, aber ich hab’ es durch volle zwanzig Jahre verschwiegen, endlich is es mir zu viel geworden. In Fischament hat auch einer etwas ausgeplauscht.

AGNES: Gehen Sie zu und schamen Sie sich! Da heißt’s, die Frau’nzimmer sind nicht verschwiegen. Wir haben wohl alle Untugenden erst von die Männer gelernt.

BLASIUS (ängstlich): Was machen wir denn, daß d’Julerl zum Weinen aufhört?

AGNES: Jetzt ist der Frieden der Kinder schon gestört, es bleibt nichts übrig, als sie sollen sich heiraten, weil sie einmal wissen, daß sie keine Verwandten sind.

BLASIUS: Wenn du’s sagst, so is es das G’scheiteste.

JOHANN: Heiraten –!? Ich spring’ in die Luft vor Glück!

JULIE: Wie? Julie soll heiraten? Ach Gott, wie ist denn das möglich?

JOHANN (sie umarmend): Du gehörst mein fürs ganze Leben, so ist es möglich!

BLASIUS (zu Agnes): Derf ich s’ segnen?

AGNES: Was fallt dir ein? Hier in einem Wirtshaus?

BLASIUS: Na ja, ich hab’ nur g’fragt.

 
Neunte Szene

DIE VORIGEN; WIRT, EIN PAAR KELLNER

WIRT: Ich werd’ indessen so frei sein, mit einem kleinen Dejeuner aufzuwarten, es könnt’ zu lang’ dauern bis zu Mittag.

AGNES: Das war ein g’scheiter Gedanken, Herr Wirt.

BLASIUS: Sehr g’scheit!

AGNES (streng zu Blasius): Nicht immer dreinschnabeln, wenn die Frau red’t.

(Die Kellner haben mittlerweile den Tisch links im Vordergrunde mit Speisen und Wein besetzt, Agnes, Blasius, Überall, Julie, Johann setzen sich.)

WIRT: Mit einer Tafelmusik bin ich auch gleich bei der Hand. (Rechts hineinrufend.) He! Hör’ der Herr!

BLASIUS (blickt auch rechts hinein): Ein Harfenist! Das is g’scheit!

 
Zehnte Szene

DIE VORIGEN; LEICHT

LEICHT: Was gibt’s?

WIRT: Setz’ sich der Herr da nieder und sing’ Er den Herrschaften eins! (Setzt ihm einen Stuhl rechts in den Vordergrund.)

LEICHT (zum Wirt): Schaut was heraus bei die?

WIRT: Na, ich glaub’s, das sind weiter keine schönen Leut’.

LEICHT: Ich hab’ schon schöne Leut’ kennt, die ungeheuer schmutzig waren.

WIRT: Na, mach’ der Herr keine Umständ’.

LEICHT: So lassen wir halt eins los! Ich werde eine Ballade singen unter dem Titel: Der Verlust der Geliebten. (Präludiert auf der Harfe und singt dann folgendes Lied.)

1.
Am Sonntag steh’ i vormittag
So beim Komödienzettel
Und buchstabier’s z’samm’ nach und nach,
Es war just ’s „Aschenbrödl".
‘s Theater ist für mein’ Partie
Mehr als für mich a Bratel,
Und ’s Stuck, das hat gepaßt auf sie,
Denn sie ist Kuchelmadl.
Ich renn’ zu ihr, im schnellsten Lauf,
Sie g’freut sich ungeheuer,
Führ’ s’ ab’nds in letzten Stock hinauf,
Die andern Plätz’ sein z’ teuer.

2.
Das war a Völle, na, ich dank’,
All’s z’samm’drängt, fest wie Eisen,
Doch zwei Stutzer vorn auf einer Bank
Tun höchst artig sich beweisen.
Wie sie sehen, daß mein’ Sepherl steht,
Da rufen s’: „Holdes Schatzerl,
Ach, kommen Sie zu uns, es geht,
Hier ist ja noch ein Platzerl!"
Sie hüpft gleich über d’ Bänk’ und sagt:
„Ich dank’, jetzt seh’ ich’s prächtig!"
Mich aber hat ’s Gedräng’ gepackt,
Und ich muß z’ruck weitmächtig.

3.
Brav, denk’ ich mir, das is jetzt schön,
Mich zürnt das und nit weni,
So muß ich alle Qual’n ausstehn
Von Simi bis geg’n Zehni.
Ich tu’ sie fleißig observier’n,
Denn so was is sehr wichtig,
Und seh’, wie beide ihr flattier’n,
Das macht mich eifersüchtig.
Sie hat fünf Becherln G’frorn’s verlangt,
Die zahl’n, ’s war all’s Vanilli,
Sie ißt’s, eh’ jeder Akt anfangt,
Und ’s G’frorne is nicht billi.

4.
Endlich wird’s Stuck aus, ich denk’ mir,
Jetzt werd’ ich s’ wiederkriegen,
Die aber gehen fort mit ihr,
Durch d’ Leut’ fort, über d’ Stiegen.
Ich ruf ’ zehnmal bei jeden Schritt:
„Hörst, Sepherl, hörst, da bin i!"
Doch sie, sie tut, als hört sie’s nit,
Das zürnt mi erst unsinni.
Beim Hinausdrängen unter d’ Leut’
Verlier’ ich noch mein Kappel
Und ich erfrör, wie d’ Luft so schneid’t,
An beide Ohr’n mir ’s Lappel.

5.
Beim Tor erblick’ ich s’, lauf ’ hin,
Schrei’: „Jetzt gibt’s ein Massaker!"
Doch eh’ ich ganz bei ihnen bin,
Fahr’n s’ fort in ein’ Fiaker.
Verzweiflungsvoll steh’ ich in Schnee
Und mach’ fast ein Spektakel,
Ich spring’ vor Zorn so hoch in d’ Höh’
Und geh’ dann zu „Drei Hackel".
Da fass’ ich den Entschluß betrübt:
Fürs erste bleib’ ich ledi’,
Und würd’ i in eine noch verliebt,
Führ’ ich s’ in ka Komödi.

ALLE: Brav, Harfenist, brav!

LEICHT (zum Tische gehend und den Hut zum Sammeln hinhaltend): Mit ’n Beifall allein is mir nit g’holfen. I tät’ bitten demütig.

BLASIUS (zu Agnes): Wie viel darf ich denn hergeben?

AGNES: Zwei Zwanziger.

BLASIUS (wirft es Leicht in den Hut).

JOHANN: Da hat der Herr von mir auch ein’. (Gibt ihm.)

ÜBERALL: Da hat Er einen Gulden. (Zu Agnes.) Ich habe diese Tag’ meine Brieftasche verloren, seitdem trage ich das Geld immer in einem Komödizettel eingewickelt.

LEICHT (zu Überall): Geben S’ mir einen andern Gulden! (Legt ihn hin.)

ÜBERALL: Warum das?

LEICHT: Der Wirt soll ’n austauschen; was in einen Komödienzettel eingewickelt war, das nimm ich nicht.

AGNES (ihn mit Befremden betrachtend): Das ist ein kurioser Mensch!

WIRT (hat das Guldenzettel mit einem andern verwechselt und es Leicht gegeben).

ÜBERALL: Wie heißt Er?

LEICHT: Der damische Hansel.

AGNES: Warum haßt Er denn das Theater so?

LEICHT: Weil ich’s nit leiden kann. Ich bin deßtwegen fort aus Wien und so viele Jahr’ in kleine Örter herumzogen; vor acht Tagen bin ich zuruckkommen nach Wien, aber die fünf Zetteln, die man alle Tag’ ang’schlagen sieht, die werden mich bald wieder vertreiben.

AGNES: Und was hat Er denn da für einen sonderbaren Stock?

LEICHT: Sie werden ein’ doch schön ausfratscheln um Ihre zwei Zwanziger. Den Stock trag’ ich zum ewigen Andenken an eine Person, an die ich mich nicht mehr erinnern will. (Geht zu seiner Harfe.)

AGNES: Um alles in der Welt! Wenn er’s wär’ – !

BLASIUS: Wer denn, Weiberl? Wer?

AGNES: Der Dichter Leicht.

JOHANN: Mein Vater?

BLASIUS: Kann nicht sein. Vor fünfzehn Jahren haben wir ja den Brief kriegt aus Böhmen, daß er g’storben ist.

ÜBERALL: Nun, da werden wir gleich sehen. (Laut zu Leicht.) Ist der Herr nicht vor fünfzehn Jahren schon gestorben?

LEICHT (verwundert): Was fallt Ihnen denn ein?

ÜBERALL (zur Gesellschaft): Nun, sehn Sie, er ist es nicht.

AGNES (für sich, immer nach Leicht hinsehend): Mir geht der Mensch nicht aus ’n Kopf.

ÜBERALL: Mit seiner Komödizettel-Aversion muß ich mir doch noch einen G’spaß machen. He, Harfenist!

LEICHT (sich nähernd): Was befehlen Euer Gnaden?

ÜBERALL: Versuch’ Er einmal das Stück Gugelhupf. (Legt den Gugelhupf auf den Komödienzettel und gibt es dem Leicht.)

LEICHT: O, der Versuch wird auf jeden Fall gelingen. (Nimmt das Angebotene und setzt sich damit rechts in die Laube.)

ÜBERALL (leise zu der Gesellschaft): Ich hab’ den Gugelhupf aufs Theaterzettel gelegt.

AGNES: Gehen S’, sekkieren S’n nicht, den armen Menschen!

BLASIUS: Das is ein Hauptschub! Der Gugelhupf wird ihm in Magen liegen. (Lacht tölpisch.)

AGNES: Du wirst gleich was fangen, wennst so dumm lachst.

BLASIUS (ist plötzlich still).

JULIE: Unter anderm, Julie hat euch den Schmetterling noch nicht gezeigt, den sie fing.

ALLE (betrachten den Schmetterling).

ÜBERALL: Es wird ein Weinfalter sein.

BLASIUS (tappt darnach): Laßt’s anschauen!

AGNES: Wirst gehn, du wischt ja die ganze Farb’ von die Flügel!

LEICHT (in der Laube, währenddem die Gesellschaft den Schmetterling untersucht): Verdammt! Die haben mir den Gugelhupf aufs Komödizettel g’legt, drum sein mir die Zibeben so sauer vor’kommen. (Er will den Zettel zerreißen.) Halt – was is das? Das is ja mein Stuck (mit steigendem Affekt, liest) „Der Zauberschmarn von Leicht" – Was s’ mir so aus’pfiffen haben! – Das is ja aber – richtig – der Datum weist’s aus, das Zettel is erst vierzehn Täg’ alt. (Liest.) Zum hundertsten Mal „Der Zauberschmarn“! Hundertmal! Der Schmarn g’fallt! Jetzt g’fallt’s, weil s’ mich schon zwanzig Jahr’ für tot halten, weil’s mir nix mehr nutzt – es is zum Rasendwerden! (Sinkt ganz erschöpft auf die Rasenbank.)

AGNES: Jetzt soll uns aber die Julerl das Lied singen, das g’spaßige, aus dem Stuck, wo wir die vorige Wochen waren.

JOHANN: Was von mein’ Vatern ist? Du lieber Himmel, wenn ich das g’wußt hätt’! Ich hab’ noch so herzlich g’lacht drin.

AGNES: Geh, Julerl, sing’s!

JULIE: Ach, Julie schämt sich.

BLASIUS: Geh, du kannst es grad singen mit der Stimm’, als wie’s der im Theater singt.

JULIE: Aber Sie müssen Julien nicht ansehn dabei.

AGNES: Gut, fang’ nur an!

JULIE (singt mit Orchesterbegleitung die ersten Zeilen des Liedes aus: „Der gefühlvolle Kerkermeister"):
Ja, mit die Madln, da is richti, richti, richti
Allemal a rechter G’spaß.

LEICHT (hört in höchster Spannung zu).

JULIE (stockt und findet sich im Text nicht weiter).

LEICHT (fängt an zu singen und ergänzt die Strophe):
Bin i nit a schöner Kerl, Kerl, Kerl,
G’wachsen wie a Pfeifenröhrl, röhrl, röhrl etc.
(Bis zum Schluß der Strophe. Nach geendetem Gesang aus der Laube tretend.)
Das Lied is von mir!

AGNES, BLASIUS, ÜBERALL: Wär’s möglich! Das is der Leicht!

LEICHT: Ich bin’s, Leicht und damischer Hansel zugleich.

BLASIUS: Kennst denn dein’ Freund Blasius nicht mehr?

LEICHT: Agnes!?

AGNES: Ich bin’s –

JOHANN: Mein Vater!

LEICHT: Sohn!

AGNES: Und Ihre Stuck’ –

LEICHT: Ich weiß, jetzt werden s’ goutiert.

AGNES: Bleiben Sie bei uns und genießen Sie Ihren Triumph.

ÜBERALL: In Fischament hat auch einer seinen Triumph genossen.

LEICHT: Nein, mir g’fallt’s als Harfenist besser. Übrigens, wenn mich ’s Leben nicht mehr g’freut, so komm’ ich zu euch sterben.

JOHANN: Aber, Vater, so herumwandern in der Welt mit dem Bettelstab in der Hand!

LEICHT (ihm scherzhaft drohend): Du! Ich werd’ dir gleich zeigen, was das für ein Stab is. – Es is wahr, ich hab’ in meiner Jugend viel Malör g’habt, ich war aber auch ein Kerl zum Niederschlag’n. Das einzige G’scheite an mir war, ich hab’ nie zu hoch auswollen, drum bin ich auch nicht zu tief herunterg’fallen. Ich hab’ nie nach dem Lorbeer getracht’t, drum is auch das, was ich jetzt in der Hand halt’, kein Bettelstab. Meine Ansicht – (in die Szene blickend.) O je, da kommen die Bauern, ’s is Kirtag, jetzt heißt’s: Harfenist, sing! Ich werd’ euch halt das, was ich noch sagen hab’ wollen, vorsingen. Ihr werd’t’s mich verstehen, das Volk nicht, sie sein zu dalket, aber das macht nix, denn wenn sie’s nicht verstehn, so glauben s’ grad, das Lied is sehr schön.

Schlußgesang

(Leicht setzt sich zur Harfe rechts im Vordergrunde und präludiert, die handelnden Personen bleiben links im Vordergrunde und hören mit Teilnahme zu.)

LANDLEUTE BEIDERLEI GESCHLECHTS (kommen aus dem Hintergrunde mit dem Rufe): „Da kommt’s her! Da ist der Harfenist!“ (während dem Ritornell des folgenden Liedes und füllen die Bühne.)

LEICHT:
Ein steiler Felsen ist der Ruhm,
Ein Lorbeerbaum wachst drauf,
Viel’ kraxeln drum und dran herum,
Doch wenig’ kommen h’nauf;
Darneben ist ein Präzipiß,
’s geht kerzengrad hinab,
Da drunt’ ein Holz zu finden is,
Es heißt: der Bettelstab.

CHOR DER LANDLEUTE:
Lalalalala etc. etc.

LEICHT:
Wer nicht enorm bei Kräften is,
Soll nicht au’m Felsen steig’n,
Er rutscht und fallt ins Präzipiß,
Viel’ Beispiel’ tun das zeig’n.
Die Mittelstraß’n is ein breiter Raum,
Die führt kommod talab,
Es wachst zwar drauf kein Lorbeerbaum,
Doch auch kein Bettelstab.

CHOR DER LANDLEUTE:
Lalalalala etc. etc.

Der Vorhang fällt.

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